Kategorie: Atanga

Tag 12 =>Osterinsel – Halbzeit

Do., 20.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1663, 14.611 sm von HH
Die Hälfte der Strecke liegt jetzt im Kielwasser. Ob es wirklich Halbzeit oder nur Halbstrecke ist, wird sich zeigen. Leider haben wir bereits vor unserer Abreise ein langgezogenes Flautengebiet zwischen uns und der Osterinsel gesehen. Über hunderte Meilen erstreckt es sich als schmales Band von Südamerika weit in den Pazifik hinein. Ein lokales, dauerhaftes Hochdruckgebiet sorgt für Windarmut in dieser Region. In vier, fünf Tagen erreichen wir dieses Gebiet. Das wird spannend.
Der wechselhafte Wind hat sich etwas normalisiert. Die Sprünge sind nicht mehr ganz so heftig und es überwiegt seit zwölf Stunden ein konstanter Wind mit vier Windstärken. Der Wind kommt etwas vorlicher als halber Wind, so dass wir seit heute Morgen flott unterwegs sind. Daumen drücken, dass dies so bleibt.
Die Stimmung an Bord ist durchgängig gut bis sehr gut. Abgesehen von heute Vormittag. Da war der Skipper etwas unleidlich. Ein Spleiß, den er in unsere Ankertrosse arbeiten wollte, ging nicht wie gewünscht von der Hand. Da wird die Crew schon mal ungerecht angemeckert. Nur weil ich mit der Kamera vor seiner Nase gefuchtelt habe, um den schleppenden Fortschritt der Arbeit festzuhalten. Mir wurde gedroht, dass ich auf Pitcairn ausgesetzt werde. Unverschämtheit.
Die Ankertrosse brauchen wir als Kettenverlängerung, um vor der Osterinsel sicher ankern zu können. Die Ankerplätze sind 20 Meter tief, da reichen unsere 50 Meter Kette nicht aus. Der Spleiß ist trotz Grummelei dann noch was geworden, so dass es jetzt los gehen kann. Von mir aus könnten wir schon da sein. So toll ist das Rumgeschippere hier draußen dann auch wieder nicht.
Essen: Abendessen: Bohneneintopf von dreierlei Bohne mit Möhren (frisch) und Speck (getrocknete Black Eye Peas, kleine weiße Bohnen und schwarze Bohnen gemischt, über Nacht eingeweicht). Der Speck ist aus Südtirol, ein Mitbring aus Deutschland und extra für diese Fahrt aufbewahrt. Frühstück: Brot mit Käse, Salami und einer Art Mortadella Mittag: Der Rest vom Bohneneintopf und zum Nachtisch eine halbe Wassermelone.
Meilen: Tagesmeilen 106 , Rest 1.115 sm auf direktem Weg

Tag 11 =>Osterinsel – Weiße Folter

Mi., 19.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1662, 14.505 sm von HH
Amnesty International und das Komitee gegen Folter haben klar gestellt, dass Folter durch Schlafentzug bestialisch ist und haben sie folgerichtig verboten. Die sogenannte ‚weiße Folter‘ erfreut sich dennoch großer Popularität, bietet sie doch eine wirksame Methode, um „den Willen des Gefangenen zu brechen“. Eine Methode sei es, die Schlafzeit auf vier bis sechs Stunden zu verkürzen.
Bereits elf Tage reichen uns, um Amnesty International Recht zu geben. Es schlaucht unerwartet schnell nur noch vier Stunden am Stück schlafen zu können. Wir sind dauermüde. In Gänze bekommen wir beide eigentlich genug Schlaf. Ich gehe um 20:00 Uhr ins Bett, schlafe bis 22:00 Uhr, habe Wache bis 2:00 Uhr und darf dann ins Bett bis 6:00 Uhr morgens. Das macht während der Nachtstunden sechs Stunden Schlaf plus eine bis anderthalb am Tag. Achim schläft von 22:00 Uhr bis 2:00 Uhr und ab 6:00 Uhr solange bis er von alleine aufwacht.
Leider sind die vier Stunden in der Nacht nur ein theoretischer Wert. Trotz extremer Müdigkeit kann ich meistens nicht sofort einschlafen. Irgendwas ist immer. Vorgestern liege ich in der Koje und dann ist es plötzlich da. Tok-tok … tok-tok. Ein ganz neues Geräusch. Wo(wtf) kommt das her? Einfach gar nicht ignorieren, ist die beste Devise. Aber das klappt nicht, ich wälze mich. Tok-tok. Sobald ich mich aufrichte zum Lauschen, ist das Geräusch verschwunden. Und sofort wieder da, sobald ich liege. Grrrr! Nach vier Lauschangriffen ist der Übeltäter gefunden. Der Zipper einer Jacke schlägt gegen die Tür. Jedoch nur bei den großen Ausschlägen des Schiffs.
Gestern war es ein leichtes Flattern, eine Art Klatschen an Deck. Ein Geräusch an Deck zu finden, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Draußen hört man das Flattern nicht. Wegen der Windgeräusche. Und was unter Deck wie Schläge mit einem Hammer klingt, kann an Deck ein Tampen sein, der zwei Zentimeter hin und her rollt. Da bleibt nur Methode ‚Kissen über den Kopf‘.
Bin ich dann mit einer Viertelstunde Verspätung eingeschlafen, kommt kurz darauf die Lokomotive. So nenne ich die Bedienung der Winschen. Die Winschen sind direkt über der Achterkoje angebaut und machen einen unglaublichen Radau. Die letzten Tage sind viele Lokomotiven unterwegs. Vorsegel kleiner: die große Lokomotive an Steuerbord. Baum dicht holen: die kleine Lokomotive, wahlweise Backbord oder Steuerbord, je nach Laune vom Chef. Eine Stunde später kommt der Güterzug: der Baum kommt rasselnd wieder raus. Morgen schreibe ich einen Brief an Amnesty International.
Wind und Wetter: Der Wind ist weiterhin flatterhaft. Innerhalb einer Stunde geht es von 12 Knoten hoch auf 22 Knoten und runter auf 7 Knoten. Der schwache Wind hält dann für 30 Minuten oder auch für drei Stunden an. Es folgt die nächste Wechselphase. Das Groß reffen wir gar nicht mehr aus. Sobald wir das nur denken, haben wir wieder über 20er Wind. Das lässt uns in den schwachen Phasen natürlich mit angezogener Handbremse unterwegs sein. Highspeed und Schneckentempo macht einen noch ganz guten Schnitt von 4 Knoten. Passt für uns.
Essen: Abendessen: gebratene Kasseler-Koteletts (in Bahía gab es eingeschweißte Koteletts im 4er-Pack) mit Röstzwiebeln und Kürbis-Kartoffel-Mus Frühstück: Brot mit Käse, Salami und einer Art Mortadella Mittag: Achim und seine Nudeln (mit den Augen roll): kalt, vom Vortag direkt aus dem Kühlschrank mit Ketchup. Ich ziehe eine Schale Müsli vor.
Meilen: Tagesmeilen 97 , Rest 1.219 sm auf direktem Weg

Tag 10 =>Osterinsel – White Christmas

Di., 18.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1661, 14.408 sm von HH
Es ist kalt. Ich trage mittlerweile Sweatshirt-Jacke und dicke Fleece-Hose. Im Cockpit sind weniger als 20 Grad. Der Wind ist eisig. Geduscht wird nur noch jeden zweite Tag. Kommt die Sonne raus, reicht (noch) ein Doppel-T-Shirt. Wenn es so weiter geht, stoßen wir auf Eisberge und haben Weihnachten Schnee. Die Wassertemperatur ist auf 21 Grad gesunken. Wir sind verwirrt und fragen uns, ob es wieder wärmer wird. Der Humboldtstrom sollte längst nach Westen abgebogen sein. Segeln wir im Humboldtwasser? Wir haben keine Ahnung. Hoffnung gibt uns die Vorstellung, dass die Ureinwohner auf der Osterinsel früher in Baströckchen rum gelaufen sind. Das macht man doch nicht, wenn es kalt ist.
Der Wind hält uns auf Trab. Unbeständig wechselt er fast stündlich. Eben noch 8 Knoten, dann 20 Knoten. Einreffen, ausreffen. Baum dicht holen, Baum ausstellen. Fock reffen, Fock mehr reffen, Fock ausrollen. Was für ein Theater. Bei viel Wind donnern wir mit über sechs Knoten aufs Ziel. Bei wenig Wind, fallen wir ab, eiern neben der Kurslinie mit zweieinhalb Knoten. Das macht einen schlechten Schnitt. Bei viel Wind sagt der Plotter: Restzeit noch 11 Tage, bei wenig Wind noch 18.
Wir machen das Beste draus. Uns geht’s gut und genug zu essen haben wir auch noch.
Achim besteht drauf, dass ich dieses auch noch schreibe: ICH soll versucht haben das Schiff zu versenken, weil ICH angeblich vergessen habe, das Ventil von der Toilette nach der Benutzung wieder zu schließen (da Atanga Schräglage auf der Toilettenseite hat, gerät der Abfluss unter die Wasserlinie und durch die Toilette sprudelt das Wasser ins Schiff, wenn das Ventil offen steht). Wir sind nur nicht gesunken, weil ER es bemerkt hat, dass Wasser im Bad steht. Beweisbar, dass ICH zuletzt auf dem Klo war, ist die Angelegenheit allerdings nicht. Aussage gegen Aussage. Essen: Abendessen: Achims Klassiker ‚Nudeln mit Ketchup‘ in der Edelvariante: Nudeln mit (richtiger) Tomatensauce. Frühstück: Brot mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Apfel-Pfannkuchen
Meilen: Tagesmeilen 98 , Rest 1.313 sm auf direktem Weg

Tag 9 =>Osterinsel – die Tage vergehen

Mo., 17.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1660, 14.310 sm von HH
Der Wind kommt, wie gewünscht, etwas östlicher. Leider die Wellen auch. Dadurch rollen wir jetzt ein wenig, aber es ist aushaltbar. Die Wind-Stärken sind unverändert. Zwischen 9 und 19 Knoten, zeitweise geht es sechs Knoten hoch oder unter innerhalb von fünf Minuten. Mal scheint die Sonne, mal ist der Himmel grau mit tief hängenden Wolken.
Wir haben uns voll eingewöhnt. Die Tage verschwimmen. „Ist heute Tag 8 oder 9?“, fragt Achim mich. Ich kann nur mit den Schultern zucken. Ein Blick ins Logbuch gibt Aufklärung. Tagsüber haben wir keine festen Wachen. Unser Rhythmus wird durch die Mahlzeiten bestimmt. Dazwischen macht jeder von uns noch mal ein Nickerchen, holt fehlenden Nachtschlaf nach. Außer lesen, bleibt nicht viel Beschäftigung.
Aufs Meer schauen, macht nur bei wolkenlosem Himmel Spaß. Dann leuchtet der Pazifik tief blau. Mit der GoPro haben wir Aufnahmen vom Unterwasserschiff gemacht. Das Wasser ist unfassbar klar Keine Schwebteilchen, kein Plankton ist zu sehen. Ab und an kommt noch mal ein Tölpel vorbei. Neugierig schaut er nach den Angelködern und ins Cockpit hinein, dreht drei Runden ums Schiff und verschwindet wieder. Daneben gibt es noch kleine, schwarze See-Schwalben hier draußen. Mit vielen Flügelschlägen segeln sie nach Schwalbenart knapp über der Wasseroberfläche. Vom Festland sind wir inzwischen 700 sm entfernt. Eine erstaunliche Entfernung für so kleine Vögel.
Ansonsten sind wir allein. Zwei Schiffe auf dem AIS vor ein paar Tagen. Den letzten Fischer gesehen, haben wir vor einer Woche. Unser Kontakt zur Außenwelt beschränkt sich auf eine Funkrunde mit der Alrisha, die sich auf Galapagos befindet. Ferry schaut für uns auf die Großwetterlage im gesamten Südpazifik, ob sich da ein Zyklon zusammenbraut. Dann brauchen wir nur unsere Wetterdaten im Umkreis von 200 sm abholen. Das funktioniert ebenfalls per Funk. Die Zyklon-Saison hat bereits begonnen, allerdings gilt die Strecke von der Osterinsel, nach Pitcairn und Gambier als sicher. Aber was ist schon sicher? Daher sind wir froh, dass Ferry meldet: „Alles ruhig“.
Essen: Abendessen: Thunfischsalat (aus der Dose, wir haben noch immer keinen Fisch gefangen) mit Roter Bete (frisch gekocht), Zwiebeln, Kapern, etwas Sahne, Mayo, Tomate (schmeckt wie roter Heringssalat). Dazu Pellkartoffeln. Ohne pellen zu müssen. In Bahía gab es winzige neue Kartoffeln, die man mit Schale essen kann. Frühstück: Frisches Brot mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Bratkartoffeln (der Rest vom Abend) mit dem restlichen Salat. Grapefruit-/Passionsfrucht-Salat
Meilen: Tagesmeilen 106 , Rest 1.409 sm auf direktem Weg

Tag 8 =>Osterinsel – Wechselhaft

So., 16.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1659, 14.204 sm von HH
Der Himmel über uns muss gestreift sein. Schmale Streifen blauer Himmel – bedeckter Himmel. Halb-bewölkte Streifen gibt es nicht. Seit zwei Tagen erscheinen vor uns, scharf abgegrenzt, die Wolkenkanten. Alle paar Stunden ändert sich das Bild. Der Wind passt sich dem Streifenmuster an. Letzte Nacht gab es wieder eine windlose Phase von vier Stunden, dümpelige sechs Knoten Wind waren noch übrig. Kurz davor, dass die Segel in der Dünung anfingen zu schlagen. Dann kam erneut Wind. Von jetzt auf eben geht die Windmaschine auf 18 Knoten hoch. Das ist dann feines Segeln für eine kurze Zeit. Glattgezogenes Meer und dadurch viel Speed.
Seit zwölf Stunden weht es jetzt kräftig und eine recht imposante Dünung hat sich aufgebaut und rollt uns entgegen. Die kommt schräg von vorne und nervt schon etwas. Das ist dann nicht mehr ganz so feines Segeln. Wir haben die Fock wieder gerefft, um die Schräglage etwas zu mildern. Das nimmt leider sofort einen Knoten Geschwindigkeit raus. Unter Deck ist es mächtig laut. Einzelne Wellen klatschen scheppernd an den Bug, und fließen gurgelnd rechts und links am Schiff vorbei. Manchmal wird der Bug in die Höhe gehoben und wir fallen donnernd ins nächste Wellental. Das Deck ist jetzt dauer- geflutet. Gischt fliegt übers halbe Schiff. Im Cockpit bleiben wir trocken und wir sind einmal mehr glücklich über unser Mittel-Cockpit. Hoch und trocken thronen wir über dem Geschehen (Bei vielen Schiffen mit achterlichem Cockpit müsste man jetzt schon Gummistiefel anziehen): Jetzt nach acht Tagen mit Wind von vorne, wünschen wir uns langsam, dass der Wind auf Osten dreht. Halber Wind wäre mal was.
Essen: Abendessen: Spaghetti mit Champignon-Sahne-Sauce Frühstück: Frisches Brot aus der Bordbäckerei mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Brat-Nudeln (Rest von gestern Abend) mit Ei
Meilen: Tagesmeilen 114 , Rest 1.512 sm auf direktem Weg

Tag 7 => Alles Tutti

Sa., 15.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1658, 14.090 sm von HH
Um 20:00 Uhr ist die Flaute nach ein paar Stunden verschwunden. Es geht mit der üblichen Windstärke 4 normal weiter. Segelstellung unverändert. Da wir noch immer am Wind segeln, bleiben wir bei Fock und Groß. Um es komfortabel zu halten, reffen wir das Vorsegel bei etwas mehr Wind ein, in den schwächeren Phasen lassen wir das Reff wieder raus. Das war’s. Mehr haben wir nicht zu tun. Essen, Schlafen, Lesen und Wasser gucken. Wir sind sehr zufrieden, wie es läuft.
Wetter: Mal strahlend blauer Himmel, mal dicht bewölkt und noch immer „kalt“.
Essen: Abendessen: Veggie-Tortillas mit Möhre, Gurke, Paprika, Tomate und Zwiebeln und zweierlei Saucen-Dips. Frühstück: Die zweite Hälfte der Schwarzbrot-Packung mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Tortillas mit dem restlichen Fijoles Bohnenmus, Tomate und Zwiebeln. Die letzte Mango wird geschlachtet.
Meilen: Tagesmeilen 107 , Rest 1.622 sm auf direktem Weg

Tag 6 =>Osterinsel – Schönes Segeln

Fr., 14.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1657, 13.983 sm von HH
Noch vor Mitternacht ist er da, der Süd-Ost-Passat. Wir können Kurs Osterinsel anlegen. Mit 14 bis 18 Knoten Wind (Windstärke 4, Anfang 5) plus einem Knoten Strom kommen wir gut voran. Zeitweise sind wir 7,5 Knoten schnell. Aus ‚hoch am Wind‘ ist ‚am Wind‘ geworden. Die Bedingungen sind optimal. Kaum Welle, viel Sonnenschein. Der Plotter rechnet mit: in 14 Tagen seid ihr da! Dort wo der Passat laut Literatur anfangen soll, ist er zur Stelle. Wir sind inzwischen auf der Länge von den Galapagosinseln, allerdings 250 sm südlicher. Und wir stecken noch immer im Humboldtstrom. Die Wassertemperatur ist nochmals zurück gegangen – auf 22 Grad. Entsprechend kalt ist die Luft. Wir sind Warmduscher und mischen uns heißes Wasser in unsere Duschflaschen. Der Wind hinter der Deckung der Sprayhood ist „eisig“. Wir befinden uns 4 Grad südlich vom Äquator und frieren in der Nacht. Kaum zu glauben.
Die Freude über die tollen Bedingungen währt 16 Stunden, dann erfolgt die Vollbremsung. Im Augenblick haben wir grade noch 8 Knoten Wind und dümpeln noch mit 3 Knoten (dank Strömung) vorwärts. Immerhin halbwegs in die richtige Richtung. In zwei Stunden wird es dunkel, daher verzichten wir auf den Blister. Noch 33 Tage klugscheißt der Plotter.
Essen: Abendessen: Alle Bananen sind gleichzeitig reif, daher gibt es ein Curry mit Banane und Kokosmilch an Reis. Da immer noch kein frischer Fisch an Bord ist, mache ich ein Glas eingekochte Hühnchenbrust dazu auf. Frühstück: Wir machen die letzte Packung Dauer-Schwarzbrot (made in Germany) auf, die es in Panama überall zu kaufen gab. Das Brot ist natürlich etwas trocken, aber durchaus gut essbar. Mittag: Den Rest vom Curry wird warm gemacht. Zum Nachtisch Grapefruit-Passions-Frucht-Salat.
Meilen: Tagesmeilen 115 (das Windloch verdirbt den Schnitt ) , Rest 1.727 sm auf direktem Weg

Tag 5 =>Osterinsel – Tölpel-Alarm

Do., 13.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1656, 13.868 sm von HH
„Ach du Schreck, wir haben einen Tölpel im Cockpit und der hat uns drei Fische ins Cockpit gekotzt“, ruft Achim mir hinterher. Es ist 2:00 Uhr morgens, wir haben Wachwechsel und ich bin grade dabei ins Bett zu krabbeln. Tatsächlich, direkt am Niedergang liegen die halbverdauten Fische. Ist das jetzt eine tote Maus auf der Fußmatte, wie Katzen sie liebevoll vor die Tür legen? Und wo kommt dieser Vogel her?
Ich kümmere mich um die noch magenwarmen Fische. Buh, das stinkt. Wie Fisch von letzter Woche. Achim nimmt sich den Tölpel vor. Alleine kommt er aus dem Cockpit nicht wieder raus. Panisch breitet er die Flügel aus, versucht zu entkommen. Aber mit zwei Meter Spannweite eckt er immer wieder irgendwo an. Er sitzt in der Falle. Als Achim ihn mit großen Lederhandschuhen greifen will, wird er grantig. Laut fauchend und krächztend reißt er den Schnabel auf und hackt nach seinem Retter. Ein echter Killer! Da will sich jemand nicht helfen lassen, eindeutig. „Wie fängt man so einen Tölpel?“ „Du musst nur beherzt zugreifen“, weiß ich aus sicherer Entfernung. Ob er einen Widerhaken im Schnabel hat, überlege ich noch so, behalte das aber lieber für mich. Da kriegt Achim ihn zu fassen. Etwas unglücklich am Flügel. Der Bursche entwischt ihm an der Bordkante, verheddert sich noch kurz in der Reffleine, dann ist er frei und fällt ins Wasser. Gerettet. Höchstwahrscheinlich. Diese Tölpel können ja schwimmen und verletzt hat er sich nicht. Schnell ist er in der Dunkelheit verschwunden. Zurück bleibt eine Feder und eine riesige Sauerei. Vor lauter Angst hat er nicht nur seine Fische verloren. Das ganze Cockpit ist vollgekackt. Putzen um halb drei Uhr morgens, super.
Im Hellen sehen wir dann, dass einer der Tölpel, die es sich auch in der zweiten Nacht am Bugkorb bequem gemacht haben, fehlt. Wir vermuten, dass er nachts abgerutscht ist und bei einem Wieder-Anflug, abgelenkt durch den Lichtschein aus dem Salon, versehentlich im Cockpit gelandet ist. Seinen Kumpel juckt das nicht weiter. Den ganzen Tag bleibt er noch bei uns. Geht zwischendurch Fische fangen und kommt wieder. Ob sie sich vermissen?
Die Segelbedingungen sind gleichbleibend angenehm. Dazu scheint heute endlich die Sonne. Ein perfekter Segeltag. Die Richtung passt noch immer nicht ganz (wir fahren 240 bis 250 Grad, statt gewünschte 220 Grad, aber das wird schon noch).
Und am Nachmittag dann unsere erste Walsichtung. :-) Ein Trupp Pilot-Wale zieht keine zehn Meter an uns vorbei. Toll. Die Tiere interessieren sich allerdings kein Stück für uns, schade.
Essen: Abendessen: Paprika-Hack-Pfanne mediterran mit Zwiebeln, Knoblauch, dazu Reis. Frühstück: Noch immer das Brot. Mit Schinken und Salami. Jetzt schon recht kauintensiv. Soll ja bekömmlicher sein. :mrgreen: Mittag: Den Rest der Paprikapfanne für mich. Achim bekommt zwei Tortillas mit einer Frijoles-Füllung (das mexikanische Bohnenmus, allerdings aus hellen Bohnen und nicht aus den Schwarzen) plus Zwiebeln und Tomatenwürfel.
Meilen: Tagesmeilen 123 (wir sind etwas schneller geworden, was aber am Schiebe-Strom liegen muss. Segelstellung und Wind haben sich nicht geändert), Rest 1.834 sm auf direktem Weg

Tag 4 =>Osterinsel – Alles gemütlich

Mi., 12.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1655, 13.745 sm von HH
Grad hatte ich gestern mein Gemecker über schräge Schiffe geschrieben, da geht der Wind zurück. Zeitweise unter zehn Knoten, dann hoch auf angenehme 15 Knoten. So pendelt es jetzt seit 24 Stunden hin und her. Die Wellen sind flacher, der Kahn schön grade und die Pipi-Fontaine im Bad ist verschwunden. So muss segeln. Da bleibt mir nur noch über das Wetter zu meckern. Freunde der Sonne kommen zu kurz. Klärchen glänzt weiterhin durch Abwesenheit. Um die Mittagszeit wird die Wolkendecke etwas dünner, das war’s aber auch schon. Wir stecken noch mitten im Humboldtstrom, der 23 Grad kaltes Wasser mit sich bringt. Die Nächte sind regelrecht kalt. Im Morgengrauen muss ich unter die Decke kriechen bei meiner Wache. Ob der Humboldtstrom an den Wolken Schuld hat und wir noch immer unter dem Wolkenband vom Kontinent segeln? Oder handelt es sich um örtlich schlechtes Wetter? Fürs Ergebnis ist es egal, vom vielgepriesenen ‚Blau‘ des Pazifik haben wir noch nichts mitbekommen.
Und wo stecken wir? Auf halber Strecke zwischen Festland und Galapagos, jedoch 150sm südlicher. Der Wind kommt weiterhin aus Süd, so dass wir unseren Kurs Osterinsel noch nicht anlegen können. Das macht aber nichts, da wir ja sowieso noch weiter westlich müssen. In zwei Tagen sollten wir aber den Süd-Ost-Passat finden und mit Halbwind auf Kurs gehen können.
Und seit gestern Abend sitzen wieder mal zwei Tölpel auf unserem Bugkorb und lassen sich kutschieren. Leider nicht die Blaufußtölpel der Galapagos Inseln, aber die zwei sind auch eine nette Begleitung. Stundenlang sitzen sie auf die Rohre gekrallt und putzen sich. Jedes auf und ab wird tapfer ausgeritten. Ein perfekter Gleichgewichts-Sinn. Essen: Abendessen: Kartoffelstampf mit Tomatensalat, in Ermangelung von frischem Fisch mit Rührei statt Fischfilet Frühstück: Brot von Vorvorvorgestern. Um das Brot auch noch für Morgen zu strecken, gibt es für jeden einen Tortilla (Wraps aus der Packung, die man in der Pfanne aufbacken kann) mit kaltem Rührei vom Vorabend Mittag: Gebratener Kartoffelmus vom Vorabend mit Röstzwiebeln und Spiegelei plus Nachmittag-Snack: Obstsalat (Mango, Passionsfrucht, Banane und Limette – noch ist alles da. Die Ananas musste über Bord, die war leider faul von innen)
Meilen: Tagesmeilen 107, Rest 1.945 auf direktem Weg

Tag 3 =>Osterinsel – Hoch am Wind

Di., 11.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1654, 13.638 sm von HH
Hoch am Wind segeln ist echt Mist. In der Nacht nimmt der Wind weiter zu. Scheinbarer Wind 23 Knoten, echter Wind 18 bis 19. Ich merke in meine Koje gekuschelt nichts davon. Hinten liegen wir ruhig wie in einer Wiege. Achim weckt mich zum Reffen. Macht Sinn, wenn man mal wach ist, merkt man es auch. Wir verkleinern Groß und Fock. Die Nacht ist dunkel, der Morgen grau. Irgendwie haben wir uns das anders vorgestellt. Am Vormittag wird der Wind etwas schwächer. Achim will Geschwindigkeit und refft aus. Wir liegen hart auf der Backe. Ich wünsche mir das Reff zurück. „Willst Du auch ankommen oder hier nur Kaffee-Segeln veranstalten?“ Wir einigen uns auf volles Großsegel und kleines Vorsegel. Oh, Wohltat, die Schräglage ist spontan weg, der Speed leider auch. Der Plotter scheint mit Achim im Bunde. Eben zeigt er noch Ankunft in 19 Tagen, jetzt blinken dort höhnisch 24 Tage.
Drauf gepfiffen. Mir ist das wurscht. Der dritte Tag neigt sich dem Ende, mir wachsen die Segelbeine, kann mich wieder unter Deck aufhalten. Das möchte ich dann doch bitte halbwegs bequem. Wir segeln auf dem für uns unglücklichen Steuerbord-Bug. Das Waschbecken im Bad ist bei viel Lage nicht zu benutzen, weil das Wasser nicht abläuft (der Abfluss liegt dann unterhalb der Wasseroberfläche). Die Toilette kann man benutzen. Allerdings ist das Abpumpen tückisch. Wenn man das Ventil zum Abpumpen öffnet, kann es sein, dass einem eine kleine Fontaine entgegen spritzt. Pfui. Pipi-Wasser-Gemisch. Bloß nicht den Kopf über die Brille halten. Die Pantry ist ebenfalls auf dieser Seite segelnd unglücklicher zu benutzen. Wenn wir auf der Steuerbordseite segeln, rollen Zwiebeln gegen den Schrank. Auf der Backborseite liegend, fliegen sie durch die Bude. Das alles kann mit einem kleinen Reff im Vorsegel verhindert (zumindest verbessert) werden. Essen: Abendessen: Da ich Angst vor Achims Nudeln mit Ketchup habe, selber aber noch nicht kochen kann, gibt es Erbsensuppe aus der Dose und die vorletzte Dose meiner heilig bewachten Würstchen-Dosen (echte Frankfurter, yammi). Frühstück: Selbst gebackenes Brot von Vorvorgestern. Mittag: Den Rest vom Krautsalat, Rest vom Tzaziki und die restlichen Würstchen.
Meilen: Tagesmeilen 97, Rest 2.046 auf direktem Weg

Tag 2 =>Osterinsel – Grau und ruppig

Mo., 10.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1653, 13.541 sm von HH
In der zweiten Nacht nimmt der Wind zu. Nicht viel, vielleicht drei, vier Knoten (6-7 km/h). Wir schruppen noch immer gegen an. Es ist erstaunlich wie viel Komfort drei Knoten Wind kosten. Von hinten ist es egal, aber von vorn, sieht die Sache anders aus. Atanga liegt jetzt 15 bis 20 Grad auf der Seite, nichts bleibt mehr stehen, sich an Bord bewegen ist beschwerlich. Und die Wellen sind höher. HACKHACKHACKHACK, tauchen wir mit dem Bug ein. Gestern war schöner. Dazu ein steingrauer Himmel und mausgraues Wasser. Die Nacht ist dunkler als dunkel. Da ich gestern bereits den berühmten Bärenarsch bemüht habe, gehen mir jetzt die Superlative aus. Diese absolute Schwärze ist uns eine Eintragung ins Logbuch wert. Tapfer halten wir unsere Nachtwachen ein. Total sinnlos. Unbeleuchtete Fischer würden wir sowieso nicht sehen. Einhandsegler schlafen ja schließlich auch. Die Verlockung ist groß, einfach liegen zu bleiben. Der Wind kommt weiterhin südlich, so dass wir 20 Grad neben unserem Kurs liegen. Das haben wir erwartet und wird sicherlich noch ein paar Tage so bleiben.
Essen: Abendessen: Krautsalat (ebenfalls noch vorbereitet) mit kalter, gebratener Hühnchenbrust. Den Tzaziki (mangels Quark verwende ich eine Mischung aus Joghurt und Frischkäse) mache ich frisch. Ih bin froh, dass der Rest schon fertig ist. Längere Aufenthalte liegen in der Pantry für mich noch nicht drin. Es ist zu ruppig. Da wird es mir mulmig. Frühstück: Selbst gebackenes Brot Mittag: Den letzten Rest vom Nudel-China-Salat (mit Hühnchenbrust übrigens, gestern vergessen zu erwähnen)
Meilen: Tagesmeilen 110, Rest 2.141 auf direktem Weg

Tag 1 =>Osterinsel – Ein überraschender Anfang

So., 09.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1652, 13.431 sm von HH
Um 16:00 Uhr zu Hochwasser kommt Ariosto, unser Lotse, an Bord. Wir haben zwar den alten Track von der Ankunft auf dem Plotter und könnten theoretisch auf dem Kurs auch wieder raus fahren. Aber sicher ist besser. Die 35 Dollar sind gut angelegt. Und selbst mit Ariosto ist es noch aufregend genug. Heute ist die Welle, die das Hochwasser in den Chone drückt viel flacher als bei unserer Einfahrt. Zum Glück. Trotzdem brausen die Wellen weiß schäumend über die flachen Stellen. Donnernd brechen sich die Fluten an der Brandungsbauer von Bahía. Verdammt nah führt die Fahrrinne daran vorbei. Die flachste Stelle ist dann noch beruhigend 2,80 Meter tief. Nach fünfundvierzig Minuten mit feuchten Händen sind wir dann im Tiefen. Häät noch mal jut jejange. Wir übergeben Ariosto seinen Kumpels im Begleitboot: „Tschau. Amigo, war sehr nett mit dir das halbe Jahr“. Und schon sind wir ein Segelboot. Da wir hoch am Wind segeln müssen, nehmen wir das Großsegel und die kleine Fock. Mit der können wir am besten Höhe machen. Der Wind ist moderat mit Stärke 3 bis 4. Erwartungsgemäß segeln wir in die für uns falsche Richtung, genau nach Westen.
Bereits nach zwei Stunden ist es dunkel. Zum Eingewöhnen mögen wir das gar nicht. Wir haben lieber den hellen Tag vor uns. Und dann ist auch noch Neumond. Es ist dunkel wie im Bärenarsch. Dafür sind die Schiffsbewegungen angenehm. Atanga liegt mit zehn Grad auf der Seite und wackelt kaum hin und her. Die Welle von vorn lässt uns nicken…hackhackhackhack. Aber auch das ist erträglich. Wir finden beide Schlaf in der ersten Nacht. Cool!
Und dann die Überraschung: im Laufe der Nacht dreht der Wind zu unseren Gunsten. Wir können für mehrere Stunden direkten Kurs ‚Osterinsel‘ fahren. Wer hätte das erwartet? Allerdings sind wir nicht grade schnell, mehr als einen 4er Schnitt bekommen wir nicht auf die Kufe. Auf dem Display vom Plotter steht noch 31 Tage to go. Die Stimmung an Bord ist trotz dieser unnötigen Information ausgesprochen gut. Wir sind mit Tag 1 sehr zufrieden.
Essen: Abendessen: Vorgekochte „China“-Pfanne mit Möhren, Paprika und Kohl (Knoblauch, Sambal Olek, Sojasauce, pikant scharf), dazu Asia-Nudeln. Das Gericht hat den Vorteil, man kann es als Nudelsalat auch kalt essen, wenn man keinen Bock zum Aufwärmen hat (hatten wir nicht ;-) ) Frühstück: Selbst gebackenes Brot mit Dauer-Salami, eine Art Churizo (noch aus Panama), Schwarzwälder Schinken (noch aus Deutschland, erst abgelaufen letzten Monat, extra für heute aufbewahrt – köstlich, ein seltener Genuss) Mittag: Noch mal den Nudel-China-Salat und einen frischen Obstsalat mit Mango, Passionsfrucht und Banane
Meilen: Tagesmeilen 94, Rest 2.240 auf direktem Weg (der seit Mittag nicht mehr zu halten ist, der Wind hat wieder zu unserem Nachteil auf Süd gedreht)