Monat: Juli 2017

SV Trinity – Tina + Stephan Hamann GER

SEGELN MIT SCHULKIND – FÜR DEUTSCHE FAST EIN UNDING

Moin Peter,
wir sind gut wieder aus der Türkei zurück und unsere Trinity ist wieder im Wasser und der Windpilot hat uns per Dänen und seinem Toyota gut erreicht. Joern braucht auch nicht mehr als eine Stunde um in die Türkei einzureisen … Das ware aber so viel Arbeit, dass wir weder den Windpilot haben montieren können noch das Boot richtig segeln können
Das Montieren des Windpiloten steht dann für unseren nächsten Besuch an.
Ich hoffe es geht Dir gut! Ach ja, noch eines: Ich liebe Deutsche Wertarbeit! Sogar Werkzeug war bei den Teilen dabei und alle Schrauben bereits gefettet. Fast unfassbar!! Dank der Bilder in der Beschreibung verstehe ich nun auch wie ich die Montage machen soll, durch das große zentrale Loch für das Du den Deckel beigelgt hast – wirklich pfiffig!
Wenn ich noch Kommentare habe, wirst Du es hören.
Erst einmal herzlichen Dank für alles  – und bis bald,
Tina + Stephan WEITERLESEN

Videoupdate #40

Ein weiteres Opfer und zwei Glücksfälle

Eigentlich war in Eyemouth zunächst mal ein Hafentag eingeplant um die körpereigenen Akkus wieder aufladen zu können. Das Wetter hatte indes anderes mit uns vor. Das Abrufen des Wetterberichtes ist auf der Nordsee ja zum täglichen Ritual geworden und so war es trotz eingeplantem Hafentag das erste was ich nach einem tiefen Schlaf morgens in Eyemouth erledigt habe. Ich mag gar nicht mal sagen, dass mir das was ich sah nicht gefallen hat denn eines lernt man hier sehr schnell: Das Wetter ändert sich hier oben in Schottland rasant. Die mitteleuropäischen Hochs verlieren hier ihren Einfluss und so zieht selbst im Sommer häufig ein Tiefdruckgebiet nach dem nächsten durch. Langfristige Planung ist so kaum möglich,  man muss sich immer dem Wetter anpassen und seine Pläne ggf. ändern. So auch heute. Der Wind sollte in etwa 36h auf Nordost drehen und dort für eine Weile verharren. Genau dort wollten wir aber hin. Also ausgiebig frühstücken und doch wieder rein in die Seestiefel. Pause machen können wir immer noch. Es soll entlang der Küste von Aberdeenshire an Rattray Head nach Whitehills gehen. Etwa 130sm. Von dort geht es mit Kurs West weiter, der Nordwestwind würde uns also nicht mehr stören.
Schon komisch wie sich die Verhältnisse durch den Schlag über die Nordsee verschieben. Wenn man nur mal eben in der westlichen Ostsee unterwegs ist sind die 45sm nach Fehmarn schon weit. Eine Nachtfahrt über 130sm wäre schon ein richtig anstrengendes Erlebnis. Und nun, noch immer mit den 416sm der vergangenen Tage in den Knochen denken wir uns nur: „Ach komm, den einen Tag kriegen wir doch auch noch eben hin.“ Und das ist eine der wichtigsten Lehren aus diesem Trip. Selbst wenn man jetzt nicht jeden Tag die Nordsee überquert verschiebt auch so ein einmaliger Trip die eigenen Komfortgrenzen deutlich nach oben.

Als Gegenleistung für den schnellen Aufbruch sollten wir einen besonders schönen Segeltag haben. Bis zum Abend sollte es trocken bleiben, der Wind sollte stimmen und entlang der schottischen Küste zu segeln war ja ohnehin spannend. Die Freude über diese Bedingungen hielt allerdings nur kurz halten. Es wurde deutlich, dass die Nordsee noch ein weiteres Opfer gefordert hat: Der elektrische Autopilot hat seine zwischenzeitlichen Einsätze auf der Nordsee offenbar nicht überlebt. Noch steuerte der Windpilot, aber der Wind sollte zum Abend hin einschlafen. Eine kurze Bastelstunde führte zu Tage, dass wohl mindestens der Elektromotor im Eimer ist. Tolle Wurst. Eine Reparatur würde den Törn wohl um Wochen verzögern, und ob es in Nordschottland so schnell Ersatz gibt sei mal dahingestellt. Wenigstens hat uns der Pinnenpilot aber die Freude gemacht die Nordsee zu überleben. Dort in den flauen Phasen ohne Fixpunkt am Horizont manuell den Kurs halten zu müssen wäre todesanstrengend geworden.  Viel besser wird es aber auch heute nicht. Nur eben kürzer. Pünktlich nach dem Abendessen schläft der Wind ein und bringt Regen mit. Und das alles mit Handsteuerung. Macht richtig Spass…

Die Nacht wird dementsprechend anstrengend. Als am Morgen querab Peterhead der Wind aus Nordost, also genau von vorne, zurückkommt, sind wir fast schon froh, immerhin kann der Windpilot nun wieder steuern. Peterhead hatte ich mir in der Planung aber auch als eigentlichen Ankunftshafen nach dem Nordseeschlag vorgestellt. Nun sieht es hier aber ganz und gar nicht einladend aus und ich bin fast froh, dass es uns stattdessen ins verschlafene Eyemouth verschlagen hat. Das Kap Rattray Head enttäuscht dagegen eher. Ein kleiner Leuchtturm vor einem dünigen Strand. Irgendwie hab ich mir die englischen Kaps eindrucksvoller vorgestellt. ;-) Der Strom an dieser Ecke zeigt aber, dass es hier wohl auch ohne hohe Klippen echt ungemütlich werden kann…

Die letzten 6 Stunden nach Whitehills entschädigen uns dann aber für die Strapazen der vergangenen Nacht. Es ist sonnig und an Backbord tut sich nun tatsächlich die erhofft eindrucksvolle Küste auf. Weit an Steuerbord taucht ein oder mehrere Minkwale immer mal wieder auf. Die Sonne scheint, und noch dazu weht ein schwacher Raumschotswind. Zeit endlich mal das neue Parasail auszuprobieren! Und was soll ich sagen? – Es ist ein echter Traum. Dieses Ding steht total stabil und lässt sich durch Böen überhaupt nicht ärgern. Auch kleinere Winddreher steckt es einfach weg und gleitet durch den eingebauten Gleitschirm darin ein wenig seitwärts anstatt an den Lieken zusammenzufallen. Ein völlig neues Raumschotsgefühl. Das wir ob des schwachen scheinbaren Windes wieder selbst steuern müssen macht einem das fast nichts mehr auf. Und das ist der erste echte Glücksfall dieses Tages. Aus den Pilot Books und Berichten anderer Segler weiss ich, dass diese Ecke mit ihren Strömungen und küstenparallelen Winden sehr tückisch sein kann. Heute hingegen ist sie ein echter Ententeich und wir segeln dicht unter den 160m  hohen Klippen, die von tausenden Basstölpeln bevölkert sind, entlang.

Nachmittags nähern wir uns dann dem Hafen von Whitehills. Ein kleines verschlafenes Fischernest mit vielleicht 500 Einwohnern und einem Hafen dessen zwei Becken so klein sind, dass selbst die kleine Nonsuch kaum darin drehen kann. Eigentlich also genau die Art von Hafen die man sich für einen Schottlandbesuch wünscht. Auf der anderen Seite dürften die Chancen hier einen neuen Autopiloten zu bekommen hier gleich Null liegen. Trotzdem ist es genau der richtige Ort um nach der Überfahrt erst einmal abzuschalten.

Das absolute Highlight von Whitehills erwartet uns bereits am Steg. Hafenmeister Bernie ist ein überaus lustiger und hilfsbereiter Zeitgenosse. Nebenbei war er hier auch noch fast 50 Jahre Fischer. Kaum haben wir ihm von unserem Problem mit dem Autopiloten erzählt holt er sein Telefon raus und telefoniert mit einem Chandler, einem Yachtausrüster, einige Orte weiter. `“Which model was it again?“ – „“Raymarine“ – „Yep, they have it in stock and keep their Shop open for another 20 minutes“. Ich kann es kaum glauben, da hat hier am Arsch der Heide tatsächlich jemand das passende Modell auf Lager liegen, lässt seinen Laden für uns noch 20 Minuten länger auf, und Bernie ruft noch eben ein Vereinsmitglied an, der uns schnell dorthin fährt. Von so viel Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit bin ich echt gerührt. Fast noch nie habe ich mein Hafengeld so gerne bezahlt wie hier bei Bernie. Überhaupt ist mir aufgefallen, dass die Hafenmeister sich hier nicht nur als Abkassierer, sondern eher als Gastgeber wie in einer Pension o.Ä. verstehen. Überall wird versucht alles möglich gemacht, nachgefragt wie es einem geht, und sogar noch nach dem Auslaufen per Funk eine gute Fahrt gewünscht. So relativieren sich die im Vergleich zur Ostsee etwas höheren Hafengebühren sofort.  Glücklich lassen wir uns den verspäteten Anleger schmecken und erkunden das kleine Örtchen. Auch ein Besuch im wahrscheinlich unscheinbarsten Pub der Welt darf natürlich nicht fehlen.

Unserem Plan hier noch für einen Ruhetag zu bleiben macht das Wetter allerdings einen Strich durch die Rechnung und so werfen wir tags drauf am Mittag schon wieder die Leinen los. Bernie macht seinem Ruf alle Ehre, winkt uns von der Hafenmole zu und macht sogar noch Fotos von uns beim Auslaufen. Dieser liebenswerte Zeitgenosse war der zweite Glücksfall auf diesem Teilstück.

Oliver Friel – Nachruf auf einen Freund

IN DEN EWIGEN FISCHGRÜNDEN

Der letzte Anruf von Oliver kurz vor seiner Abreise in den Urlaub nach Norwegen, war eine Verabredung und Versprechen, uns endlich wieder einmal bei uns zu treffen.

Es sollte nicht mehr dazu kommen. Oliver ist am vergangenen Mittwoch 12.07.2017 im Alter von nur 58 Jahren in Norwegen völlig unerwartet, verstorben. In Norwegen, seinem Urlaubs- und Traumziel als Angler. Oliver war dem Angeln verfallen, wie wir es nie bei einem anderen Menschen erlebt haben. Ihm war egal, wenn die Kälte die Gummihosenbeine hochgekrochen kam, seine Geduld war unendlich, sein grösstes Glück, eine wunderschöne Meerforelle zu fangen, egal bei welchem Wetter. Seine Freude war ansteckend, wenn er seinen Fisch endlich an der Angel hatte. Er hat ihn fotografiert, ihm in die Augen geschaut, sich an seinem perfekt schillerndem Äusseren erfreut … und ihn dann manches Mal wieder in die Freiheit entlassen, wenn er noch unter Welpen Schutz gestanden hat. Ein Sport, den man verstehen muss, was nicht jeder kann, wir eingeschlossen, weil kalte Füsse nicht unsere Freunde sind. Angeln ist ein stiller Traum, um den Fisch nicht zu verschrecken. Für Oliver der Traum schlechthin. Jahrelang war er zu bestimmten Zeiten an seinen immer gleichen Fischgründen anzutreffen. Die Halbinsel Alsen in Dänemark war sein Hotspot. Ob die Fische wohl wussten, dass sie sich vor diesem Angler nicht zu fürchten hatten? Es hätte zu Oliver gepasst. Und es hätte ihm gefallen!

Oliver war für uns ein junger Geist, als GRAFIK DESIGNER unbändig kreativ, stets neugierig Neuem auf der Spur, mit tiefem Sinn für Humor, ein in sich geschlossenes Perpetuum Mobile, das man nur zart berühren – ihm verbal eine Idee zu skizzieren brauchte – um ihn hernach möglichst allein zu lassen, ihn nicht weiter zu stören, denn das Ergebnis seiner Überlegungen war stets aussergewöhnlich, so vollkommen klar und überdeutlich – vor allem niemals zu verbessern. Für uns war Oliver ein geschlossenes System, dass sich selbst befruchten konnte. Ein klitzekleiner Anstoss war genug … um Olivers Kreativität zur Explosion zu bringen.

„Gib mir ein paar Tage Zeit!“ Damit fing es an. Was dann folgte, war stets ein Fest, denn Olivers Kreativität kannte keine Grenzen, er war zielsicher, klar und dezidiert – manchmal schlicht atemberaubend in der Einfachheit der Ergebnisse – für uns Kunstwerke, die aus handwerklichen Fähigkeiten entstehen, wenn Menschen ihren Beruf als Berufung begreifen, die sie nur erreichen können, wenn sie ihre Handschrift lebenslang verfeinern und vertiefen. Oliver war für uns ein begnadeter Künstler und zudem von warmer Menschlichkeit, die ihn so besonderes liebenswert machte. Ein Mann, dem man sein Alter nie angesehen hat, dessen Erscheinung in Symbiose mit seiner unbändigen Jugendlichkeit und dem Sinn für Humor ihm viele Freunde brachte.

Schade, dass Oliver seine grossen Träume nicht mehr hat realisieren können: dem Traum eines Häuschens abseits des Trubels, einem Leben umgeben von Stille, vielleicht mit ein paar Fischen, es war der Norden, der ihn faszinierte.

Oliver fehlt uns, so wie er vielen seiner Freunde fehlt, zu plötzlich, zu unvermittelt hat er uns verlassen. In unserem Herzen hat er einen festen Platz.

Hamburg 17.07.2017
Marzena Wiska
Peter Foerthmann

Susak. Die Insel, die die Winde schufen.

Aus der Ferne vom Meer her sieht Susak, die Insel vor Losinj, aus als würde eine Herde flauschig-grün-gefärbter Nacktmulle die Köpfe zusammen- und dem Ankömmling die rundlich-faltig-flauschigen Hinterteile entgegenstrecken. Susak gibt sich anders als die anderen Inseln, ist an seiner Oberfläche nicht von ragenden messerscharfem Kalkstein-Kanten geformt. Ist nicht zerklüftet, sondern steigt vom Meer gleichmässig steil an auf die Höhe eines Plateaus. Als wäre die Insel das Geschwisterchen des großen Tafelbergs drunten am Kap der guten Hoffnung. Susak trägt auch nicht den Bewuchs, der typisch ist für die Nachbar-Inseln. Ist nicht wie sie überzogen von dornigem Krüppelwuchs oder undurchdringlicher Macchie oder übersäht mir duftendem Salbei, der zwischen den scharfen Felsen wuchert. Sondern von Gräsern. Und langen, im Wind wiegenden Schilfhalmen. Es sind die Schilfhalme, die dem Inselrücken aus der Ferne das fluffige Nacktmull-Aussehen geben.

Warum auf Susak alles so ganz, ganz anders ist, hat mit einer geologischen Rarität zu tun: Susak ist nicht einfach nur nackter Fels. Auf den üblichen drei Meter aus dem Meer ragenden Kalkstein-Buckel hat der Wind noch einmal die vierfache Höhe Sand draufgepackt. Lößsand. Feinster hellbrauner Staub, weich wie Fell, angeweht während der Eiszeit aus den urweltlichen Ablagerungen von Urflüssen, feinster grauer Staub von irgendwoher „vom Winde verweht“. 

Es waren die Winde, die den Sand hierhertrugen und – der Himmel weiß, in was für einer irrwitzigen Konstellation aus Wetter, Witterung, Luft- und Meeresströmungen – über Jahrhunderte den feinen Sandstaub mit an Ewigkeit grenzender Geduld in einer hohen Schicht auftürmten. Es bleibt ein Rätsel, warum die Winde das genau hier taten. Auf einer Insel mitten im Meer. Und nicht ein paar Seemeilen weiter auf den benachbarten Inseln Losinj oder Unije. Es bleibt ein noch größerer geologischer Aberwitz, dass der schlichte Haufen Sand über Jahrhunderttausende an dieser Stelle liegen blieb. Und sich erhielt. Es scheint wie ein Wunder, dass der feine, von jedem Windhauch aufstäubende Lößsand sich nur drei Meter entfernt über den nagenden Wellen erhebt, auf die er quasi von oben

herabschaut, während sie zu seinen Füßen toben. Aber zu überheblich sollte er ob seines Sonderstatus nicht sein, der Lößsand. Denn dort, wo die Bora, der böige Nordost oder der Südwest die Wellen höher als anderswo gen Susak jagen, sieht man deutlich, wie sie dem Schilf den Löß unter den Füßen wegziehen. 

Susak. Eigentlich gefällt mir sein italienischer Namen weit besser: Sansego. Alles Geheimnis der Welt schwingt in diesen sieben Zeichen mit. Sansego. Es ist Nachmittag, als ich aufbreche und LEVJE alleine vor Anker in der Bucht zurücklasse. Und mit dem Dinghi an Land hinüberrudere. Was ich keinen Moment bereue. Wilde Bienen haben Löcher, ihre Nester, in die steil ansteigenden Wände des Löß gegraben. Es summt und brummt, dass ich einen Moment ganz iritiert bin, ob der Bienenschwarm sich nicht gleich gegen mich, den fremden Eindringling rottet. Und sich als wütende Wolke auf mich stürzt. Aber nichts passiert. 

Ich klettere den steilen Pfad hinauf. Eigentlich ist es nicht mehr als eine handbreite Furche in allerfeinstem Sand, die in steilen Zichzacklinien hinaufführt aufs Plateau. Ein ums andere Mal rutsche ich auf dem feinen Sand aus, erinnere mich, wie das damals war, das erste Mal als ich hier war, mit Katrin, nach einem Regen. Wo der feine Sand nichts anderes war als eine schmierige Rutschbahn.

Ich folge weiter der schmalen Furche im Sand, als hätte sie jemand mit dem Maßband abgemessen. Plötzlich erhebt sie sich zur drei Meter tiefen, schmalen Schlucht im Sand. Alles ist von dichtem Grün überzogen, Gräser, Dornen, Blüten, Pflanzen. Und keine Macchie, wie anderswo. Sansego-Susak verblüfft, auf Schritt und Tritt.

Dann stehe ich oben auf dem Plateau. Ein weiter Blick hinunter in die Bucht, auf Levje. Ob sie immer noch in der Mitte der Bucht ist, wo ich sie zurückließ? Dann weiter. Der sandige Weg ist jetzt ein Feldweg im Sand, der dort oben verläuft. Nicht mehr zwischen Sandwänden, sondern jetzt zwischen übermannshohen Schilfwedeln. Und in den

Schilfwäldern Felder. Und Weinberge. Auf Susak wird neuerdings wieder Süßwein angebaut. Wenn ich ehrlich bin, unternehme ich die Wanderung ja nur, um vielleicht irgendwo hier auf der Insel eine kleine Flasche Susak-Süßwein in irgendeinem Markt zu ergattern. Aber bis zum Ort der Insel, dessen eine Hälfte sich etwas entfernt in die einzige Hafenbucht duckt und dessen andere auf dem Sandplateau oberhalb, brauche ich noch ein wenig.

Stattdessen komme ich zuerst zum Friedhof. Er liegt eine Viertelstunde außerhalb des Ortes, ganz im Südwesten der Insel. Die schmiedeeiserne Tür zum Friedhof ist offen. Die Gräber stammen ausnahmslos ab den Jahren um 1850. Es sind Familiengräber. Die Picinichs liegen hier. Und die Tarabocijan. Die Busanic. Die Skrivanic. Und die Morin. Es sind Namen, hinter denen die italienischen Wurzeln noch hervorlugen, man muss einfach nur an jeden dieser Namen ein -o ans Ende hängen. Und schon wäre er wieder sichtbar, der einstige italienische Name. Jetzt sind sie irgendwie eingepasst, eingefügt in diese nordkroatische Welt. War ein Teil der Bewohner einst Einwanderer? Aus Italien? Oder sind die Dinge komplizierter: Kroaten aus den italienischen Minderheiten Istriens und Rijekas rund um den Kvarner, die hierher auf die abgelegene Insel kamen. Und blieben.

Auch die Vornamen: Domenico. Maria. Anna. Es ist, als wäre ich in einem entfernten Außenposten der italienischen Welt gelandet. Ein Teil von ihr. Und doch kein Teil. Etwas, das seine Wurzeln nicht verleugnen will. 

Neben jedem Namen prangt hinter Glas ein Foto des Verstorbenen. Domenico: Ein resoluter Mann mit weißem Vollbart, gestorben wie seine Frau Maria vor fast eineinhalb Jahrhunderten hier auf der Insel Susak. Fotografien aus der Anfangszeit der Fotografie. Es muss einen Fotografen gegeben haben hier auf der Insel, der all die Menschen zu Lebzeiten fotografierte, ihre Gesichter auf eine Glasplatte bahnte. Ein Gott auf Erden, der den Menschen der Insel im fahlen Licht seiner Dunkelkammer das ewige Leben schenkte – zumindest als auf Glas gebannte Fotografie. Sie schauen, Männer im Gehrock mit weißen Vollbärten, ihre Frauen unter tief in die Stirn gezogenen Kopftüchern den Betrachter an, gleichmütig, reglos, über die Jahrhunderte hinweg. Wie der Fotograf es ihnen in diesem einem Moment aufgetragen hatte. Ein flüchtiger, vergänglicher Augenblick vor eineinhalb Jahrhunderten, festgehalten, gebannt für die Ewigkeit.

So wie auch die Insel Susak/Sansego.

Es heißt, sie wären gute Seeleute gewesen, die Männer von Susak. Es heißt auch, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen, als die neuen jugoslawischen Machthaber im fernen Belgrad ihnen mit harter Fischerei- und sonstiger Planwirtschaft jede Perspektive auf ein besseres Leben nahmen. Zwischen 1950 und 1965 verliessen über 2.500 Emigranten die Insel, fast zwei Drittel der damaligen Bevölkerung. Und gingen auf der Suche nach einem besseren Leben nach New York, wo ihre Nachfahren noch heute überwiegend in New Jersey oder in Hoboken leben. Und in Susak? Leben heute keine 200 Menschen. Nur im Sommer, wenn Feriengäste kommen und Verwandte der einstigen Besitzer vom kroatischen Festland, um hier Urlaub zu machen, wächst die Inselbevölkerung für einige Wochen wieder auf ihre ursprüngliche Größe an.

Als ich nach Stunden zur Bucht zurückkomme, in der LEVJE schaukelt, kann ich nicht anders: Ich sammle in einer alten Plastikflasche, die das Meer angespült hat, ein wenig von dem wunderbaren weichen Sand von Susak ein. Für Daheim. Auf einem Bord im großen Raum unseres Zuhauses stehen etwa 20 Flaschen mit Sand. Manchmal schaue ich sie an. Eine Flasche mit dem rotbraunen Sand von Porto Baratti vor Elba ist dabei, fast rot, weil an diesem Strand einst Etrusker Eisenerz verhütteten. Und eine italienische Firma immer noch 100 Jahre damit zu tun hatte, um noch einmal die Schlackenberge einzuschmelzen, die die Etrusker übrig gelassen hatten. Der hellgraue Sand von Canuta in Apulien, nahe von Foggia, wo die Burgen Friedrichs II. stehen. Der dunkle Sand vom Strand von Bozburun in der Türkei, wo sie die schweren Gülets bauten. Sand aus Korsika. Sand aus der Karibik. 

Aber keiner ist so fein, so puderig, wie der Sand von der Insel Susak.

Susak. Die Insel, die die Winde schufen.

Aus der Ferne vom Meer her sieht Susak, die Insel vor Losinj, aus als würde eine Herde flauschig-grün-gefärbter Nacktmulle die Köpfe zusammen- und dem Ankömmling die rundlich-faltig-flauschigen Hinterteile entgegenstrecken. Susak gibt sich anders als die anderen Inseln, ist an seiner Oberfläche nicht von ragenden messerscharfem Kalkstein-Kanten geformt. Ist nicht zerklüftet, sondern steigt vom Meer gleichmässig steil an auf die Höhe eines Plateaus. Als wäre die Insel das Geschwisterchen des großen Tafelbergs drunten am Kap der guten Hoffnung. Susak trägt auch nicht den Bewuchs, der typisch ist für die Nachbar-Inseln. Ist nicht wie sie überzogen von dornigem Krüppelwuchs oder undurchdringlicher Macchie oder übersäht mir duftendem Salbei, der zwischen den scharfen Felsen wuchert. Sondern von Gräsern. Und langen, im Wind wiegenden Schilfhalmen. Es sind die Schilfhalme, die dem Inselrücken aus der Ferne das fluffige Nacktmull-Aussehen geben.

Warum auf Susak alles so ganz, ganz anders ist, hat mit einer geologischen Rarität zu tun: Susak ist nicht einfach nur nackter Fels. Auf den üblichen drei Meter aus dem Meer ragenden Kalkstein-Buckel hat der Wind noch einmal die vierfache Höhe Sand draufgepackt. Lößsand. Feinster hellbrauner Staub, weich wie Fell, angeweht während der Eiszeit aus den urweltlichen Ablagerungen von Urflüssen, feinster grauer Staub von irgendwoher „vom Winde verweht“. 

Es waren die Winde, die den Sand hierhertrugen und – der Himmel weiß, in was für einer irrwitzigen Konstellation aus Wetter, Witterung, Luft- und Meeresströmungen – über Jahrhunderte den feinen Sandstaub mit an Ewigkeit grenzender Geduld in einer hohen Schicht auftürmten. Es bleibt ein Rätsel, warum die Winde das genau hier taten. Auf einer Insel mitten im Meer. Und nicht ein paar Seemeilen weiter auf den benachbarten Inseln Losinj oder Unije. Es bleibt ein noch größerer geologischer Aberwitz, dass der schlichte Haufen Sand über Jahrhunderttausende an dieser Stelle liegen blieb. Und sich erhielt. Es scheint wie ein Wunder, dass der feine, von jedem Windhauch aufstäubende Lößsand sich nur drei Meter entfernt über den nagenden Wellen erhebt, auf die er quasi von oben

herabschaut, während sie zu seinen Füßen toben. Aber zu überheblich sollte er ob seines Sonderstatus nicht sein, der Lößsand. Denn dort, wo die Bora, der böige Nordost oder der Südwest die Wellen höher als anderswo gen Susak jagen, sieht man deutlich, wie sie dem Schilf den Löß unter den Füßen wegziehen. 

Susak. Eigentlich gefällt mir sein italienischer Namen weit besser: Sansego. Alles Geheimnis der Welt schwingt in diesen sieben Zeichen mit. Sansego. Es ist Nachmittag, als ich aufbreche und LEVJE alleine vor Anker in der Bucht zurücklasse. Und mit dem Dinghi an Land hinüberrudere. Was ich keinen Moment bereue. Wilde Bienen haben Löcher, ihre Nester, in die steil ansteigenden Wände des Löß gegraben. Es summt und brummt, dass ich einen Moment ganz iritiert bin, ob der Bienenschwarm sich nicht gleich gegen mich, den fremden Eindringling rottet. Und sich als wütende Wolke auf mich stürzt. Aber nichts passiert. 

Ich klettere den steilen Pfad hinauf. Eigentlich ist es nicht mehr als eine handbreite Furche in allerfeinstem Sand, die in steilen Zichzacklinien hinaufführt aufs Plateau. Ein ums andere Mal rutsche ich auf dem feinen Sand aus, erinnere mich, wie das damals war, das erste Mal als ich hier war, mit Katrin, nach einem Regen. Wo der feine Sand nichts anderes war als eine schmierige Rutschbahn.

Ich folge weiter der schmalen Furche im Sand, als hätte sie jemand mit dem Maßband abgemessen. Plötzlich erhebt sie sich zur drei Meter tiefen, schmalen Schlucht im Sand. Alles ist von dichtem Grün überzogen, Gräser, Dornen, Blüten, Pflanzen. Und keine Macchie, wie anderswo. Sansego-Susak verblüfft, auf Schritt und Tritt.

Dann stehe ich oben auf dem Plateau. Ein weiter Blick hinunter in die Bucht, auf Levje. Ob sie immer noch in der Mitte der Bucht ist, wo ich sie zurückließ? Dann weiter. Der sandige Weg ist jetzt ein Feldweg im Sand, der dort oben verläuft. Nicht mehr zwischen Sandwänden, sondern jetzt zwischen übermannshohen Schilfwedeln. Und in den

Schilfwäldern Felder. Und Weinberge. Auf Susak wird neuerdings wieder Süßwein angebaut. Wenn ich ehrlich bin, unternehme ich die Wanderung ja nur, um vielleicht irgendwo hier auf der Insel eine kleine Flasche Susak-Süßwein in irgendeinem Markt zu ergattern. Aber bis zum Ort der Insel, dessen eine Hälfte sich etwas entfernt in die einzige Hafenbucht duckt und dessen andere auf dem Sandplateau oberhalb, brauche ich noch ein wenig.

Stattdessen komme ich zuerst zum Friedhof. Er liegt eine Viertelstunde außerhalb des Ortes, ganz im Südwesten der Insel. Die schmiedeeiserne Tür zum Friedhof ist offen. Die Gräber stammen ausnahmslos ab den Jahren um 1850. Es sind Familiengräber. Die Picinichs liegen hier. Und die Tarabocijan. Die Busanic. Die Skrivanic. Und die Morin. Es sind Namen, hinter denen die italienischen Wurzeln noch hervorlugen, man muss einfach nur an jeden dieser Namen ein -o ans Ende hängen. Und schon wäre er wieder sichtbar, der einstige italienische Name. Jetzt sind sie irgendwie eingepasst, eingefügt in diese nordkroatische Welt. War ein Teil der Bewohner einst Einwanderer? Aus Italien? Oder sind die Dinge komplizierter: Kroaten aus den italienischen Minderheiten Istriens und Rijekas rund um den Kvarner, die hierher auf die abgelegene Insel kamen. Und blieben.

Auch die Vornamen: Domenico. Maria. Anna. Es ist, als wäre ich in einem entfernten Außenposten der italienischen Welt gelandet. Ein Teil von ihr. Und doch kein Teil. Etwas, das seine Wurzeln nicht verleugnen will. 

Neben jedem Namen prangt hinter Glas ein Foto des Verstorbenen. Domenico: Ein resoluter Mann mit weißem Vollbart, gestorben wie seine Frau Maria vor fast eineinhalb Jahrhunderten hier auf der Insel Susak. Fotografien aus der Anfangszeit der Fotografie. Es muss einen Fotografen gegeben haben hier auf der Insel, der all die Menschen zu Lebzeiten fotografierte, ihre Gesichter auf eine Glasplatte bahnte. Ein Gott auf Erden, der den Menschen der Insel im fahlen Licht seiner Dunkelkammer das ewige Leben schenkte – zumindest als auf Glas gebannte Fotografie. Sie schauen, Männer im Gehrock mit weißen Vollbärten, ihre Frauen unter tief in die Stirn gezogenen Kopftüchern den Betrachter an, gleichmütig, reglos, über die Jahrhunderte hinweg. Wie der Fotograf es ihnen in diesem einem Moment aufgetragen hatte. Ein flüchtiger, vergänglicher Augenblick vor eineinhalb Jahrhunderten, festgehalten, gebannt für die Ewigkeit.

So wie auch die Insel Susak/Sansego.

Es heißt, sie wären gute Seeleute gewesen, die Männer von Susak. Es heißt auch, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen, als die neuen jugoslawischen Machthaber im fernen Belgrad ihnen mit harter Fischerei- und sonstiger Planwirtschaft jede Perspektive auf ein besseres Leben nahmen. Zwischen 1950 und 1965 verliessen über 2.500 Emigranten die Insel, fast zwei Drittel der damaligen Bevölkerung. Und gingen auf der Suche nach einem besseren Leben nach New York, wo ihre Nachfahren noch heute überwiegend in New Jersey oder in Hoboken leben. Und in Susak? Leben heute keine 200 Menschen. Nur im Sommer, wenn Feriengäste kommen und Verwandte der einstigen Besitzer vom kroatischen Festland, um hier Urlaub zu machen, wächst die Inselbevölkerung für einige Wochen wieder auf ihre ursprüngliche Größe an.

Als ich nach Stunden zur Bucht zurückkomme, in der LEVJE schaukelt, kann ich nicht anders: Ich sammle in einer alten Plastikflasche, die das Meer angespült hat, ein wenig von dem wunderbaren weichen Sand von Susak ein. Für Daheim. Auf einem Bord im großen Raum unseres Zuhauses stehen etwa 20 Flaschen mit Sand. Manchmal schaue ich sie an. Eine Flasche mit dem rotbraunen Sand von Porto Baratti vor Elba ist dabei, fast rot, weil an diesem Strand einst Etrusker Eisenerz verhütteten. Und eine italienische Firma immer noch 100 Jahre damit zu tun hatte, um noch einmal die Schlackenberge einzuschmelzen, die die Etrusker übrig gelassen hatten. Der hellgraue Sand von Canuta in Apulien, nahe von Foggia, wo die Burgen Friedrichs II. stehen. Der dunkle Sand vom Strand von Bozburun in der Türkei, wo sie die schweren Gülets bauten. Sand aus Korsika. Sand aus der Karibik. 

Aber keiner ist so fein, so puderig, wie der Sand von der Insel Susak.

Land in Sicht!!! – Ankunft in Eyemouth

Zu Beginn der Nachtwache bin ich noch reichlich müde. Man fängt dann immer ganz leicht an zu halluzinieren, sieht einzelne Lichter aufblitzen oder Ähnliches. Doch halt, dieses Licht war jetzt schon zum zweiten Mal an der gleichen Stelle. Vielleicht ein Fischer der in den Wellentälern kurz verschwindet denke ich mir. Als sich da Leuchten einige Minuten lang immer im exakt gleichen Rhythmus wiederholt ist klar: Land in Sicht! Das da vorne, in etwa 30sm Entfernung ist der Leuchtturm Longstone!! So langsam kann ich verstehen welche Faszination die Leuchttürme in vergangenen Zeiten auf Seeleute gehabt haben. Ich denke mir, dass es nun geschafft sei, freue mich auf die Ankunft am nächsten Tag und bringe die vermutlich letzte Nachtwache hinter mich bevor ich gegen 0400 abgelöst werde und mich noch mal aufs Ohr legen kann. Bald sind wir da.

Die Nordsee hatte jedoch noch andere Pläne mit uns. Als ich gegen 0500 in der Koje liegend in einem Wellental fast abhebe ist klar, dass der Wind mal wieder aufgedreht hat. Ich gehe an Deck um mir das ganze Mal anzuschauen und grummel in mich hinein. Der Wind hat auf Schlag gedreht und  ein ganzes Stück früher als erwartet zugelegt. Noch dazu kommt er nicht wie angesagt aus Südwesten sondern wird durch den Firth of Forth, einne tief eingeschnittene Förde in Schottland, wie durch eine Düse nach NNW umgelenkt. Man kann sich das ganze so in etwa wie den Effekt vorstellen den einen bei starken westlichen Winden in der Flensburger Außenförde erwartet. Nur eben mal 10.
Eine kurze Überlege- und Abwägungsphase folgt. Der Wind bläst jetzt schon mit etwa 20kn von vorne. Natürlich könnte man das aufkreuzen. Der Hafen von Arbroath ist jedoch ab halber Tide mit einem Schleusentor verschlossen, wir müssten spätestens um 1600 dort sein. Ob das bei den aktuellen Bedingungen gelingt ist sehr fraglich. Könnte klappen, wir hätten aber überhaupt keine Reserven mehr. Also ist Arbroath nicht mehr sicher zu machen. Ein weiteres Mal macht sich der Bananenkurs bezahlt und wir können uns einen Hafen südlicher aussuchen. Die Wahl fällt auf Eyemouth. Immerhin schon in Schottland. Eigentlich mag ich dieses Gefühl gemachte Pläne aufgeben zu müssen ja nicht sonderlich, aber heute ist das irgendwie egal. Ein Törn über die Nordsee lässt einen die richtigen Prioritäten setzen.

Die letzte Kreuz wird durch den zunehmenden Wind allerdings zur Tortur. Die Welle die sich aus NNW rasch aufbaut kämpft mit der aus Dünung aus SW der letzten Tage. Und wir Hart am Wind mittendrin. Aber wo sollen wir jetzt auch hin außer in Richtung Land. Wenigstens wird das ganze mit jeder Meile die wir uns dem Land nähern erträglicher. An Kaffeeaufsetzen ist bei dem Wind nicht zu setzen. Der Anblick des ersten „richtigen“ Landes elektrisiert am frühen Morgen dann aber trotzdem. Hohe Hügel, Täler und einige Klippen sind auszumachen. Wir sind in Great Britain angekommen – Die Nordsee ist geschafft.  Und dazu scheint auch noch die Sonne. Ich setze das Fernglas kaum mehr ab. Und gleich am ersten Tag fällt mir dann auch gleich das erste Castle sofort ins Fernglas. Schon die ersten paar Minuten Landsicht machen deutlich, dass wir an einer völlig fremden Küste gelandet sind.

Zu viel Ablenkung ist aber nicht erlaubt. Hier an der Ostküste liegen unzählige Fischernetze und Bojen verstreut. Daran hängen Lobster Pots, Käfige zum Hummerfang. Kann man sich super drin verheddern. Entgegen den Dingern in der Ostsee sind die hier aber maximal mit einem kleinen Kugelfender markiert und entsprechend schwer zu entdecken. Oft ist es schon zu spät. Ein Grund mehr warum ich die englische Ostküste auslassen wollte. Nach einer Erhebung einer englischen Segelzeitschrift hatte bisher jeder zweite Round-Britain Skipper ein unangenehmes Aufeinandertreffen mit den Lobster Pots… Besonders Erfolgreich kann der Fang allerdings irgendwie nicht sein. An der gesamten britischen Nordseeküste ist mir bisher kein Hummer im Restaurant oder zum Verkauf untergekommen. Vielleicht brauchen die Fischer deswegen so viele Bojen… ;-)

Heute haben wir aber Glück und treffen keinen Lobster Pot. Mit jedem Kreuzschlag wird die Küstenlinie rauher und eindrucksvoller und gegen Mittag liegt die Ansteuerung von Eyemouth direkt vor uns. Gleich zum Anfang mitten durch Felsen, die nur mit einer einzigen Leitlinie versehen seind, hindurch. Als wir dann durch die Molenköpfe hindurch gleiten fühlt sich das fast unwirklich an. War es das schon?
Nonsuch wird festgemacht und ein kleiner Anleger steht sofort bereit. Auch ohne den werden die Knie an Land schnell schwach. Nach den 4,5 Tagen auf See wird man eher land- als seekrank. Der Hafenmeister, ein lustiger schottischer Opa, freut sich mit uns und zeigt uns mit einer (noch) ungewöhnlichen Herzlichkeit alle Facilities seines Hafens.

Was folgt ist das erste große Durchatmen. Eyemouth ist ein echter Glückstreffer, ein richtig uriger schottischer Fischereihafen. Der Hafen ist bereits einige hundert Jahre alt uns überall von typisch britischen Steinhäuschen umgeben. Genau so stellt man sich seinen ersten britischen Hafen vor.  Ganz ungewöhnlich für uns Deutsche: Hier sind Yachties und Fischerei völlig gleichberechtigte Nutzer des Hafens. Im Hafen tummeln sich einige Kegelrobben die jeden einlaufenden Fischkutter verfolgen und sich mit artistischen Einlagen jedes Mal einige Fische ergattern. Fast schon dressiert wirken die flapschigen Gesellen und sind DIE Attraktion für die an diesem sonnigen Tag durch den Hafen schlendernden Passanten.

Zwei Tageshighlights steht heute noch an, doch zunächst mal bekommt Nonsuch eine kleine Wellnessbehandlung. Die Tage auf der Nordsee haben Spuren hinterlassen. Alles ist mit einer dünnen Salzschicht überzogen und wirkt stumpf. Obwohl ein Pint frisch gezapftes Ale und eine Dusche eigentlich das tollste überhaupt wären, wird das Boot erst mal einer Komplettreinigung überzogen und die verschiedenen Schapp-Füllungen die sich auf der letzten Kreuz im ganzen Schiff verteilt haben, wieder einsortiert. Und dann sind wir dran: Die Dusche war wahrscheinlich die beste meines Lebens. Man merkt richtig wie sich jeder einzelne Muskel unter dem brühwarmen Wasser wieder löst. Als wir dann wieder aussehen wie zivilisierte Menschen geht es dann trotz Müdigkeit noch in den ersten Pub. Das muss am Tag der Ankunft einfach sein. Einen typisch schottischer Steak Pie, quasi ein Gulasch mit Blätterteighaube und Chips, den typisch dicken Pommes, dazu  ein Pint schottischen Cider später ist der Pubbesuch aber auch schon beendet. Nichts geht mehr. Den Weg ums Hafenbecken herum zum Boot gehen wir wie die Opas, kriegen kaum die Füße noch hoch. Noch in Klamotten falle ich sofort in die Koje. Angekommen in Schottland. Fertig, aber glücklich.

Und was Eyemouth mit dem Monster von Loch Ness zutun hat, erfahrt ihr auch bald….

SV Makaio – Stephanie Seifert AT

ZICKE-ZACKE-SEGELN ZWISCHEN ROTEN UND GRÜNEN GATES

Wetter: Sonne satt. sogar ein bisschen warm. Wir haben alle gut Farbe bekommen und konnten sogar die kurzen Hosen auspacken (Windjacken mussten trotzdem sein). Die „dänische Südsee“ hat ihrem Namen alle Ehre gemacht.

Stephanie Seifert

SV Puffinus – Chantal + Roger Rodenhäuser CH

SCHWEIZER SEGLER FISCHEN SCHLAUER

Hallo Peter,
wie du siehst, haben wir dich nicht vergessen. Wir sind, ich hoffe nur noch momentan, im Dauersteress. Wir wollen ja Lemmer anfang August richtung Süden verlassen. Eine ganze Liste „to do“ ist noch da. Von noch nicht fertigen Arbeiten bis Bunkern alles vorhanden. Irgendwie werden wir auch das noch schaffen.

Ich musste über deinen spitzigen Bleistift lachen obwohl es eigentlich zum Weinen wäre. Humor ist wenn man trotzdem lacht. Ich finde es toll, dass dir noch soviel Humor geblieben ist. Ich kann es dir bestens nachfühlen da wir Leidensgenossen sind. Ich 67, auch in der 3. Lernetappe… 35 Jahre Geschäftstätigkeit mit allem was dazu gehört… Aber wir sind beide Unternehmer und unternehmen etwas, auch im Wissen, dass es schief gehen kann. So bleibt das Leben eben lebendig und spannend. Mein beruflicher Ausstieg ist mir wahrhaftig geglückt und ich hoffe, dass es so bleibt, wie es jetzt ist. Ich habe meinen Betrieb mit allem drum und dran inherhalb 10 Minuten per Handschlag verkauft, die Liegenschaft innerhalb 6 Monate um und ausgebaut und vermietet. Aber von nichts kommt eben nichts. Dann konnten wir uns in Ruhe dem Bootsbau widmen. Ich hoffe, dass auch dir, wenn du nicht mehr magst, der Ausstieg gelingt.

Besten Dank für deine Tipps. wir haben schon darin geschmökert und geschmunzelt, was es alles so gibt. Naja, jedem sein eigenes Schiffchen oder jedem Narr seine Kappe ( Vorsicht: Sarkasmus ). Wir werden in deinem Blog weiter lesen und uns amüsieren.

Das Hilfsruder ist montiert und das erste Manöver gefahren. Mir scheint es geht ganz gut. Bald kommt das Rausfinden, wie man bei Fahrt die Anlage richtig einstellt. Wir sind sehr gespannt.

Wir sind fast drei Jahre in Lemmer und haben natürlich auf dem Boot gelebt und gearbeitet. Z.B. Die Toilette, wohlverstanden die 3. endlich brauchbare, und eingebaut. Elektrisch wie es sich gehört. Probespülung … welch ein Gefühl, das zu sehen. Doch was ist jetzt??? Nach dem dritten Probelauf kein Wasser. Überlegen, suchen, demontieren, und siehe Foto. Kein weitere Kommentar. Andere gehen angeln, wir machen das modern. Nach dem 5.ten Fisch haben wir es aufgegeben, das Schiff rausgenommen und ein provisorisches Sieb montiert.

Jetzt wünschen wir euch noch einen schönen Sonntagabend.
Herzliche Grüsse
Chantal und Roger

SV Muktuk – Andreas Neumann GER

EIN LOBLIED AUS NZ UND EINE LÖSUNG FÜR SCHLAUMEIER

Als in den 60er Jahre Elga und Ernst-Jürgen Koch als erstes Weltumsegler-Paar unterwegs waren, musste immer einer der beiden am Ruder stehen. Hut ab, wir können uns heute nicht vorstellen, welche Strapazen das für die beiden bedeutet hat.

Pacific Plus + AP

Neue Scheiben braucht das Boot

Eigentlich braucht Nomade für die nächsten Etappen erst mal nur ein paar neue Rahmen, mit denen die vorhandenen Scheiben gehalten werden. Einige dieser Rahmen sind nämlich so stark korrodiert, dass Bruchgefahr besteht, sollte sich dort mal eine Welle von der Seite ungünstig austoben.
Das Problem vor Ort war allerdings, dass die Schrauben, mit denen die alten Rahmen gehalten werden, so festgegammelt sind, dass man das alles nur noch mit Gewalt lösen kann. Die Scheiben sind jedoch aus Echtglas. Es handelt sich dabei noch um die Originalen aus den 70ern, welche versenkt im Stahl mit unbekanntem Kit eingebettet sind.
Sprich, die Bruchgefahr beim Ausbau und damit das Risiko plötzlich ganz ohne Fensterscheibe dazustehen ist nicht zu unterschätzen. Und da ich langfristig sowieso von diesen Glasscheiben und dem Einbauprinzip weg wollte, habe ich nun „Nägel mit Köpfen“ gemacht und die Zeit in Wesel genutzt, um die ersten vier neuen Scheiben aus Polycarbonat anzufertigen.

Die Neuen werden nicht, wie die alten Glasscheiben, nur vom Rahmen auf kleiner Fläche gehalten, sondern sie werden mit dem Rahmen zusammen großflächig verschraubt. Das wird dazu führen, dass die Dichtfuge eine echte Fuge ist und (noch wichtiger) der Rahmen aus Aluminium keinen flächigen Kontakt mehr zum Stahlrumpf hat.
Die große Auflagefläche des Rahmens direkt auf dem Stahlrumpf hat nämlich dazu geführt, dass der Rahmen bei niedrigen Außentemperaturen so stark abgekühlt ist, dass er regelrecht in Kondenswasser geschwommen ist. Er hat über die Verschraubung nun praktisch als Anode gewirkt und sich geopfert.
Mit den neuen Scheiben aus Polycarbonat wird der Rahmen flächig vom Stahl isoliert. Wärmeverlust findet dann größtenteils nur noch über die Schrauben statt. Ob diese Maßnahme allein ausreicht um Kondenswasser zu verhindern, wird dann die Praxis zeigen.

Neue Rahmen haben wir bereits einige an Bord. Die hat Nomades Vorbesitzer noch anfertigen lassen.
Die neuen Scheiben bestehen aus 8mm Polycarbonat mit UV Schutzschicht. Ich konnte ein günstiges Reststück bekommen, welches geradezu ideal für 4 Scheiben gereicht hat. Nachdem Zeichnung und Fräsprogramm erstellt waren, habe ich das Material mit meiner CNC Fräse bearbeitet. Polycarbonat lässt sich sehr gut fräsen, wenn Vorschub und Drehzahl gut eingestellt sind. Man muss nur auf ausreichende Kühlung achten, damit das Material nicht schmilzt und den Fräser verklebt.
Nach dem Fräsen musste ich nur noch 4 Stege pro Scheibe durchtrennen und die Kanten entgraten.

Auf der Nordsee – Teil 2

Mittlerweile hat der Wind auf 21kn aufgefrischt. Irgendwie genau das was ich exakt mitten auf der Nordsee nicht haben wollte. Zwar stimmt die Richtung, etwas vorlicher als Raumschots, und irgendwo in der westlichen Ostsee wäre es der perfekte Segelwind und man würde das Lachen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen, aber irgendwie gelten hier draußen auf der Nordsee andere Gesetze.
Hier ist Niemand mehr. Heute morgen haben wir den letzten Dampfertreck und die letzte Gasplattform hinter uns gelassen. Das AIS bleibt nun leer. Keine Kontakte. Hier sind wir jetzt komplett auf uns allein gestellt. 180km/h auf der heimischen leeren Autobahn zu fahren macht ja irgendwie Spaßl. Aber auf einer sibirischen Landstraße im Nirgendwo macht einen das leicht nervös. Wenn jetzt ein Reifen platzt hilft keiner so schnell. Ich denke dieser Vergleich verdeutlicht meine Gefühlslage so ungefähr.
Der Wind nimmt auf 6 Windstärken zu. Überraschend schnell baut sich eine beachtliche See auf. Lang, und hoch zwar, aber auch mit unruhig brodelnden Schaumkronen obenauf. Durch die schnellen Höhenwechsel in den Wellentälern wird das Wasser immer mal wieder durch die Cockpitlenzer gedrückt. Das kleine Boot kommt etwas an seine Grenzen. Ist ja am Ende immer noch ein Kielschwerter. Obwohl es im Bezug auf Kurs und Gschwindigkeit eigentlich ein affengeiles Segeln ist kann ich es irgendwie momentan nicht genießen. Zu ungewohnt ist noch das Gefühl hier draußen wirklich komplett auf sich allein gestellt zu sein. Nervosität aus Unerfahrenheit.

Nonsuch jedoch macht ihren Job prima. Eigentlich ist sie ja gar nicht für diese Verhältnisse gebaut, und doch reitet sie jede Welle weich ab, der Windpilot steuert zuverlässig und das Rigg steht auch blendend. Das beruhigt mich etwas. Wenigstens war meine Einschätzung, dass das Schiff diese Reise abkann nicht falsch. Es ist also wirklich eher der Skipper der sich an sein neues Abenteuer noch gewöhnen muss….

Trotz der zeitweiligen Nervosität kann ich im Nachhinein nichts anderes sagen als das die Nordsee trotzdem zahm war. Offensichtlich hat sich unser Topfopfer gelohnt. Gegen Abend nimmt der Wind wieder ab und wir können uns sogar ein schönes warmes Abendessen bereiten. Mangels Alternative allerdings nur im Wok mit flachen Seitenwänden. Meine Ölhose kann heute noch ein Lied von dieser Kochsession denken.
Ihr merkt vielleicht bereits an der lockereren Schreibweise, dass ich mich Stunde um Stunde mehr an das Blauwassersegeln gewöhnt habe. So kommt die nächste Nacht schon mit etwas Entspannung und ich kann in der Freiwache bereits wieder gut schlafen. Als ich die Nachtwache übernehme liegen die Randbereiche der Doggerbank querab. Auf ihnen trohnt ein fast 120m hoher Sendemast, dessen rotes Aero-Licht, obwohl weit südlich von uns gelegen, uns fast die ganze Nacht verfolgt. Eine ganz komische Stimmung und Kulisse ist das. Der Himmel ist grau und bedeckt, wir sind immernoch 300km vom Land weg, und mitten im Nichts steht dieses fast schon bedrohlich wirkende rote Licht in der Luft. Fast die ganze Nacht beäuge ich das Ganze dann auch. Die Anspannung bleibt hoch.

4 Stunden Schlaf und einen Sonnenaufgang später mache ich nun das dritte Mal Frühstück und Kaffee auf See. Dieser Tag steht im starken Kontrast zum gestrigen, denn so langsam stellt sich eine gewisse Gelassenheit und fast schon etwas Routine ein. Zumindest beim Kaffeekochen. Mir wird eine weitere Besonderheit des Blauwassersegelns bewusst. Bei den normalen Tagestörns ist die eigene Stimmung meist mehr oder weniger konstant, hier gibt es ein ständiges Auf und ab, man lebt richtig auf dem Meer mit allen Facetten und ist nicht nur für einige Stunden tagsüber zu Gast solange es einem angenehm ist.
Je mehr Gelassenheit sich einstellt desto mehr Zeit bleibt auch für diese typischen Hochsee-philosophoschen Gedankengänge und Gespräche. Wenn es nicht gerade pustet hat man hier draußen alle Zeit der Welt über Gott und die Welt nachzudenken ohne irgendeine Ablenkung. Kein Handynetz, nichts Ablenkendes, eine echte Wohltat (und das sage ich als jemand der sonst echt gern am Handy klemmt).
Pünktlich zu dieser zufriedenen Stimmung taucht auch der erste Delphin der Reise aus und dreht eine Runde ums Schiff. Die Blauwassernervosität von uns beiden zeigt sich nun mal anders: Wir sind zunächst völlig perplex und der Außenbordskamerad ist schon wieder verschwunden bevor ich die Kamera zücken konnte. Also gibt es für euch leider keine typisch kitschigen „Delphine-spielen-am-Bug“ Fotos.  Wer aber so langsam wieder auftaucht sind die Fischer. So langsam merken wir, dass wir uns dem Land wieder nähern. Also gibt es wieder etwas mehr zu tun…. Kleine Feierstunde dann aber noch am Nachmittag: Wir überqueren den Nullmeridian. Auch wieder so ungewohnt, dass wir beide die nächsten paar Logbucheinträge aus reiner Gewohnheit immer noch „E“ ins Logbuch eintragen.

Das Laden der Wetterberichte wird mehr und mehr zum festen Fixpunkt im Tagesablauf. Fast so wie die Tagesschau an Land. Der nächste Wetterbericht den wir über das extra für die Fahrt gemietete Satellitentelefon ziehen bringt allerdings wieder etwas Ernüchterung. Auch wie meistens die Tagesschau…  Unser Wetterfenster wird immer kleiner. Schon am nächsten Nachmittag soll es wieder mit 25kn auf der Nordsee wehen. Unklar wieviel die Realität da noch draufpacken wird. Unser eigentlichen Ziel Peterhead in Aberdeenshire werden wir in der verbleibenden Zeit nicht mehr erreichen können. Zumindest wenn wir nicht das Risiko eingehen wollen mit der kleinen Nonsuch in das dicke Wetter zu geraten. Ich bin zwar kein Weichei, aber dieser Schiffsgröße sind auf dem offenen Meer einfach Grenzen gesetzt. Soviel haben die letzten Tage gezeigt. Nun macht sich aber die sorgfältige Planung der letzen Tage bezahlt. Ich habe den Kurs ja mit Absicht nicht genau auf Peterhead gesetzt, sondern eine „Banane“ in Richtung Britisches Festland gefahren. Und so haben wir jetzt die Möglichkeit einen Hafen zu wählen den wir in den verbleibenden 18std. erreichen können. Die Wahl fällt auf das schottische Arbroath. Der Kurs wird angepasst, die Tiden und Karten gecheckt und so geht es nach einem weiteren Abendessen auf See (diesmal ohne Flecken auf der Hose) in die nächste Nacht. Kurz vor 12 werd ich wach und mache mich bereit die Nachtwache wieder zu übernehmen. Statt Kaffee schnell eine Heisse Tasse aufgesetzt, 4 Schichten Klamotten (im Juli!) an, und los. Der Wind weht kalt und hat bereits etwas gedreht und zugenommen. Aber alles noch kein Problem. Ich richte mich im Cockpit ein und beginne die Wellen zu beobachten…