Kategorie: Atanga

Der Tag, an dem wir beinahe ein Festessen zur Silberhochzeit gehabt hätten

16.Juni 2025, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.034, 29.095 sm von HH

So eine Silberhochzeit kommt ja nicht überraschend. Selbst eine Feier für nur zwei Personen will vorbereitet sein. Bereits in Australien haben wir Champagner gekauft. Der konnte erfolgreich eingeschmuggelt werden und ist hier erwartungsgemäß doppelt so teuer.  Auch Luftballons liegen schon etwas länger im Schrank.

Vor Ort war nicht so viel zu organisieren. Eis, um den Champagner auf Temperatur zu kühlen, können wir an der Tanke um die Ecke kaufen. Und ansprechende Restaurants liegen an der Promenade für die Kreuzfahrtschiffe: überdachte Holzterrasse, nettes Ambiente, Stoffservietten. Fünf Lokale gibt es in dem Komplex.

Vor ein paar Tagen haben wir uns die Speisekarten angeschaut. Ein Fisch-Restaurant, ein Steakhaus, eine Pizzeria und zweimal Internationale Küche. Aufmerksame Kellner sprechen uns an. Wir erfahren, dass die Pizzeria montags geschlossen hat.
Bleibt noch genug Auswahl, alle Restaurants machen einen guten Eindruck.  An zwei Läden stehen die Öffnungszeiten: 7/7 Tage, von 11:00 bis 23:00 Uhr. Wir reservieren keinen Tisch, sondern beschließen, dass wir am Hochzeitstag spontan entscheiden.

Am großen Tag scheint die Sonne. Was für ein nettes Zeichen nach drei Tagen Regen und grauem Himmel. Die Luftballons sind größer als erwartet. Die ‚fünf‘ verliert Luft. Muss einmal in der Stunde neu aufgepustet werden. Macht nichts. Ein schöner Tag.

 

Kleines Schiff mit mannsgroßen Ballons – macht sich aber super.

Der Champagner liegt rechtzeitig auf seinem Eis. Vor dem Essen trinken wir unseren Aperitif an Bord. Achim trägt lange Hose, ich hab mich in ein Kleid geworfen. Sogar Kajal und Wimperntusche.  Wir schlendern zur Promenade. Es sind keine fünfzehn Minuten zu Fuß.

Schon von weitem sieht die Terrasse verdächtig leer aus. Wir machen große Augen. Bis auf ein Lokal haben alle geschlossen. Nur das Steakhaus hat geöffnet.
Okay, macht nichts. Dort roch es vor ein paar Tagen verführerisch nach gutem Fleisch auf heißem Stein serviert. Die Tische sind hübsch eingedeckt.

Alle Lokale geschlossen, bis auf das Steakhaus.
Warum? Wir wissen es nicht.

Eine nette Kellnerin spricht uns an. „Wir würden gerne essen.“ Sie guckt uns an: „Die Küche schließt in zwanzig Minuten.“ Es ist zehn nach sechs! „Aber da an der Tür steht, ihr habt bis 23:00 Uhr geöffnet.“ „Ja, aber nur die Bar!“ Ungläubig fragen wir sie, wo wir denn sonst etwas zu essen bekommen könnten um diese Zeit.
„Bei Burger King.“ Sie verzieht keine Miene dabei. Es ist ihr voller Ernst.

Sie vermittelt: „ Ihr könnt euch setzten, was zu trinken bestellen und ich frage den Koch, was er heute Abend noch für euch kochen könnte.“
Achim sagt, sie soll erstmal den Koch fragen, dann würden wir Drinks bestellen. Wir setzten uns an einen Tisch und überlegen. Wir haben viel Zeit zu überlegen, denn die junge Frau lässt sich gar nicht wieder blicken. Das gibt den Ausschlag. Auf einen schlecht gelaunten Koch, der seine Küche schon geputzt hat und aus der Ecke etwas puhlt ‚was sowieso weg muss‘, haben wir keine Lust. Wir stehen auf und gehen.

Hier hätte es lecker Steaks gegeben. Alles ganz einladend.

Und nun? :mrgreen: Darauf sind wir nicht vorbereitet!

Zu Hause ist der Kühlschrank leer. Spontane Spaghetti mit irgendeiner Sauce könnte ich kochen. Da haben wir beide nun so gar keinen Bock drauf. „Ich habe Sahne“, hilft da auch nicht weiter.

Wir kommen am empfohlenen ‚Burger King‘ vorbei. Der ist leer. Miese Beleuchtung. Das Personal steht sich die Beine in den Bauch. Bockt auch so gar nicht.

Burger King – sowieso nicht unser Liebling unter den Fastfoods.

Nächste Option ist die Tankstelle genau gegenüber. Da sieht man tagsüber immer viele Leute essen. Es gibt Sandwiches und Fertiggerichte in Plastikboxen. Nudeln für die Mikrowelle. Anscheinend aber nur für zu Hause, eine Mikrowelle können wir nicht entdecken. Sandwich wollen wir nicht.

Essen aus Plastikboxen an der Tankstelle.

Unsere nächste Idee sind die mobilen Asia-Fressbuden, die direkt an der Marina stehen. Sogenannte Roulottes. Die gibt es in Französisch Polynesien auch und dort sind sie großartig. Alles wird frisch zubereitet. Man sitzt an Plastiktischen zwischen den Einheimischen. Kinder laufen umher. Coole, leckere Sache.
Der Haken, hier in Neukaledonien gibt es keine Sitzgelegenheiten. Wir müssten das Essen zum Schiff mitnehmen. Na gut. So sei es. Ein Blick auf die angebotenen Speisen lässt uns schnell nach einer Alternative suchen. Wir sind nicht besonders ängstlich Street-Food zu essen. Aber wenn Haut vom Vortag auf der Sauce liegt, nein danke.

Die Lokals essen das Asia Food auf der Ladefläche ihres Pick-ups.

Roulotte nicht sehr appetitlich.

Uns gehen langsam die Ideen aus. Ein letzter Versuch ist das Bistro in der Marina. Manchmal spielt hier abends Live-Musik. Wir haben dort schon mal nachmittags etwas getrunken. Wir werfen einen Blick in die Karte: Burger und Pizza. Kommen die – sauteuren – Burger mit Pommes? Man kann es der Karte nicht entnehmen. Der Kellner ignoriert uns. Er weiß es nicht, aber wir können das nicht leiden. Wir gehen.

Auf der anderen Straßenseite leuchtet das ‚goldene M‘. Ist das die Rettung? Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Wir bestellen zwei Big Mac Menüs. „Zweimal Mayo extra, bitte.“ „Kostet extra“.
Macht nichts. Zur Silberhochzeit kann man sich ja auch mal was gönnen. :-)

25 Jahre verheiratet – da erschüttert einen dann auch gar nichts mehr.

Silberhochzeit mit Ronald McDonald …

P.S. Nachfragen am nächsten Tag (es haben übrigens alle Lokale geöffnet) ergibt keine wirklichen Erklärungen. Der eine Kellner erzählt mir, dass dies eine französische Sitte sei, dass abends Restaurants nicht geöffnet haben. Ich würde in ganz Nouméa kein Lokal finden.
Die Kellnerin vom Nachbar-Laden beteuert mir, dass sie selbstverständlich jeden (!) Abend geöffnet haben.
Alberne Bande. ;-)

Eine Silberhochzeit, eine Anzeige und eine Stute

16.Juni 2025, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.034, 29.095 sm von HH

25 Jahre.
Alles begann ein Jahr zuvor mit einer Anzeige – meiner.

So hat man das früher gemacht, ohne Tinder. Man hat im monatlich erscheinenden Stadtmagazin eine Anzeige aufgegeben. Mit Chiffre. Briefe wurden geschrieben und zur Post getragen. Alles analog. Meine Anzeige war lang, sachlich, halbwegs charmant. Irgendwas in der Richtung: „Fröhliche ‚Sie‘, 34, sucht netten Mann mit Humor, Herz und gerne eigener Wohnung.“

Und dann erschien das Magazin. Mein Text war korrekt gedruckt. Allerdings stand direkt darüber ein viel deutlicheres Angebot als mein Wischi-Waschi:
„Wilde Stute sucht Hengst zum Einreiten.“

Da denkt man kurz über die eigene spießige Wortwahl nach. Und darüber, ob überhaupt noch jemand bis zu meinem Inserat runter blättert. Ich hätte mich selber überlesen.
Aber offenbar gab es da jemanden, der kein Pferdenarr war. Dieser hat geantwortet. Und dieser eine sitzt noch heute an meiner Seite. Obwohl er vorher die Wahl hatte: Oben die Stute – unten ich.
Er hat sich für weniger Wildheit, für mehr Langstrecke entschieden.

25 Jahre später kann ich sagen, ich bin froh, dass er mich gewählt hat.
Und ja, es war nicht jeder Tag ein Ritt in den Sonnenuntergang.
Es gab widerspenstige Tage und hin und wieder das Gefühl, dass einer lieber abgestiegen wäre. Aber wir sind drauf geblieben. Nicht immer im Gleichschritt, aber immer nebeneinander.
Immer gemeinsam unterwegs.

Manchmal lohnt es sich unten zu stehen. Da sind die Langstreckenpartner.

Kitsch as Kitsch can! :mrgreen:
Einmal einen Grund haben, das Wendler-Herz zu machen.

Nouméa

Di.,10.Jun. 2025, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.028, 29.095 sm von HH

Nach dreieinhalb Jahren Linksverkehr wird nun wieder auf der rechten Straßenseite gefahren. Das ist mit der Muttermilch gelernt, wir wissen sofort wie das geht. Leider ist mit dem Linksverkehr auch Englisch als Landessprache verschwunden. Einfach jemanden auf Englisch ansprechen, funktioniert nicht mehr. Ungehemmt wird hier Französisch ausgelebt. Himmelfahrt schallte über eine Stunde Edith Piaf über die ganze Marina. :mrgreen:

„Parlez vous anglais?“  Zu unserer Freude können die meisten mehr als nur ein paar Brocken Englisch. Neukaledonien ist keine Touristenhochburg. Dafür kommen die meisten Touristen aber aus Australien und Neuseeland. Das hinterlässt Sprachkenntnisse. Prima für uns.

Als wir uns nach unserer Ankunft im Marina-Büro melden, bekommen wir die Information, dass wir nur drei Tage bleiben dürfen. Achim erwähnt das kaputte Unterwant (muss ja keiner wissen, dass ein Ersatzteil in der Backskiste liegt ;-) ). Wir dürfen eine Woche bleiben.
Statt Stadtbummel, macht sich auf Atanga Geschäftigkeit breit. Proviant aufstocken, einkochen und heraus finden, wo wir ankern können, wenn wir aus der Marina müssen. Das sieht schlecht aus. Vor dem Stadtzentrum im Westen gibt es nur Mooringfelder. Die sind alle privat und belegt. Ankern wird nur für ein, zwei Nächte geduldet.

Marina Port Moselle. Ruhig gelegen. Der Lärm der Stadt kommt hier nicht an.

Achim entdeckt beim Check vom Rigg noch einen Bruch im Baby-Stag. Dafür haben wir keinen Ersatz. Ein Rigger muss gefunden werden. Im Marina-Büro macht sich Verständnis breit. Wir dürfen zwei Wochen bleiben.
In der Zwischenzeit haben wir durch Kontakte weiterer Neuankömmlinge heraus gefunden, dass eigentlich alle so lange bleiben dürfen, wie sie wollen. Wir fragen nach. „Pas de problème“, heißt es jetzt auch für uns, wir dürfen bleiben. Nicht wundern, keine Fragen stellen, sondern nehmen, was man bekommt.

Das gibt uns Zeit, die Stadt zu Fuß zu erkunden. Nouméa ist eine Großstadt. Im Stadtkern leben 100.000 Menschen, im weiteren Umfeld fast die doppelte Anzahl. Die Halbinsel ist dicht bebaut zu allen Seiten. Die Marina liegt mitten im Zentrum, der Fisch- und Gemüsemarkt ist nur ein paar Gehminuten entfernt.

Auf dem Markt gibt es alles. Sogar Radieschen und Knollensellerie. Beides ewig nicht gesehen.
Das meiste wird auf der Insel angebaut, außer Äpfel, Weintrauben und Birnen. Die Preise bereiten weniger Freude: ein Kilo Tomaten zum Beispiel  kostet 8,50 Euro.

Die Freuden eines Französischen Departments – Baguette und Croissants. In der Pantry hängt Französische Salami.

Im kleinen Stadtpark ‚Place de Cocotiers‘ dominiert dieser sieben Meter hohe Brunnen.

Jeden ersten Sonntag findet dort ein Flohmarkt statt. Gut besucht. Sowohl Stände (hauptsächlich Klamotten und Haushalts-Trödel) als auch mit Kunden.

Flohmarkt-Musik

Das flache Zentrum ist von Hügeln in alle Richtungen gesäumt. Die bieten immer wieder schöne Ausblicke auf die verwinkelte Küstenlinie. Die aber nicht so viel Lust darauf, die Fahrräder auszupacken.
Mal sehen, wie wir uns unsere Umgebung in einem größeren Radius erarbeiten.

Beim X liegen wir.
Die Wege zum Supermarkt sind kurz. Aber zur Ostseite rüber muss man dann schon gute vier Kilometer laufen.

Die Nachbar-Marina hinter dem nächsten Hügel.

Die Ostseite von Nouméa. Alles dicht bebaut.

Im Augenblick sind wir froh in der Marina bleiben zu können. Ich habe mir eine hässliche Erkältung eingefangen. Wir warten gerade gespannt, ob Achim davon verschont bleiben wird.

Der Blick geht in die Lagune. Sobald wir in der Stadt ‚fertig‘ sind, segeln wir raus. Es ist die größte Lagune der Welt und Neukaledonien hat tatsächlich das zweitgrößte Barriere-Riff nach Australien.

11 Jahre – zwei Fazits

01.Juni 2025, Neukaledonien/Nuoméa, Tag 4.019, 29.095 sm von HH

Ausgerechnet letztes Jahr – zum zehnjährigen Jubiläum – sind unsere Fazits ausgefallen. Wir durften ungeplant in Perth auf dem Flughafen übernachten. Danach ging alles drunter und drüber.
Aber dieses Jahr soll die Tradition fortgeführt werden. Wie immer, getrennt von einander geschrieben.

Unsere Route in 11 Jahren. Halb rum erst. Was mag das für die nächsten 11 Jahre bedeuten?

 

Achim

Die Zeit rennt und kaum zu glauben, dass unsere Reise schon 11 Jahre andauert. Und immer noch gibt es Überraschungen. Neben Ankerliegen und Marina-Leben hat uns diese Reise, die für uns komplett unerwartete Tour, durch Australien beschert. Der Kontinent war uns immer zu groß für einen kurzen Urlaub, aber nachdem wir uns ein Jahresvisum besorgt hatten, war alles möglich. Unsere 14-monatige Rundreise mit unserem Auto und Dachzelt ist ohne jede Frage ein Highlight der Reise. Es war unvergleichbar, aufregend, anstrengend, großartig und einzigartig. Es war somit ein unvergessliches Jahr. Mühsam erarbeitet, aber die Belohnung war es wert.

Gern wären wir geblieben, aber diese beiden Länder am Ende der Welt, Australien und Neuseeland, lassen halt nicht jeden dauerhaft rein. Vielleicht auch gut so, denn es hätte vermutlich das Ende unseres Bordlebens bedeutet.

Die Reise geht also weiter. Jetzt sind wir schon in Neukaledonien und werden sehen, was dieses Jahr bringt. In einem Land, was nie auf unserem Zettel stand. Genauso wenig wie Australien.

 

Sabine

Elf Jahre. Tatsächlich wollten wir fünf, sechs Jahre los. Dass daraus elf Jahre werden würden, hätten wir selbst nie gedacht.

Gestartet sind wir 2014 in Hamburg. Mit Atanga, die damals kleiner erschien als unser Mut. Inzwischen liegen 29.095 Seemeilen hinter uns. Auf diese wunderbare Art unterwegs zu sein. Frei, selbst bestimmt, langsam. Auch mal nass, schräg und anstrengend.

Ganz schnell haben wir uns nach dem Auto wieder an das Bordleben gewöhnt. Zuhause ist halt dort, wo man den Lichtschalter im Dunkeln findet.
Wir waren die letzten Monate viel an Land. Wir mögen staubige Wege, fremde Supermärkte und unbekannte Dörfer zu erkunden. Und ehrlich gesagt, ist das Leben an Land häufig deutlich entspannter. Keine Böen in der Nacht, keine Riffe, kein Ankeralarm.

Australien war nie der Plan. Irgendwann waren wir einfach da. Und nun ist es zu unserem Land-Highlight geworden.  So sehr haben wir uns verliebt, dass wir gar nicht wieder aufhören wollten.
Wir haben gelernt, dass Pläne flexibel sein müssen – und dass die besten Momente oft ungeplant passieren.

Heute, elf Jahre nach dem Ablegen, schauen wir zurück – und gleichzeitig nach vorn. Wir wissen noch nicht, wie lange wir unterwegs sein werden.  Aber wir wissen, diese Reise hat uns verändert. Langsam gemacht. Offener. Sogar geduldiger. Manchmal auch müde – aber meistens ziemlich glücklich.

Vor 11 Jahren – erschienen im Hamburger Abendblatt. Was den rasenden Reporter damal getrieben hat von 8 bis 10 Jahren zu schreiben, wissen wir nicht mehr. Geplant waren 5 bis 6.
Wie man sieht, lagen beide Parteien daneben. ;-)

Gleiches Schiff, gleiche Position, gleiche Menschen. Um einige Falten und graue Harre reicher.
Aber auch um unvergessliche Erfahrungen und Abenteuer. Wir sind dankbar, dass wir dieses Leben genau so führen dürfen.

Tag 10 nach Osten – Die Ankunft

25.Mai.25, Neukaledonien/Nuoméa, Tag 4.012, 29.095 sm von HH

Die letzten Meilen werden mühsam. Von wegen, wir lassen uns über Nacht gemütlich treiben. Auf einmal setzt der, seit Tagen für Samstagnachmittag angedrohte, kräftige Wind tatsächlich ein. Wir sind viel zu schnell. Wollen nicht mit fünf Knoten die ganze Nacht auf und absegeln.
Als es dunkel wird, reffen wir auf Sturmbesegelung. Atanga wird ausgebremst auf unter zwei Knoten. Somit beschränkt sich unsere Nachtaktivität auf zwei Kreuzschläge. Prima. Nicht so prima sind Böen von bis zu 30 Knoten. Die Gischt fliegt übers Deck. Wir nehmen noch mal richtig Salz auf.

Als es hell wird, motoren wir durch den Pass. Die drei Freunde, Wind, Sonne und Strömung haben sich gegen uns verschworen. 23 Knoten Wind genau auf die Nase. Tiefstehende Sonne von vorn. Und ausgehende Strömung von zwei Knoten. Zwei Meilen holpern wir über eine hässliche Buckelpiste.

Schlechte Sicht gegen die aufgehende Sonne

Kabbeliges Wasser in der Lagune

Die Einfahrt zieht sich. 15 Meilen bis zur Marina. Der Wind Fetch ist ordentlich. In unserer Vorstellung lag eine türkisene, glattgezogene Lagune vor uns. Die Wahrheit sind weiße Schaumkronen und Hacksee.

Kurz vor Mittag erreichen Nuoméa. Den Hauptort und einzigen Einklarierungshafen Neukaledoniens. Wir rufen über Funk die Marina. Ein netter Mitarbeiter meldet sich und spricht mit Achim auf Englisch. „Ihr bekommt Liegeplatz i15.“ Er sagt i. Achim fragt i wie ‚echo‘? „No, no i wie india‘“. :mrgreen:
Okay, Missverständnis ausgeräumt. Steg india soll es sein

Kurz vor der Einfahrt meldet sich der Marinero zurück. „Sorry, neuer Liegeplatz b17, bravo. Anlegen auf Steuerbordseite.“ Achim bereitet Fender und Leinen für Steuerbord vor. Wir fahren in die Marina. Der Marinero meldet sich erneut: „Neuer Liegeplatz c15, auch Steuerbord.“
Uns ist es egal, wo wir festmachen. Achim fährt in die Boxengasse. Wir können die Nummern für die Liegeplätze nicht entdecken. Da sehen wir jemanden winken. Das ist aber nicht Steg C. Doch, doch, dort wo gewunken wird, sollen wir rein. Festmachen mit Backbord. Bis auf einen Fender sind alle auf der falschen Seite. Eine Brustleine haben wir auf Backbord ebenfalls nicht vorbereitet. Der Wind von hinten treibt uns in unsere Lücke. Achim entscheidet mit Backbord anzulegen. Ich bekomme die Vorleine prima zum Marinero rüber. Die legt er als Spring. Sehr gut. Bei der Achterleine träumt er und holt sie nicht dicht genug. Wir drohen den Katamaran neben uns zu versenken. Ich kann uns grade noch abdrücken. Puh, Glück gehabt.
Der freundliche junge Mann entschuldigt sich tausend Mal und ist einfach nur reizend. Man kann nicht böse sein und er ist nicht der vom Funkgerät.

Wir klaren das Schiff auf. Salz aus dem Cockpit wischen, Bimini installieren und warten auf den Mann von der Biokontrolle. Es werden ein paar Opfer-Kartoffeln, Zwiebeln und Eier konfisziert. Unsere Sonnenblumenkerne habe ich hinter dem Mehr versteckt. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Er wirft nur einen Blick in den Kühlschrank. „Butter und Käse sind aus Australien?“
„Oui!“ Ich darf alles behalten. Merci, nette Leute hier in Neukaledonien.

Fazit über das Segeln nach Osten
Die Überfahrt war überraschend von wenigen Kreuzschlägen begleitet. Genau sechs Mal mussten wir wenden. Alle Meilen hoch am Wind. Von 33 Knoten bis 5 war alles dabei. Eine leichte Fahrt Richtung Osten, kann man nicht anders sagen.
Ein Unterwand hat ein gebrochenes Kardel. Zum Glück ist ein Ersatzdraht ist an Bord. Das erspart uns Lauferei.
Die Regel sagt, alles, was kaputt gehen kann, geht kaputt. Aber doch bitte nicht ein Kompass. Bei unserem Kompass am Steuerstand ist ein Haltering im Inneren gebrochen. Nicht, dass man noch häufig drauf schauen würde, Plotter und Autopilot zeigen die Kurse viel präziser. Aber ein Kompass ist schon schön auf See.

Alles geht kaputt auf Langfahrt. Aber doch nicht ein Kompass. Made in Germany. Ein Cassens & Plath.
Unser hat nun Schieflage. Ob man das reparieren kann?

 

Tag 10: Meilen total: 883 (davon 224 unter Maschine); direkte Strecke 788, somit nur (!) 95 Meilen beim Kreuzen draufgelegt

Tag  9 nach Osten – Motorfahrt

24.Mai.25, Pazifik, Tag 4.011, 29.196 sm von HH

Direkt hinter dem Squall ist Ende mit Wind. An Tag neun läuft komplett der Motor. Ein Hauch von 5 Knoten Wind ist übrig. Der bremst uns kaum aus, obwohl er genau auf die Nase kommt.

Jetzt stehen wir 27 Meilen vor der Riffeinfahrt und es ist klar, das wird heute nichts mehr bei Tageslicht. Im Dunkeln wollen wir nicht durch einen der zwei Pässe, die uns zur Verfügung stehen. Vom Pass bis zur Marina in der die Immigration erfolgen wird, sind es noch gute 15 Meilen. Neukaledonien hat das drittgrößte Barriere-Riff der Welt. Da der Inselstaat zu Frankreich gehört (nicht zu Europa, sondern ist nur eines der vielen Überseegebiete Frankreichs),  erwarten entsprechend gut betonnte Wege durchs Riff. Aber die Navionics-Karte zeigt ein Gewimmel an Untiefen und Inselchen.

Bei den Franzosen ist Verlass auf gut betonnte Durchfahrten.

Außerdem darf man nachts nicht in der Marina anlegen, solange man noch nicht einklariert ist. Vor der Marina gibt es ein Bojenfeld. Dort dürften wir wohl (?) ankern. An ausgewiesenen Plätzen. Nein danke. In einem unbekannten Bojenfeld im Dunkeln einen Platz zu suchen, das ist uns zu stressig.
Da haben wir es draußen vor der Tür einfacher. Entweder wir drehen bei, falls der angesagte Wind noch kommt oder wir spielen Cocktail-Schäker und lassen uns treiben.

Tag 9: etmal 103 Meilen, davon 103 gut gemacht zum Ziel; 27 Meilen Rest; bereits gesegelt 824 Meilen.

Die Pantry serviert Bratnudeln und alles, was weg muss. Also gibt es einen Rohkostsalat aus Möhren, Paprika und Äpfeln dazu. Die Bio-Sicherheitskontrollen sollen recht streng sein. Mal wieder. Das ist immer schwierig zu planen. Es soll wenig weg geworfen werden, aber auch bis zum Schluss noch etwas Frisches zu essen geben.

Schulter Talk
Vor der Abfahrt habe ich trainiert mich abzustützen und an der Reling hoch zu ziehen. Das ging gut, die Bruchstelle hat nicht gemuckt und das hat mir Sicherheit für den Törn gegeben.
Ich kann den Arm noch nicht oberhalb Schulterhöhe komplett ausstrecken. Und das muss man überraschend häufig auf Atanga. :mrgreen: Der steile Niedergang erfordert bei Schräglage beide Arme, die nach oben greifen. Das ging nicht besonders gut.

Noch immer muss ich meine Oberteile nach Männermanier im Nacken packen, um sie zum Ausziehen über den Kopf zu ziehen. Also mal eben nach hinten greifen, um die Großschot zu öffnen, keine Chance. Viel mehr Dinge als erwartet, sind für mich nicht erreichbar. Die Kraft mit der ich den Arm beim Abfangen der Fliehkräfte in einer Welle benutzen muss, heftiger als mir lieb ist.
Umso froher bin ich, dass ich gar nicht erst geplant hatte irgendetwas frisch zu kochen. Achim brauchte nur Gläser öffnen und Nudeln oder Reis dazu kochen. Wenn es ruhig war, habe ich Obst und Gemüse geschippelt. Das ging prima.
Ich hatte erwartet, dass ich meine Übungen auch auf See machen kann. Aber außer ein paar Dehnübungen im Sitzen ist das Ausgefallen.
Und doch ist die Beweglichkeit besser geworden. Die Wanderschmerzen, zwicken im Schulterblatt, ziehen im Schultergelenk, Stiche im Ellenbogen, sind deutlich besser geworden.
Der heiße Physio-Tipp: Turnerei auf einem schrägen Niedergang wirkt wie eine Wunderkur. ;-)

Noch eine Nacht auf See, dann haben wir es geschafft.

Tag  8 nach Osten – Windgeschenke

23.Mai.25, Pazifik, Tag 4.010, 28.993 sm von HH

18 Stunden bleiben wir auf unserem Kreuzschlag in nördliche Richtungen. Und die Wettergötter sind gnädig mit uns. Sie schicken Wind aus Süd-Ost. Zeitweise schaffen wir 40 Grad anzulegen. Der Wind ist schwach. Unsere Geschwindigkeit auch. Wir bleiben dauerhaft unter drei Knoten.

Friedlich geht es in die Nacht. Atanga treibt aufrecht in nord-östliche Richtungen, Dass wir überhaupt segeln können …

Um 2:00 Uhr morgens dreht der Wind auf 80 Grad zurück. Wir wechseln auf den anderen Bug. Innerhalb einer Stunde schifftet der Wind auf Nord.150 Grad, 140 Grad, 100 Grad.  Für herrliche vier Stunden können wir direkt aufs Ziel zu segeln. Bekommen Strömung geschenkt und schaffen 4 Knoten Speed. Danke Neptun oder wer dafür verantwortlich ist.

Für vier Stunden können wir aufs Ziel zu segeln.

Gegen Mittag stirbt der Wind. Wir starten den Motor. Es sind noch 142 Meilen. Die können wir jetzt schaffen, mit dem Diesel, den wir noch haben. Es soll flautig bleiben. Aber was sollten wir nicht schon alles an Wind haben und es kam ganz anders.

Tag 7: etmal 74 Meilen, davon 57 gut gemacht zum Ziel; 138 Meilen Rest; bereits gesegelt 721 Meilen.

Die Pantry serviert Wraps mit frischem Krautsalat, Zaziki und Paprika.

Während ich dies schreibe, kommt gerade dieser junge Squall hinter uns her. Gleich gibt es eine Bootswäsche.

Tag  7 nach Osten – Auf der Kreuz

22.Mai.25, Pazifik, Tag 4.009, 28.859 sm von HH

Wir lassen die Maschine noch einmal sechs Stunden arbeiten. Dann kehren neun Knoten Wind zurück. Wir wollen Diesel sparen und packen die Segel aus. Es geht so gerade eben: mit 2,5 Knoten 25 Grad nach Norden. Friedlich schwebt Atanga mit Vollzeug über den Ozean.

Ich mache es mir während meiner Nachtwache gemütlich im Salon, Süßigkeiten und Getränk in Reichweite. Plötzlich höre ich mehr Wind. Prima! 13, 14, 15 Knoten. Wir können höher an den Wind. Die Freude währt eine Viertelstunde. Der Wind nimmt weiter zu. Es ist stockdunkel. Ein Squall? Ich kann es nicht wirklich erkennen.
Dann zwanzig Knoten Wind. Ich übernehme das Ruder, gehe so hoch an den Wind wie möglich, um Druck aus den Segeln zu nehmen. Das kann ich besser als die Windsteueranlage.

Die lebende Windsteueranlage

Atanga liegt auf der Backe. Ich mag es lieber, wenn Schräglage sich langsam steigert. Hab ich schon mal erzählt, dass ich ein Krängungs-Schisser bin? Zehn Jahre, elf Monate, und zwanzig Tag unterwegs mit dem Kahn und ein kleiner, dummer Teil in meinem Gehirn glaubt noch immer, dass das Schiff umkippen könnte. :mrgreen:

Ich steuere Atanga zwanzig Minuten durch die Nacht. Ein Squall ist es wohl nicht. Es regnet auch nicht. Der Wind nimmt weiter zu. 24 Knoten. Pfui. Grade als ich Achim rufen will zum Reffen, erscheint sein verschlafenes Gesicht im Cockpit.“Ich roll aus dem Bett, was ist los?“

Nach dem Reffen kehrt wieder Ruhe ein. Zu Lasten von Höhe und Geschwindigkeit. Wir sind nicht viel schneller als mit wenig Wind. Dieser starke Wind existiert in der Vorhersage nicht. Eigentlich sollte wieder Totenflaute kommen.
Zum Morgengrauen geht der Wind spontan zurück auf neun Knoten. Wir reffen aus. Versuchen einen Schlag nach Süden zu machen. Ein hoher Schwell, der von sonst wo kommt und die noch vorhandene Windwelle vereiteln diesen Plan. Mit 1,5 Knoten auf 170 Grad. Das ist grober Unfug. Wir wenden nach Norden. Das geht besser. 2 Knoten, 30 Grad. Gegen diese Welle von vorne anzumotoren hat keinen Sinn.

Das Kreuzen hat begonnen, Freunde der Sonne. Nicht mal die Hälfte unserer heute gesegelten Meilen haben wir zum Ziel gut gemacht.

 

Tag 7: etmal 63 Meilen, davon 27 gut gemacht zum Ziel; 195 Meilen Rest; bereits gesegelt 647 Meilen.

Die Pantry serviert Nudelsuppe mit Würstchen.

Tag  6 nach Osten – In die Flauten-Falle gefahren

21.Mai.25, Pazifik, Tag 4.008, 28.796 sm von HH

Als wir im Flautenloch ankommen, haben wir noch fünf Knoten Wind. Segeln nicht mehr möglich, wir werfen die Maschine an. Aber wohin? Auf das Ziel zuhalten? Oder besser südlich fahren, um den Winkel für zukünftige Winde zu verbessern?
Die verschiedenen Vor- und Nachteile werden auf neutralem Crew-Niveau diskutiert.
Wir entscheiden uns fürs draufhalten (Fehler???) Wir motoren Richtung Osten. Dank Abwesenheit von Wind und Welle schaffen wir fünf Knoten in der Stunde. Immerhin.

Nach genau 24 Stunden nimmt der Wind wieder zu. Neun, vielleicht zehn Knoten. Der kommt nun genau von vorne – 80 Grad. Zielkurs – 76 Grad.
Das kostet Speed. Atanga nickt sich tapfer vorwärts, aber die Geschwindigkeit sinkt auf 3,5 Knoten. Um mit so schlechter Leistung zum Endziel zu gelangen, reicht unser Diesel nicht.

Wider besseres Wissen versuchen wir zu Segeln. Zu wenig Druck. Die Segel stehen zwar, aber unser Wendewinkel beträgt 170 Grad. :lol:
Wir haben die Wahl: 5 Grad nach Norden zu segeln oder 175 Grad nach Süden. Mit zwei Knoten Vortrieb. Wir versuchen alle Tricks. Trinkwasser aus dem vorderen Tank ablassen – immerhin 350 Kilo – ist der einzige, den wir auslassen.

Die Diskussion über unsere Optionen hat das Crew-Level verlassen. Es ist eine Ehegatten-Diskussion daraus geworden. :mrgreen:

1.) Doof nach Norden oder Süden segeln.
Dabei liegt das Schiff stabiler als beim Treiben. Allerdings ist es schwer zu ertragen, sich das auf dem Plotter zu betrachten ohne verrückt zu werden. „Noch 94 Tage bis zum Ziel“, ätzt die Anzeige.

2.) Auf der Stelle treiben und warten bis der Wind zurück kommt.
Das würden wir machen, wenn wir nach Westen segeln würden. Im Passatgürtel kommt er schon irgendwann, der Süd-Ostpassat.
Und genau der ist auch angesagt ab Samstag. Leider mit bis zu 26 Knoten.
In der Atanga-Welt macht segeln ‚hoch am Wind‘ bis genau 18 Knoten ‚true wind speed‘ Spaß. Alles darüber hält aufs Segel- und Menschenmaterial. 

Bevor dieser Wind kommt, wollen wir eigentlich in der Hafenkneipe sitzen. Da wird aber unser Diesel nicht reichen.

3.) Maschine wieder an und weiter motoren
– bis mehr Wind kommt
– bis Diesel alle

Die gemeinschaftliche (!) Entscheidung fällt auf die dritte Option.
Der Jokel läuft. Tschüss, bis Morgen.

Tag 6: etmal 110 Meilen (heute nur 11 Stunden, wir haben die Uhren zurück gedreht, damit es nicht schon um 17:00 Uhr dunkel wird), davon 108 gut gemacht zum Ziel; 322 Meilen Rest; bereits gesegelt 584 Meilen.

Die Pantry serviert die zweite Rutsche Hühnersuppe – auf asiatisch getrimmt mit Oyster Sauce und Mais.

Dieses Blau – immer wieder schön.
24 Stunden motoren wir durch dieses ruhige Flautenwasser. Jetzt ist es wieder deutlich kappeliger.

Tag 5 nach Osten – Ein Unterwasserberg

20.Mai.25, Pazifik, Tag 4.007, 28.686 sm von HH

Unser Wind hat sich in den letzten 24 Stunden gravierend geändert: aus 12 Knoten sind 14 geworden und aus 170 Grad 150. :mrgreen: Atanga zieht unbeirrt ostwärts. Schnurgerade aufs Ziel zu. Wir sind weiter arbeitslos und vertrödeln die Zeit.

Die Stunden der Nachtwache ziehen sich wie Kaugummi. Solange, bis ich in meiner Nachtwache aus Langerweile am Plotter auf unsere Kursline zoome, um zu sehen, wie groß die Schlenker sind, die wir segeln. Mich trifft im ersten Moment der Schlag. Ich sehe nur dunkelblau. Und dunkelblau bedeutet flach. Sechs Meilen vor uns lauert eine Untiefe. Die wird erst beim extremen Zoomen sichtbar. Fünfzehn Meter an der flachsten Stelle.

 

Kelso Bank, grade sechs Meilen breit. Mitten im Ozean. Versteckt unter Wasser, versteckt auf der Seekarte – nur zu entdecken beim extremen Zoomen. Mir ist es unheimlich darüber zu fahren. Wer weiß, was da lauert?

 

Das reicht für uns natürlich zum drüber Segeln.
Ich möchte das nicht. Um uns herum ist es 2500 bis 3000 Meter tief. Was für Wellen mag dieser Berg erzeugen? Ich luve hart an, um südlich an der Untiefe vorbei zu kommen. Keine Meile zu früh. Atanga schrappt mit zwei Meilen Abstand vorbei. Das Wasser wird zunehmend kabbelig. Wir wackeln von einer Seite zur anderen. Verschiede Strömungen geben Schub nach vorne oder bremsen uns aus.
Nach einer guten Stunde ist alles wieder normal.

Auf der Sonarkarte erkennt man den plötzlichen Anstieg noch besser. Der lila Strich ist Atangas Kurslinie.

In der letzten Stunde von Tag fünf wird der Wind jetzt schwächer und schwächer. Wir können noch knapp segeln. Eine dicke Wolkendecke baut sich vor uns auf. Leichter Nieselregen hat begonnen. Wir haben das Konvergenzband erreicht, was das Ende unseres Südwindes markiert.

Tag 6 wird dann wohl eine Änderung unseres Törns nach Osten einläuten.
Wir können unser Glück nicht fassen, die erste Hälfte so einfach geschafft zu haben (Tag ein wird als grober Unfug verbucht, Schwamm drüber [obwohl! – hätte so nicht sein müssen nach 18 Monaten Segelpause ;-) ]) .
Der Routenplaner hatte vor unserer Abfahrt ausgerechnet, dass wir 122 Wenden fahren müssen. Bislang waren es zwei Kreuzschläge. Glücksschweine.

Ende mit Wind am Ende von Tag fünf.

Tag 5: etmal 97 Meilen, davon 97 gut gemacht zum Ziel; 432 Meilen Rest; bereits gesegelt 474 Meilen.

Die Pantry serviert Kartoffelsalat mit paniertem Hühnchenfilet (‚ready to eat‘ aus dem Kühlregal – gar nicht schlecht, nur in der Pfanne noch kurz anwärmen)

Viel Sonne hatten wir noch nicht auf diesem Törn. Einen halben Tag. Den Rest der Zeit ist es grau und sogar regnerisch.

Tag 4 nach Osten – Was für ein Wind!

19.Mai.25, Pazifik, Tag 4.006, 28.589 sm von HH

Seit 36 Stunden kommt der Wind konstant aus 170 Grad. 36 Stunden konstant zwischen 12 und 14 Knoten. Der Windmesser steht wie eingefroren. Kaputt? Wir klopfen schon dagegen.
Wir können uns nicht an so einen konstanten Wind erinnern. Der macht uns arbeitslos. Kein zuppeln an den Schoten nötig. Die Segel stehen perfekt. Das Ruder ist festgesetzt, die Windsteueranlage ist die einzige an Bord, die arbeitet. Im Logbuch kann man von der Zeile zuvor abschreiben.
Phan-tas-tisch.

Der Wind ist nun seit einer Stunde um zwei, drei Knoten abgeflaut. Da es weder eine Windsee noch nennenswerten Schwell gibt, schlagen die Segel auch bei mickrigen neun Knoten Wind nicht. Weniger als drei Knoten Speed sind noch übrig. Zu Fuß wären wir schneller. Aber wir lassen es laufen. Die Vorhersage behauptet, dass neuer Wind im Süden in Arbeit ist, der soll uns einholen. Vor uns lauert angeblich eine Flaute.

Tag 4: etmal 94 Meilen, davon 94 gut gemacht zum Ziel; 439 Meilen Rest; bereits gesegelt 392 Meilen.

Die Pantry serviert eingekochtes Gulasch.

 

Absolut nichts zu tun – außer essen …

… viel essen!

Tag 3 nach Osten – Champagner Segeln

18.Mai.25, Pazifik, Tag 4.005, 28.495 sm von HH

Der Himmel ist grau, aber zumindest hat es aufgehört zu regnen. Nur noch sechs Knoten Wind am Nachmittag. Wir werden in der Dünung kräftig durchgeschüttelt. Die Segel schlagen, es ist gerade noch auszuhalten. Wir können uns nicht entschließen, die Segel einzurollen und die Maschine zu starten. Treiben mit zwei Knoten lustlos vor uns hin. Warten ab. Hinter uns rollt eine Regenfront an. Gegen die Windrichtung kommt sie schnell näher. Und dann pladdert es windlos auf uns nieder. „Kommt erst der Regen, dann der Wind, binde alles fest geschwind“, klugscheißert der Skipper. Ich hasse es, wenn er Recht hat. :mrgreen: Von jetzt auf gleich ist der Wind wieder da. 14 Knoten aus – Achtung! – süd-westlichen Richtungen. Wir können weiter direkten Kurs aufs Ziel anlegen.

Was nun folgt ist Segeln vom Feinsten. Der Wind Stärke 4, keine Böen, keine Squalls. Dazu blauer Himmel, kleine Dünung. Atanga gleitet fast aufrecht und geräuschlos über den Ozean. So müssen die Götter Segeln gemeint haben.

Dieser Rauschzustand hält jetzt seit 24 Sunden an. Weitere 24 sollen folgen, wenn man der Vorhersage vertraut. Wir schlafen gut und nach der dritten Nacht sind auch die Seebeine gewachsen. Eine erste Dusche liegt drin. Alle Handgriffe gehen wieder leicht von der Hand. Und wärmer wird es auch mit jeder Meile. Die Abende in Burnett Heads waren schon empfindlich kühl. Das ist vorbei. Die Wassertemperatur ist um 2 Grad gestiegen. Der nachtkalte Kontinent hat keinen Einfluss mehr.

Damit das Ganze jetzt nicht zu perfekt erscheint: es stehen fast zwei Knoten Strömung gegen uns! Mehr als dreieinhalb Knoten Speed bekommen wir nicht auf die Schiene. Und natürlich kommt Gemecker, dass der Törn ja auch so hätte beginnen können. 30 Knoten Wind wären an Tag drei nur noch halb so viel.

Tag 3: etmal 80 Meilen, davon 80 gut gemacht zum Ziel; 533 Meilen Rest.

Die Pantry serviert von mir in Gläser eingekochte Hühnersuppe mit Hörnchennudeln und Erbsen. Hühnersuppe ist Medizin für Körper und Seele, weiß jeder. Es gibt noch einige Gläser mehr im Schrank.

Das Leben kann so leicht sein