Monat: Juli 2017

Dieselpest. Oder: Das Leben in meinem Tank.

Ein schöner Morgen in Kroatien. Ablegen aus der Bucht Vela Luka ganz im Westen der Insel Korcula. Aber kaum draußen aus der Bucht stottert der Motor. Und stirbt ab. Ein Vierzylinder sagt einfach Tschüss. Und bleibt stehen.

Neustart. Er machts. Und läuft einfach erstmal weiter. Die Hoffnung, die in einem Winkel meines Hirns gedeiht, dass das ein einmaliges Ereignis gewesen sein könnte. Aber während ich den Gedanken denke, sagt eine andere Ecke meines Hirns: „Du weißt genau, dass ein Diesel nicht einfach mal stehen bleibt. Einmal ist nur der Anfang“.

Zehn Minuten später geht der Motor stotternd erneut aus. Er setzt aus. Wir setzen Segel. Kurs Richtung Lastovo, noch weiter nach draußen. Ich gönne dem Motor eine Ruhepause. Und habe die Filter im Verdacht. Einen nach dem anderen inspiziere ich. Das Schauglas vom Wasserabscheider. Nichts trüb. Alles klar. Kein Wasser. Dann den Kraftstofffilter an der Maschine. Nichts. Ich bin ratlos.

Es muss mit der Kraftstoffleitung zu tun haben. Anruf in der SUBEAM-Werft. Ergebnis: Es könnte ein Pfropfen in der Ansaugleitung des Dieseltanks sein. Der Tipp:

1. Erstmal an der dem Motor nächstgelegenen Entlüftung nachsehen, ob Diesel kommt. Oder die Leitung leer ist.

2. Ist sie leer, die Leitung vor dem ersten Filter abschrauben. Und reinpusten.

Die Kraftstoffleitung bei der Entlüftung ist leer. Also schraube ich die hintere Leitung ab. Und puste. Wie doof. Richtung Tank. Aber außer einem hochroten Kopf kein Ergebnis. Die Leitung – ist zu. Tot. Da kommt nix durch.

Wenn ich nicht weiterkomme mit einem Problem, wandere ich. Ein in Bewegung bleiben. Ich setze mich ins Cockpit zu meiner Frau. Mittlerweile hat der Wind erheblich aufgefrischt, 5-6 bft. Zeit zu reffen. Und Zeit, eine Lösung fürs Pusten zu finden.

Ich schnappe mir, während Katrin gerefft zwischen Korciula und Lastovo steuert, am Nachmittag den Tretblasebalg des Dinghis. Ein stabiles Ding meines Vorbesitzers. Zerschneide den Luftschlauch. Und baue mir mit drei anderen Kraftstoff-Schlauchresten – nein, ich kann einfach nichts wegwerfen. Und ein Stück Kraftstoffschlauch schon gar nicht! – und Rohrschellen einen Anschluss für die Kraftstoffleitung.

Dann schließe ich meine selbstgebaute Pustepumpe an den Stutzen an, der aus dem Tank führt.

Nichts. Der Tretbalg bleibt hart wie ein Teak-Klotz, wenn ich drauftrample. Ich stelle mit beiden Beinen drauf, erhöhe den Druck auf dem Tretbalg auf Körpergewicht. „Prüfdruck 90 Kilo“ – das hält der Blasebalg ganz sicher nicht aus. Oder? Er hält. Plötzlich gehts für mich abwärts. Die Luft entweicht. Und aus den Tiefen des 210-Liter-Edelsathl-Dieseltanks neben mir erklingt ein befreites Geblubber.

Hurra.

Meinen Durchpuster wieder abbauen. Kraftstoffleitung wieder dran. Ganze Leitung entlüften. Dann Zündschlüssel drehen. Er springt ohne Murren an. Und läuft.

Hurra.

Aber nur 35 Minuten. So lange dauert die Fahrt Richtung Lastovo. Dann setzt der Motor wieder aus. Mit Stottern.

Aber ich weiß ja jetzt, was zu tun ist: Selbstgebauten Durchpuster wieder an den Tank anschließen. „Prüfdruck auf 90 Kilo“ erhöhen. Rrrrrrrumms machts im Tank, gefolgt von Geblubber.

Diesmal stirbt der Motor nach zehn Minuten ab. Ich erwäge den Gedanken, statt der vor dem Starkwind schützenden Bucht im Westen Lastovos fünf, sechs Stunden Richtung MARINA KORCIULA zu segeln. Antonia vom Empfang ist – anders als zuvor MARINA PALMIZANA auf Hvar – überaus freundlich. Sie sei bis neun da. Danach nur der Wachdienst. Aber die würden mich schon irgendwie reinkriegen.

Ich verwerfe den Gedanken. Also Lastovo. Nach noch einmal durchpusten hält der Motor durch die Einfahrt zwischen den Meerengen durch. Wir lassen das Großsegel stehen. Und suchen uns einen Platz in der vollen Bucht.

Blick über Inspektionsluke samt Tankgeber in die hellblaue Diesel-Tiefe, wo nur mein Schlauch hinunterrreicht.

Am nächsten Morgen zeitig raus. Ich rücke den 200 Litern Diesel auf den Leib. Schraube die Inspektionsluke ab. Blicke hinunter auf 200 Liter blauschimmerndes Diesel. Auch da ist nichts zu sehen. Einen weiteren meiner Freunde aus meinem Schatz, dem Schlauchschapp an die kleine Handpumpe anschließen. Und dann in die Tiefen des Tanks versenken. Und Diesel zur Sichtkontrolle in die Wasserflaschen abfüllen. Dialyse für Diesel.

Wo sonst mein Bett ist: Heute alle meine Spielsachen: Kleine Handpumpe. Leere Wasserflaschen. Schläuche. Und jede Menge Papaiertücher.

Zuerst nichts. Bei der sechsten Flasche Diesel stockt die Handpumpe. Sie will nicht mehr. Irgendwas blockiert. Steckt im Schlauch. Wehrt sich. Ich hole den Schlauch aus dem Tank. Zerlege ihn. Und die Pumpe. Finde das da:

Ein dreißig Zentimeter langes Teil, das aus meiner Pumpe kommt. Und aussieht wie ein Bandwurm. Ein faseriger Organismus, schleimig, dicht, fest, den ich nach und nach aus der kleinen Handpumpe ziehe.

Ich betreibe meine „Diesel-Dialyse“ den Vormittag und den halben Nachmittag.
Mit dem Schlauch jedes Mal an die tiefste Stelle des Tanks.
Danach mit schnellen, möglichst saugstarken Zügen der Handpumpe Diesel in die drei 1,5-Liter-Wasserflaschen füllen.
Sichtkontrolle. Filtern.
Was sauber ist: zurück in den vollen Tank.

Ich finde noch verschiedene Reste dieses Gewebes. Keiner der Bandwurm-ähnlichen Organismen kürzer als 10 Zentimeter. Etwas Schleim, kein Becherglas voll.

Etwas Anstrengung kostet der Stutzen Tankboden. Der Ablauf, der noch im Herbst funktionierte – jetzt ist er verstopft. Auch da hängt was drin. Aber mit Durchpusten schaffe ich es, ihn frei zu bekommen.

Am Abend läuft der Motor über eine Stunde anstandslos. Und dann noch eine Stunde, während des Verlegens auf einen anderen Ankerplatz in der Bucht.

Hardfacts:

1. Boot im Herbst neu gekauft nach langer Standzeit.
2. Deshalb GROTAMAR im Herbst in den Tank gekippt. Vielleicht nicht ausreichend. Aber immerhin.
3. Denn: Das Ablassen von etwa 2-3 Litern Diesel aus dem Tank via Entleerungsstutzen brachte – außer der üblichen Verschmutzung – keine nennenswerten Hinweise auf Dieselpest.
4. Seit Kauf ist die Maschine ca. 150 Motorstunden anstandslos gelaufen. Ca. 900 Seemeilen oder 1.700 Kilometer.
5. Seit Kauf wurde etwa fünf, sechs Mal frisches Diesel „nachgetankt“, um das Altdiesel schnellstens zu verdünnen.

Meine Hypothese: Die Dieselpest kann aufgrund der langen Laufzeit eigentlich nicht im Tank entstanden sein. sondern das faserige Material kam in den Tank bei einem dieser letzten Nachtank-Sessions . Das letzte „Nachtanken“ lag ca. fünf Motorstunden zurück.

Achillesfersen – Ruder

SCHEIN UND WIRKLICHKEIT

Ein Rundgang durch europäische Messen und Marinas zeigt den Erfolg von Marketing und Promotion, zeigt Trends und Neuigkeiten, die stets als Verbesserungen apostrophiert, beworben und in der Folge dann gekauft werden. Die meisten Yachten suchen dabei den Spagat von Performance bei zeitgleich hohem Nutzwert und Wohnlichkeit, was für den gemeinen Segler akzeptabel sein mag, weil er sein Schiff überwiegend in erreichbarer Nähe von schwimmender oder fliegender Hilfe verwendet. Die Nutzung und Empfehlung dieser Schiffe für die hohe See hingegen, sollte nach m.E. anderen Anforderungen zu folgen haben, die bei uns, wie ich es empfinde, bei Marketing und Promotion zu selten im Vordergrund stehen: Die Solidität und Bauweise der Anhänge! WEITERLESEN

Argostoli, Amsterdam, Wesel

Am 23. Juni habe ich Nomade in Argostoli abgeschlossen, nochmal alle neun!!! Festmacher kontrolliert und mich auf den Weg zum Flughafen gemacht. Einchecken, einsteigen, abheben und einen letzten Blick aus der Luft aufs Schiff werfen, welches nun knapp 3 Monaten mein Zuhause war.
Einige Stunden später war ich dann in Amsterdam und nach ein paar Zugfahrten bin ich schließlich am Abend in Wesel angekommen. Sabrina, Filou, meine Nichte, meine Eltern und Benno waren da und ich habe mich riesig gefreut, alle wieder zu sehen.

So richtig begeistert war ich von dieser Unterbrechung der Reise trotzdem nicht. Aber es gibt einiges in Deutschland zu erledigen und in den letzten Wochen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bei dem Reisetempo der letzten Zeit, in Italien der finanzielle Ruin drohen würde. Hafengebühren jenseits der 100€, ja sogar jenseits der 200€ sind dort in der Hochsaison keine Seltenheit. Nicht pro Monat oder Woche, pro Tag!
Für die Hochpreisgebiete des Mittelmeeres gibt es noch, oder besser gesagt wieder, zu viele Baustellen. Der Zustand des Schiffs verbessert sich zwar stetig, aber es kostet eben Zeit. Auch, weil es unterwegs schwierig ist an entsprechende Teile zu kommen. Und wenn, dann dauert es lange. Das zieht wieder einen Rattenschwanz an Verzögerungen nach sich.
Ich komme einfach viel langsamer vorwärts, als ich mir das erhofft hatte und da muss ich ganz klar sagen, dass mein Plan viel zu optimistisch war. Das Wetter war zwar auch nicht gerade optimal, aber wann ist es das schon? Nomade ist einfach noch zu sehr Baustelle und das ist nicht gut.
Und jetzt sieht es eben so aus, dass ein Aufbruch gen Westen schlicht unsinnig wäre. Ohnehin ist mir im Moment ein wenig die Lust auf Sizilien vergangen, nachdem ich von fast allen Crews, die mir aus dieser Richtung  in den letzten Wochen entgegen gekommen sind, viel negatives gehört habe und in Argostoli unfreiwillig Bekanntschaft mit einer Art traditionellem sizilianischen „Way of Life“ gemacht habe, der in Filmen oft romantisch verklärt wird. Die Realität sieht anders aus und ist für Betroffene teuer, oder riskant. Teuer, wenn man zahlt, riskant, wenn man nicht zahlt. Und noch riskanter wenn man nicht zahlt und seinen Mund aufmacht.
Ich zahle also „nur“ nicht und halte zähneknirschend meine Klappe.
Allerdings bin ich enttäuscht, dass sich die Gerüchte, die man immer mal wieder hört, bestätigt haben. Und das 250 Seemeilen weit entfernt von Sizilien!
Aber egal! Kefalonia lasse ich mir nicht von ein paar Einzelnen vermiesen. Hier habe ich viele liebe Menschen kennengelernt.

Mittlerweile bin ich seit einigen Tagen in Wesel, habe letzte Dinge an Camino erledigt und arbeite unter anderem die Einkaufsliste für Nomade ab. Für die nächste Zeit stehen noch diverse Sonderanfertigungen fürs Schiff auf dem Zettel und Törnplanung muss auch noch gemacht werden. Es gibt ja nicht nur Sizilien…

Eine kleine Bilanz können wir nach 3 Monaten auch mal ziehen und eine Einschätzung für die Zukunft abgeben. Habt ihrs gemerkt? Ich hab „wir“ gesagt! Denn das ist ganz wichtig, auch wenn ich in letzter Zeit meistens im Singular geschrieben habe, Sabrina ist natürlich, auch wenn wir weit voneinander entfernt sind, immer mit involviert und arbeitet im Hintergrund an der Reise und für die Reise!

Also, Bilanz zuerst:

Knapp 3 Monate an Bord, davon drei Wochen zu zweit und knapp zwei Wochen zu dritt
4 Törns zu zweit, 6 Törns Einhand
280 Seemeilen im Kielwasser

Im Verhältnis von Strecke zu Zeit an Bord sieht man ganz gut, dass ich kaum vorwärts gekommen bin. Ich habe eben mehr am Boot geschraubt als ich segeln konnte.
Daran wird sich auch in nächster Zeit nicht viel ändern. Wenn ich bald wieder nach Argostoli fliege, werde ich eine Weile mit Reparaturen beschäftigt sein.

Und nun die Einschätzung zu Nomade und zur Zukunft:

Nomade war für uns ein Überraschungsei, aber das war von vornherein klar bei diesem Tausch. Jetzt haben wir mit ihr aber immerhin die ersten Seemeilen zurückgelegt und es hat auch Einhand funktioniert. Davor hatte ich wirklich Bammel und auch jetzt muss ich sagen, so eine große Ketsch Einhand zu bewegen fällt mir noch nicht leicht. Sie ist allerdings auch noch nicht wirklich optimal ausgerüstet, das darf man nicht vergessen.
Im Hafen kann ich Nomade trotz der Größe gut bewegen. Allein durch die hohe Masse bleibt für viele Manöver mehr Zeit. Nur Seitenwind bereitet manchmal Probleme. Da ist der gemäßigte Langkiel mit Bugspriet von allen Typen so ziemlich der mit dem größten Handicap. Während das Heck durch die große Lateralfläche in diesem Bereich wie festgenagelt im Wasser liegt, fehlt diese am Bug und lässt ihn entsprechend driften. Fast 15 Meter Länge über Alles können dann ganz schön viel sein, wenn das Hafenbecken eng ist und gewendet oder rückwärts angelegt werden muss, zumal Nomade über keinen ausgeprägten Radeffekt verfügt, den man nutzen könnte.

Die Seegängigkeit hat uns sehr beeindruckt. Besonders der Einhandtörn bei Windstärke 8 im Golf von Korinth ist mir immer noch lebhaft und vor allem positiv im Gedächtnis. Keine Bauchklatscher, kein Knarzen. Geschmeidig durch die Wellen gedampft ist sie, die Suncoast 42.
Vom bisherigen Handling unter Segeln waren wir ebenfalls sehr angetan, auch wenn längst noch nicht alles optimal ist.

Und das leben an Bord? Sabrina mag es, ich mag es! Trotz einer Raumaufteilung im Salon, die nicht nach unserem Geschmack ist, trotz provisorischem Campingkocher. Wir haben Platz ohne Ende. Hafenkoller? Fehlanzeige!
Das ebene Flushdeck ist ebenfalls etwas, das wir an Nomade schätzen. Es kostet zwar Höhe unter Deck, aber bei 42 Fuß Rumpflänge spielt das praktisch keine Rolle. Das Arbeiten an Deck auf See fällt dadurch allerdings wesentlich leichter, vor allem im Bereich des Großmasts.
Mit dem Center Cockpit haben wir genau das gefunden wonach wir gesucht haben. Wir fühlen uns in der Mitte des Schiffs pudelwohl. Gefällt uns viel besser als am Heck zu sitzen. Seekrankheit? Keine Spur!

Vor einigen Monaten waren wir uns noch unsicher, ob die Suncoast 42 die richtige Größe hat, oder nicht eine Nummer zu groß für uns ist. Man muss auch klar sagen, das man auf kleineren Booten ebenfalls gut leben und damit segeln kann. Jetzt wo ich mich so langsam an die Abmessungen gewöhnt habe, möchte ich den Raum und die Reserven in alle Richtungen jedoch nicht mehr missen.
Nomade hat das Potenzial dauerhaft auf ihr leben und mit ihr segeln zu können. Bis es soweit ist werden natürlich noch Jahre vergehen, das ist klar.