Kategorie: Sonnensegler

Im Norden geht die Sonne auf

Am Strand vor unserem Haus in Norwegen.

Achtundreißig Stunden saßen wir im Mai fast am Stück im Auto. Wir haben es ähnlich wie bei der Fahrt im Winter gemacht, nur noch ein wenig optimaler und ohne Übernachtung. Gestartet sind wir Freitag abends am Niederrhein und haben anschließend praktisch zwei Tage im rollenden Auto gelebt. Durch die erste Nacht bin ich gefahren und Sabrina hat geschlafen. Am frühen Morgen lag Dänemark bereits hinter uns und wir haben nach etwa 900 Kilometern in Schweden gefrühstückt und anschließend die Plätze getauscht.
Als ich wieder wach geworden bin, waren wir nördlich des Vänern. Von da ab haben wir uns in kurzen Etappen auf der E45 nach Norden vorgearbeitet.
Wer von uns beiden gerade nicht fahren musste, hat die Zeit auf dem Beifahrersitz zum schlafen genutzt.

Sonntagmorgen lag das Skandinavische Gebirge hinter uns und gegen Mittag haben wir das Ziel erreicht. Der Boxermotor im Subaru durfte nach 2.285 Kilometern zum ersten Mal ganz abkühlen und wir waren endlich wieder auf „unserer“ Insel in Helgeland.
Helgeland, das ist jene mythenreiche Landschaft im Königreich Norwegen, in der es mehr Inseln gibt, als ein Mensch in seinem Leben jemals erkunden könnte. Es sei denn, man würde jeden einzelnen Tag seines Lebens eine andere Insel besuchen. Dann bräuchte man etwa 41 Jahre bis man alle gesehen hat. Klingt unglaubwürdig, ich weiß, aber es gibt tatsächlich fast Fünfzehntausend Inseln, allein in Helgeland.

Auf einer dieser Inseln steht unser Haus und wir stehen an diesem warmen Tag im Mai davor und sind aufgedreht wie kleine Kinder. Eigentlich müssten wir hundemüde sein.
An eine Runde Mittagsschlaf war aber nicht im Geringsten zu denken. Wir mussten unbedingt erst alles einmal sehen, immer wieder tief durchatmen, die Waldluft aufsaugen, das Meer schnuppern, durch unseren Wald gehen, einmal durchs Haus laufen und dann doch hundemüde auf der Couch einschlafen.

Am nächsten Tag waren wir wieder im Geschäft. Wir haben den Subaru und den Anhänger ausgeladen und praktisch nahtlos dort weitergemacht, wo wir im Februar aufgehört hatten. Die erste Woche haben wir hauptsächlich im Wald und im Garten geackert.
Bei schlechtem Wetter wurde das Schlafzimmer renoviert und Baumaterial besorgt. Man bekommt hier zwar alles, aber die Wege sind halt ziemlich weit. Mal eben zum Baumarkt fahren, um eine Packung Schrauben zu kaufen, geht hier nicht. Da muss auf Listen gesammelt werden, damit sich so eine Fahrt lohnt. Daran gewöhnt man sich aber recht schnell.

Nach der ersten Woche war das Gelände ums Haus wieder begehbar. Die Freileitungen waren nicht mehr durch Bäume gefährdet und unser Bach hinterm Schlafzimmer konnte wieder fließen.
Das erste Feuerholz kann nun trocknen und der Grünschnitt ist zum verrotten wieder in den Wald gewandert.
Nach dieser ersten Woche hatten wir uns auch einigermaßen an die extrem langen Tage gewöhnt.
Anfangs war das wirklich schwierig für uns. Man wird einfach nicht müde, wenn um 23 Uhr noch die Sonne scheint. Es ging uns deshalb mehrmals so, dass wir nach dem Abendessen nochmal raus in den Wald sind und beim arbeiten völlig die Zeit vergessen haben.
Nach dieser Eingewöhnungsphase konnten wir die langen Tage aber genießen.












Was wir von Anfang an genießen konnten, ist die atemberaubende Schönheit der Landschaft in Helgeland. Wir wären am liebsten jeden Tag nur wandern gegangen. Am Norwegischen Nationalfeiertag haben wir das auch gemacht. Da ruht nämlich im ganzen Königreich die Arbeit und vor jedem Haus weht die Nationalflagge. Da haben wir natürlich mitgemacht.
Am nächsten Tag ging es weiter mit Projekten am Haus. Garagendach erneuern, Teile der Fassade austauschen, streichen, schleifen, Sachen zum Wertstoffhof bringen, mitgebrachte Möbel aufbauen…

Am Ende der zweiten Woche haben wir das Tempo ein wenig rausgenommen, denn Sabrinas Urlaub neigte sich dem Ende zu. Und den wollten wir nicht in Arbeitsklamotten ausklingen lassen. Wir haben lange Abende vor dem Kamin verbracht und die taghelle Nacht in unserem Wald in uns aufgesogen. Dort um Mitternacht zu stehen und lediglich zu lauschen ist einfach nur faszinierend.
Es hört sich an wie im Urwald. Naja, es ist halt ein Urwald.
In Helgeland leben wesentlich mehr große Wildtiere als Menschen und in unserer dünn besiedelten Region ist dieses Verhältnis nochmals ein Stück extremer. Die Besonderheit dabei ist, dass sich kurz vorm Polarkreis die Verbreitungsgebiete der Geweihträger aus dem Süden mit der Verbreitung der Arten aus dem Norden überschneiden. Hier gibt es deshalb Rehe, Rothirsche, Elche und Rentiere. Daneben kommen alle vier großen europäischen Raubtiere vor: Wolf, Braunbär, Vielfraß und Luchs.
Bären und vor allem Wölfe sind allerdings extrem selten.
Elche und auch Rehe sind hier so häufig, dass kein einziger Tag vergeht, an dem wir keine sehen. Manchmal laufen sie direkt hinter unserem Schlafzimmer vorbei. Dort queren zwei Wildpfade unser Grundstück.

Filou träumt. Vielleicht von Elchen?

Hier oben, weit weg von den größeren Ortschaften, erlebt man fast jeden Tag ein kleines Abenteuer und manchmal ereignen sich Dinge, die ihr mir wahrscheinlich nicht glauben würdet. Manche dieser Geschichten kann ich mit einem Foto untermauern, manche müsst ihr mir einfach glauben, oder auch nicht.
Zum Beispiel die Geschichte vom Elch, der durch die Bucht vor unserem Haus schwimmt, um auf die Insel mit dem leckeren Moos zu kommen, oder die Geschichte vom Reh, das ab und zu Nachmittags ganz allein im Meer badet.
Dann wäre da noch die Geschichte von der Elchkuh in unserem Garten, die bellt wie eine hübsche Hundedame und Filou den Kopf verdreht.
Es gäbe so viel zu erzählen, aber das würde den Rahmen hier sprengen. Wir müssen ja auch nicht jetzt schon alles in einen Artikel pressen. Wir werden in Zukunft schließlich ein „wenig“ länger hier oben bleiben.




Am 28. Mai war Sabrinas Urlaub dann leider zu Ende und ich habe sie zum Flugplatz nach Rørvik gebracht. Von dort ist sie mit einer kleinen Turboprop-Maschine nach Trondheim und anschließend nach Düsseldorf gefolgen.
Auch wenn wir solche Trennungen ja nun schon öfter hatten, leicht fällt uns das bis heute nicht. Für Sabrina war es diesmal noch schwerer, weil Filou bei mir geblieben ist.
Für mich begann nun die Zeit der vielen kleinen Reparaturen. Daneben musste ich noch ein irrwitziges Projekt abschließen, welches ich mir im letzten Frühling ausgedacht hatte. Es ist mir nicht gelungen, die Höllenmaschine in Deutschland endgültig fertig zu bekommen. Also habe ich alle Teile mitgebracht und nun kam der Moment, vor dem ich mich so lange gefürchtet hatte.
Die Höllenmaschine, sie ist das erste Ding, vor dem ich anfangs wirklich Bammel hatte. Es handelt sich bei dem Ungetüm um einen alten Rasenmäher, dem ich das Verbrenner Herz herausgerissen und durch einen bürstenlosen Elektromotor ersetzt habe. Er hat 52cm Schnittbreite und doppelt so viel Nennleistung wie der stärkste Akkumäher, den man aktuell von Stihl bekommt.
Die Welle, die das Messer dreht, wird von 2 Lagern geführt, die normalerweise als Radlager in einem Mittelklasse Pkw ihren Dienst tun.
Ich wollte halt etwas robustes bauen, hatte natürlich alles mehr als einmal durchgerechnet und brauchte eigentlich keine Angst vor dem Biest haben.
Trotzdem ging mir der Arsch auf Grundeis, als ich den Stromhebel das erste mal ganz sachte nach vorne gedrückt habe. So ein 52cm langes Messer, welches sich auf Knöchelhöhe vor einem mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit dreht, kann schonmal zu Kopfkino führen, welches nicht gesund ist.
Und so habe ich mich mit viel Respekt ganz sachte das Drehzahlband hinauf gehangelt. Am Nachmittag war schließlich alles ums Haus herum gemäht und die Höllenmaschine war mein Freund. Als Akku hatte ich einen provisorischen Pack aus 15 fliegend verdrahteten Lithium Polymer Zellen mit 277Wh im Einsatz. Das hat ganz knapp gereicht, um den Großteil der Fläche ums Haus zu mähen. Mittelfristig wird dieser Testakku durch einen LiFePO4 Akku mit 665Wh ersetzt. Die Einzelzellen dafür habe ich bereits, nur die Zeit zum bauen fehlt mir noch.

Es ging also draußen und drinnen gut vorwärts und so konnte, nein, musste ich mir am 8. Juni eine kleine Auszeit gönnen. Für die Gemeinde Bindal, in der wir wohnen, sollte es das größte Ereignis des Jahrhunderts werden.
Die Menschen waren bereits seit Tagen in Aufruhr. Bühnenstücke wurden geprobt, Parkmöglichkeiten geschaffen und das ein oder andere Gebäude noch kurzfristig auf Hochglanz gebracht.
Alles sollte einen erstklassigen Eindruck machen, wenn der große Tag gekommen war, an dem seine Majestät, König Harald V. der Gemeinde den ersten Besuch in seiner über 30 jährigen Herrschaftszeit abstattet.
Der Bürgermeister hatte alle Leute mit Booten dazu aufgerufen, am Morgen im Fjord zu sein, wenn die königliche Yacht NORGE einläuft.
Alles war also bereit für einen ganz besonderen Tag und jeder, der es sich irgendwie einrichten konnte, war an diesem Tag am Hafen.
Die Gemeinde Bindal hat es geschafft, dem König und der Königin ein wirklich denkwürdiges Fest zu bereiten. Es gab Musik und Tanz, für das leibliche Wohl war ebenfalls gesorgt. Die königliche Yacht lag majestätisch im Fjord und zur Begrüßung wurden drei erstklassig restaurierte Nordlandboote an den Empfangssteg verlegt. Das hat dem König sichtlich geschmeichelt, denn er ist zeitlebens begeisterter und auch erfolgreicher Segler.
Das Volk hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Die Nationalhymne wurde inbrünstig mitgesungen und an „Hipp Hipp Hurra“ Rufen hat es ebenfalls nicht gemangelt.
Nach den öffentlichen Festlichkeiten bekam das Königspaar noch eine Führung durchs Museum. Fürs Volk gab es derweil noch einmal Livemusik und im Anschluss wurde der rote Teppich neu verlegt und die königliche Limousine fuhr vor. Sie wurde zwar nur für wenige Hundert Meter bis zum Steg gebraucht, aber der König ist mit seinen 86 Jahren schließlich nicht mehr der Jüngste.
Dann kamen Königin Sonja und König Harald V. aus dem Museum und haben dem Volk noch einmal ihre Aufmerksamkeit geschenkt.
Dadurch, dass Bindal eine wirklich winzige Gemeinde ist, war dieser Besuch etwas ganz besonderes und für mich ein riesiges Glück. Es war so familiär, als wäre man auf einem großen Geburtstag gewesen. Dem König von Norwegen so nah zu kommen, ist selbst für Norweger äußerst selten und hat einen hohen Stellenwert. Die Norweger lieben ihren König und ihre Königin! Manche Menschen hatten an diesem Tag ein Freudentränchen im Auge.
Zum Abschluss der Festlichkeiten marschierte schließlich die königliche Leibwache unter Pauken und Trompeten auf dem Rathausplatz auf. Eine Truppe von 120 Männern und Frauen.









Für mich war dieser Königsbesuch ein gigantisches Ereignis, welches mich schwer beeindruckt hat. Vor allem die Volksnähe und der respektvolle Umgang aller Teilnehmer miteinander, haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Die folgenden Tage waren schließlich vollgepackt mit letzten Projekten am Haus und am 16. Juni habe ich die Insel schließlich schweren Herzens wieder verlassen.

Filou ist immer dabei.

Abfahrt.

Im Kopf mitgenommen habe ich vor allem wieder unglaublich viele positive, zwischenmenschliche Erlebnisse.
Der Rückweg an den Niederrhein war in gerade einmal 2 Tagen geschafft. 850Km an Tag 1 und 1.350km an Tag 2. Diesmal bin ich nicht über die Brücken gefahren, sondern habe mir die Fähre nach Fehmarn gegönnt. Das hat am Ende am besten gepasst und ich habe mir die zweite Übernachtung im Auto gespart.

Zurück am Niederrhein gab es in der folgenden Zeit nur ein Thema bei Sabrina und mir: Was machen wir mit Morgenstern?

Eigentlich war die Entscheidung bereits in Norwegen gefallen, wir brauchten nur eine ganze Weile, um uns wirklich sicher zu sein.
Ich hatte mir vor meiner Abreise alle Häfen in der Umgebung angeschaut und anschließend mit Nachbarn gesprochen, die selber Boote haben. Abschließend kann man Folgendes sagen:

Man braucht in Helgeland schlicht und ergreifend keine 42 Fuß Segelyacht. So ein großes Schiff ist hier oben eher hinderlich. Es gibt auch niemanden, der hier wohnt und ein vergleichbares Schiff hat. Hier hat zwar fast jeder ein Boot, aber es sind alles Boote, die viel kleiner sind, wenig Tiefgang haben und auf einen Trailer mit Straßenzulassung passen. Und entsprechend ist auch die Liegeplatzsituation ausgerichtet.
Man würde zwar einen Liegeplätze für Morgenstern finden, aber er wäre weit weg und der Lift, der sie bei Wartungsarbeiten aus dem Wasser heben könnte, wäre noch weiter weg. Die laufenden Kosten für so ein großes Schiff wären mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland.
Wir könnten diese Kosten zwar etwas drücken, wenn Morgenstern einen Großteil der Zeit an der eigenen Mooring vor unserem Haus hängen würde, aber man wird hin und wieder den festen Liegeplatz und natürlich auch die Werft brauchen.
Dazu kommt, dass wir uns in unserer Freizeit in Norwegen nicht nur aufs Segeln beschränken wollen.
Und wenn gesegelt wird, dann muss das Boot schnell seeklar sein.

Morgenstern ist die Fahrtenyacht, an der man 90% der Zeit schraubt, um dann die eine große Fahrt zu machen.
Für uns war sie daneben auch unsere kleine Insel am Niederrhein, die uns enorm viel Freiheit gegeben hat.
Wir hatten sie jetzt 7 Jahre. Sieben echt gute Jahre, die wir nicht missen möchten. Die Anfangszeit mit den großen Abenteuern im Mittelmeer und schließlich im schwarzen Meer und auf der Donau. Danach die lange Phase der Restauration, die im übrigen bis heute nicht abgeschlossen ist, und schließlich die „Coronazeit“, in der wir durch Morgenstern enorme Freiheiten hatten.

Man, was haben wir dieses Schiff geliebt und tun es heute noch!

Aber es macht eben keinen Sinn, krampfhaft an etwas festzuhalten, bei dem der praktische Nutzen nicht mehr zur neuen Lebenssituation passt.

Um uns selbst die Entscheidung ein klein wenig zu erleichtern, haben wir Morgensterns Nachfolgerin bereits gekauft. Es ist ein radikal anderes Boot. Viel kleiner, mit dem Subaru gut trailerbar und es ist das erste Boot, das wir nicht restaurieren müssen.
Vorstellen werden wir es euch wahrscheinlich erst, wenn Morgenstern verkauft ist. Wir haben im Moment selbst nur sehr wenig Zeit, um uns damit zu beschäftigen. Da liegt noch eine gewisse Durststrecke mit vielen Projekten vor uns, bevor es so langsam ruhiger werden wird.

In wenigen Tagen fahre ich wieder nach Norwegen. Neben vielen Kleinigkeiten müssen alle Wasserleitungen im Haus ausgetauscht und das Bad renoviert werden. Weitere Teile der Fassade will ich vor dem nächsten Winter ebenfalls austauschen. Es wird also nicht langweilig.
Sobald ich dann im Oktober wieder zurück bin, werde ich die letzten angefangenen Projekte an Bord der Morgenstern abschließen. Danach wird sie inseriert.

Gibt nüscht besseres als Trabant

Dieser Spruch ist in den letzten paar Wochen zum „Running Gag“ zwischen mir und Sabrina geworden. Sie schmeißt sich jedes Mal weg, wenn ich ihn auf (fast) perfektem Sächsisch zum Besten gebe.
Aber so ist es eben, momentan. Der Elektro-Trabant, er hat die ersten 300 Kilometer, ohne auch nur das geringste Problem, hinter sich gelassen und ich bin schwer verliebt in die „Pappe“. Diese Dreihundert Kilometer wären die halbe Strecke von uns zu Hause bis an seinen Entstehungsort im Erzgebirge, Zwickau, gewesen.
So rechne ich immer, wenn ich mit ihm unterwegs bin. Wir stecken uns Meilensteine ab und wenn er einen erreicht, wird er kurz über den Kotflügel gestreichelt.
Der nächste Meilenstein wäre die 600 Kilometermarke. Sollte er die schaffen, ich würde feiern! Dann hätte er rein theoretisch wieder rübermachen können.
Der größte Meilenstein, den wir uns für dieses Jahr vorgenommen haben, ist aber die 2.400er Marke. Dann hätte er rein theoretisch bis zu unserem Haus in Norwegen fahren können. Von einer solchen Fahrt träume ich. Aber langsam! Im Moment bewegen wir uns noch in der Sicherheitszone am Niederrhein. Fahrten zum Briefkasten, Fahrten zum Ladepark, wo er seine Elektrofriends treffen kann und hin und wieder sogar eine Fahrt zu Morgenstern. Das sind fast 30km am Stück.
Meistens hängt er bei solchen Fahrten noch am Laptop, wird hin und wieder umprogrammiert und entwickelt sich weiter.
Vor ein paar Tagen haben wir die Strecke auf dem Rückweg vom Schiff in Bestzeit geschafft, mit Volllast, so weit es das Gesetz zulässt. Da war ich wirklich stolz auf ihn. Der Motor danach auf 24°C, der Controller bei 19°C, bei 10°C Außentemperatur. Traumwerte für mich, die ich zwar erhofft, aber nicht erwartet hatte.

Im Mittel liegen wir auf den 300 Kilometern jetzt bei einem Stromverbrauch von 9,7kWh pro Hundert Kilometern. Damit bin ich fürs Erste zufrieden. Wenn ich sparsam fahre, komme ich mit dem 10,5kWh Akku derzeit etwa 100km weit, ohne den Akku zu quälen. 120km wären maximal möglich, in der Stadt auch mehr, weil er sehr effizient rekuperiert.
Und das bei dieser ersten Ausbaustufe. Denn eins darf man nicht vergessen: Dieser Trabant ist nichts weiter als eine Art Prototyp. Ein Projekt, welches sich weiterentwickeln kann und soll.

Und für so ein Projekt läuft es im Moment wirklich gut. Mit ihm zu fahren ist wie in einer anderen Welt unterwegs zu sein. Mit dem Elektrotrabant fährt man ein Stück weit wie 1986 und ein bisschen wie 2023. Er verbindet alt und neu auf witzige Art und Weise und entlockt anderen Verkehrsteilnehmern hin und wieder ein Schmunzeln. Manchmal bekommt er einen „Daumen hoch“ und von anderen Oldies wird der Trabi stets gegrüßt. Er selbst grüßt natürlich auch jedes Mal freundlich und der Nico fühlt sich ein bisschen in die Zeit mit dem Motorrad zurückversetzt. Da hat man sich auch immer gegrüßt.

Gibt nüscht besseres als Trabant!

Nach Norden

Habt ihr euch eigentlich mal gefragt, ob ihr dort wo ihr gerade lebt, wirklich freiwillig lebt? Ob ihr genau an diesem Ort bleiben würdet, wenn ihr ganz und gar zwanglos entscheiden könntet?

Sabrina und ich haben uns das seit langer Zeit ziemlich oft gefragt und ich denke, damit sind wir nicht allein. Das Thema hatten wir auch hin und wieder hier auf der Website und es hat einen nicht unbedeutenden Anteil an unserer Reiselust. Ein bisschen ist dieses Reisen sicherlich auch die unbewusste Suche nach dem einen Ort, an dem man ein wenig länger, vielleicht bis an sein Lebensende bleiben möchte.
Aber nicht nur das. In den letzten Jahren hat sich bei uns auch die Sehnsucht nach einer Basis verstärkt, die es uns erst ermöglicht, so zu reisen wie wir uns das vorstellen. Schwierig, so einen Ort zu finden.

Schwierig auch, euch jetzt in wenigen Zeilen zu erzählen, was wir in den letzten Jahren im Hintergrund so angestellt haben.
Solche Beiträge kratzen immer nur an der Oberfläche. Ein Artikel über so ein komplexes Projekt gibt aus dem Erlebten nur wenige Momente wieder und kann nicht mehr, als eine Stimmung transportieren. Aber ich will versuchen, euch ein kleines Stück mitzunehmen, auf einen Weg der uns weit nach Norden führen wird, dorthin wo das mystische Nordland beginnt und der Polarkreis zum greifen nah ist.

In erster Linie haben wir in den letzten paar Jahren gesucht und viel gelesen. Ganz leise haben wir uns irgendwann gesagt: „Nur mal angenommen, wir würden in ein anderes Land ziehen wollen…“
So fing es an.
Kurz nachdem wir Morgenstern übernommen hatten, sind wir die ersten kleinen Schritte in diese Richtung gegangen. Trippelschritte! Immer nur einen kleinen vor und gleich wieder einen halben zurück.
Wir waren uns lange nicht sicher, ob wir es wirklich wagen sollten. Unsere Stimmung war am Anfang großen Schwankungen unterworfen. Einerseits wollten wir es versuchen, andererseits hatten wir natürlich auch Angst zu scheitern.
Vor gut 3 Jahren haben wir dann einen Entschluss gefasst. Zu einer Zeit, in der Morgenstern eine Großbaustelle war und ein bekannter Virus in den Startlöchern stand, um für einige Verzögerungen zu sorgen. Am Ende war das für uns nicht einmal schlecht. Im Gegenteil. Wir hatten mehr Zeit, um Erfahrungen zu sammeln.
Damals haben wir das natürlich nicht so empfunden. Als der erste Termin geplatzt war, dachten wir: Das wird doch nie was…

Und das ist es auch eine ganze Weile nicht. Wir hatten Flüge gebucht, die wieder abgesagt werden mussten und Termine, die wir am Ende verpasst haben.
Dazwischen war umso mehr Zeit für Recherche. Die Frage, ob wir dort wo wir hin wollen wirklich das Gesuchte finden werden, konnte noch ein wenig länger diskutiert werden.
Die Wochenenden waren immer voll mit Gesprächen und ernsthafter Suche. Kartenmaterial sichten, Webseiten von Behörden durchforsten, Gesetze durchblicken, die Möglichkeiten virtuell ausloten…
Und immer wenn wir an Bord der Morgenstern waren, haben wir geträumt. Wie würde das wohl sein, wenn wir den Absprung wirklich schaffen sollten? Wie fühlt sich das Leben dort an? Wie werden die Menschen sein? Schaffen wir es, uns zu integrieren und noch einmal eine fremde Sprache zu lernen? Ist das der richtige Ort für Morgenstern? Denn eins war von vornherein klar, Morgenstern kommt mit!

Diese letzten Jahre waren ein Abenteuer und Spagat für uns, das ich hier kaum beschreiben kann. Eine innerliche Achterbahnfahrt. Uns war oft schlecht, obwohl wir sicher waren, in die richtige Richtung zu gehen.
Den ersten Termin, den wir einhalten konnten, hatten wir mit einem Makler am 7. April 2022 um 14 Uhr, in einem kleinen Ort am Rand der Arktis.
Es folgten weitere Hausbesichtigungen im Hohen Norden als auch weiter südlich, die wir lange vor der Reise im letzten Jahr vereinbart hatten. Zurück in Deutschland haben wir uns dazu entschlossen bei einem der Häuser in die sogenannte Bieterrunde zu gehen. Dazu muss gesagt werden, dass man in Norwegen nicht so einfach ein Haus kaufen kann. Häuser werden dort grundsätzlich versteigert und es ist in der Regel einiges an Aufwand notwendig, um dort als Ausländer mitmachen zu können. Fallstricke gibt es ebenfalls. Aber da kam uns letztendlich „Corona“ zugute. Wir hatten quasi 2 Jahre Zeit zu lesen…
Und so waren wir ruck zuck drin in der Runde und hatten auch eine recht gute Taktik. Irgendwann nützt aber die beste Taktik nix, wenn die Kohle schlicht nicht reicht. Nach 2 nervenaufreibenden Monaten mussten wir aufgeben.
Aber wie man immer so schön sagt: Wer weiß, wofür es gut war!?
Das haben wir natürlich nicht sofort so gesehen. Anfangs waren wir echt fertig!

Ein paar Monate später ergab sich dann eine neue Chance. Ein Haus bei dem fast alles passen würde. Die beste Gelegenheit in all den Jahren.
Ironischerweise haben wir es deshalb am Anfang nicht einmal richtig ernst genommen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt nicht zugelassen uns in das Haus und die Gegend zu verlieben.
Alles wurde nur nüchtern nach einem festen Plan begutachtet und abgearbeitet. Irgendwann waren wir soweit für unser erstes Gebot. Das war im Oktober 2022.
Im November haben wir den Zuschlag erhalten und alle Verträge und Anträge wurden auf den Weg gebracht.
Von da an haben wir uns wie in einer Seifenblase gefühlt. Wird das gerade wirklich wahr, oder pikst gleich jemand von außen und alles platzt?
Kurz vor Weihnachten wurde die Überweisung, die wir in Auftrag gegeben hatten, auf einem Treuhänder-Konto in Norwegen verbucht.

Heiligabend waren wir blank. Aber sowas von!
Und hatten ein Haus in Norwegen!

Es steht auf einer Insel im „Fylke“ Nordland, nicht weit entfernt vom Polarkreis, auf 65° Nord. Dort wo die Berge grün sind und das Meer drum herum dunkelblau.
Bis zum Meer sind es von unserer Haustür genau 30 Meter. In Worten: Dreißig! Aus dem Wohnzimmer schaut man nach Südosten auf den Fjord und die dahinter liegenden hohen Berge auf dem Festland. Der offene Nordatlantik liegt auf der anderen Seite der Insel. Der Fjord ist vor der Dünung des Meeres sehr gut geschützt. Noch besser geschützt ist die kleine Bucht direkt vor unserer Haustür. Sie ist nur durch 2 kleine natürliche Kanäle mit dem Fjord verbunden. Die Wassertiefe in dieser Bucht liegt bei maximal 15 Metern. So etwas findet man in dieser Konstellation auch in Norwegen nicht oft.
Was wir planen, dürfte klar sein. Morgenstern bekommt endlich den Liegeplatz, der zu diesem Schiff passt.

Das alte Haus ist für uns ein Traum. Es steht komplett frei, trotzdem haben wir Nachbarn, nicht weit entfernt. Das Grundstück um das Haus ist ziemlich groß und besteht überwiegend aus Wald. Genau so haben wir uns das immer erhofft. Einen Wald zu haben, der einem mehr bietet als nur Feuerholz.
Der Wald, er beginnt direkt hinterm Haus. Würde man von dort aus immer tiefer in den Wald laufen, man würde kein anderes Haus mehr sehen, keinem Menschen begegnen, keine Straße und keinen Weg mehr finden. Nach etwa fünf Kilometern durch unberührte Natur würde man das Europäische Nordmeer vor sich sehen. 1.500 Kilometer weiter liegt Grönland.

Zurück am Haus würde einem wahrscheinlich als erstes die viele Arbeit auffallen. Aber ich denke nicht, dass ihr bei uns etwas anderes erwartet habt.
Bis das gesamte Projekt rund ist, werden Jahre vergehen. Es wird auch noch eine Weile dauern, bis wir Morgenstern nach Norwegen verlegen können. Realistisch dürfte der Sommer 2024, vielleicht auch erst 2025 sein.
Für dieses Jahr sind diverse Arbeiten am Haus geplant und die ersten Schritte in Richtung eigener Mooringboje. Für ein 17 Tonnen Schiff ist das allerdings nicht mal eben gemacht.

Vor wenigen Wochen haben wir also einen Anhänger organisiert, schnell aufgemöbelt, Subaru und Anhänger vollgepackt und waren schließlich startklar und hoch motiviert.
Am 27. Januar um kurz nach 20 Uhr sind wir los. Vor uns lagen fast 2.400 Kilometer bis zum Ziel und nochmal soviel wieder zurück. Dafür und für die ersten Arbeiten am Haus hatten wir nur 7 Tage Zeit.
Alles musste deshalb perfekt geplant werden und für alles was schief gehen konnte wurde Ersatz mitgeführt, soweit das möglich war.
Die erste Etappe durch die Nacht war meine Aufgabe. So haben wir das schon früher immer gemacht, wenn wir zusammen gesegelt sind. Das hat sich bei uns am besten bewährt, da ich die „Eule“ bin und Sabrina lieber früh aufsteht. Am 28. Januar habe ich sie gegen 6 Uhr morgens geweckt. Wir waren bereits in Schweden, haben zusammen gefrühstückt und anschließend die Plätze getauscht.
Als ich wieder wach geworden bin, waren wir nördlich des Vänern. Hier hat sich der linke Reifen des Anhängers verabschiedet. Das Ersatzrad war schnell montiert und weiter ging die Fahrt nach Norden. Wir hatten gehofft, dass wir es in maximal 24 Stunden bis Östersund schaffen könnten. Dort kennen wir jemanden, der einen Campingplatz hat und eine kleine warme Hütte für uns bereit gehalten hätte.
Letztendlich mussten wir den Versuch nach 25 Stunden Fahrt abbrechen. Das Risiko wurde zu groß. So weit nördlich war es bereits seit Stunden dunkel. Immer mehr Wild war unterwegs und wir sind die letzten paar Hundert Kilometer fast durchgehend auf Eis gefahren. ABS hatten wir mittlerweile auch keins mehr, da sich ein Fehler in die Elektronik eingeschlichen hatte.
Nach scheitern fühlte sich das deshalb auch nicht an. Wir sind in diesen 25 Stunden 1.740km weit gefahren. Neuer persönlicher Rekord, den wir wahrscheinlich so schnell nicht einstellen werden.


Übernachtet haben wir auf einem kleinen Rastplatz, gleich neben einem wunderschönen, zugefrorenem See. Wir kannten den Platz bereits von unserer letzten Reise und hatten ihn für genau diesen Fall eingeplant.
Der Subaru war ruck zuck zum Schlafwagen umgebaut und nach dem Abendessen und einer Runde mit Filou sind wir schneller im Reich der Träume gewesen, als die Elche Gute Nacht sagen konnten.
Die Nacht war bis minus 15°C kalt. Mit guten Schlafsäcken, isolierten Scheiben und einer Decke für Filou lässt sich das aber mehr als gut aushalten. Gefroren haben wir nicht.
Am frühen Morgen ging es schließlich weiter. Noch gut 600 Kilometer lagen vor uns und die Strecke war überwiegend vereist oder verschneit.
Aber wir hatten ja unseren symmetrischen Allradantrieb und der hat uns mehr als einmal vor dem Aufziehen der Schneeketten bewahrt und damit viel Zeit eingespart. Damit macht Schnee und Eis erst so richtig Spaß und der Winter wird zum Genuss.
Irgendwann am frühen Nachmittag, es war bereits dunkel, trennten uns nur noch 200km vom Ziel, aber der Schneefall wurde so stark, dass wir nur noch sehr langsam vorwärts kamen. Immer wieder mussten wir anhalten um die Scheinwerfer vom Schnee zu befreien. Unser Nachbarn, den wir bis dahin nur „online“ kannten, hat derweil die Wärmepumpe in unserem Haus hochgedreht und die Beleuchtung eingeschaltet. „Damit das Ankommen etwas Besonderes wird.“

Das war es! Die ganze Fahrt mit dem Youngtimer war etwas besonderes, mit einem CD-Wechsler voll mit „A-HA“ und „Aurora“ im Loop.
Es fühlte sich an, als würde alles seit vielen, vielen Jahren auf genau diesen Moment hinauslaufen müssen. Als wäre alles vorher nur Vorbereitung und Probe gewesen, ohne die es das hier oben nicht hätte geben können.
Wir waren überglücklich, konnten das alles aber so schnell überhaupt nicht begreifen.

Angekommen und bereit für neue Abenteuer.

Unser rotes Haus am Meer.

Am nächsten Tag waren wir im Einsatz. Ausmessen, Zeichnungen machen, Pläne schmieden, die erste Anhängerladung auspacken und einräumen. Aufräumen, Kettensäge zum Einsatz bringen…
Wir hatten viel zu tun und es hat unglaublich viel Spaß gemacht.

Erster Grünschnitt erledigt.

Erster Rundgang durch unseren Märchenwald.

Einer von drei kleinen Bächen, die durch unseren Wald fließen.

Am zweiten Abend war einer unserer Nachbarn zu Besuch und wir saßen lange zusammen im Haus.
Am dritten oder vierten Morgen habe ich so langsam realisiert, dass wir nicht nur für ein paar Tage in diesem Haus zu Besuch sind. Ich bin ganz früh morgens, noch vor dem Frühstück, zum Meer gelaufen, habe mir das Haus und den Wald dahinter von weitem angeschaut und ganz langsam realisiert.

Das Haus von der Seeseite aus gesehen. Davor befinden sich direkt am Ufer Bootsschuppen.

Wobei? Wenn ich jetzt, aus der Ferne, darüber nachdenke, fühlt sich alles wieder unwirklich und ganz weit weg an.
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir beide vollständig realisiert haben, dass wir tatsächlich gerade dabei sind, nach Norwegen auszuwandern.

Am Abend bevor wir wieder zurück nach Deutschland mussten, kam ein großer Traktor rückwärts die Einfahrt zu unserem Haus hochgefahren. Es war einer unserer Nachbarn, der ein paar Hundert Meter weiter wohnt. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass die neuen Nachbarn hier sind. Und da er wusste, dass wir selbst noch keinen Traktor haben, wollte er den Schnee in unserer Einfahrt mit seinem Traktor räumen.
Wir haben in kürzester Zeit viel Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit erlebt. So viel, dass wir ein wenig überwältigt waren.
Am 3. Februar mussten wir früh morgens wieder los. Wir wären am liebsten gleich für immer geblieben, in dem roten Haus an der kleinen Bucht, kurz vorm Polarkreis.
Den Rückweg erspare ich euch im Detail. Wir waren schnell! Samstag Abend waren wir bereits zurück am Niederrhein und hatten nochmal knapp 2.400 Kilometer abgespult. Davon die ersten etwa Eintausend Kilometer fast durchgehend auf einer festen Schnee- oder Eisdecke. Übernachtet haben wir an einem abgelegenen Platz am Öresund in Schweden, an dem wir fast 2 Jahrzehnte zuvor mal gezeltet hatten. Alles war dort noch so wie damals.

Nun heißt es, Listen abarbeiten, die nächste Fahrt planen und Morgenstern nicht aus den Augen verlieren. Der Anhänger braucht neue Reifen, der Subaru hat ebenfalls gelitten und muss wieder aufgemöbelt werde. Neue Windschutzscheibe, neue Stoßdämpfer…

Letztes Foto vor der Rückfahrt nach Deutschland.

Meine kleine Raumkapsel

Bevor wir uns thematisch wieder näher ans Meer begeben, müssen wir noch über etwas reden, das mich nun schon eine ganze Weile beschäftigt und mittlerweile längst zu meinem Alltag gehört.

Als ich noch ein Kind war, in den frühen 90ern, fuhren in meiner Stadt, neben den vielen Autos mit Verbrennungsmotor, ein paar wenige kleine Elektroautos umher. Ich wusste damals nicht, was das für Autos waren, aber sie gefielen mir enorm gut. Immer wenn ich eins davon lautlos vorbeihuschen sah, war ich begeistert.
In der Pubertät hat sich die Begeisterung für die kleinen Raumkapseln dann wieder gelegt und mein Mofa musste möglichst laut knattern und nach Benzin riechen. Nach dem Mofa kamen ein paar Zwischenstationen im Motorsport, für die Straße eine ZX-9R und unzählige Runden auf der Nürburgring Nordschleife. Gedanken an Nachhaltigkeit habe ich mit Anfang 20 praktisch keine mehr verschwendet. Die Raumkapseln, von denen ich nicht einmal wusste wie sie heißen, verschwanden langsam aus dem Straßenbild und gerieten bei mir in völlige Vergessenheit.
Als Sabrina in mein Leben kam, wurde ich langsam ein wenig vernünftiger. Die ZX-9R habe ich ihr zuliebe abgegeben und bereue das keine Millisekunde!

Jahre vergingen, es wurde gesegelt und gepilgert. Unsere Autos wurden immer kleiner, meistens sind wir aus Überzeugung Twingo gefahren.
Und dann kam irgendwann die Idee, selber ein Elektroauto auf Basis eines kleinen Verbrenners zu entwickeln. Die Geschichte mit dem Trabant begann und hat dazu geführt, dass ich mich an die kleinen dreirädrigen Autos aus meiner Kindheit erinnert habe.
Vor etwa einem Jahr habe ich dann gezielt danach gesucht und schließlich den Fahrzeugtyp gefunden. Es gab allerdings kaum noch welche, die zum Verkauf standen und wenn, dann waren sie meistens völlig verbastelt oder nicht fahrtauglich.
Im Sommer habe ich schließlich ein unverbasteltes, aber defektes „Mini EL“ in Niedersachsen für kleines Geld gefunden und mit dem Subaru, auf dem Anhänger, abgeholt.
In wenigen Wochen hatte ich es restauriert und nun steht die kleine Raumkapsel im Originalzustand hier und wird fast jeden Tag von mir bewegt.

Mein EL ist als vollwertiger Pkw zugelassen, hat ein großes Nummernschild und fährt ca. 50km/h. In der Stadt schwimmt man damit wunderbar im Verkehr mit. Parkplatzprobleme kenne ich mit ihm nicht und der Verbrauch ist ein Traum. Etwa 3,5kWh brauche ich für 100km. Das entspricht dem Heizwert von ungefähr 0,4l Benzin. Was will man mehr, bzw. weniger.
Im Moment fährt das EL noch mit Blei-Akkus, wie in den 90ern, aber ein Satz LiFePO4 Akkus steht bereits hier. Damit wird die Reichweite mit einer Akkuladung von aktuell ca. 40km auf knapp 200km steigen.

In der Stadt kommt man also genauso schnell vorwärts wie mit einem großen Auto. Auf der Landstraße bin ich natürlich deutlich langsamer. Das war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Man wird halt ständig überholt. Die meisten Leute nehmen dabei aber Rücksicht auf das kleine zerbrechliche Ding.
Auf meiner 30km langen Strecke von unserer Haustür bis zu Morgenstern, bin ich im Schnitt nur etwa 3 Minuten länger unterwegs, als wenn ich mit dem Subaru fahren würde. Manchmal sind es 5 Minuten, manchmal bin ich aber auch keine einzige Minute später am Ziel, wenn irgendwo auf der Landstraße ein Lkw mit 60km/h eine Schlange hinter sich her zieht oder die Ampelphasen passen.



Ich fahre die kleine Raumkapsel jedenfalls ziemlich gerne und träume hin und wieder von einer Gesellschaft, in der irgendwann ein Umdenken in Richtung zweckmäßiger Mobilität einsetzt. In der man große, schwere kW Boliden nur dann nutzt, wenn man sie wirklich braucht. Zum Beispiel, wenn viel transportiert werden muss, auf Langstrecke, oder zum Beispiel auf der Nordschleife.
Die Umstrukturierung des Sonnensegler-Fuhrparks ist mit dem „Mini EL“ (auch „City EL“ oder „Ellert“ genannt) abgeschlossen.
Der Subaru wird nur noch für die echte Langstrecke genutzt, dafür haben wir ihn gekauft. Er ist unser Microcamper und entsprechend optimiert. Der Trabant wird in Zukunft den Twingo ersetzen und das EL wird immer dann eingesetzt, wenn Sabrina oder ich allein irgendwo hin müssen. Ziel ist es, die beiden Oldtimer und den Youngtimer sehr lange zu fahren und zu erhalten.

Der Subaru steht übrigens reisefertig vor der Tür, morgen geht’s los! Ein neues Abenteuer liegt vor uns…

Auf zur Ladesäule

Film: Fomapan 100
Kamera: Weltaflex
Fahrzeug: Trabant 601

Einfach mal ne Runde mit der Elektropappe um den Block cruisen: Unbezahlbar

Ja, der Trabant hat nach über 2 Jahren Entwicklungs- und Restaurationszeit den „Segen“ des TÜV und die „Heiligsprechung“ des Straßenverkehrsamts bekommen.
Für mich geht damit eines der aufwändigsten Projekte überhaupt zu Ende. So richtig real fühlt es sich noch nicht an, mit einem praktisch neuen Trabant 601 E durch die Gegend zu fahren.
Im Moment habe ich noch etwas Angst, es könnte ihm etwas passieren. Zum Beispiel, dass er schmutzig wird.

Das Foto ist übrigens mit einer alten Weltaflex, einer zweiäugigen Spiegelreflexkamera, entstanden. Diese Kamera hatte ich erst vor kurzem restauriert. Das hatte zunächst nichts mit dem Trabant zu tun, es war reiner Zufall, dass die alte Kamera aus der DDR zeitgleich mit dem Trabant fertig geworden ist.
Und so ergab sich die witzige Möglichkeit, das erste Foto des zugelassenen Trabis auf Rollfilm aufzunehmen.
Entwickelt habe ich den Film in Adonal. Für mich ist das immer ein absoluter Genuss! Mit das Beste am gesamten Prozess der analogen Fotografie.

Jetzt ist er also fertig, der gute alte Trabant und ich freue mich schon sehr auf die Zeit, wenn ich ihn im Alltag auf der Straße bewegen werde.
Würde ich so einen Umbau noch einmal machen? Wahrscheinlich nicht!
Ich bin zwar froh, dass ich dieses Projekt begonnen und auch zu einem guten Ende gebracht habe, aber es hat mich graue Haare gekostet. Gar nicht so sehr die Entwicklung der Technik, obwohl die auch eine enorme Herausforderung für mich war. Es war vielmehr der Umgang mit Paragraphen und Verordnungen, sowie den Menschen die entsprechendes umsetzen, durchsetzten und von denen man abhängig ist.
Da so ein Umbau, wenn er wie in meinem Fall eine Neuentwicklung ist, über Jahre geht, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Gesetze schneller ändern, als ich darauf während der Bauphase als Einzelperson mit entsprechender Langsamkeit reagieren kann.
Das Prüfverfahren beim TÜV war da noch das Angenehmste. Die Zeit in der Prüfstelle war mit die beste während des gesamten Projekts. Die Leute vom TÜV Süd kann ich wirklich nur loben! Die Ingenieure dort haben es selbst nicht gerade leicht, die sich ständig verändernde Gesetzgebung zu überblicken und umzusetzen.

Aber das Thema ist nun durch. Er hat seine Gutachten, Plaketten und Stempel und morgen klebe ich noch die grüne Feinstaubplakette in die Windschutzscheibe des 86er Trabis.
Auf mich wirkt er dann fast so, als wolle er die Leute verarschen, wenn er mit seinem freundlichen Gesicht neben den kW-Boliden am Typ 2 Kabel hängt und ein klein wenig Strom speichert.

10 Jahre Sonnensegler

Im Oktober vor einem Jahrzehnt erschien der erste Beitrag auf dieser Website. Ich habe ihn mir gerade nochmal selbst durchgelesen und muss sagen, ich kann über so viel Naivität in so wenigen Zeilen heute eigentlich nur schmunzeln!
Das fühlt sich fast an, als ob diesen Text jemand anderes geschrieben hätte. Ich will fast sagen: Ich war das nicht!
Aber doch, ich war das. Ich war halt jung und hatte keine Ahnung, was dort draußen auf See überhaupt abgehen kann. Es gab aber eine große Lust auf Abenteuer und die ist zum Glück bis heute geblieben. Und das nicht nur bei mir, sondern auch bei Sabrina. Aus der fixen Idee mit der Weltumsegelung ist letztendlich eine Odyssee durch Europa geworden, übers Meer, über Flüsse und den Jakobsweg. Abenteuer mit Booten, zu Fuß, mit Rädern, Einhand oder zu Zweit und irgendwann mit einem besten Freund an unserer Seite. Aber wem erzähle ich das. Ihr kennt ja die Geschichten.

Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass diese Website mal so voll wird mit Texten und Geschichten. Ich war in der Schule, gerade in Deutsch, echt die faulste Sau!
Tja, und heute blicken wir auf exakt 450 Artikel zurück, die sich in all den Jahren hier angesammelt haben. Neben den Filmprojekten ist das mein größter Schatz, auf den ich schon ein ganz klein wenig stolz bin.
Genau 802 standardisierte Buchseiten, sogenannte Normseiten, würden die Texte aus diesen Artikeln füllen. Praktisch betrachtet ergibt das mit Absätzen eine realistische Seitenzahl von ungefähr 962.
Wer sich Sonnensegler.net also nochmal von Anfang an reinziehen möchte, sollte sich das gut überlegen!
Ich glaube, ich hätte diese Ausdauer nicht. Ich bin wirklich keine Leseratte. Ich lese ungefähr einmal im Jahr mein Lieblingsbuch „First Light“ von Richard Preston und vielleicht noch ein oder zwei neue Bücher. Mehr nicht.
Wobei, letztendlich lese ich immerhin jeden Sonnensegler.net Artikel, nachdem ich ihn geschrieben habe, mehr als einmal und verändere jedes mal Details, bevor ihn Sabrina zum Absegnen bekommt. Aber das zählt eigentlich nicht als lesen, sondern ist ja eher ein werkeln und so etwas mache ich halt gerne.

Wo wir gerade beim Thema werkeln sind: Am Trabant hat es sich vorerst ausgewerkelt!
Anfang dieser Woche habe ich einen Anruf vom TÜV bekommen. Mir wurde mitgeteilt, dass ich noch einmal zur Prüfstelle fahren muss. Aber nicht mit dem Trabant auf dem Anhänger, wie sonst immer, sondern mit einem beliebigen Verkehrsmittel, um das fertige Gutachten für den Trabant 601 E abzuholen!
Was das bedeutet, realisiere ich erst so ganz langsam.
Das Prüfverfahren ist nach fast 4 Monaten endlich abgeschlossen. Der Aufwand war enorm, sowohl für mich, aber vor allem für die Ingenieure vom TÜV Süd. Es war eine tolle Zeit und eine interessante Erfahrung. Nachbessern musste ich in all der Zeit nichts am Trabant. Er hat alle Prüfungen auf Anhieb geschafft.
Er entspricht jetzt zu 100% der StVZO und könnte nun jederzeit am Strassenverkehr teilnehmen, wenn, ja wenn da nicht noch das Strassenverkehrsamt in Wesel zwischen mir und dem Asphalt stehen würde.
Aber ich gehe ganz optimistisch davon aus, dass auch diese allerletzte Hürde eines Tages genommen werden kann.
Dieses Jahr werde ich mir das aber nicht mehr antun. Das Jahr war aufregend genug für uns.

Über vieles habe ich hier bisher noch gar nicht berichtet. Zum Beispiel, dass wir im Sommer mal für ein paar Tage am Atlantik waren. Genauer gesagt in Le Verdon Sur Mer, dort wo einst unser Segelboot Eos knapp ein Jahr ihren Liegeplatz hatte und von wo aus wir 2015 aufgebrochen sind, um auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu pilgern.
Diesmal waren wir nur zum ausruhen dort. Wir mussten ein wenig Kraft für die folgende Zeit tanken und das hat gut funktioniert.
Wir haben uns ein Motorboot gechartert und Filou hat ganz offiziell seine Biskaya Taufe erhalten. Wir sind quasi auf unseren eigenen Spuren umher motort. Noch einmal durch die Mündung der Gironde fahren, wo wir damals mitten in der Nacht bei Sauwetter mit Eos durch ziemlich ruppige See reingekommen sind. Und Sabrina hatte die Gelegenheit, die Strecke auf der Gironde in Richtung Bordeaux zu fahren, die ich 2016 mit Eos Einhand unterwegs war. Dann noch mal kurz rüber nach Royan, wo wir mit Eos eine echt gute Zeit im Hafen hatten.
Ansonsten haben wir die Tage oft am Strand verbracht. Filou konnte endlich wieder richtig lange frei laufen.
Den Trip nach Frankreich haben wir mit dem alten Twingo gemacht. Genau zu der Zeit, als es in ganz Europa so richtig „schön“ warm war und der Wald am Atlantik abgefackelt ist. Das hat uns echt traurig gemacht, was dort passiert ist.

Und wie geht es nun weiter mit Sonnensegler.net?
Für mich fühlt es sich gerade so an, als hätten wir nach den ersten 10 Jahren den Vorspann nun hinter uns und könnten so langsam etwas neues ausprobieren.
Die Reise geht also weiter, auch wenn es für euch im Moment mehr nach „Durststrecke“ aussieht. Im verborgenen werkeln wir seit einer ganzen Weile intensiv daran, dem Abenteuer eine neue Richtung und Morgenstern wieder eine echte Daseinsberechtigung zu geben.
In den letzten Monaten hat sich viel bei uns geändert, leider oft ins Negative. Hin und wieder gab es aber auch Lichtblicke. Die meiste Zeit war das Jahr 2022 nervenaufreibend für uns und unsere Familie.

Danke für eure Lesetreue in all den Jahren!

Wir wünschen euch ein Frohes Fest! Kommt gesund ins nächste Jahr!

Wir lesen uns…

Roadtrip zum Rand der Arktis – Teil 3

Polarlicht auf Senja.

Am späten Abend des 6. April 2022, stehen Sabrina und ich mit weit aufgerissenen Augen sprachlos vor unserer kleinen Hütte auf der Insel Senja und blicken überwältigt nach oben in den Nachthimmel. Über uns wabert das Polarlicht und liefert eine Lightshow ab, die es in sich hat.

Wenn man so etwas zum ersten Mal live erlebt, kann man sich erst vorstellen, wie überwältigt Menschen früher gewesen sein müssen, als es noch keine wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen gab.
Manche Völker haben sich vor den Polarlichtern gefürchtet, bei einigen wurden sie verehrt. Die Wikinger glaubten, dass Walküren nach einer geschlagenen Schlacht über den Himmel ritten und die Polarlichter Reflexionen ihrer schillernden Rüstungen sind.
Bei den Sami glaubte man dagegen, dass es sich bei den Leuchterscheinungen am Himmel um die Seelen der Verstorbenen handelt und man nicht über sie reden sollte. Dann nämlich bestand die Gefahr, von ihnen gepackt und in den Himmel hinaufgezogen zu werden.
Mir gefällt die Interpretation der finnischen Ureinwohner aber von allen am besten. Dort glaubte man, dass es arktische Füchse gibt, die so unglaublich schnell rennen können, dass sie Funken erzeugen, wenn sie beim rennen mit ihren Ruten gegen die Bergspitzen schlagen. Diese uralte Sage gab dem Polarlicht in Finnland seinen Namen, der bis heute geblieben ist. Man nennt das Polarlicht dort „Revontulet“, was übersetzt „Feuerfuchs“ bedeutet.

Sabrina und mich haben die Feuerfüchse am Rand der Arktis jedenfalls in ihren Bann gezogen. Das wir sie überhaupt zu sehen bekommen, daran hatten wir eigentlich nicht mehr geglaubt.
Das Magnetometer in Kiruna war seit Tagen ruhig, der KP-Wert lag bei 1 und die Vorhersage für die nächsten Tage sah schlecht aus.
Der KP-Index gibt mit einem Wert zwischen 0 und 9 die Intensität der solaren Teilchenstrahlung an und man kann mit diesem Wert eine grobe Einschätzung treffen, ob Polarlichter möglich sind.
Um in Norddeutschland Polarlichter zu sehen, braucht es schon einen geomagnetischen Sturm und einen KP-Wert von mindestens 5, besser 7, um visuell überhaupt etwas wahrnehmen zu können.
Ich selbst habe mein erstes Polarlicht im Sommer 2001 in Nordrhein-Westfalen gesehen und auch fotografiert. Der KP-Wert lag damals bei 8 und das Polarlicht war als schwach leuchtender, roter Vorhang am nördlichen Himmel sichtbar.

Auf Senja ist jedoch alles anders. Die Insel liegt auf dem 69. Breitengrad Nord, quasi direkt unter dem Polarlichtoval, in einer Region in der dieses Oval am ausgeprägtesten ist und der Teilchenstrom der Sonne die Gase in den oberen Schichten der Erdatmosphäre bereits bei geringen Dichten zum leuchten anregt.
Es gibt weltweit nur wenige leicht erreichbare Gegenden auf diesem, für Polarlichter optimalen Breitengrad, und Senja ist einer dieser idealen Orte. Hier ist es aufgrund der dünnen Besiedelung noch dazu nachts schön dunkel.
Das war mir zwar im Vorfeld dieser Reise bewusst, aber trotzdem habe ich nicht daran geglaubt, bei einem KP-Wert von quasi NIX überhaupt etwas zu sehen.
Trotzdem bin ich alle halbe Stunde nach draußen gegangen, habe einen Blick in den Himmel geworfen, ein paar Aufnahmen gemacht und gehofft…
Kurz vor Mitternacht war es schließlich soweit. Die ersten grünen Bänder tauchten auf!
Zuerst ganz schwach wahrnehmbar, dann wurden sie nach wenigen Minuten immer heller.
Sie veränderten sich schnell, verbogen sich und zerfielen wieder.
Immer wieder bauten sie sich auf, waberten vor sich hin und huschten wieder davon. Viel schneller als ich es mir immer vorgestellt hatte.
Im ersten Moment habe ich fast geschrien: „SABRINAAAAAA!!!“
„POLARLICHTER!!!“
Als wir dann beide dort oben unterm Himmel standen und die Feuerfüchse über unseren Köpfen hinwegrasten, waren wir lange Zeit ganz still. Für uns war es ein gigantisches Naturschauspiel.
Aurora Borealis! Bei einem KP-Wert von EINS!
Von so einer Sichtung habe ich mein halbes Leben lang geträumt.

Aurora Borealis!

Aber wir waren nicht nur nachts auf der Insel unterwegs, sondern haben Senja wirklich intensiv kennengelernt und mit dem Subaru erkundet. Wir waren im Osten und im Westen, haben den Süden der Insel ausgekundschaftet und auch die Nordküste und das Innere der Insel nicht ausgelassen.










Wir hatten durch eine Bekanntschaft im Vorfeld der Reise und ein Treffen auf Senja die Gelegenheit, viel über die Lebensweise der Menschen hier oben und der Norweger im allgemeinen zu erfahren, die gar nicht so abgekühlt und verschlossen sind, wie ihnen häufig nachgesagt wird.
Die meisten Norweger haben wir als ausgesprochen direkt und gelassen erlebt. Es wurde selten um den heißen Brei herumgeredet und auch nicht unnötig oder hastig gelächelt, wenn es keinen triftigen Grund dafür gab. Wir sind damit ausgesprochen gut zurechtgekommen.

Durch diese Bekannschaft haben wir auf Senja eine Jägerin kennengelernt und ein paar interessante Einblicke bekommen. Jagd in Norwegen unterscheidet sich deutlich von Jagd in Deutschland. Wir hatten uns mit dem Thema zwar schon lange vor dieser Fahrt beschäftigt, aber davon aus erster Hand etwas zu erfahren und letztendlich das Gelesene bestätigt zu bekommen, war eine tolle Erfahrung.
Jagd in Norwegen dient den Menschen nach wie vor in erster Linie dazu, ein gutes Stück Fleisch auf dem Teller zu haben. In praktisch jeder norwegischen Familie gibt es mindestens einen Jäger oder eine Jägerin. Gejagt wird überwiegend nach sehr alten, bewährten Grundsätzen. Trophäenjagd spielt kaum eine Rolle, Treibjagden ebenfalls nicht. Gejagt wird in der Regel einzeln, oder zu zweit. Hochsitze gibt es fast keine. Man begibt sich statt dessen auf die Pirsch und zieht hinaus in die Wildnis. Manchmal geht so eine Jagd über mehrere Tage. Der Jäger übernachtet dann im Wald, lässt sich auf das Leben in der Wildnis ein und versucht durch Spurenlesen und durch seine Erfahrung den Elch zu finden. Es wird lange beobachtet und ausgesucht, welches Tier geschossen wird. In der Regel ist es das schwächste erwachsene Tier einer Herde.
Das geschossene Tier wird dann vor Ort zerlegt und das Fleisch auf dem Rücken aus dem Wald transportiert.

Die Jägerin, mit der wir auf Senja übers Jagen gesprochen haben, hatte ihr Revier auf einem Berg im inneren der Insel. Wir konnten uns nur schwer vorstellen, wie anstrengend es sein muss, dort mit Ausrüstung, Gewehr und auf dem Rückweg zusätzlich mit jeder Menge Fleisch auf dem Rücken entlang zu wandern. Aber die Jägerin, sie macht es heute und seit sie denken kann. Als wir sie getroffen haben, war sie über 70 Jahre alt!

In Norwegen gibt es durch diese ausgeprägte Jagd auch weniger Viehhaltung. Und wenig Vieh bedeutet weniger Weiden. Weniger Weiden bedeutet mehr Wald. Mehr Wald bedeutet mehr Wild. Mehr Wild bedeutet weniger Viehhaltung…
Ein Kreislauf im Einklang mit der Natur, über den wir in Deutschland nicht mehr nachdenken brauchen. Dafür ist es längst zu spät.
In Norwegen funktioniert dieser Kreislauf seit eh und je. Und das nicht nur bei der Jagd. Dafür braucht es interessanterweise auch keinen politischen Zwang. Die Menschen haben das hier oben schon immer so gemacht und sich bei aller Technisierung eine gewisse Naturverbundenheit bewahrt.
Das fängt bereits im Kindergarten an und geht in der Schule weiter. Kindergartenkinder verbringen in Norwegen wesentlich mehr Zeit in der Natur als im Rest Europas. Uns ist das während dieser Reise auch aufgefallen. Wir haben öfter Kindergruppen mit ihren Erzieherinnen auf Ausflügen gesehen.
In der Schule hört dieser Umgang mit der Natur nicht auf. Schulkinder gehen, unabhängig vom Wetter, in der Regel einen Tag in der Woche zum lernen nach draußen.
Eine (solche) Prägung wirkt sich, wie wir alle wissen, natürlich auf das gesamte spätere Leben und damit auf die Grundeinstellung einer Gesellschaft aus. Ein Beispiel:
Norwegen erzeugt 100% seines Stroms aus erneuerbaren Energien und das schon seit Jahrzehnten und mit ordentlich Überschuss, den sie uns gerade übrigens abgeben, sonst würde es hier noch düsterer aussehen.
Aber lassen wir das Thema, sonst komme ich vom Schwärmen noch ins Nörgeln ab und das wollen wir ja hier nicht.

Sabrina und ich schaffen es, uns nach einigen wunderbaren Tagen vom Rand der Arktis loszueisen. Wir wären gerne länger geblieben, viel länger, aber es gab schließlich noch mehr zu entdecken.
Also bekam der Subaru einen kleinen Check und wir sind am 9. April wieder gen Süden gefahren.
Irgendwann waren wir in Narvik, haben dort noch ein paar Dinge erledigt und sind durch den Ort gecruist, den wir seit langer Zeit so oft im Livestream beobachtet haben, um übers Jahr verteilt zu schauen, wie das Wetter gerade dort ist und um unser Fernweh ein wenig zu stillen.
Jetzt waren wir hier und für einen kurzen Moment war der Subaru ein Teil dieses Livestreams. Ein witziger Moment und ein wenig surreal.

Danach ging es weiter auf der E6 nach Süden. Die Landschaft die an uns vorbei zieht kann unterschiedlicher kaum sein. Mal fahren wir durch eine Eiswüste und wenige Kilometer weiter findet man sich im relativ milden Küstenklima wieder und die Straße ist komplett schneefrei und trocken.
Gegen Mittag überqueren wir ein zweites Mal den Polarkreis, diesmal in die andere Richtung. Hier in Norwegen steht am Polarkreis das „Arctic Circle Center“. Ein ziemlich faszinierendes Gebäude mit eigener Poststelle, Souvenierladen und Cafeteria.
Aber es ist halt noch Winter und das riesige Gebäude ist bis zum Dach eingeschneit. Nur der große Wegweiser schaut noch ein Stück aus der weißen Masse heraus. Wir fahren weiter.








Am Abend kommen wir in Tosbotnet an. Der Ort liegt einige Kilometer abseits der E6 an einem Fjord. Dort hat Sabrina kurzfristig eine kleine gemütliche Hütte für uns gefunden.
Von der Umgebung bekommen wir nicht mehr viel mit. Wir sind müde und fallen recht früh ins Bett.
Mitten in der Nacht weckt uns Filou. Er bellt nicht, das macht er ja grundsätzlich nicht. Er klettert lautlos aufs Bett und stupst einen mit seiner Nase am Kopf an. Als wir wach sind, steht er neben uns und lauscht. Wir hören nichts, schauen noch aus dem Fenster, sehen aber nichts.
Filou ist noch eine ganze Weile wach und starrt ab und zu auf die Wände, als ob ein Geist dahinter wäre.
Irgendwann schlafen wir alle wieder ein.
Als wir am nächsten Morgen nach draußen gehen, sind überall um die Hütte herum Spuren im frischen Schnee. Viele kleine und eine Spur mit ziemlich großen Abdrücken. Die kleinen stammen wahrscheinlich von Rentieren, die großen sind eindeutig von einem Elch.
Die Tiere sind Nachts direkt am Schlafzimmer vorbei getrottet und Filou hat das mitbekommen.

Eine Elchspur.

Sabrina gefällt es in Tosbotnet.

Was wir sonst noch hier erleben lässt sich nur komprimiert wiedergeben, sonst artet das in exzessiver Schwärmerei aus.
Auf unseren Wanderungen im Wald jagt eine „Bob Ross Landschaft“ die andere. Einfach nur atemberaubend, durch einen völlig unmanipulierten Urwald zu gehen. Wie im Märchen und mit einem Wirtschaftswald, wie es die meisten in Zentraleuropa nun mal sind, nicht vergleichbar.

Bob Ross Landschaft.

Der Insel Vega statten wir auch einen Besuch ab. Dazu müssen wir mit einer Fähre ein paar Meilen über die offene See fahren. Filou muss während der Überfahrt im Auto bleiben. Nach etwa 30 Minuten leichter Schaukelei legt das Schiff auf Vega an. Als wir wieder runter zum Autodeck gehen und in den Subaru schauen, sehen wir wie Filou tief und fest schläft. Er war eher genervt, dass wir zurückgekommen sind und ihn beim Mittagsschlaf gestört haben.
Wir haben ihm versprochen, dass er auf dem Rückweg am Abend wieder von der Fähre in den Schlaf geschaukelt wird.
Bis es soweit war, haben wir Vega erkundet.
Die Insel war ein enormer Kontrast zum Festland. Wenige Seemeilen machen einen deutlichen Unterschied beim Klima. Um unsere Hütte in Tosbotnet ist die Landschaft weiß und alles ist tiefgefroren. An der Westseite von Vega liegt dagegen keine einzige Schneeflocke mehr. Es regnet und es pustet mit Windstärke 7. Der Wind ist nicht mal richtig kalt.







Nach 3 schönen Tagen in der Gegend um Tosbotnet verabschieden wir uns und ziehen auf der Europastraße 6 weiter nach Süden.
Es sind gerade einmal 350km, die wir am 12. April zurücklegen. Als wir gegen Mittag in Trondheim ankommen, ist das Wetter völlig anders als am Morgen.
Das faszinierende Nordland liegt nun endgültig hinter uns, wir sind jetzt in Trøndelag, in Mittelnorwegen. Hier ist es deutlich wärmer, Schnee liegt nur noch auf den Bergspitzen und in Trondheim sehen wir die ersten Leute im T-Shirt joggen. Wir sind in einer norwegischen Großstadt. Und auf den ersten Blick sind die Unterschiede zu anderen Großstädten nicht so groß. Hier gibt es halt alles was der Konsument braucht oder glaubt zu brauchen.






Wir richten uns auf einem Campingplatz für einen Tag und eine Nacht häuslich ein, bauen unser Heckzelt auf und machen es uns gemütlich. Mit Miniküche, die ich aus einer Eurobox, Alurohren, etwas Holz und ein paar Teilen aus dem 3D Drucker gebastelt habe. Das Menü ist allerdings eher rudimentär. Es gibt Ravioli aus der Dose. Macht satt.
Gleich neben dem Campingplatz liegt das Meer. Hier treffen sich abends einige Jugendliche und die ersten Leute haben am Strand den Grill angeworfen und machen ein Lagerfeuer.
Seinen eigenen Grill braucht man hier allerdings nicht mitbringen. Direkt an der Küste stehen mehrere öffentliche Edelstahl Grills mit bester Aussicht auf den Fjord.
Jeder einzelne Grill sieht besser aus als… ach, lassen wir das.
An jedem Grill ist an der Seite noch ein schicker Schürhaken an einer Kette angeschäkelt. Mich hat dieser Anblick fast schockiert, ganz ehrlich. Weil ich mir zu 100% sicher bin, dass so etwas in Deutschland, sagen wir in Frankfurt am Rheinufer, nicht eine einzige Nacht überleben würde! Der Haken wäre nur wegen des V4A Schäkels geklaut worden und der Grill spätestens nach der ersten Nacht von Samstag auf Sonntag nicht mehr an Ort und Stelle oder, wenn man ihn festbetoniert hätte, übel zugerichtet worden.
Mich hat der Anblick dieses gepflegten öffentlichen Grills wirklich traurig gemacht, weil er wie ein Mahnmal vor Augen führt, dass in unserer Gesellschaft etwas gewaltig schiefläuft.

Dieses Thema beherrscht den Abend bei uns im Heckzelt. Wir campen in einer Großstadt und fühlen uns so wohl, als würde das Zelt irgendwo auf dem Land, im Garten bester Freunde stehen.

Am nächsten Tag müssen wir Abschied nehmen. Abschied von Norwegen, Abschied vom hohen Norden.
Drei Jahre nachdem diese Reise geplant und immer wieder durch einen Virus verhindert wurde, hat es endlich geklappt.
Als wir über die Grenze nach Schweden rollen wissen wir, dass wir irgendwann wiederkommen werden. Das motiviert uns.

Dann nochmal kurz durch Schnee und Eis übers Skandinavische Gebirge, noch einmal bei Lits campen, dem Campingplatz, wo wir am Anfang dieser Reise eine Nacht kostenlos stehen durften. Diesmal gönnen wir uns eine kleine Hütte. Sehr gemütlich.



Und als letztes kleines Highlight schließlich, campen bei „Duse Udde“ am Vänern. Fast wie vor 15 Jahren. Damals waren wir mit Sabrinas blauem Twingo und Zelt hier, heute pennen wir im Auto und werden von Glampern komisch beäugt. Ist uns aber egal. Wir unterhalten uns noch eine Weile mit einem zahnlosen Althippie und sind froh, dass es auch noch normale Leute auf dem Campingplatz gibt.
Dann schlafen wir ein und träumen von Norwegen.

Am nächsten Tag: Endspurt!
Wir legen zwei Tagesetappen zu einer zusammen. Ab über die Öresundbrücke, eine letzte Fähre, ein paar Kilometer Autowahn, ähm Autobahn und zack sind wir wieder in Wesel, nach 1.200 Kilometern. Die längste Strecke, die wir bisher an einem einzigen Tag gefahren sind.
Aber es gab für uns keinen guten Grund mehr zu halten. Es gab ohnehin nur noch ein Thema bei uns beiden und da war es am besten, vorerst so schnell und so weit weg wie möglich von Norwegen zu kommen.

In Wesel liegen schließlich 6.791 Kilometer hinter uns. Wir sind ziemlich stolz auf unseren Filou und auf den Subaru. Beide haben den Roadtrip an den Rand der Arktis, über Schotterpisten, Eis und Schnee souverän gemeistert.

Zurück in Deutschland.

Norwegen, das war für uns Liebe auf den ersten Blick.
Obwohl, eigentlich war es eher so wie beim Onlinedating. Man begutachtet lange vor dem ersten Treffen nur Pixel. Man hofft, dass die Pixel im Reallife genauso süß sind, wie am Flatscreen.
Manchmal klappt das. Bei uns und Norwegen hat es geklappt.Und wie es geklappt hat! Es gab wenige Überraschungen und wenn, dann nur Positive.
Es war allerdings auch so, dass wir diesem Land seit einer gefühlten Ewigkeit einen Besuch abstatten wollten. Das erste Buch über Norwegen stand noch vor dem ersten Segelbuch im Regal und seit der Fahrt mit dem Twingo an den Vänern in Schweden hat uns der hohe Norden magisch angezogen.

Jetzt hat endlich Alles gepasst. Wir sind uns sicher, in die richtige Richtung gefahren zu sein, haben Alles ausprobiert was wir uns vorgenommen haben. Man könnte sagen: Ende gut, Alles gut!

Aber so ganz ist diese Geschichte noch nicht zu Ende.

Vielleicht fängt sie gerade erst an…

Roadtrip zum Rand der Arktis – Teil 2

Vorwort

Sieben Monate liegen zwischen diesem und dem letzten Artikel. Ich glaube, so viel Zeit ist bisher noch nie zwischen zwei Beiträgen vergangen.
Kurz nachdem wir von unserem Roadtrip nach Norwegen zurückgekehrt waren, gab es in unserem engsten Familienkreis in kurzen Abständen zwei schwere Krankheitsfälle, die uns ziemlich aus der Bahn geworfen haben. Die letzten Monate waren deshalb geprägt von vielen Veränderungen. Zeit wurde kostbar und wenn ab und zu ein wenig „Freizeit“ möglich war und ich mich motivieren konnte, dann habe ich in vielen kleinen Etappen weiter am Trabant gearbeitet und wenigstens dieses Projekt abgeschlossen. Der Trabant wurde erfolgreich beim TÜV geprüft und zur Zeit warte ich nur noch auf die Ausarbeitung des Gutachtens. An Bord der Morgenstern ist praktisch alles liegen geblieben. Mehr als alle zwei Wochen einen Rundgang durchs Schiff machen und die Leinen kontrollieren war nicht drin.
Mittlerweile haben wir uns an die neue Situation gewöhnt, vieles ist Routine geworden. Zeit ist allerdings nach wie vor knapp.
Sonnensegler.net ist also nicht aufgegeben, es gibt nur gerade einfach Wichtigeres!

Morgens auf dem Campingplatz.

Obwohl die Reise in den Hohen Norden bereits über ein halbes Jahr zurückliegt, die Erinnerungen sind noch frisch genug.
Wir haben auf dem Campingplatz in Mittelschweden gut in unserem Microcamper geschlafen, mussten uns aber am frühen Morgen doch ein wenig zum Rauskrabbeln zwingen. Die Temperatur lag bei knapp unter 0°C. Das fühlt sich ziemlich kalt an, wenn man direkt aus dem warmen Schlafsack in so eine Umgebung raus muss. Aber gut, wir haben uns das ja so ausgesucht.
Also, alles schnell erledigt, den Schlafwagen wieder zum Fahrwagen umgebaut, geduscht, gefrühstückt und dann wieder ab auf die E45. Weiter nach Norden!

Filou fragt: „Muss ich wirklich da raus?“

Mit jeder Pause wurde es kälter, der Schnee am Straßenrand höher und die Natur atemberaubender. Abschnittsweise sieht man bis zum Horizont kein Haus, keinen Strommast und keine anderen Autos. Am späten Vormittag haben wir die Grenze nach Lappland überquert und hatten die Straße meistens für uns allein. Nach jeder Abzweigung waren weniger Autos unterwegs.
Am Nachmittag lag schließlich der Polarkreis querab. 66° 33′ 55″ geografische Breite erreicht! Fühlte sich extrem gut an!
Eigentlich wollten wir hier Aufkleber für den Subaru kaufen, aber da haben wir uns völlig verkalkuliert. Das „Arctic Circle Cafe“ ist im Winter geschlossen und hier oben ist im April eben noch tiefster Winter.
In der halben Stunde, die wir am Denkmal verbracht haben, sind nur zwei oder drei Autos an uns vorbeigefahren. Verständlich, dass man da alles dicht macht.
Dafür hatten wir diesen Ort für uns allein und konnten die Atmosphäre und die Stille genießen.

Pause am Polarkreis!




 

Nach einer warmen Suppe auf dem Campingkocher ging die Fahrt weiter. Wir hatten noch etliche Kilometer auf der E45 vor uns und vor allem ich war hochmotiviert, an diesem Abend noch Kiruna zu erreichen. Sabrina hatte sich durch meine Schwärmerei von Kiruna im Laufe der Vorbereitungen ebenfalls vom „Kirunafieber“ anstecken lassen.
Die meisten dürften das nicht nachvollziehen können und ich habe dafür vollstes Verständnis. Kiruna ist die nördlichste Stadt Schwedens. Sie ist nur deshalb hier gegründet worden, weil es in der Gegend Eisenerz in rauen Mengen gibt. Sie ist also eine klassische Bergarbeiterstadt, mit etwa 17.000 Einwohnern und geprägt vom langen, kalten Winter und den harten Lebensbedingungen. Für Touristen gibt es nur wenige Attraktionen, es sei denn man ist ein Space Nerd und Astronomie Freak. Dann ist Kiruna in etwa das, was für Modefreaks Paris ist, oder für Zocker Las Vegas!
Kiruna ist einer von wenigen Orten, von denen ich hin und wieder mal seit langer Zeit geträumt habe. Gleichzeitg war es der Ort, von dem ich gedacht habe: „Da kommst du nie im Leben hin.“

Auf der E45 nach Norden. Ein Traum von Strasse!

Immer weiter nach Norden…

Felgenkunst

Ein Subaru in Lappland.

Vor fast 20 Jahren, als es eine Phase hoher Polarlichtaktivität gab und man hin und wieder auch in Deutschland Polarlichter fotografieren konnte, da war das Magnetometer in Kiruna mein bester Freund. Oft habe ich die Website des schwedischen Instituts für Weltraumphysik IRF aufgerufen und die Messwerte des Magnetometers live verfolgt, um zu begreifen was da vor sich geht und daraus abzuleiten, wann Polarlichter zu sehen sein könnten.
Dieses Magnetometer in Kiruna ist das wichtigste in Europa, vielleicht sogar der ganzen Erde. Hier wird permanent (unter anderem) die Aktivität des Erdmagnetfelds gemessen und interessante Erkenntnisse über die Vorgänge in unserer Atmosphäre gewonnen.

Und an diesem Abend waren wir auf dem Weg nach Kiruna. Auf den letzten Kilometern hatte ich einen dicken Kloß im Hals. Diese Fahrt war ein Genuss! Genau so hatte ich mir das in etwa vorgestellt. Auf einer dick verschneiten Straße im Dunkeln langsam durch Kiruna zu rollen. Der Subaru dreckig wie Sau und die Radkästen so vereist, dass nur noch langgezogene Kurven möglich waren.
So sind wir am Magnetometer vorbeigerollt, danach gemütlich durch die Stadt und schließlich auf einen Campingplatz.
Der Stellplatz war umgeben von hohem Schnee, alles tiefgefroren. Wir waren glücklich.

Auf dem Campingplatz in Kiruna.

Den Umbau zum Schlafwagen haben wir in Rekordzeit geschafft. Gegessen haben wir nichts mehr, so müde waren wir.
Geschlafen haben wir drei wie die Murmeltiere. Sabrina und ich in dicken Schlafsäcken, Filou unter seiner Fleecedecke.
Am nächsten Morgen -15°C! Arschkalt nach dem Aufstehen, aber einfach nur herrlich.

Müssen wir wirklich aufstehen?

Nach einer heißen Dusche und einem ordentlichen Frühstück in der Gemeinschaftsküche auf dem Campingplatz, sind wir zum Magnetometer und danach noch zum IRF gefahren. Den Raketenstartplatz Esrange und die Bodenstation Kiruna der ESA konnten wir nicht mehr besuchen, dafür wäre die Zeit einfach zu knapp gewesen. Wir wollten an diesem Tag schließlich noch das nördlichste Ziel dieser Reise, den Rand der Arktis, erreichen.
Und so sind wir zum Abschied noch eine Runde durch Kiruna gedreht, haben den Subaru vollgetankt und waren kurze Zeit später auf der E10 nach Nordwesten unterwegs. Von Kiruna bis zur Grenze nach Norwegen waren es nur noch etwas mehr als 100km.
Ein Großteil der Strecke verläuft entlang des Torneträsk, einem der großen Seen im Hohen Norden. Man fährt meistens einige Meter über dem Seeniveau und hat einen atemberaubenden Blick über das zugefrorene Gewässer. Ab und zu sieht man in der Ferne ein Schneemobil über die Eiswüste fahren, ansonsten ist alles um uns herum Weiß.
Gleich nach dem Torneträsk überqueren wir das Skandinavische Gebirge und legen an der Zollstation Björnfjell eine kurze Pause ein.
Ohne Hund könnte man hier einfach durchfahren, die Grenze ist offen. Aber da wir Filou dabei haben, ist ein kurzer Stopp nötig. Die Anmeldung ging wirklich flott und nach nicht einmal 2 Minuten war die Sache erledigt.
Kurz darauf ging es bergab. Die Küste war nur noch 30 Kilometer von uns entfernt und innerhalb kürzester Zeit änderte sich das Klima deutlich. Waren wir kurz zuvor noch im tief vereisten Lappland, so wehte uns wenig später eine relativ warme Brise entgegen und die Straße war auf manchen Abschnitten komplett schneefrei.
Deutlicher als hier oben kann man die Auswirkungen des warmen Golfstroms kaum erleben. Ohne diese globale Heizung wäre es auf der norwegischen Seite kaum wärmer als in Lappland und das Meer würde jedes Jahr zufrieren, wie die Barentssee. Durch den Golfstrom, der warmes Meerwasser aus der Karibik über den Atlantik befördert und über den Nordatlantikstrom und anschließend weiter über den Norwegischen Strom bis an die nördlichste Küste Norwegens transportiert, kann man es hier gut aushalten.

Verkehr in Kiruna.

Eine Forschungsrakete am IRF in Kiruna.

Entlang des Torneträsk nach Westen.

Nördlich von Narvik ist die E10 schließlich zu Ende und wir biegen auf die Europastraße 6 nach Norden ab. Unser Ziel ist ein kleiner Campingplatz auf der Insel Senja. Dort haben wir nach einem kurzen Telefonat die Zusage bekommen, dass wir heute Abend eine warme Hütte zum übernachten haben können.
Jetzt fühlt sich das nach Endspurt an! Es geht auf und ab, teilweise über recht steile Berge. Und zwischendurch sieht man immer mal wieder kurz das Europäische Nordmeer. Gebirge und Meer, dicht beieinander. Ein Traum!

Irgendwann sind wir in Finnsnes, einer kleineren Stadt auf dem Festland. Hier verbindet die Gisundbrücke das Festland mit der Insel Senja.
Senja ist die zweitgrößte Insel Norwegens und mit ca. 1.600km² Fläche etwas mehr als halb so groß wie das Saarland. Im Saarland leben fast genau 1 Million Menschen, auf Senja sind es weniger als Achttausend.
Als wir über die Brücke fahren und die wilde und raue Landschaft Senjas vor uns sehen, hören wir „Enya – Orinoco Flow“. Auf Kassette! Wie sich das für einen Roadtrip mit einem Youngtimer gehört. Fast schon zu schnulzig.
Wir sind glücklich, Filou schnarcht hinten und die letzten Kilometer entlang der Küste sind zum genießen. Eine halbe Stunde übers Eis, vorbei an zugefrorenen Buchten und einzelnen hübschen Holzhäusern in Rot, Gelb und Grün. Bunte kleine Sprenkel in einer ansonsten fast unberührten weißen Berglandschaft. In der Ferne sehen wir manchmal vereinzelt Rentiere und dann sind wir auch schon da, auf dem kleinen Campingplatz „Fjordbotn“ im Norden der Insel.

Angekommen auf Senja!

Der Besitzer hat die gemütliche Hütte für uns vorgeheizt, der Subaru ist schnell ausgeladen. Wir ziehen uns warm an, der Schnee knirscht unter den Füßen und dann stehen wir einen Steinwurf von der Hütte entfernt am Strand und realisieren so langsam, dass wir wirklich hier sind. Außer uns sind keine weiteren Gäste da. Der Strand, er ist voll mit Eisschollen. Auf der anderen Seite des Fjords ragen spitze, hohe Berge empor. Alles ist tiefgefroren und weiß.
Hier oben, am nördlichen Ende von Senja ist er also, der Rand der Arktis. Hier stehen wir nun, sind happy, spielen mit Filou im Schnee und loben den Subaru. Ohne das geringste Problem hat dieser 24 Jahre alte Japanische Allradler uns über Eispisten und Berge hier hergebracht.

Filou im Schnee.

Der Strand vor unserer Hütte auf Senja.

Hinter uns liegen 2.842 Kilometer. Davon haben wir 443km mit dem Fährschiff zurückgelegt und 2.399km auf eigener Achse. Etwa drei Viertel der Strecke war Landstraße und fast die Hälfte davon vereist oder verschneit. Der Subaru hat sich dabei wohlgefühlt und wir ebenfalls.

Vier Tage haben wir für diese Strecke gebraucht. Ab jetzt nehmen wir das Tempo raus, werden Senja erkunden und dann ganz langsam nach Süden fahren und Norwegen kennenlernen…

Roadtrip zum Rand der Arktis – Teil 1

Warten auf das Fährschiff in Kiel.

Unberührte Natur, schroffe Felslandschaften, Fjorde und Kälte. Das ist es, was Menschen häufig mit Norwegen assoziieren. Manchmal fällt einem vielleicht noch der erste Platz im „Human Development Index“ ein.
Sabrina und ich wollten seit langer Zeit wissen, wie es wirklich in Norwegen und dem nördlichen Teil Schwedens ist. Seit mehr als 2 Jahren hatten wir versucht, eine Reise zu organisieren, wurden jedoch immer wieder durch diverse Einschränkungen der Covid-19 Problematik daran gehindert.

In diesem Frühling waren Reisen ohne Einschränkungen, vor allem bei der Rückkehr nach Deutschland, endlich wieder möglich. Schweden und Norwegen hatten ohnehin einen etwas anderen Kurs beim Umgang mit dem Virus gewählt und so mussten wir uns in den ersten zwei Tagen ein wenig an die neue (alte) Freiheit ohne Masken, Abstände, Desinfektion und das Händeschütteln gewöhnen.
Wir sind am 2. April in Wesel gestartet und waren 450km später am Schwedenkai in Kiel. Dort ging es für den Subaru aufs Fahrzeugdeck und für uns in eine sogenannte Haustierkabine. Die Fähre von Stena Line ist eine von wenigen, bei denen Hunde mit in die Kabine genommen werden dürfen. Das Ganze hat natürlich seinen Preis, aber für uns bedeutete die Schiffsreise von Kiel nach Göteborg einen entspannten Start und wir waren am nächsten Morgen gut ausgeschlafen in Schweden und konnten die erste lange Etappe nach Norden in Angriff nehmen.

Kurz vor dem Anlegen in Göteborg.

Auf den Korridoren an Bord der Stena Scandinavica haben wir noch aus Gewohnheit die FFP2 Maske getragen und Menschenansammlungen gemieden. Teilweise wurden wir erstaunt beäugt und kamen uns irgendwie fehl am Platz vor. Bis auf zwei weitere Familien aus Deutschland, die am nächsten Morgen ebenfalls noch brav mit Maske zum Frühstück getigert sind, waren wir die einzigen. Für Schweden und Norweger war Corona sprichwörtlich schon lange gegessen. Man hatte vieles anders gemacht und sich mit dem Virus engagiert. Ob das besser oder schlechter war oder ist, will ich nicht bewerten. Darum dürfte vermutlich noch Jahre gestritten werden und mich interessiert dieser Streit nicht.
Was wir jedoch sofort festgestellt haben war, dass wir das offenere Miteinander, die Mimik, den direkteren Kontakt durchaus vermisst haben.
Morgens um kurz nach 9 Uhr war das Schiff am Kai in Göteborg fest und ein paar Minuten später saßen wir im Auto.
Beim Zoll wurde nur kurz ein Blick auf Filou geworfen, seine Papiere und die Impfungen gecheckt. Wir hatten bereits unsere Covid-19 Impfzertifikate bereitgelegt, aber das hat niemanden interessiert. Hauptsache der Hund ist angemeldet.
Und so fuhren wir entspannt raus aus der Stadt und waren, 15 Jahre nach unserem letzten Besuch in Schweden, wieder auf der E 45 nach Nordwesten unterwegs.

Unterwegs in Südschweden.

Gott, ist das lange her!
Damals sind wir mit unserem kleinen, blauen Twingo bis zum Vänern gefahren und haben dort gezeltet. Wir waren ziemlich schlecht vorbereitet, hatten unnötig viel Gerümpel mit dabei und waren knapp bei Kasse. Aber es war ein feiner, kleiner Abenteuerurlaub, mit vielen Mücken und viel Regen. Die Fahrt bis zum Vänern kam uns damals vor, wie eine kleine Weltreise.

Am 3. April 2022 gegen Mittag lag der Vänern, der größte See Schwedens, bereits südlich von uns und wir waren nach dem Linksabbiegen in Grums, am eigentlichen Start unserer Reise in den hohen Norden. Etwa 1.600km Landstraße lagen nun vor uns, die wir grob in 2 Tagesetappen eingeteilt hatten. Einen fixen Plan gab es ab hier nicht mehr. Wir wollten so lange fahren, wie es für uns und den Subaru ok war und dann nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten.

Auf der E45 nach Norden.

Für diese langen Etappen war der CD-Wechsler vollgepackt mit bestem Stoff aus den letzten 6 Jahrzehnten und unsere Nintendo Konsolen lagen bereit. Um es vorweg zu nehmen, wir haben es bis zum Ende des Urlaubs nicht geschafft, alle CDs zu hören und es wurde nicht ein einziges Mal mit den Konsolen gezockt!
Was uns die E45 geboten hat, war mehr als genug Unterhaltung. Atemberaubende Landschaft, kleine Städtchen im Nirgendwo und ein Gefühl, ewig unterwegs sein zu wollen. So wie hier, sind wir noch nie gefahren. Oft fährt man 80km/h, manchmal ist auch 90 oder 100 erlaubt. Die Straße schlängelt sich in einer nie enden wollenden Abfolge von Kurven durch die Landschaft und bei jeder Pause die wir einlegen, wird es kälter beim aussteigen.
Der Tag vergeht fast wie im Flug, obwohl wir am späten Abend feststellen, dass wir bereits 13 Stunden unterwegs sind. So langsam wird es aber dunkel und an diesem Abend begreifen wir zum ersten Mal, warum uns auf der E45 so viele Autos mit Zusatzscheinwerfern entgegen kommen. Am Mittag hatten wir noch darüber geschmunzelt und Späße gemacht. Klar kannten wir die schwedischen Autos mit den riesigen runden Glubschaugen vor dem Kühlergrill, von Fotos und aus Dokus. Wir hatten es als Eigenart abgetan, wegen der langen Dunkelheit im Winter, als etwas das sich hier entwickelt hat, weil es ganz nett ist. Vielleicht auch als etwas, dass hier als ästhetisch empfunden wird.
An diesem ersten mondlosen Abend auf der E45 im Niemandsland, werden wir eines besseren belehrt. Wie es sich anfühlt, hier oben im Dunkeln zu fahren, kann man sich am besten so vorstellen, wie mit einem Teelicht nachts durch den Wald zu wandern.
Warum das so ist, liegt an mehreren Umständen, die im Ergebnis dazu führen, dass man kaum etwas sieht. Die Straße ist zum einen deutlich schmaler als deutsche Landstraßen. Reflektierende Seiten- oder Mittelmarkierung gibt es manchmal keine, oder sie sind abgefahren. Begrenzungspfähle fehlen häufig. Der Asphalt ist Abschnittsweise nicht grau, sondern dunkelbraun. Dieser Asphalt reflektiert sichtbar weniger Licht und der Kontrast zum braunen Straßenrand ist gering.
Der letzte und vielleicht krasseste Unterschied ist das fehlende Streulicht. Dort wo der schwache Scheinwerferkegel endet, beginnt die absolute Dunkelheit. Schwarz! So schwarz, wie es nur schwarz sein kann. Vergleichbares gibt es in Zentraleuropa nicht. Bei uns im dicht besiedelten Deutschland gibt es schon lange keine wirklich dunklen Orte mehr. Der Himmel ist bedingt durch die Lichtverschmutzung nie ganz dunkel, selbst im Wald kann man nachts am Niederrhein problemlos die Hand vor Augen erkennen. In Nordschweden nicht, so lange der Mond nicht leuchtet.
Und das führt im Ergebnis dazu, dass sich eine Fahrt im Dunkeln auf der Europastraße 45 anfühlt, als gleitet man durchs dunkle Weltall. 80km/h fühlt sich dabei verdammt schnell an ist sehr anstrengend für die Augen. Auch, weil die Angst vor einem Unfall mit Rentieren oder einem Elch mitfährt und man besonders konzentriert sein muss. Eine Kollision mit einem Elch endet in vielen Fällen für ALLE Beteiligten tödlich. Elchwarnschilder nehmen wir deshalb besonders ernst und fahren an solchen Stellen langsamer.
Bereiche, die mit schwarzen Plastiktüchern oder Säcken am Straßenrand markiert sind, verlangen ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. Diese Markierungen werden von den Sami, den Ureinwohnern Lapplands, dort angebracht. Sie weisen darauf hin, dass ihre Rentiere an solchen Stellen öfter die Straße überqueren.
Rentiere gehören in Lappland nämlich nicht einfach zur Natur dazu, sie sind seit Urzeiten Eigentum der Sami, die schon hier oben gelebt und Rentiere gezähmt haben, als in Europa Geschichte noch nicht aufgeschrieben wurde und die Antike noch in ferner Zukunft lag.
Zu dieser Zeit haben die Sami bereits in Lappland gelebt. Woher sie kamen, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt, aber sie fingen sehr früh damit an, Rentiere zu zähmen und sie als Zugtiere vor ihren Schlitten zu nutzen.
Das erklärt, warum Rentiere sehr zahm sind. Wilde Rene gibt es fast keine in Lappland und die Sami haben als einzige in Schweden und Norwegen das Privileg zur Rentierhaltung. Die Herden leben das ganze Jahr über frei. Sie werden von den Sami halbnomadisch begleitet und betreut.

Die Zahmheit der Rentiere haben wir am Abend unserer ersten langen Etappe durch Schweden schließlich selbst erfahren. Plötzlich war da vor uns keine Straße mehr, sondern Rentiere. Eine ganze Herde stand vor uns auf der Straße. Wir schätzen, es waren mindestens 30 Tiere. Ich habe sie früh genug gesehen, um gut bremsen zu können. Das war auch wichtig, weil alle Rentiere auf der Straße geblieben sind. Nicht einmal die Hupe hat sie vertrieben. Wir mussten anhalten und uns ganz langsam, langsamer als Schritttempo, zwischen den niedlichen Hornträgern hindurchwurschteln. Einerseits waren wir natürlich erschrocken, andererseits hochgradig glücklich, so eine Begegnung erlebt zu haben. Wir sind so nah und sachte an Ihnen vorbei geschlichen, dass der Subaru sie fast mit den Außenspiegeln berührt hätte.
Ein Fotos hat Sabrina zum Schluss noch machen können. Aber es ist wie bei der Sichtung von UFOs. Unscharf, dunkel und den besten Moment verpasst.

Rentiere auf der E 45

Nach dieser Begegnung war klar, wir brauchten dringend einen Platz zum übernachten. Bis zum nächsten Campingplatz war es noch eine gute Stunde, aber die verlief ruhig und ohne weitere Begegnungen.
Der Stellplatz, den wir gefunden hatten, war für uns ein absoluter Segen. Es war bereits 23 Uhr und der Besitzer des Platzes war noch wach, aber gerade auf dem Weg ins Bett. Wir durften uns hinstellen wo wir wollten, Strom nehmen soviel wir brauchten und heiße Duschen gab es auch. Nur eine Bedingung hat er gestellt: Wir sollten ihn nur bitte nicht am nächsten Morgen zum Bezahlen wecken und die Übernachtungs als Geschenk betrachten.

Herzlich Willkommen in Svealand!

Der Subaru war 10 Minuten später zum Schlafwagen umgebaut und kurze Zeit später waren Sabrina, Filou und ich im Reich der Träume.

Wie wir am nächsten Morgen aufgewacht sind, was wir in Kiruna erlebt haben und wie sich der Subaru auf Schnee und Eis geschlagen hat, erfahrt ihr im nächsten Teil.

Flagge zeigen

Ich war gerade an Bord der Morgenstern und habe aus Solidarität eine Gastlandflagge gesetzt, von der ich nie gedacht hätte, dass ich sie noch einmal aus dem Schrank nehmen werde.
Als ich 2018 durchs Schwarze Meer gesegelt bin, war diese Flagge an Bord. Zum Einsatz gekommen ist sie damals nicht. Der Konflikt in der Ukraine war zu der Zeit im Schwarzmeerraum allgegenwärtig und die von Russland annektierte Krim durfte von ausländischen Schiffen nicht ohne eine Sondergenehmigung aus Russland angelaufen werden.
Für mich war der nördliche Teil des Schwarzen Meeres dadurch praktisch tabu. Menschen aus der Ukraine habe ich trotzdem auf meinem weiteren Weg über die Donau kennengelernt.
Einer von Ihnen, Sergej, hat mich mit Lebensmitteln versorgt, obwohl er selbst nicht viel hatte. Aber unter Seeleuten hilft man sich eben, egal welche Flagge am Heck des Schiffs weht. Ich habe während meiner Reisen oft an Tischen mit Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern gesessen und eines dabei gelernt: Es sind zwischen verfeindeten Nationen nicht die Mehrheit der Menschen, die sich hassen. Es sind die wenigen Wahnsinnigen an der Macht, die desinformieren, manipulieren und Hass säen!
Ich hoffe, dass ALLE Bewohner der Ukraine diesen Krieg überstehen und ihre Freiheit bewahren können. Und ich hoffe, dass Sie dabei mehr Unterstützung aus dem Rest der Welt bekommen!

Ganz persönlich hoffe ich, dass es Sergej und seiner Familie gut geht. Bisher habe ich keine Antwort von ihm erhalten.

Rollout

Restauration abgeschlossen!

Seit dem letzten Update zum Trabant sind mittlerweile schon wieder 2 Monate vergangen. In dieser Zeit hat sich einiges verändert. Die Karosserie ist repariert, alle Bauteile im Motorraum sind fertig restauriert und der Trabant steht seit ein paar Tagen technisch überwiegend wie ein neuer in der Garage. Lediglich der Lack sieht an manchen Stellen nach wie vor schäbig aus. Lackiert habe ich bisher nur alle Teile der Front, das Heck, den Kofferraum, den Motorraum, die Haube, den Heckdeckel und die Fahrertür. Das waren die Teile, für die man sich wirklich schämen musste. Der Rest bleibt vorerst so und wird erst später mit frischer Farbe versorgt.

Wichtiger war zunächst die Adaptierung des Elektromotors. Mit der Planung dazu hatte ich bereits im Herbst 2020 begonnen, vor ein paar Wochen war dann endlich der Tag gekommen, an dem meine CNC Fräse zeigen konnte was in ihr steckt. Der Getriebeflansch war das bisher größte Bauteil, welches ich jemals gefräst hatte.
Als ich die CNC Maschine vor gut 10 Jahren konstruiert habe, war mein Maßstab die Spiegelzelle eines 10 Zoll Newtonteleskops. Es sollte möglich sein, eine solche auf der Maschine zu fräsen. Dazu gekommen ist es bis heute nicht, aber witzigerweise passten die Fenster von Morgenstern und jetzt der Getriebeflansch des Trabant so gerade eben in den Arbeitsbereich.
An das Getriebe wird der Elektromotor über eine starre Wellenverbindung angeschlossen. Ausgleichsbewegung ist nur axial möglich. Dazu war es extrem wichtig, den Flansch absolut passgenau zu fertigen und so oft Testversionen zu fräsen, bis der Flansch spielfrei passte. Drei Versionen waren nötig, nach denen jeweils minimale Korrekturen vorgenommen wurden. Der Vierte Flansch passte dann perfekt und wurde aus einer 20mm starken Aluminiumplatte gefräst. Den Zwischenflansch habe ich sowohl gefräst, als auch auf der Drehmaschine bearbeitet.




Die erste Kopplung aller Bauteile erfolgte Anfang Dezember, der erste Testlauf des gesamten Aggregats auf der Werkbank fand etwa 4 Wochen später statt und war ein voller Erfolg!

Letzte Woche habe ich den Antrieb schließlich in den Trabant eingebaut und vorgestern den letzten fertigen Halter angeflanscht.
Gestern Nachmittag war schließlich alles flugverdrahtet, alle Messgeräte angeschlossen, die Kamera lief. Was dann passierte, seht ihr im folgenden Video:

Mit dem ersten Test bin ich sehr zufrieden. Darauf habe ich jetzt eineinhalb Jahre hingefiebert und der Trabant hat sich genauso verhalten, wie erhofft. Das Getriebe ist leiser als ich gedacht hatte, die Lenkung easy. Die Bremse, ohne Bremskraftverstärker, im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig. Leicht antippen bringt da garnix. Damit der Trabant verzögert, ist ein kräftiger Druck aufs Pedal notwendig. Das letzte Auto ohne Bremskraftverstärker, dass ich gefahren habe, war ein Renault Spider. Das ist gut 20 Jahre her. Damals war ich bei Renault beschäftigt und durfte den Spider zu einer Ausstellung fahren. Mein damaliger Chef fuhr mit einem Avantime vor mir und an der ersten Kreuzung, an der gebremst werden musste, habe ich erfahren, dass der Spider keinen Bremskraftverstärker hat. Millimeter waren am Ende zwischen der Front des Spiders und dem Heck des Avantime und mein Herz war in die Hose gerutscht.
So viel Druck aufs Pedal wie ein Renault Spider braucht der Trabant zum Glück nicht, aber man darf durchaus berherzt drauftreten.

Wie geht es nun weiter mit dem Trabant?
In den nächsten Wochen werde ich den Kabelbaum konfektionieren, die Boxen für Controller und Akku anfertigen und schließlich alles verdrahten und einbauen. Denn bei der ersten Testfahrt auf dem Garagenhof war wirklich alles nur provisorisch zusammengetüdelt und der Trabant ist mit einem winzigen Modellbauakku gefahren.
Sobald er dann technisch komplett fertig ist, muss er ausgiebig getestet und eingestellt werden. Im öffentlichen Strassenverkehr ist das praktisch nicht möglich. Kurzzeitkennzeichen scheidet aus, da er noch keinen Brief hat, Rote Nummer ist für Privatpersonen nicht möglich.
Deshalb bemühe ich mich gerade um eine Teststrecke. Wenn da jemand von euch einen Tipp hat, immer her damit: KONTAKT
Sobald dann alle Probefahrten erfolgreich abgeschlossen sind geht’s zum TÜV und anschließend zur Zulassungsstelle…

Zum Schluss noch ein paar Fotos aus der letzten Restaurationsphase:














Gestrandet

Nordsee im Winter

Kurz bevor das Jahr 2021 zu Ende war, haben wir es tatsächlich noch geschafft, für einen kurzen Moment das Meer zu sehen.
Zwei Tage waren wir an der Nordseeküste in Holland unterwegs. Möglich wurde der Kurztrip durch ein Ereignis, auf das wir seit vielen Jahren hingefiebert haben:
Wir haben ein Overlander-Basisfahrzeug gekauft! Eins, das man auf den ersten Blick überhaupt nicht als solches erkennt. Es sieht aus, wie ein ganz normaler Kombi. Ganz unschuldig und bieder kommt es daher.
Die Idee, mit einem „Overlander“, also einem Universalfahrzeug mit Campingausrüstung, hin und wieder das Land unsicher zu machen, geht zurück auf die Zeit, als wir mit Eos das ein oder andere mal in Häfen festhingen.
Damals haben wir beschlossen: Eines Tages kaufen wir uns so ein Ding und bauen die Kiste für längere Trips an Land um! So, dass man möglichst günstig und unabhängig von Unterkünften unterwegs sein kann.

Vor gerade einmal vier Wochen haben wir nun endlich dieses Fahrzeug gefunden. Seit einer gefühlten Ewigkeit haben wir den Markt abgegrast, waren oft bei Autohändlern, haben vieles ausprobiert und uns mit den verschiedensten Leuten kurzgeschlossen und manche vielleicht auch mit unserer Unentschlossenheit genervt.
Lange waren wir beim Landrover Defender, dann beim Toyota Landcruiser, dann beim Volkswagen T5, dann beim T4, dann bei Mitsubishi, bei Nissan, Suzuki, auch bei Hanomag, beim Unimog…
Um es kurz zu machen, wir haben uns mit praktisch jedem Fahrzeug auseinandergesetzt, welches auch nur annähernd in die Kategorie „Overlander“ passt. Also Fahrzeuge, die universell einsetzbar sind und für Langzeitreisen taugen.
Am Ende war dann klar, dass es für uns ein Allradler sein muss. Da wir aber festgestellt haben, dass die meisten Overlander eher selten richtig Offroad fahren, hatten wir lange ein Entscheidungsproblem. Eigentlich brauchen die meisten Leute den vollwertigen Offroader a lá Defender und Co. fast nie. Es gibt natürlich Ausnahmen und da macht er auch Sinn. Bei uns wäre es aber so, dass wir die meiste Zeit auf Asphalt fahren werden.
Und da ist uns ein guter CW-Wert und geringer Spritverbrauch extrem wichtig. Das kollidiert jedoch mit den meisten SUVs.
Und so hatten wir lange ein Problem, bis ich mich an einen Autohersteller erinnert habe, der mir aus meiner Motorsportzeit in extrem guter Erinnerung geblieben ist. Ein Autohersteller, der robuste Allradfahrzeuge baut, die wie ganz normale Limousinen oder Kombis konzipiert sind. Ich bin lange vor dem Segeln ziemlich aktiv in der Motorsportszene gewesen, selbst oft auf der Nürburgring-Nordschleife gefahren und war eine Saison Mechaniker bei einem Team im Renault Clio Cup.
In dieser Zeit gab es auf Rundkursen und Rallyes zwei Benchmarks, die in Sachen Fahrleistung und Konzept des Antriebsstrangs wirklich herausgestochen sind. Das waren die Audi Quattros und der Subaru Impreza!

Den Quattros begegnet man auch heute hin und wieder als zahme Alltagsfahrzeuge auf der Strasse, die Subarus sieht man jedoch so selten, dass ich sie völlig vergessen hatte. Subaru hat in Deutschland einen Marktanteil von gerade einmal knapp 0,2%. Also nix!
Warum das so ist, lässt sich aus zweierlei Gründen durchaus nachvollziehen. Zum einen benötigen die wenigsten Menschen einen Allrad-Pkw und zum anderen hat Subaru schon immer so gebaut, dass Funktion vor Design kommt. Subarus gewinnen deshalb eher selten einen Schönheitswettbewerb und für Händler sind sie auch nicht sonderlich interessant, weil fast nie etwas an den Autos aus Japan kaputt geht.
Was die Technik angeht, so ist der Allradantrieb von Subaru der Benchmark in seiner Klasse. Es ist der einzige vollkommen symmetrisch aufgebaute permanente Allradantrieb für PKWs. Subaru baut (bis auf wenige Ausnahmen) ausschließlich Allradfahrzeuge mit Boxermotor, weil sich nur mit diesem Motor ein idealer AWD-Antriebsstrang mit niedrigem Schwerpunkt und guter Gewichtsverteilung in einem klassischen Pkw aufbauen lässt.

Vor etwa einem halben Jahr haben wir dann endgültig zu Gunsten von Subaru entschieden. Mir gefielen die Autos zu dem Zeitpunkt optisch überhaupt nicht. Aber ich bin ja ein Vernunftsmensch.
Sabrina steht sowieso auf japanische Autos und alles was mit Japan auch nur im entferntesten zu tun hat. Sie hatte sich deshalb bereits früh in die Subarus verliebt.
Lange waren wir dann nicht sicher, ob es ein Legacy sein sollte, oder ein Forester. Irgendwann hat sich der Legacy durchgesetzt, weil er für uns einfach den größten Nutzwert hat. Er braucht weniger Benzin als der Forester und bietet mehr Platz im Innenraum. Das ist für uns extrem wichtig, weil wir den Innenraum zum modularen Schlafraum umfunktionieren werden. Ein Dachzelt, wie es viele Overlander haben, ist für uns (unter anderem) wegen Filou suboptimal. Also werden wir die Klamotten in der Dachbox transportieren und das Bett ist im Auto. Dazu eignet sich der Legacy ziemlich gut. Er hat bei umgeklappter Rücksitzbank eine ebene Fläche von 120x200cm, ohne das dazu die Vordersitze verschoben oder gekippt werden müssen.

Tja, nur so ein Legacy musste erst mal gefunden werden!
Wir wollten unbedingt einen Legacy II haben. Der gefällt uns von allen am besten und besitzt eine Technik, die unterwegs auch noch gut zu reparieren ist.
Daneben sollte er möglichst wenige Vorbesitzer haben und auch nicht allzu viele Kilometer auf dem Tacho. Und da wurde es schwierig. Die meisten hatten weit über 200.000km runter, viele über 300.000. Das wäre nicht einmal ein großes Problem gewesen, da die Motoren sehr haltbar sind.
Problematisch werden hohe Laufleistungen mit vielen Vorbesitzern, weil dann einfach davon ausgegangen werden muss, dass da der ein oder andere dabei war, der die Karre kalt getreten hat. Und das ist (bei jedem Auto) ganz, ganz schlecht.

Um es kurz zu machen: Vor etwa vier Wochen haben wir die Nadel im Heuhaufen gefunden! Ein Subaru Legacy II, Baujahr 1998 (letztes Modelljahr), ERSTE Hand, 110.000km gelaufen, überwiegend in der Garage geparkt.
Die Vorbesitzerin hatte den Subaru vor 23 Jahren neu gekauft und über all die Jahre ziemlich gut behandelt. Der Lack sieht, bis auf ein paar Macken durch Parkrempler auf der rechten Seite, erstklassig aus.
Der Innenraum wirkt so, als wäre das Auto erst letzte Woche ausgeliefert worden. Die Polster sind wie neu, Lenkrad und Schalthebel nicht abgegriffen. Ein richtig schicker Youngtimer.
Er braucht noch ein bisschen Aufmerksamkeit hier und da, aber im Kern steht er sehr gut da mit 2 Jahren TÜV.

Dachträger, Dachbox und einen Satz Winterräder auf Original Subaru Stahlfelgen hatte ich kurz vor Weihnachten noch günstig über ein bekanntes Kleinanzeigen-Portal organisiert.
– Räder = 29€
– Relingträger = 15€
– Dachbox = 25€
– ein bisschen Offroad fahren = unbezahlbar

Und keine Angst, in den Subaru kommt kein E-Motor rein. Dieses Japanische Triebwerk ist mir heilig!

Und was wollen wir damit?

Wir brauchen den Subaru als Universalauto, nicht nur als reinen Overlander. Mit ihm werde ich demnächst einige Male den Trabant auf einem Anhänger transportieren müssen. Dann haben wir den ein oder anderen Ausflug vor, wenn für eine Schiffsreise nicht genug Zeit zur Verfügung steht.

Den ersten Test hat der Subaru jedenfalls bestanden. Die Bedingungen waren die denkbar schlechtesten für so einen Test, denn es waren 2 Tage Sturm und Dauerregen angesagt. Noch dazu ist gerade Winter, Covid-19 schränkt ein und das Auto war nur zum Teil fertig. Aber es hat funktioniert und Spaß gemacht.
Gestartet sind wir in Rees am 28. Dezember und sind auf direktem Weg ans Meer in Richtung Hellevoetsluis gefahren. An diesem Ort sind wir zuletzt im Sommer 2014 gewesen, als wir mit Eos zum ersten Mal raus auf die Nordsee gesegelt sind.
Diesmal waren wir als Landratten hier und wollten eigentlich ein wenig auf unseren eigenen Spuren wandern. Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, dass die Niederländer eine größere Vorliebe fürs illegale Vorknallen haben, als die Deutschen.
Für Tierhalter ist das Geballer zwar oft stressig, aber auf die wenigen Stunden um den Jahreswechsel kann man sich einstellen.
Was ich aber hasse wie die Pest ist, wenn Tage vorher unvermittelt ein Polenböller in der Nähe meines Hundes hochgeht. Da wird auch meine Zündschnur kurz…
Aber aufregen bringt in so einer Situation wenig, also haben wir den Ausflug nach Hellevoetsluis abgebrochen, bevor er richtig begonnen hat.
Das Meer war schließlich nicht weit weg und Filou war nach einer Weile Angstzittern wieder der Alte.
Auf dem dünn besiedelten Land, südwestlich von Stellendam hat man nur hin und wieder in der Ferne einen Knall gehört. Damit kommt Filou mittlerweile gut klar. Da lauscht er nur kurz und ist im nächsten Moment wieder entspannt.
Am frühen Abend sind wir auf einen kleinen Campingplatz direkt hinter den Dünen gefahren. Viel los war hier nicht. Gerade einmal 5 weitere Wohnmobile standen verteilt auf der Wiese. Der Subaru war in wenigen Minuten zum Campingmobil umgebaut und das Abendessen bestand aus einem Baguette und ein paar kalten Würstchen. Filou hatte natürlich sein gewohntes Futter dabei.

Danach ging es früh ins Bett und wir waren gespannt, wie es sich in so einem Microcamper bei 7°C Außentemperatur und Sturm schläft.
Die Scheibenisolation hatte ich in den wenigen Tagen nach dem Autokauf relativ schnell fertig. Der Innenausbau ist teilweise noch provisorisch. Die Matratze ist 8cm dick und recht hochwertig. Sie ist bereits ans Fahrzeug angepasst und zweigeteilt.
Sabrina und ich hatten jeweils einen ordentlichen Winterschlafsack und Filou musste sich zwischen uns einkringeln. Dann wurde er mit seiner Fleecedecke zugedeckt und war nach wenigen Augenblicken bereits im Land der Träume. Uns ging es nicht viel anders.
Gefroren haben wir nicht, im Gegenteil. Nachts habe ich zweimal für ein paar Minuten die Seitentür geöffnet, um frische, kühle Luft ins Auto zu lassen.

Morgens auf dem Campingplatz.

Am nächsten morgen waren wir gut ausgeschlafen, haben gefrühstückt und sind anschließend noch einmal an den Nordseestrand gefahren.
Viel los war hier nicht. Das Wetter war auch nicht sonderlich einladend, mit Sturm und tiefhängenden Wolken. Uns hat es trotzdem gefallen und Filou war froh, endlich wieder ein bisschen im Sand spielen zu können.





Und so sind wir eine ganze Weile durch den feinen Sand gestapft, bis wir in der Ferne etwas gesehen haben, was aussah wie ein Seehund. Umso näher wir an das Unbekannte Etwas kamen, umso mehr sah es nach Seehund aus.
Irgendwann waren wir uns sicher, es ist tatsächlich ein Seehund, der hier im Sand liegt und wahrscheinlich im Sturm gestrandet ist und nun eine Pause braucht.
Was mich allerdings gewundert hat, war das helle Fell, das so überhaupt nicht zur Größe passte. Für mich sah das Tier nach einem ausgewachsenen Seehund aus.
Deshalb hatte ich mich auch gewundert, dass eine Frau in der Nähe mit der Seehundrettung telefonierte. Ja, in Holland gibt es tatsächlich eine Notrufnummer, die mit der Seehundrettung verbunden ist. Es ist die 144. Dort kann man anrufen, wenn man einen Seehund in Not gesichtet hat.
Auf uns Laien wirkte das Tier aufgrund der Größe jedoch nicht so, als wenn es in Not wäre. Aber wir sind schließlich nur Laien und die Frau mit dem Telefon verstand definitiv mehr von Robben als wir. Was ihr allerdings nicht gelang, war eine Positionsbestimmung und die Verständigung war aufgrund der Sprachbarriere auch eher schwierig. Also hielt sie mir ihr Telefon ans Ohr und der Mensch am anderen Ende der Leitung gab mir auf Englisch zu verstehen, dass man Breiten- und Längengrad benötigt, um Hilfe zu schicken.
Für mich war eine Positionsbestimmung mittels GPS kein Problem, auch nicht, wie man sie korrekt weitergibt. Ich kann allerdings gut nachvollziehen, dass viele damit überfordert sind, weil man so etwas im Alltag einfach nicht macht. Für uns Segler sind Längen- und Breitengrade jedoch überlebenswichtig und so war die Position der Robbe mit dem ersten guten GPS-Fix in weniger als einer Minute bestimmt und durchgegeben. Benutzt habe ich dazu mein 8 Jahre altes Smartphone. Fast jedes moderne Gerät hat heute einen GPS-Empfänger eingebaut. Sich damit einmal auseinanderzusetzen kann ich jedem nur ans Herz legen. Nicht immer kann man im Notfall eine Adresse nennen.
Wir hatten somit also unseren Teil zur Rettungsaktion beigetragen und sind nach ein paar Fotos aus großem Abstand weitergegangen um das Tier nicht zu verunsichern. Ich war froh, an diesem Tag das 300mm Objektiv mitgenommen zu haben. Normalerweise schleppe ich das fast nie mit.


Als wir schließlich zurück am Auto waren, kam tatsächlich ein Einsatzfahrzeug der Tierrettung mit Sondersignalen an uns vorbei und fuhr zum Strand, an dem die Robbe lag. Wir waren natürlich froh, dass die Position korrekt angekommen ist und haben uns nach einem kleinen Abstecher zum Hafen in Stellendam auf den Weg zurück nach Hause gemacht.
Erst hier haben wir nach Sichtung der Fotos und etwas Recherche herausgefunden, dass es sich bei der Robbe nicht (wie von uns vermutet) um einen ausgewachsenen Seehund mit ungewöhnlich hellem Fell gehandelt hat, sondern um eine seltene Kegelrobbe. Ausgewachsene Kegelrobben werden bis zu 300kg schwer und 2,5m lang. Das hier war also tatsächlich ein gestrandetes Jungtier, das möglicherweise wirklich Hilfe brauchte. Noch dazu gehört es zu einer Robbenart, von denen es an der Nordsee nur ganz wenige gibt.
Kegelrobben wurden über mehrere Jahrhunderte von Fischern gezielt getötet, weil sie als Konkurrenz gewertet wurden. Die Bestände waren in der Mitte des letzten Jahrhunderts nur noch so gering, das Kegelrobben in der Nordsee praktisch ausgerottet waren. Erholt haben sich die Bestände bis heute nicht, aber an unzugänglichen Küstenabschnitten der britischen Inseln haben einige kleine Kolonien überlebt. Von dort kommen ab und zu Kegelrobben an die Nordsee und ganz langsam nimmt ihre Zahl wieder zu, auch weil in Holland enorme Anstrengungen unternommen werden, die wenigen Kegelrobben zu schützen und die Jungtiere zu versorgen.
Und so bleibt zu hoffen, dass die Anzahl der Kegelrobben weiter zunimmt und man eines Tages wieder Kolonien von ihnen am Strand sehen kann.