Kategorie: Atanga

Karies-Befall

Di.,18.Sep.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1571, 13.337 sm von HH

Schon in Deutschland durfte ich ja an dieser Stelle lesen, dass bei meiner Rückkehr ‚rosa‘ Arbeiten (schleifen und lackieren) auf mich warten würden. In der Zwischenzeit hatte Achim den gefundenen Schaden am Cockpitaufbau behoben und ‚Rosa‘ soll zur Tat schreiten. Frau Rosa ist allerdings misstrauisch. Warum sollte das Holz nur auf der Backbord-Seite vergammelt sein? Wo doch auf Steuerbord ebenfalls eine winzige Undichtigkeit auf der inneren Seite der Sprayhood festzustellen war? Frau Rosa arbeitet nicht gerne doppelt und drängt Herrn Blau noch mal genau nachzubohren.

Und siehe da: Blau stößt auf einen weiteren großen Karies-Befall. Zunächst nur mittig. Die kariöse Stelle wird ausgebohrt. Der Befall zeigt sich auf der gesamte Länge des oberen Brettes.
Das morsche Holz wird heraus gebohrt und gepuhlt. Als Füllung kommen zuerst Epoxi hinein, dann Glasfasermatte-Schnipsel und Polyester-Harz dazu. Spachtel oben drauf, schleifen, erneut spachteln, wieder schleifen – bis es richtig gut aussieht. Beim Entfernen der Abdeckung dann noch ein Kollateral-Schaden: der rote Streifen hat Harz abbekommen und benötigt nun ebenfalls einen neuen Anstrich. Damit wäre erreicht, dass sich der Arbeitsaufwand von Frau Rosa mal eben verdoppelt hat.

Doktor Blau bei der Arbeit

Doktor Blau bei der Arbeit

Das Brett ist auf die gesamte Länge morsch im oberen Bereich

Das Brett ist auf die gesamte Länge morsch im oberen Bereich

 

Reparatur mit Polyester-Harz

Reparatur mit Polyester-Harz

Vorgeschliffen

Vorgeschliffen

Wieder fein verspachtelt, aber der rote Streifen hat etwas abbekommen

Wieder fein verspachtelt, aber der rote Streifen hat etwas abbekommen

Dr. Blau will es nun wissen und nimmt jetzt noch an der Ecke eine Probebohrung vor. :cry:
Was uns ins Cockpit fällt, ist der reine Torf. Nur noch zusammengehalten vom Lack. Hier ist eine Wurzelbehandlung nötig. Und die anstehenden Lackerarbeiten haben sich soeben noch auf die Innenseite des Cockpits ausgeweitet. Nach zwei Zentimetern stößt Achim auf gutes Material. Der Kern vom Holz ist gut. Also soll auch hier ein Aufbau mit Polyester-Harz erfolgen.
Im Maler-Laden, die das Harz und Härter verkaufen, begrüßen sie Achim schon mit Handschlag.

Drei Zentimeter vermodertes Holz ergießen sich ins Cockpit

Drei Zentimeter vermodertes Holz ergießen sich ins Cockpit

Uns ist bewusst, dass dies eine Art Fusch-Behelfs-Reparatur ist und das Brett eigentlich ausgetauscht werden müsste. Aber vor Ort gibt es niemandem, dem wir so eine Arbeit zutrauen würden. Und die eigenen Tischler-Handwerklichen Fähigkeiten sind an Bord nicht so ausgeprägt.
Aber wir sind ebenfalls überzeugt, dass diese Reparatur bis Neuseeland halten wird.

So schlecht der Standort für diese Reparatur auch sein mag. Er hat auch ein Gutes: Es regnet nicht in Bahía (seit drei Monaten hatten wir zweimal etwas Nieselregen). Auf ein Dach und aufwendige Abdeckungen kann verzichtet werden. Und Polyesterharz ist extrem preiswert: Ein Liter gibt es für 5 USD. Da darf es schon mal ein Gebinde mehr sein, was Achim in die Löcher gießt. Also, nichts ist so schlecht als dass es nicht auch noch für irgendwas gut wäre.

Behörden-Kram

Mo.,10.Sep.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1563, 13.337 sm von HH

Wer in Ecuador einreist, bekommt zunächst eine Aufenthaltsgenehmigung für 90 Tage.
Achims Zeit ist am Sonntag abgelaufen. Am Wochenende hat die Immigration geschlossen. In deutscher Umsicht beschließen wir also nicht bis zum letzten Tag zu warten, sondern bereits am Donnertag zuvor eine Verlängerung für weitere 90 Tage zu besorgen. Blinder Eifer schadet nur…

Für die Verlängerung müssen wir in das 70 Kilometer entferne Portoviejo. Der Schnellbus der Luxus-Linie ‚Königin der Wege‘ schafft das in einer guten Stunde. Auch die Immigration ist schnell gefunden.
Die nette und sehr hübsche Beamtin schüttelt ihren Kopf:“No! No, es possible. Ihr müsst am Montag wieder kommen. Mein System lässt heute noch keine Verlängerung zu.“
Es hilft kein Betteln und kein Flehen. Gefrustet treten wir den Rückzug an. Der Bus der Linie ‚Milchkanne‘ benötigt zweieinhalb Stunden zurück nach Bahía. Außer Spesen nix gewesen.

Am Montag das gleiche Spiel: Schnellbus nach Portoviejo, fünfzehn Minuten Fußweg und unsere Immigration-Schönheit freut sich schon: „Vor der Verlängerung müsst ihr zur Bank Pacifico. Dort müsst ihr 128 USD bar einzahlen, dann kommt ihr wieder und bekommt ein Verlängerungsvisum.“
Taxi zur Bank, Geld eingezahlt, Taxi zurück zur Immigration und, voila, ein paar Kopien später darf Achim bis zum 08.Dezember in Ecuador bleiben.

Für mich sieht die Sache anders aus. Da ich in den ersten drei Monaten außer Land gewesen bin, verlängert mein Aufenthalt in Deutschland mein Ecuador-Visum um 21 Tage. Somit gibt es am 01.Oktober erneut eine Reise nach Portoviejo.

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

Di.,5.Sep.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1558, 13.337 sm von HH

Für alle andern wurden Piktogramme erfunden. Wer die ebenfalls nicht lesen kann, hat es schwer im Leben.
Und wer Piktogramme sieht, wo keine sind, befindet sich am Ende der Nahrungskette.
So wie der Blödmann, der in Hamburg auf dem Flughafen unser ‚Sikaflex‘ aus dem Koffer genommen hat.

Beim Öffnen meines Koffers flattert uns ein Zettel entgegen: „Folgende Gegenstände wurden entnommen: Fugenmasse!“ Daneben eine Menge Drohungen, die Geld-und Freiheitsstrafen in Aussicht stellen, da ich gegen das Luftverkehrsgesetz verstoßen haben soll.
Ohne Unterschrift und ohne Namen. Zumindest in der Hinsicht ist Blödmann clever gewesen.

Entnahme-Quittung

Entnahme-Quittung

Stein des Anstoßes sind sechs Kartuschen (sehen wie Silikon-Kartuschen aus) ‚Sikaflex‘ in meinem Koffer. Dreimal Fugenmasse, das hat Blödmann gut erkannt, und dreimal Dichtmasse. Dafür hat es bei ihm schon nicht mehr gereicht.
Weder Fugen- noch Dichtmasse stellen ein Gefahrstoffe dar, was man leicht an den fehlenden Piktogrammen erkennen kann. Wenn kein Ausrufezeichen oder Totenkopf, kein Feuersymbol oder Explosionsbild zu sehen ist, wird es wohl harmlos sein. Anmelden muss man solche Artikel ebenfalls nicht. Somit habe ich, ausnahmsweise, mal alles richtig gemacht.

Ein Fall für Sherlock Achim. Wenn einer Bock hat, Gefahrstoffblätter und Transportbedingungen zu suchen und einen Ansprechpartner zu finden, dann er. Zunächst bekommt der Flughafen eine Mail. Eine detaillierte Mail. In Ermangelung eines Ansprechpartners geht die Mail an [email protected].
Die antworten prompt, dass sie nicht zuständig seien. Ein Tochterunternehmen würde das Gepäck kontrollieren, aber die könne man nur telefonisch erreichen. Aha. Da wittern wir doch Methode hinter.

Achim findet eine Mail-Adresse der Firma. Unsere Beschwerde geht an diesen Laden und gleichzeitig an das Kundenbüro vom Flughafen. Die Firma rührt sich nicht, aber das Kundenbüro meldet sich, dass es nicht zuständig sei. Aha. Wir sollen es bei der Fluggesellschaft versuchen.

KLM meldet sich prompt und freundlich. Sie bedauern das Missverständnis und erstatten selbstverständlich den entstandenen Schaden von knapp 93 Euro. Cool. Das ging ja mal wirklich flott und unkompliziert.

Verbleibt noch ein Problem: wir sind in Ecuador und hier ist kein Sika zu bekommen. Achim ist bloß froh, dass er in meiner Abwesenheit nicht schon die alte Fugenmasse herausgeschnitten hat und wir ohne Sika, dafür mit offenen Fugen im Teakdeck auf dem Kahn sitzen.
Was tun? Defender in den USA hat nicht das richtige Sika im Sortiment. Ob SVB nach Ecuador schickt, wissen wir noch nicht. Und muss eigentlich KLM für die zusätzlichen Transportkosten aufkommen oder nicht? Wer kann das beantworten?

Die Bombenbastlerin

Di.,4.Sep.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1557, 13.337 sm von HH

„Wir haben einen positiven Alarm“, sagt der junge Mann an der Sicherheitskontrolle zu mir, „warten Sie bitte hier, die Polizei wird gleich kommen“. Was positiver Alarm bedeutet, will er mir nicht näher erläutern. Ich warte. Dass mein Handgepäck unangenehm auffallen würde, damit habe ich gerechnet. Zwölf Kilo Metall im Rucksack (erlaubt) und weitere sechs Kilo in der Handtasche. ;-)
Gepäck-Optimierung nenne ich das. „Verrückt bist Du“, hat Achim mir gemailt, „mach das lieber nicht.“ Aber ich weiß es besser und möchte so viel wie möglich mit nach Ecuador mitnehmen.

Da soll der Alarm schon mal los gehen: Der Abzieher für die Welle, fünf Anoden (drei für den Propeller, zwei für das Bugstrahlruder), ein Bronzerohr (Wellenlager), Ankerkralle und ein extrem verdächtiges Rohr, was sich Wellendichtung nennt. Daneben fallen die Akkus für unsere Handys und einen Laptop gar nicht mehr auf. Auch die bombenförmige Batterie für unsere Epirb (Rettungsboje falls wir sinken) bleibt unentdeckt.

Vor allem das Rohr erregt Aufmerksamkeit

Vor allem das Rohr erregt Aufmerksamkeit

Die Frau Polizistin, die nach kurzer Warterei erscheint, nimmt mir als erstes meine Bordkarte ab. Nicht, dass ich noch abhaue.
Sie wünscht sich, dass ich Handtasche und Rucksack leere. Alles geht erneut durch die Durchleuchtung. Ein Sprengstoff-Abstrich wird vorgenommen. Ich kann eine Diskussion zwischen Security-Mann und Polizei über meine harmlosen Artikel beobachten. Und gebanntes Starren auf den Monitor. Frau Polizistin wirkt enttäuscht, gerne würde sie schon morgens um 4:00 Uhr eine Verhaftung vornehmen. Hat sie doch schon eine Bombenbastlerin in mir gesehen.
Aber ich bzw. meine Gegenstände sind ungefährlich. Ich bekomme meine Bordkarte zurück, darf alles wieder einpacken und gehen. Puh, Hürde Nummer eins erfolgreich abgearbeitet.

Meine beiden Koffer mit erlaubten 22 und 23 Kilo Inhalt sind bereits auf dem Weg zum Flugzeug.
Ich schleppe mich zum Gate. Den Rucksack bekomme ich nur auf den Rücken geschwungen, wenn er erhöht steht. Bloß nicht das Teil auf der Erde abstellen. Er reißt an den Schultern beim Schlange stehen zum Boarding. Die 18 Kilo habe ich massiv unterschätzt.

Zwischenlandung in Amsterdam. Schiphol ist riesig: von hier ab noch 18 Minuten bis zu meinem Gate. Ich werde verrückt mit dem Gewicht. Ich schwitze. Ein kleiner Karren ist meine Rettung. Leider muss ich den an der Passkontrolle stehen lassen. Dahinter lauert erneut eine Sicherheitskontrolle. Ich schwitze mehr. Aber die holländischen Kollegen sind tiefenentspannt. Ich muss zwar wieder den Rucksack öffnen, aber es folgt keine Staatsaffäre. Unbehelligt komme ich weiter. Hürde Nummero zwei.

Von hier ab noch zehn Minuten zum Gate. Der Schweiß läuft. Meine Schultern brennen. Wieder in der Schlange stehen zum Boarding. Völlig ausgepumpt sinke ich in meinen Platz. Mitte, Mitte. Ein schlechterer Sitzplatz war nicht zu kriegen. Obwohl ich wahrscheinlich der erste Fluggast war, der morgens eingecheckt hat. Schuld war der beknackte Onkel in Hamburg, der mich gezwungen hat, den Automaten zum ’self-check-in‘ zu benutzen. „Der funktioniert leider nicht“, mecker ich ihn an. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen wie das geht“. Trottelgesicht.
Bei ihm geht es auch nicht. Auch nicht nach mehrmaligen Versuchen. Mein Pass wird nicht erkannt. Ich triumphiere.
„Haben Sie eine Flugbescheinigung“?
„Ach, Sie meinen das Stück Papier, was man eigentlich gar nicht mehr braucht beim Einchecken? Ja, das habe ich.“ Mit dem Buchungs-Code klappt es dann. Zumindest halbwegs. Er könne mich nur bis Quito durchchecken und mein Gepäck auch. Um meinen Anschlussflug müsse ich mich dann selber kümmern. Watt für ein Trottel. Er drückt mir meine Bordkarten in die Hand. Mit dem schlechten Sitzplatz. So ein Mist.

Rechts von mir sitzt ein freundlicher Asiate. Links bleibt alles frei. Ich frohlocke. Zu früh. Eine fünfköpfige Familie rollt auf meine Sitzreihe zu. Der jüngste Sohn ist zwei und hat einen trotzigen Zug um den Mund. Ich befürchte das schlimmste: ein Arschloch-Kind. Wir haben kurz Blickkontakt. Ich signalisiere dem Kleinen, wer heult, fliegt raus. Mit Erfolg. Die ganzen langen elf Stunden ist er super lieb und ruhig. Papa stellt sich schnell als das größere Problem heraus. Ihm läuft der Schweiß von der Stirn. Drei Kinder nebst halben Hausstand über den Flughafen zu bugsieren, haben ihm alles abverlangt. Dampfend nimmt er zwischen seinem Sohn und mir Platz. Sein Geruch wabbert zu mir rüber. Elf Stunden lang. Und er puhlt sich die gesamte Zeit in den Zähnen. Manchmal wünscht man sich ein quengelndes Kleinkind neben sich.

In Quito wartet der Zoll. Ich rolle todesmutig mit meinen zwei Koffern, dem brisanten Rucksack und meiner Handtasche an. Wieder ist es das Handgepäck, was Aufsehen erregt. Erneut muss ich den Rucksack auspacken. Wofür die Teile sind und was sie kosten, will der freundliche Zöllner wissen. Ich lüge ihm irgendwelche Mondpreise vor. 15 USD für die Anoden. 70 USD für die 300 Euro Wellendichtung. Er hat keinen Plan und offensichtlich Mitleid mit meinen stotterigen spanischen Erklärungen wofür man das mysteriöse Rohr verwendet. Ich kann gehen.
Allerdings wirft seine Kollegin einen Blick auf meinen letzten Proviant-Apfel. Wenn ich den nicht an Ort und Stelle esse, darf er nicht mit. :roll: Ich gebe ihr den Apfel. Und ziehe mit mehreren Mettwürsten, Speck und Schinken im Koffer von dannen. Die gefährlichste Hürde ist geschafft.

Dann ein letztes Mal Sicherheitskontrolle. Natürlich muss ich Handtasche und Rucksack auspacken. Fassungsloses Staunen und Kopfschütteln. „Nein, so geht das nicht“, verstehe ich, „der Rucksack muss aufgegeben werden“. Ich stelle mich doof und verstehe angeblich kein Wort. Das nützt mir nichts, der nette Security-Mann holt einen Kollegen mit Englisch-Kenntnissen.
Die Anoden dürfen nicht mit in die Kabine. Damit könnte ich jemanden erschlagen, demonstriert er indem er dem Kollegen andeutungsweise eine überzieht. Es hilft kein Betteln.
Ich darf in Ruhe alles Zerbrechliche aus dem Rucksack entnehmen und die Jungs sind so nett und begleiten mich durch die Katakomben zum Check-In-Schalter meiner Airline. Das Mädel hat mit einem dritten Gepäckstück ebenfalls kein Problem. Mein Rucksack verschwindet auf dem Laufband.

Total fix und alle sitze ich an meinem Gate und frage mich, ob ich es vielleicht doch übertrieben habe mit der Gepäck-Optimierung. „Säbinn Wälner, please“, höre ich da aus dem Lautsprecher. Huch, meinen die mich? Klingt ja wie mein Name. „Säbinn Wälner, please, come to the Security Desk.“
Dort wartet man schon auf mich. Die Security spricht englisch: „Wir haben ein Problem mit einem ihrer Gepäckstücke. Sie müssen mit mir kommen und wir öffnen gemeinsam ihr Gepäck.“ Ich kann es nicht glauben. Durch Hintertüren und Gänge geht es aufs Rollfeld zu den Gepäckwagen.

Schon von weitem kann ich ihn sehen. Anklagend steht mein ehemaliger Handgepäck-Rucksack auf einem Tisch. Natürlich steht er da. Die Kofferkontrolle kann ja nicht wissen, dass er schon beim Handgepäck durchleuchtet wurde. Zum x-ten Mal zeige ich das Rohr, die Anoden und sonstigen Metallkram vor. Alles okay, der Rucksack darf mit und ich werde zum Gate zurück geführt.
Die letzte Hürde ist geschafft.

In Manta holt mich Achim ab und drei Stunden später sind wir zu Hause. „Ich bin schon ganz gespannt, was Du alles in den Koffern hast“, freut er sich. „Ist schon der Hammer, wie du 63 Kilo hierher bringen konntest. Das war sicherlich nicht so einfach. Erzähl mal, wie ist es gelaufen.“ :mrgreen:

Atanga …. is there anybody out there

Mo.,27.Aug.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1549, 13.337 sm von HH

Ruhig ist es auf der unserer Seite, seitdem Bine in Deutschland weilt und sich den Annehmlichkeiten der Heimat hingibt. Mir sind Berichte von Grillgut und anderen Köstlichkeiten zu Ohren gekommen.

Das Leben an Bord kann da nicht ganz mithalten. Die Küche an Bord hat ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. Zum Frühstück meist dieses superweiche, fast klebrige Toastbrot der Marke Bimbo, dass mit absoluter Sicherheit bei Dauerkonsum neben den normalen Mangelerscheinungen auch zu Zahnausfall führt. Als Aufschnitt dient, was sie hier Mortadella nennen. Ich habe es vermieden, tiefer zu recherchieren, um die wahren Ingredienzien zu ermitteln. Als Schluckhilfe dient ein Sandwichaufstrich auf Mayonnaisenbasis. Was für ein Start in den Tag.

Mittags gibt es meist Tortillas (entweder mit Rührei, Gemüse oder Käse). Das Rührei ist mittlerweile sogar essbar. Auf einer der letzten Überfahrten habe ich Bine mit einem Rührei verwöhnt, was heute noch für Gesprächsstoff sorgt. Das man Eier derart geschmacksneutral herstellen kann, war selbst Bine neu. Wie schon gesagt, dass ist besser geworden, auch wenn es mir jetzt schon zweimal passiert ist, dass ich die geschnittenen und bereitgestellten Zwiebeln erst wieder entdeckte, nachdem die Eier schon eine Weile in der Pfanne weilten.

Abends kommt dann der Klassiker: Spaghetti (mit Kinder-Tomatensauce). Problematisch ist nur, dass die meisten Packungen hier nur 400g Nudeln enthalten. Da bleibt dann gerade etwas für einen Snack am nächsten Tag übrig. Wo sind die alten 500gr Packungen.

Abgesehen von den oben beschriebenen lebenserhaltenen Maßnahmen gab es viel Arbeit auf dem Schiff.

Es macht mir nichts aus, den ganzen Tag mit „Kabeln zu spielen“.
Wenn es aber darum geht, mit Polyester Harz, Epoxy, Sika und Polyurethan Farbe zu arbeiten, dann bin ich raus. Es dauert maximal eine Minute, dann hab ich das Zeug bis zum Ellenbogen kleben. Selbst an den Fingern finden sich mehr als nur Spuren. Und das trotz Latexhandschuhen. Wer da meint, Tunneleffekte sind eher ein quantenmechanisches Problem, der irrt. Alle klebrigen Materialien finden den Weg durch die Handschuhe direkt auf meine Hände. Immer!

Aufbau

Das Projekt am Aufbau ist weitestgehend abgeschlossen. Die Hohlräume sind wieder mit Leben (Glasfasermatte und Harz) verfüllt. Dieser Job hat viel länger gedauert, als ich dachte. An keine Stelle kam man gut heran und immer wieder musste ich einen Großteil der Masse abschleifen, weil sich eine Blase gebildet hatte oder eine Verbindung nicht gut aussah. Final war dann aber alles verfüllt und gespachelt. Jetzt fehlt nur noch die Farbe ….

fertig zum Malen

fertig zum Malen

Funk

Als Gegengewicht für unsere Kurzwellenantenne haben wir unter der Wasserlinie Kupferfolie verlegt. Schon lange wollte ich diese laminieren und das Ganze dann nett weiß streichen. Aufgrund der nicht unerheblichen Geruchsbelästigung durch Harz und Polyurethanfarbe, war das allerdings etwas, was nur während längerer Abwesenheit von Bine möglich war. Auch hinter dieses Projekt kann ich nun endlich einen Haken setzen.

Malocher auf Atanga

Malocher auf Atanga

Matten anpassen
Erster Anstrich

Undichtes Pütting

Auf der Fahrt von Mexiko nach Providencia hatten wir einen ganzen leichten Wassereinbruch an einem der Püttinge (das sind die Teile, an denen die Wanten festgetüddelt sind…). Für eine Reparatur musste also die alte Dichtmasse raus, um anschließend alles wieder neu mit Sika zu vergießen. Hab ich schon erwähnt, dass Sika problemlos durch Latexhandschuhe geht … was für ein Schweinkram. Jetzt drück ich mir die Daumen, dass es dicht ist, Test folgt – irgendwann.

Eine Woche bleibt mir jetzt noch, dass Schiff wieder aufzuklaren … wenn das mal klappt.

Surprise, surprise …

So.,12.Aug.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1534, 13.337 sm von HH

Ich hasse Überraschungen. Nun ja, nicht wirklich, wenn sie denn angenehm sind. An Bord sieht das anders aus. Noch nie fand ich größere Bündel Geld oder andere Schätze unter irgendwelchen Bodenbrettern, obwohl mir der Gedanke durchaus gefiele. An Bord bedeuten Überraschungen meist Arbeit und Frust.

Nachdem Bine mich an Bord zurück gelassen hat, begann ich mit einfachen Übungen, wie das Wechseln des Kühlwassers. Eigentlich kein großes Ding, wäre da nicht die Ablassschraube am Wärmetauscher, die schon sehr lange nicht mehr bewegt wurde und die aus „solidem“ Plastik gefertigt wurde. Gegen jede Erwartung brach sie nicht, obwohl es ein wenig „Gewalt“ brauchte, sie zu lösen. Um als Überraschung zu dienen reichte das jedoch nicht, dafür war es einfach zu unspektakulär.

Das sollte sich am nächsten Tag ändern. An unserem Aufbau machte seit einiger Zeit ein kleines Leck auf sich aufmerksam. Unter der Scheibe lief bei heftigen Regenschauern ein winzig kleines Rinnsal. Als positiv denkender Mensch hoffte ich auf eine defekte Dichtung. Das sollte sich sehr schnell als falsch herausstellen. Nachdem ich die Leisten, die die Scheiben in Position halten, entfernt hatte, bot sich mir ein Bild des Schreckens. Die Konstruktion auf der die Scheiben stehen, ist als Sandwich aufgebaut. Das bedeutet, dass die Außenbretter aus „richtigem“ Holz bestehen und in der Mitte Sperrholz oder irgendein anderes untaugliches Material verbaut wurde. Durch die Feuchtigkeit hat dieses Innenleben angefangen zu gammeln und hat sich dabei teilweise zu Holzmehl verwandelt.

Aufbau

Aufbau

Lochfraß

Lochfraß

Wie beim Zahnarzt muss dieses Zeug raus, bevor überhaupt daran gedacht werden kann, dass Sandwich wieder mit „Wurst“ zu füllen.

Ich war so schockiert, dass ich mir erst einmal frei genommen habe, um nachzudenken. Das geschieht hier meist durch intensives auf dem Rücken liegen, während man im Internet surft.

An eine professionelle Reparatur vor Ort ist nicht zu denken. Es gibt weder die Leute, noch die Materialien. Ich werde also mein Bestes geben, dem Aufbau eine anständige Plombe zu verpassen, sodass der Aufbau wieder dicht ist.

Die finalen Spachtel-, Schleif- und Lackierarbeiten müssen dann warten, bis Bine wieder da ist. Diese Arbeiten sind auf Atanga als eindeutig „rosa“ deklariert.

Sonne, wir haben ein Problem

Do.,2.Aug.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1524, 13.337 sm von HH

Und zwar ein Energie-Problem. Die Dauerwolke über der Küste bringt unser Energie-Konzept ins Stolpern. Vor unserer Rundreise haben wir gehofft, dass sich die Situation entschärfen würde. Aberjeden Tag das gleiche Bild: ein grau verhangener Himmel liegt über Atanga.
Was an Solar-Energie rein kommt, reicht für unseren Bedarf an den meisten Tagen nicht aus. Dabei läuft einer der größten Verbraucher, der Wassermacher, schon gar nicht. Den haben wir Aufgrund der geplanten Rundreisen gleich bei der Ankunft in Bahía stillgelegt. Wind-Energie kommt auch keine rein. Mehr als ein laues Lüftchen fegt nur selten über den Fluss. Somit strapazieren wir über Gebühr die Ladezyklen unserer nagelneuen Batterien. Das halten die so nicht bis Neuseeland aus.

So einen Engpass hatten wir noch gar nicht. Es muss eine Lösung her.

Auf den Nachbarbooten läuft schon regelmäßig der Motor. Das ist für uns keine Option. Die Ausbeute an Energie ist im Leerlauf nicht wirklich toll. Unsere Maschine hat mit 6300 Stunden schon überdurchschnittlich viele Stunden auf der Uhr. Hauptsächlich Stunden, die der Voreigner zur Energiegewinnung angesammelt hat. Alle hundert Stunden will unser Motor einen Ölwechsel. Das macht Arbeit und kostet ja auch Geld.
Und außerdem macht der Motor einen Höllenkrach unter Deck.

Für meine Zeit in Deutschland hat sich Achim eine umfangreiche Arbeitsliste zurecht gelegt. Es sind schon wieder Fugen vom Teakdeck fällig. Dafür braucht er den Mulitmaster, die Flex und den Schwingschleifer. Und Strom.
Bei der jetzigen Sonnen-Situation kann er das vergessen.

Da entdeckt Achim im Supermarkt einen Generator (2KW). Für einen guten Preis von 260 Euro. Wir überlegen ein paar Tage hin und her. Mitnehmen können wir ihn nicht, dafür haben wir keinen Platz. Aber vielleicht können wir ihn gebraucht verkaufen, wenn wir im Dezember Ecuador verlassen müssen? Der Kauf würde die Batterien schonen, die ja auch eine Menge Geld kosten und eine Ersatzbeschaffung wäre auf der Strecke die vor uns liegt sicherlich nicht ganz einfach.

Drei, zwei, eins…meins.

Generator

Generator

Jetzt steht das Teil an Deck. Bei Bedarf werfen wir ihn für eine Stunde an. Das reicht. Als Flüstermaschine darf man das Gerät allerdings nicht bezeichnen. Richtig gute Freunde macht man sich damit nicht auf dem Nachbarschiff. Herzliche Grüße an die Taitonga an dieser Stelle.
Die Alrisha, die Schweden und der Ami sind auf Landreise und die Franzosen sprechen sowieso nicht mit uns. Wer braucht schon Freunde? Wenn wir die Luken schließen, ist es unter Deck ganz gut zu ertragen. :mrgreen:

 

Ecuador – Rundreise Nord

Do.,26.Jul.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1516, 13.337 sm von HH

Achim hat Heimweh. Ich könnte noch ein paar Tage in den Bergen bleiben, freu mich aber auch auf die eigenen vier Wände. Der Heimweg über die West-Kordilleren der Anden gestaltet sich einfacher als erwartet. Wir müssen dreimal den Bus wechseln, was reibungslos klappt. Eine gut ausgebaute Straße führt über sensationelle Pässe hinunter in die Ebene. Hier ist – im vorbei fahren betrachtet -die Natur noch in Ordnung. Das erste Mal, dass wir die Anden so sehen, wie wir es erwartet haben: dünn besiedelt und ohne Ackerbau. Die flächendeckende Landwirtschaft in der ‚Avenida de los Volcanés‘ hat uns doch etwas erschreckt und überrascht.

Die Avenida de los Volcanes besteht nur aus Landwirtschaft

Die Avenida de los Volcanes besteht nur aus Landwirtschaft

Wir sind 1.300 km Bus gefahren für sensationell günstige 88 Euro für zwei Personen. Die Busse sind nicht so gut in Schuss wie in Kolumbien und lange nicht so komfortabel wie in Mexiko.
Es kommen auch ein paar Händler zu viel an Bord, um ihre fettigen Snacks zu verkaufen. Dafür wird weniger gerast als in Kolumbien. Da hatte ich auf einigen Strecken echt Angst.
Der Individual-Verkehr hält sich in Grenzen, die meisten Straßen sind gut, so dass man auch mit einem Leihwagen das Land erkunden könnte. Aber das ist teuer. Mit hundert Euro pro Tag muss man kalkulieren, kein Vergleich zu den Bussen.

Rundreise in Nord-Ecuador

Rundreise in Nord-Ecuador

Übernachtet haben wir in günstigen Hostals. Im Schnitt für 21 Euro. Dafür bekommt man ein Zimmer mit eigenem Bad, warmes Wasser, ein Frühstück (Eier nach Wahl, Brot, Saft, Kaffee oder Tee und manchmal Marmelade) und Handtücher. Die Zimmer waren alle gut bis okay. Mehr Geld auszugeben ‚lohnt‘ sich nicht, wie unsere Unterkunft in Riobamba gezeigt hat. Das Hotel hat 30 EUR pro Nacht gekostet und war weder besser gelegen, noch sauberer oder komfortabler.
In Zumbahua waren wir unzufrieden, was in erster Linie an den unfreundlichen Wirtsleuten lag. Gäste waren ihnen lästig. Das wurde durch extreme Freundlichkeit in den anderen Unterkünften wett gemacht. Gebucht haben wir über booking.com immer am Aufenthaltsort für das nächste Ziel. Reibungslose Abwicklung

Dort wo ‚Tourist‘ dran steht, wird es überdurchschnittlich teuer. Die Seilbahn in Quito kostet 15 Euro für zwei Personen, während man durch die gesamte Stadt für 25 Cent mit dem Bus fahren kann. Zur Toilette gehen (mit Papier) kostet so viel wie Bus fahren. Das Papier bekommt man abgezählt am Eingang in die Hand gedrückt. Ohne Papier-Nutzung darf man für 10 Cent zum Klo. Wobei das Papier immer in einen separaten Eimer landet, niemals in der Kanalisation.
Zur Toilette gehen kann zur Mutprobe werden, ist aber in den meisten Fällen eine akzeptable Angelegenheit.

Essen gehen ist extrem preiswert. Auf dem Land gibt es kleine Lokale, die im wesentlichen alle das selbe haben: Huhn mit Reis. ‚Pollo seco‘ genannt, wobei sich das seco -trocken- auf den Reis bezieht. Ein Hühnerbein oder auch Hühnerbrust an Bergen von Reis. Dazu gibt es eine Sauce mit oder ohne Bohnen. Das Ganze ist nicht schlecht. Aber naja, ich habe es dann an Tag drei auch über.
Mittags gibt es eine Suppe vorweg und einen Saft dazu. Oft Baumtomaten-Saft oder Tamarinde-Saft. Lecker. Kostenpunkt für ein Mittagsmenü zwei bis drei Euro.
In den größeren Städten ist die Auswahl größer, aber Helden am Herd haben wir keine gefunden. Selbst dann nicht, wenn man mehr Geld ausgibt und in ein richtiges Restaurant geht. Darüber hinaus findet man viele no-name-Fast-Food-Burger-Buden.

Ausnahmen bestätigen die Regel: wunderbar gegrillte Forelle. Merkwürdig aufgeklappt und absolut gretenfrei. Beilage: Seco und Bohnen-„pampe“. Die Forelle ist ein Gedicht gewesen.

Witzig aufgeklappte Forelle

Witzig aufgeklappte Forelle

Insgesamt ist Ecuador einfach und preiswert zu bereisen. Allerdings hilft es ein wenig Spanisch zu können. Auf Englisch trifft man kaum, mit Ausnahme von Quito. Die Ecuadorianer sind jedoch zu jeder Zeit bereit behilflich zu sein. Extrem liebenswürde, freundliche Menschen haben wir getroffen.

Ecuador-Kenner mögen sich wundern, warum wir nicht in Cuenca waren und den kompletten Süden ausgelassen haben? Warum wir nicht die Inka-Ruinen in Ecuador besucht haben?
Das holen wir im Herbst nach, in einer zweiten Runde. Wenn Achim kein Heimweh mehr hat.

Ein Kostenvergleich zu Mexiko und Kolumbien (ohne Inlandsflüge): Die Preise sind schon niedrig in Ecuador, trotz vergleichbar hohem USD-Kurs zur Zeit.
Mexiko: pro Tag 65 EUR/zwei Personen
Kolumbien: pro Tag 59 EUR /zwei Personen
Ecuador: pro Tag 50 EUR/zwei Personen

Quilotoa – eine Gratwanderung

Mi.,25.Jul.18, Ecuador/Zumbahua, Tag 1515, 13.337 sm von HH

Quilotoa-Lagune

Quilotoa-Lagune

Was so eine Gratwanderung an den Tag bringen kann: der Mann, der mit mir um die Welt segelt und 16 Meter in den Mast klettert ohne mit der Wimper zu zucken, der Mann, den ich seit 19 Jahren kenne, dieser Mann mag nicht auf einem Grat wandern. Zumindest nicht, wenn es rechts und links senkrecht abwärts geht. „Umdrehen?“, schlägt er vor. Ich schüttel den Kopf: „nein“.
Grade haben wir uns die schlimmste Steigung empor gekämpft. Der Weg ist mit Rollsplitt abgestreut. Oder mit rutschigem Mullersand. Da möchte ich nicht auf dem Hosenboden wieder runter rutschen.
Mehr zu sprechen, liegt nicht drin. Mir fehlt die Luft. Der Wind haut die Lungen voll eisiger Luft. Das hilft auch nicht. Alle paar Meter müssen wir stehen bleiben und nach Atem ringen.

Der Anfang wiegt uns in Sicherheit

Der Anfang wiegt uns in Sicherheit

 

Der erste Zacken ist brutal

Der erste Zacken ist brutal

An einigen Stellen geht es rechts und links senkrecht runter

An einigen Stellen geht es rechts und links senkrecht runter

Vor uns liegt, wunderschön, die Quilotoa-Lagune. Der Kraterrand sieht wie die gezackte Kante einer halben Eierschale aus. Wie zu Pilhuhns besten Zeiten. Der Weg führt genau auf dem Saum der Eierschale lang. Harmlos sieht es aus, beachtet man den ersten Zacken nicht.
Der steigt über 400 Meter auf knapp 4000 Meter an. Wenn wir den geschafft haben, wird es leichter, stärken wir unser Entschlossenheit.

Die kleinen Piks in der zweiten Hälfte sollen uns noch fertig machen

Die kleinen Piks in der zweiten Hälfte sollen uns noch fertig machen

So kann man sich irren. Dagegen war unser gestriger Ausflug ein Pony-Geburtstag. Die Zacken nehmen kein Ende: 30 Meter hoch, 70 Meter runter, 60 Meter hoch, 60 Meter runter. Zeitweise ist der Weg gut, dann wieder voll Geröll oder es liegt eine dünne Zuckersand-Schicht auf festem Untergrund. Rutschig wie Glatteis. Natürlich ist der Krater-Grat an solchen Stellen besonders schmal. Mein Seemann kann dann gar nicht lachen. Es ist unfassbar anstrengend und unglaublich schön. Lohnt sich die Mühe? Die Frage erübrigt sich, es ist eine der hübschesten Wanderungen, die wir bisher gemacht haben.

Atempause bei jeder Gelegenheit

Atempause bei jeder Gelegenheit

Da liegt der schlimmste Teil hinter uns - und der schlimmste Teil vor uns
Der Blick auf die schneebedeckten Nachbarn
Traumhaft schöner Blümchen- und Gräserbewuchs

Atempause bei jeder Gelegenheit

Atempause bei jeder Gelegenheit

Die Lagune, die unter uns liegt, ist 1280 bei einem gewaltigen Ausbruch des Quilotoa entstanden. Der Ausbruch hatte Stärke 6 auf einer Skala bis 8. Die Lavaströme ergossen sich in den 200 Kilometer entfernten Pazifik. Zehn-Kubikkilometer Tephramassen wurden 25 Kilometer hoch geschleudert. Der Quiloto steht unter dem Verdacht für die kleine Eiszeit mit Hungersnöten in Europa verantwortlich gewesen zu sein. Jetzt liegt alles friedlich vor uns. Einige Bauern beackern die Kraterwände mit Mais und Kartoffeln. Eine Familie errichtet grade ein Wohnhaus auf dem Kratersaum. An einer Flanke sehen wir eine Wiederaufforstung mit Nadelbäumen.

Der Wert einer Immobile bemisst sich an der Lage, der Lage und der Lage
Unten an der Lagune kann man sich ein Kanu mieten
Wunderbare Wanderung

Zwölf Kilometer und sechs Stunden später ist die Umrundung geschafft. Uns sind eine Handvoll Wanderer entgegen gekommen oder haben uns überholt. Die meisten bleiben an der Aussichtsplattform an der Straße. Im kleinen Ort Quilotoa am Kraterrand, der nur aus Restaurants und Hostals für Kraterbesucher besteht, finden wir schnell einen Pick-Up, der uns für 5 USD ins vierzehn Kilometer entferne Zumbahula zurück bringt.

Hawapati – ein unmöglicher Aufstieg

Di.,24.Jul.18, Ecuador/Zumbahua, Tag 1514, 13.337 sm von HH

„Wir suchen uns einfach einen Feldweg und gehen auf eigene Faust los“, ist unsere Idee beim ersten Frühstück in Zumbahua. Es gibt wenig Informationen über Zumbahua zu finden.
Was klar ist: der 10.000-Einwohner-Ort liegt auf 3.600 Meter und die Häuser haben noch immer keine Heizung. Unser Hostal (unser schlechtester Griff bisher-das Zimmer ist hellhörig, winzig klein und die Wirtsleute sind unfreundlich) bewahrt seine Gäste vor dem Erfrieren durch drei Lagen Lama-Decken und einen elektrischen Radiator.

Wir treten auf die Straße und unser Problem löst sich südamerikanisch in Wohlgefallen auf. „Nach Quilotoa?“, fragt uns ein Pick-up-Fahrer. „Nein, dahin wollen wir erst Morgen. Wir suchen einen schönen Wanderweg hier im Ort.“ Der ältere Typ zeigt mit dem Finger auf einen nahen Berg. „Da müsst ihr hoch, auf den Hawapati, schöner Weg, schöne Aussicht. Kommt, steigt ein, ich nehme euch mit und zeige euch wo der Wanderweg losgeht.“

Eigentlich ist der Berg unbezwingbar

Hawapati -Eigentlich ist der Berg unbezwingbar

Bergdörfer
Getreideernte

Zu dem Angebot sagen wir nicht nein. Er fährt uns bis zum Dorfrand und schmeißt uns raus. Wir verstehen noch ‚Wasserhaus und blau‘, dann ist er verschwunden. Wir stehen am Fuß eines kleinen Hügels, vielleicht vierhundert Meter hoch. Und steil. Wir stiefeln erst mal los. Das blaue Wasserwerk finden wir noch, aber keinen Weg. Da blinzelt uns ein Guanako mit seinen langen Wimpern oberhalb des Weges an. Na, wo der laufen kann, schaffen wir das auch.

Diese Wimpern - Guanako

Diese Wimpern – Guanako

Quer durch Puna-Gräser, Wiesenblüten und Steine stolpern wir unserem vierbeinigen Führer hinterher. Als es so steil wird, dass wir schon fast nicht mehr voran kommen, treffen wir endlich auf den Weg.

Kletterei

Kletterei

Inzwischen dürften wir auf 4000 Meter sein und keine Ausrede ist zu doof, um einen Stopp einlegen zu können: Foto machen, Schuhe zubinden, Nase putzen, wieder die Schuhe und noch ein Foto. Wir pumpen wie die Maikäfer, eine Unterhaltung ist unmöglich. Achim geht so weit, dass er in ein Stachelgewächs greift, nur um sich in einer Pause die Stacheln aus der Hand ziehen zu können.

Der Griff in die Dornen

Der Griff in die Dornen

Pause

Pause

Der gefundene Weg schlängelt sich in steilen Serpentinen den Hügel hoch. Zeitweise brauchen wir die Hände, um uns am Gras hochzuziehen. So richtig ins Schwitzen kommen wir nicht. Der Wind ist ziemlich eisig und wenn die Sonne hinter Wolken verschwindet, brauchen wir die Mützen.
Aber irgendwann sind wir dann oben. Wie in den Bergen üblich, belohnt uns eine grandiose Aussicht für unser Mühen.

Ackerbau bis in die letzte Bergspitze

Ackerbau bis in die letzte Bergspitze

Für Wald ist im Tal kein Platz mehr

Für Wald ist im Tal kein Platz mehr

Allerdings auch hier Anden-übliche Bild: Jeder einzelne Quadratmeter ist beackert. Alle Bäume abgehackt. Verbaut und vor allem verheizt.
Örtlich wird Wiederaufforstung betrieben. Dabei hält Ecuador sogar einen Weltrekord mit 650.000 gepflanzten Bäumen an einem Tag. Leider wird hierfür häufig der schnellwüchsige Eukalyptus verwendet, der den heimischen Pflanzen zusetzt, da neben Eukalyptus kaum eine andere Pflanzenart wachsen mag.

Blick auf Zumbahula

Blick auf Zumbahula

Gipfelkreuz

Gipfelkreuz

Zumbahula ist ein kleines Berg-Kaff. Authentisch. Nicht gerade wohlhabend, geprägt durch harte Arbeit. Die meisten Häuser sind unverputzt, gerade halb fertig gebaut. Wäsche wird draußen im Hof gewaschen auf einem Waschbrett. Die Ernte wird per Hand eingeholt.
Der Anteil der Indigenas dürfte nahezu hundert Prozent betragen. Die Trachtenquote ist ähnlich hoch, zumindest bei den Frauen. Mit ihren Schultertüchern, Kniestrümpfen, Faltenrock und Filzhut mit Feder wirken die Damen wie vom letzten Schützenfest zurück gelassen. Sicherlich nicht eine der schönsten Outfits.
Gerne wird das Schultertuch durch neumodische Fleece-Decken ersetzt. Hier sind besonders Baby-Decken sehr populär: Bärchen auf himmelblauen Wolken oder Hello-Kitty-Motive. Das macht die Klamotten nicht schicker.

Typisches Wohnhaus - alle ohne Heizung
Eine fast hundertprozentige Trachtendichte
fast wie beim Schützenverein

Bus fahren in Ecuador

Mo.,23.Jul.18, Ecuador/Zumbahua, Tag 1514, 13.337 sm von HH

Für unser nächstes Ziel -Zumbahua- müssen wir zurück in den Süden fahren, an Quito vorbei. Auf keinen Fall wollen wir wieder quer durch die Stadt fahren, also pilgern wir zum Busterminal in Otavalo auf der Suche nach einem passendem Bus für uns.
Jede Ansiedlung in Südamerika hat, abhängig von der Orts-Größe, einen oder mehrere Busterminals. Die Anzahl der Gesellschaften ist verwirrend. Häufig heißen die Gesellschaften genau wie Städte, was die Kommunikation mit unserem dünnen Spanisch nicht einfacher macht: „Gibt es einen Bus nach Latacunga?“ „Si claro, ‚Quito‘, dahinten fährt er!“ „Nein, nein, wir wollen nach Latacunga.“ “ Si, si mit ‚Quito‘, no hay un

 

Von Otavalo nach Zumbahua - vier Stunden Fahrt

Von Otavalo nach Zumbahua – vier Stunden Fahrt

Sobald man ein Busterminal betritt, brüllen Jungs von den Busgesellschaften die Ziel-Orte auf einen nieder: „Aaaambatooo, Aaambatooo. Wollt ihr nach Ambato?“ „Quiiieto, Quiiieto“, gröllt der nächste. Unbeteiligt gucken und erst mal orientieren, geht nicht. Unweigerlich nennt man sein Ziel und wird vor einen Schalter gezerrt. Kleine Mikro-Dörfer zu nennen, macht keinen Sinn, man muss selber die großen Orte kennen, die an den Hauptstrecken liegen. Zumbahua ist so ein Dorf, zweihundertfünzig Kilometer entfernt. Aber wir wissen, dass von Latacunga aus Busse nach Zumbahua fahren.

Nach einigem hin und her finden wir einen Bus nach Latacunga, der einen guten Fußmarsch außerhalb vom Terminal abfährt. Komisch. Ganz und gar unüblich. Wir steigen trotzdem ein.
Vier Stunden Fahrt werden uns avisiert. Wie üblich haben wir ein Ticket mit festen Sitzplatz-Nummern. Die Bus-Tür wird von außen mit einem Papierstreifen versiegelt. Damit keine weiteren Gäste ohne Sitzplatz mitgenommen werden? Schwarzgeld Vermeidung? Oder sollen keine fliegenden Händler einsteigen? Wir wissen es nicht.

Das Siegel hält genau zehn Minuten. Da stoppt der ‚Direktbus‘ das erste Mal und nimmt ein Mütterchen mit einem Karton Papayas mit. Der erste Hausierer mit Chips und Popcorn springt ebenfalls an Bord. Essen und Trinken ist im Bus verboten, besagt ein Schild. Niemand kümmert sich darum.
Nach einer Stunde Fahrt droht den ersten Mitfahrern der Hungertod. Der Bus hält für zehn Minuten. Die Händler entern den Bus. Es werden Hühnchen-Stücke mit Reis in kleinen Plastiktüten an Bord gebracht. Jeder zweite Fahrgast schlürft und knuspelt an schlüpfrigen Hühnerknochen. Oder puhlt glitschiges Obst aus einer weiteren Tüte. Es folgt noch eine Frau mit selbstgemachtem Eis am Stiel, Erdnuss-Tüten-Kinder und natürlich Wasserverkäufer. Alle laufen mit ihren Bauchläden durch den engen Gang und preisen donnernd ihre Ware an.

Die Fahrt geht weiter. Der Bus duftet wie eine schlechte Kantine. Die letzten Händler springen noch während der Fahrt vom Bus. Zurück bleibt ein ‚Verkäufer‘, der in übler Heizdecken-Verkauf-Manier ein Wundermittel an den Mann bringen will. Jeder Fahrgast, der nicht schnell genug die Hand wegzieht, bekommt eine Pillendose in die Hand gedrückt. Die darf man während des Vortrags festhalten. Die Pillen helfen gegen Krebs, Bluthochdruck, Prostata-Beschwerden, Gastritis und Appetitlosigkeit beim Sex. Üble Fotos von jungen Frauen, die sich mit einer roten Flüssigkeit in eine Toilette übergeben, werden hochgehalten. Zwanzig Minuten ergeht eine endlose Leier über das Wunderprodukt. Am Ende verkauft er eine Dose an unsere Nachbarn. Zehn Dollar von zwei Herrschaften in schlichter Tracht und mit Filzhüten.

Nach vier Stunden, wie versprochen, erreichen wir Latacunga. Die Gerüchte über Südamerikanische Unpünktlichkeit haben ihren Ursprung nicht bei den Bussen. Auf die Minute pünktlich gehen die Fahrten los. Der Bus stoppt außerhalb von Latacunga, aber wie von Zauberhand steht bereits ein weiterer Bus bereit, der uns zum Sammel-Terminal bringt.

„Quiiiieto, Quiitooo!“ “ Ambaaatooo!“, das übliche Geschrei empfängt uns. Ein Blick auf die Schalter und schon haben wir das richtige Ticket in der Hand. „Adelante, adelante“, werden wir gescheucht, „der Bus fährt gleich ab.“ Das klappt ja wie ‚Kattenficken in Düstern‘, wie man auf dem Land so schön sagt. Da schafft man es kaum noch mal zur Toilette zu gehen.
Es folgen noch einmal 1,5 Stunden Fahrt und wir erreichen Zumbahua mit genau Null Minuten Wartezeit. Und Du machst Dir im Vorwege Gedanken, ob wir auf der Landstraße übernachten müssen. Blödsinn, sowas passiert nicht in Südamerika.

Die Busfahrer fahren besser als dieser Spruch vermuten lässt

Die Busfahrer fahren besser als dieser Spruch vermuten lässt

Jede Reise, die ich mache, mache ich mit Gottes Segen,
und komme ich nicht zurück, dann bin ich mit ihm gegangen. 

Der Spruch lässt Übles vermuten. Wir haben bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht. Vor ein paar Jahren scheint es schlimmer gewesen zu sein, wie Berichte und Statistiken über Unfallzahlen mit Bussen berichten.
Übrigens ist Busfahren spottbillig: Eine Stunde Fahrzeit = 1 USD.

Cuicocha – eine Kraterwanderung

So.,22.Jul.18, Ecuador/Otavalo, Tag 1513, 13.337 sm von HH

Vierzehn Kilometer Wanderung. Sechshundert Meter Aufstieg. Vierhundert Meter Abstieg. Auf einer Höhe von 3.500 Metern. Das stinkt nach Ciudad Perdida-dem höllischen Tag zwei.
Wir riskieren es trotzdem. Zählt diese Wanderung doch zu den schönsten Ecuadors. Und trainiert haben wir ja schließlich auch.

Der schlimmste Anstieg von vierhundert Metern kommt gleich am Anfang. Der ist überlebbar. Die Wege sind gut, wo es sehr steil ist, sind Treppen gebaut. Schmale Sandwege ohne Stein- und Wurzelfallen. Der Blick auf die beiden Inseln, etliche Meter unter uns, ist herrlich. Wie Grießklöße in einem Kirschsuppen-Teller schwimmen die Inseln in der blauen Lagune.

Cuicocha-Lagune mit den zwei Inseln

Cuicocha-Lagune mit den zwei Inseln

Orchideen säumen den Weg, Bromelien sitzen auf den letzten verbliebenen Bäumen. Und dann das Pampas-Gras. Unverschämt grinst es jedem Hobby-Gärtner ins Gesicht. Welcher Gartenbesitzer und Gräser-Freund hätte noch nicht versucht, sich diese Zicken unter den Gräsern in den heimischen Beeten anzupflanzen? Vergeblich versucht. Spätestens nach dem zweiten Winter hat man nur noch Matschpampe statt anmutiger Wedel. Hier ist es anders. 10, 100, 1000, unendliche Pampasgras-Wedel wachsen in den Himmel.

Pampas-Gras

Orchideen

Orchideen

Pampas-Gras

Die Wege sind einfach zu laufen

Die Wege sind einfach zu laufen

Sechseinhalb Stunden brauchen wir für die ‚kleine‘ Wanderung. Fit, wie wir Cockpit-Sitz-Schlaffies inzwischen sind, benötigen wir nur 30 Minuten mehr als der Wanderführer verspricht. Na, geht doch.
Allerdings hat Achim mich bis zur Hälfte ganz schön gescheucht.
Um 15:00 Uhr wartet ein verabredetes Taxi auf uns. Typisch deutsch wollen wir da ja wohl nicht zu spät kommen. Unser Hostal hat den Fahrer gleich für fünf Gäste organisiert. Mit uns fahren noch ein Spanisches Pärchen und eine Tschechin, so dass wir uns die 25 USD für Hin-Und Rückweg teilen können. Praktisch. Zu Beginn der Tour waren die direkt nach fünf Minuten verschwunden. Komisch, immer sind alle sind schneller als ich. :roll:
Mit der ‚Ciudad Perdida‘ ist das hier aber nicht zu vergleichen. Da habe ich meine ganze Kraft für die schlechten Wege verbraucht und konnte einfach nicht mehr. Diese Wanderung ist unschwierig, nur braucht es ab und an ein Päuschen zum Luftschnappen.

Der Anfang beißt in der Lunge - 400 Meter höher auf 3500

Der Anfang beißt in der Lunge – 400 Meter höher auf 3500

Immer am Kraterrand entlang

Immer am Kraterrand entlang

Der eigentliche Vulkan, der Cotacachi, überragt seine Lagune noch um 1.500 Meter. Vor uns hüllt er sich heute schüchtern in Wolken. Der Cotacachi ist einer der ersten Berge in den Anden, der seinen Gletscher verloren hat.
Die Legenden der Indigenas berichten, dass der Vulkan Imbambura und der Cotacachi ein Liebespaar seien. Wenn morgens Schnee auf dem Gipfel des Cotacachi lag, hatte Mama Cotacachi nachts Besuch von Imbabura. Die ältere Bevölkerung sieht in dem Verlust des Gletschers eine Bestrafung von Mama Cotacachi. Die jungen Leute sehen darin die Folge der Erderwärmung.

Ein paar Bäume wurden noch übrig gelassen

Ein paar Bäume wurden noch übrig gelassen

Schöne Lagune im Naturschutzgebiet Cotacachi

Schöne Lagune im Naturschutzgebiet Cotacachi