Kategorie: Atanga

Tag 6 ==> Pitcairn – Flautenroller

So., 03.Mrz.19, Pazifik, Tag 1736, 16.326 sm von HH
Die Freude über den guten Wind währt nicht lange. Kontinuierlich werden wir langsamer. Dazu Squalls, Regenschauer, Wind aus allen Richtungen. Alle halbe Stunde müssen wir die Windsteueranlage nachjustieren, um auf Kurs zu bleiben. Achim gibt in seiner frühen Nachtschicht alles. Kurbelt bei strömendem Regen am Steuerrad rum. Eben noch 10 Knoten aus Ost, dann 22 Knoten aus Nord. Alles vergeblich, der Wind schläft ein. Flaute. Wir nehmen um Mitternacht erneut die erbärmlich schlagenden Segel runter.
Der Schwell, der uns nun durchschüttelt, stammt aus der Hölle. Diese Nacht bleibt unvergessen. Alle zwei, drei Minuten neigen wir uns 15 Grad zu jeder Seite. Es geht ein paar Mal hin und her. Dann 20 Grad. Atanga schaukelt sich auf. 30 Grad, 35 Grad Schräglage. Unangenehme Beschleunigungskräfte. Es fühlt sich an wie in einer Schiffs-Schaukel. Nur, dass diese Fahrt nie zu Ende geht. In den Schränken klappert und rappelt es. Konserven, dicht gestaut, schütteln sich solange zusammen bis Luft dazwischen gelangt und sie anfangen zu klimpern. Topfdeckel klappern, Gläser klirren. Ein unbekanntes Klopfen im Badschrank. Die Geräuschkulisse ist grausam. Nach den schlimmsten Ausschlägen beruhigt sich das Geschaukel. Für einen wunderbaren Moment liegen wir ganz still. Werden angehoben, scheinen zu schweben. Leichtigkeit macht sich breit. Erleichterung für den Körper. Erleichterung für die Nerven. Die Seele. Für zehn Sekunden keine Bewegung, kein Geräusch. Dann fängt es wieder leicht zu wippen an. Atanga schaukelt sich auf, es geht von vorne los. Nach zwei Stunden ist das Schlimmste vorbei, die Wellen beruhigen sich etwas. Wir finden etwas Schlaf . Nach acht Stunden kommt zum Frühstück der Wind zurück. Eine leichte Brise aus Nordost. Mit drei Knoten nehmen wir wieder Kurs auf Pitcairn auf. Tagesmeilen: 58 , noch 592 Meilen to go.

Tag 5 ==> Pitcairn – Flautenlieger

Sa., 02.Mrz.19, Pazifik, Tag 1735, 16.268 sm von HH
Wir fahren 3 Knoten, 2 Knoten, 1 Konten und stehen. Nach den Squalls kommt zum Abend die Flaute. Die Segel flappen, der Baum schlägt. Nichts geht mehr. Entnervt nehmen wir alle Segel runter, das halten wir nicht aus. Mit einem Resthauch von Wind treiben wir nach Süden in die falsche Richtung. Der Motor bleibt aus. Es ist sowieso zu weit, um unter Maschine fahrend anzukommen. Unseren Diesel brauchen wir noch in den nächsten Monaten für Riffeinfahrten. Ob wir immer überall Diesel nachkaufen können, ist fraglich. Und wie lange wollen wir den Motor laufen lassen? Eine Stunde, zwei Stunden oder fünfzig Meilen? Wir wissen nicht wo wir Wind finden. Also, der Motor bleibt aus.
Ohne Vortrieb rollen wir prächtig in der Dünung. Nach zwei Stunden wird es etwas besser. Achim findet als erster Schlaf. Wie zuckersüß verlockend wäre es, sich dazu zu legen. Aber wir behalten unsere Nachtschichten bei. Erstens wollen wir neuen Wind nicht verpassen und zweitens haben wir doch gestern tatsächlich einen Frachter gesehen. Der zog in fünf Meilen Abstand an uns vorbei. Ganz alleine sind wir also doch nicht. Ich sitze in stockdunkler Nacht im Cockpit und habe Phantasien: Wie klein wir doch auf diesem großen Gewässer sind. Kleiner als ein Fliegenschiss. Ich komme mir verletzlich vor, und verloren, ohne Fahrt im Schiff. Ein Fliegenschiss, der wie ein unsichtbarer Korken auf dem Wasser treibt.
Erst nach 7,5 Stunden, mitten in der Nacht, kommt der Wind zurück. Richtige Richtung, richtige Stärke. Mit fast fünf Knoten geht es wieder dem Ziel entgegen. Ich geh‘ jetzt ins Bett.
Tagesmeilen: 81 (immerhin!!!), noch 634 Meilen to go.

Tag 4 ==> Pitcairn – Alles im Lot

Fr., 01.Mrz.19, Pazifik, Tag 1734, 16.187 sm von HH
Unsere Rechnung ist aufgegangen. Wie vorhergesagt, hat der Wind auf Nord gedreht und wir haben schon 50 sm Richtung Nord ‚im Sack‘. Sehr gut. Die vierte Nacht ist ein Traum: Milchstraße von Horizont zu Horizont. Das Kreuz des Südens ist klar zwischen den anderen Sternen auszumachen (also von Achim, ich bin da untalentiert und sehe vor lauter Sternen die Sterne nicht). Die meterhohe Dünung aus Westen ist verschwunden. Sanfte Wogen kommen nun aus Nord. Es ist schon beachtlich, wie dieser Ozean hin und her schwappt. Ohne Schiffsbewegung ziehen uns die Segel durch die Sternennacht.
Am Vormittag gibt es eine Dusche auf dem Vorschiff, so ruhig und grade liegen wir. Und das bei einem ‚am Wind‘ Kurs. Eine willkommene Abwechslung. Wasser in unbegrenzter Menge. Achim kippt uns literweise Meerwasser über den Kopf. Ein bisschen Süßwasser zum Abspülen. Fertig. Sich mit drei Liter Süßwasser im Cockpit zu waschen, ist auf Dauer nicht befriedigend. Obwohl wir erst 400 Seemeilen voran gekommen sind, ist die Wassertemperatur schon um einen Grad gestiegen.
Ab Mittag geht der Wind hoch auf vier Windstärken. Im Zwei-Stundentakt kommen jetzt Squalls vorbei. Kleine, harmlose Regenfelder von 20 Minuten. Keine großen Winddreher oder Überraschungen drin. Es bleibt friedlich auf Atanga. Aber Kino fällt aus deswegen.
Tagesmeilen: 104, noch 714 Meilen to go.

Tag 3 ==> Pitcairn – Kinotag

Do., 28.Feb.19, Pazifik, Tag 1733, 16.083 sm von HH
Die Strecke nach Pitcairn hat nicht den besten Ruf. Winde in allen Stärken aus allen Richtungen sind keine Seltenheit. Wir befinden uns am südlichen Rand des Süd-Ost-Passats. Ein verlässlicher Wind aus Süd-Ost ist somit nicht garantiert. Das haben wir schon auf der Osterinsel gemerkt. Der Wind kam bestimmt 30% der Zeit aus Norden und Nordwesten.
Von der Osterinsel nach Pitcairn sind es Luftlinie 1.120 Seemeilen Richtung Westen. Davon müssen wir 120 Seemeilen nach Norden gut machen. Die ersten beiden Tage schenkten uns einen Süd-Ost-Wind. Perfekt für unsere Richtung. Aber die Vorhersage sieht Nordwind ab Donnerstag. Wir entscheiden uns somit bereits vor der dritten Nacht auf den anderen Bug zu wechseln und uns mit dem kräftigen Wind Richtung Nord-Nord-West blasen zu lassen, um etwas Strecke gut nach Norden zu machen. Wir verschenken dann zwar Wegstrecke nach Westen, kommt dann aber wirklich der Nordwind könnten wir damit prima nach Westen segeln. Soweit die Theorie.

Der neue Tag deutet an, dass die Entscheidung richtig war. Kontinuierlich dreht der Wind über Ost weiter auf Norden. Wir sind begeistert. Zumal die Bedingungen angenehm sind. Atanga liegt recht stabil und das Wetter spielt ebenfalls mit. Ab und an kommt ein dunkler Wolkenkragen vorbei ohne viel Wind und nur ein wenig Nieselregen.
Somit haben wir eine Prämiere an Bord. Wir gucken am Nachmittag einen Film. Bildungsfernsehen für das nächste Ziel: ‚Die Bounty‘. Das ist die Neuverfilmung von dem Bounty-Klassiker mit Marlon Brando. Der Film fällt bei uns durch. Langweilig wird die bekannt Story der Meuterer runter geleiert. Morgen gibt es dann das Original.
Tagesmeilen: 125, noch 818 Meilen to go.

Tag 1+2 ==> Pitcairn – Go West

Mo./Di., 25./26.Feb.19, Pazifik, Tag 1730/1, 15.744 sm von HH
Wir kommen erst am Nachmittag los. An Land, zum Ausklarieren, lassen wir uns von Tauchbooten bringen. Die Wellen im Hafen sind auch heute zu hoch für unser Dinghy. Noch ein wenig Obst und Gemüse gekauft, dann geht es los. Man merkt keinen Unterschied. Faktisch ist segeln wie ankern: Es liegt die gleiche Anzahl Antirutschmatten aus, alle Luken stehen offen, die Schiffsbewegungen bleiben gleich. Draußen sieht man wunderbar die Drei-Meter-Dünung anrollen. Der Horizont hat Buckel. Die See atmet. Jetzt wissen wir woher der Ausdruck stammt. Lange tiefe Lungenzüge macht der Pazifik.
Wir kommen quälend langsam voran. Bis zum Dunkelwerden sehen wir noch die Osterinsel. Weniger als zehn Knoten Wind lassen uns mit 2 Knoten Geschwindigkeit dahin schleichen. Die Genua ist ausgebaumt. Das Großsegel steht als Stütze dazu. Die Segel schlagen unangenehm in den Wellentälern. Der Vorteil des ruppigen Ankerplatz der Osterinsel: Eingewöhnen auf See entfällt. Ich kann bereits am ersten Abend kochen. Die Seebeine sind am Ankerplatz gewachsen. Toll. Genuss-Segeln ab der ersten Minute.

Tag 2 ist schon besser. Wir haben jetzt Windstärke 5, in Böen 6. Der Wind kommt etwas südlicher, so dass wir uns genau auf Kurs befinden. Die letzten acht Stunden hatten wir einen Schnitt von sechs Knoten. Dazu blauer Himmel. Besser geht es nicht. Obwohl die Wellen jetzt konfuser sind und sich auf die Dünung eine Windwelle legt, macht Atanga angenehme Bewegungen. Weich schaukeln wir mit Spitzengeschwindigkeiten auf Pitcairn zu.
Nach 48 Stunden haben wir 214 sm geschafft. Noch 906 Meilen to go.

Acht Wochen Osterinsel – ein Fazit

Mo., 25.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1730, 15.744 sm von HH

Dringende Empfehlung: Unbedingt machen!
Wir waren absolut begeistert. Trotz der heftigen Rollerei am Ankerplatz und unseres kleinen Dinghy-Überschlags. Hüstel, räusper, wir haben in den Wochen danach gelernt, wie man mit solchen Brechern umgehen kann. Der Rest war spitze und hat unsere Erwartungen übertroffen.

Die Osterinsel gilt als einer der isoliertesten Orte der Welt. Zur nächsten bewohnten Insel sind es zweitausend, zum Festland gar fast viertausend Kilometer. Aber isoliert ist die Insel schon längst nicht mehr. Täglich kommt ein Flieger aus Santiago oder Tahiti. Bringt frisches Obst aus Chile und Fleisch aus Argentinien mit. Versorgungsschiffe ankern vor der Insel, sie bringen Autos oder liefern Treibstoff an.

Die Osterinsel ist eindeutig touristisch. Ja, sogar Kreuzfahrtschiffe kommen hier vorbei.
Diese sind von uns nun endgültig zum Klassenfeind erklärt. Als ob es hier kein Platz gebe, versuchen sie mitten zwischen uns Seglern zu ankern. Die rasselnde Kette reißt uns aus dem Tiefschlaf. Ankert er direkt neben uns? Ein Blick nach oben bestätigt alle Befürchtungen. Das AIS zeigt einen Abstand unter 150 Metern. Muss das sein?  Die Generatoren vom Kreuzer zerreißen die Idylle.
Der weiß hoffentlich, dass er mitten in unserem Badezimmer parkt? Schluss mit hüllenloser Duscherei auf der Badeplattform. Oder man hat die einmalige Gelegenheit den zweihundert Zuschauern auf ihren Balkonen den nackten Arsch zu zeigen. Das hätte Symbolcharakter. ;-)

Na, der parkt ja direkt in unserem Badezimmer

Gleich müssen wir die Fender raus holen

Hanga Roa ist also fest in Touristenhand. Aber trotzdem angenehm. Kleine Souvenir-Buden stehen neben urigen „Supermärkten“. Fisch und lokales Gemüse werden direkt von der Ladefläche des Pickup verkauft. Einige der einheimischen Frauen tragen Blumenkränze (okay, aus Plastik), die Damen im Telefonladen haben eine Blume hinter dem Ohr. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wird großgeschrieben. Wir bekommen allerdings die Info: „Wenn du die Leute hier schon freundlich findest, dann warte ab bis du in Französisch Polynesien bis. Da sind die Leute freundlich.“

Es geht behäbig zu im Ort. Dazu gehören drei Stunden Mittagspause und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h. Während des Tapati Festivals war etwas mehr Trubel, jetzt wirkt Hanga Roa wieder verschlafen.
Die meisten der Abendveranstaltungen vom Festival haben wir leider verpasst. Die Einfahrt im Hafen ist tagsüber schon tricky, in stockdunkler Nacht wird sie zum Kamikaze-Ritt. Hohe Wellen, die man abwarten muss, sind schwer auszumachen. Und dann gilt es absolut geradeaus zu steuern. Rechts und links lauern die Felsen. Wir haben es uns nur zweimal getraut. Die Veranstaltungen, die wir sehen konnten, haben uns begeistert. Am ersten Abend sind Kinder aufgetreten. Kinderveranstaltungen sind ja immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Meistens finden diese nur die anwesenden Eltern toll. Aber auf der Osterinsel ist alles anders, die Kinder waren tatsächlich klasse.

Abendvorstellung mit Bodypainting

Abendvorstellung mit Bodypainting

Die Insel behält einige ihrer Geheimnisse für sich. Noch immer kennen wir nicht den Grund, warum die Ureinwohner so plötzlich mit dem Bau der Moai aufgehört haben. Und das gefällt mir. Ein Blick in diese unergründlichen Gesichter mit diesem so herrlich verkniffenen Mund genügt.
Großartige Stein-Gesellen, großartige Leistung. Sinnlos und doch sinnvoll.

Wundervoll und geheimnisvoll - absolut eine Reise wert

Wundervoll und geheimnisvoll – absolut eine Reise wert

Jetzt geht leider unsere Zeit zu Ende. Morgen geht es weiter. Unser Ziel sind die nächsten Nachbarn der Rapanui: die 50 Einwohner von Pitcairn. Dort spielt eine andere Liga. Die Nachkommen der englischen Bounty-Meuterer und einigen Polynesiern gelten, nun, ich sag mal vorsichtig, als schwierig. Über zweihundert Jahre Inzucht sollen nicht nur gutes Blut hervorgebracht haben.
Es sind tausend Seemeilen bis dahin. Die Strecke hat den Ruf widerborstig zu sein. Wir werden sehen.

Für alle, die das ebenfalls erleben wollen Revierführer Osterinsel

***neueste Nachrichten***neueste Nachrichten***neueste Nachrichten
Ich habe gerade den obigen Bericht fertig geschrieben, da kommt ein Funkspruch von der Armada: wir sollen schon etwas früher zu ihnen kommen zum Ausklarieren. Also packen wir unsere Pässe ein, schwingen uns in Schlauchboot und steuern auf die Hafeneinfahrt zu. Es ist absolut windstill, nur leichter Nieselregen fällt.
Puh, da läuft aber eine hohe Dünung zwischen den Felsen rein. Achim dreht seine Runden vor der Zone, wo die Wellen anfangen sich zu brechen. Wir warten und beobachten. So haben wir es die letzten Wochen gelernt. Hier sind wir sicher. Die Wellen sind uns deutlich zu hoch. Wir zögern. Da können wir nicht rein. Achim dreht eine weitere Runde, vielleicht kommt ja noch eine ruhige Phase.
Nein, alle Wellen bleiben hoch. Wir entscheiden nicht in den Hafen zu fahren. Dann müssen wir eben Morgen ausklarieren.
Wir drehen um, fahren Richtung Schiff. Eine runde, fette Dünung läuft unter uns durch. Und da, vor uns, kommt noch eine. Achim gibt Gas. Ach du heiliger Bimbam, die baut sich aber auf. Viel zu früh! Hier brechen die Wellen noch nicht! Sie wird höher und höher. Sie bildet diese berühmte Röhre aus. Sie wird durscheinend und türkis. Direkt vor uns jetzt diese Wand. Zweimeter fünfzig hoch. Mindestens. Vielleicht drei Meter. Ich glaube nicht, dass wir es schaffen. Unser Dinghy arbeitet sich senkrecht den Wellenberg hoch. So wie die ‚Andrea Gail‘ mit Georg Clooney in ‚der perfekte Sturm‘. Achim hockt auf dem Dinghyboden. Ich mache mich klein, meine Brille hab ich in der Hand, für einen besseren Ort ist keine Zeit. Wir klettern und klettern. Dann schlagen wir hinter dem Monster hart aufs Wasser im Wellental. Wir haben überlebt! Achim ist käsig um die Nase. Der Schreck ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. :lol:
Mensch, an dieser Stelle hatten wir noch keine Welle brechen sehen. Gib mir ‚high five‘ – wir haben überlebt. Schwein gehabt. Jetzt wird es aber wirklich so langsam Zeit, dass wir hier weg kommen.

Unsere Flotte wächst

Do., 21.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1726, 15.744 sm von HH

In Ecuador hatten wir uns ja einen Einer-Kajak zugelegt.
Schnell ist klar: das macht Spaß, aber alleine paddeln ist langweilig. Theoretisch muss also ein zweites Kajak her. Hier gibt es überraschend viele von den Dingern, aber kaufen kann man keins. Wir fragen jeden, der ein gebrauchtes Teil vor der Tür liegen hat, ob er es nicht vielleicht verkaufen möchte. Ich paddel sogar hinter einem 2er-Kajak hinterher, um einen Tausch anzubieten. Alles vergeblich.

Jetzt kommt uns das Schicksal zur Hilfe. Seit wir neben Marta am Anker liegen, hat sie bereits den zweiten Riss in ihrem Großsegel. Der erste Riss konnte genäht werden, aber schon nach der nächsten Tour mit Gästen kommt sie mit einem neuen Riss zurück. Dieses Großsegel hat es hinter sich.
Wir haben noch ein altes Großsegel im Vorschiff liegen. Seit fast fünf Jahren versperrt es dort wertvollen Raum. Bevor wir los gefahren sind, hatten wir uns ein neues Segel gekauft und mochten das alte Segel nicht entsorgen. „Vielleicht brauchen wir es unterwegs noch mal…“ Schon längst sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass wir es wohl nicht als Ersatz benötigen werden.

Also fragen wir Marta, ob sie nicht ihr Kajak gegen unser Segel tauschen möchte. Ihr Geschäft soll weiter laufen und nach Tahiti will sie im April auch noch segeln. Ohne Großsegel ein bisschen doof. Nach Rücksprache mit Vater und Kumpel werden wir uns einig. Deal!

Somit sind wir nun stolze Besitzer von zwei Kajaks.
Montag, spätestens Dienstag wollen wir weiter. Nicht mehr viel Zeit, um ein schönes Plätzchen für das sperrige Teil zu finden.

Atanga Flotte

Atanga Flotte

Ankern im Südosten der Osterinsel

Do-So., 14.-17.Feb.19, Chile/Osterinsel/Vinapu, Tag 1719-23, 15.744 sm von HH

Der Grund, warum wir überhaupt umankern müssen, ist ein roter Teufel, der sich westlich von Pitcairn befindet und südwärts zieht. Ein kleiner, unsympathischer Ableger soll die Osterinsel streifen. Es wird von Böen mit 42 Knoten gewarnt. Nicht lustig. Dieser Wind wird aus Westen vorhergesagt und somit können wir unmöglich in Hanga Roa bleiben.

Ein kleiner Ableger sorgt für Ärger

Ein kleiner Ableger sorgt für Ärger

Es ist nicht weit auf die andere Seite von Rapanui. Grad mal 11 Meilen – keine zwei Stunden Fahrt.
Einen guten Ankerplatz zu finden, ist schon schwieriger. Drei Segelboote sind bereits vor uns da. Wir versuchen es deren Nähe. Der Anker fällt. Da Achim Grausen vor dem kalten Wasser hat, springe ich zum Nachschauen. Ein schlechter Platz. Nur Korallenblöcke und Felsplatten. Hier können wir nicht bleiben. Wir gehen Anker auf. Ein Stück weiter versuchen wir es erneut. Der Platz ist nicht viel besser. Erneut gehen wir Anker auf. Beim dritten Platz springe ich erst, bevor wir den Anker fallen lassen. Wieder nur Korallen. Ich klettere zurück an Bord und wir fahren einen Kilometer weiter auf die andere Seite der ‚Bucht‘. Schon beim ersten Blick durch die Tauchermaske sehe ich nur Sand. Hier sind wir richtig. Ich schnorchel vor Atanga her, Achim kommt langsam nach. Der Anker fällt perfekt in Sand auf 20 Meter.

Wie Marta es bereits erzählte, bedeutet ein Insel-Seitenwechsel am Tag bevor der Wind dreht, fiesen Schwell aus Osten. Lustig wackeln wir von einer Seite auf die andere.

Am nächsten Tag hat der Wind gedreht. Die Dünung auch. Sie läuft jetzt westlich in die Bucht ein. Beeindruckend. Unser Nachbar-Katamaran ‚Qxygen‘ verschwindet bis zur ersten Saling hinter den Wellen. Cool. Das Geschaukelt ist nun viel besser. Alle 14 Sekunden kommt eine Woge durch, leichtes Rollen, das war’s.

Normale Ansicht ohne Wellenberg

Normale Ansicht ohne Wellenberg

Kat verschwindet hinterm Wellenberg

Kat verschwindet hinterm Wellenberg

Der Wetterbericht spielt verrückt. Der windarme Streifen, der den Wirbel in Ost- und Westwind teilt soll mal über uns, mal unter uns durchgehen. Windstärke und Richtung werden alle vier Stunden korrigiert. Solange wir nichts genaueres wissen, bleiben wir auf der ’schmuddeligen‘ Seite der Osterinsel. Hier befinden sich Öltanks, die per Pipeline von Tankern befüllt werden und eine Mülldeponie. An Land können wir nicht. Es gibt wohl einen kleinen Steg für die Besatzung der Tankschiffe, aber ein Dinghy kann man dort nicht lassen. Und nach Hanga Roa sind es vier Kilometer zu Fuß.

Ein windarmer Fluß zieht durch den Wirbel-Ableger

Ein windarmer Fluß zieht durch den Wirbel-Ableger

Auch am dritten Tag stellt sich nicht der gefürchtete Wind in Sturmstärke ein. Wir atmen erleichtert auf. An Tag vier ist alles vorbei. Jetzt wird schwacher Ostwind erwartet, so dass wir wieder nach Hanga Roa zurück fahren. Noch steht hier die Dünung aus Westen, so dass der Hafen weiterhin gesperrt bleibt. Fünf Tage konnten wir nicht an Land. Gut für den, der vorher ein paar frische Lebensmittel gebunkert hat.

Anker weg – statt Anker auf

Do., 14.Feb.19, Chile/Osterinsel/Vinapu, Tag 1719, 15.744 sm von HH

„So ein Mist, unser Anker ist weg!“ Achim kommt ins Cockpit gestürmt. „Die Bremse von der Ankerwinsch ist durchgerutscht und die Fangschlaufe hat es glatt durchgerissen. Anker weg, Kette weg! Sauber abgelegt auf 23 Meter Tiefe.“
Ich schaue ihn ungläubig an. Sehe blankes Entsetzen in Achims Augen. Wie immer stehe ich bei unseren Ankermanövern am Ruder und Achim bedient die Ankerwinsch. Wir markieren schnell unseren aktuellen Standort am Plotter, dann gebe ich leicht vorwärts, damit wir aus dem Ankerfeld raus fahren können.
Krisensitzung. Gaaanz ruhig. Tief durchatmen und nachdenken.

Als erstes hängen wir Atanga an die Boje von Martha. Die schippert mit Gästen um die Insel, der Platz ist für den Moment frei. Das bringt Ruhe ins Schiff. Das Nachdenken funktioniert schon mal. Dann ruft Achim Ferry ( von der Alrisha ) über Funk. Der steht mit Hilfe sofort zur Verfügung und zehn Minuten später mit seinem Dinghy neben dem Schiff. Achim macht in der Zwischenzeit sein Tauchzeug klar und steigt zu Ferry ins Dinghy. „Den Anker zu finden, dürfte schwierig werden“, verbreitet Ferry Hoffnung.
Gemeinsam düsen sie zum ungefähren Tatort. ‚Fünfzig Meter hinter dem Franzosen, etwas nach rechts versetzt‘, ist zu ungenau. Der Franzose schwoit, will einfach nicht auf seinem Platz bleiben. Achim schnorchelt zunächst an der Oberfläche, um Luft zu sparen. Auf über zwanzig Meter ist die Luft relativ schnell verbraucht. Aber es ist zu tief, so kann er ihn nicht finden. Er taucht ab.

Ich sitze auf Atanga und verdrücke heimlich eine Träne. Immer geschieht uns so ein Müll. Ich hader mit der Welt. Wie konnte das nun wieder passieren? Sind andere auch so doof? Mir fallen Geschichten von Tampen in der Schraube ein, Ablegen ohne angebautes Steuerrad, Auflaufen in flachem Wasser, Entleerung vom Frischwassertank in den Ozean und viele weitere Stories. Gut so. Mir geht es gleich besser. ;-)
Passiert ist es beim Wechsel von der Trosse auf die Ankerkette auf der Winsch (wir ankern zur Zeit 50 Meter Kette plus 30 Meter Ankertrosse). Für einen Moment liegt die Kette ohne Entlastung auf der Winsch. Die ist Bremse angezogen, aber offensichtlich nicht stark genug. Atanga nickt in der Dünung ein. Ein Ruck, zu viel Gewicht auf der Bremse und schon ist es passiert.

Nach dreißig Minuten sehe ich einen Fender am Unfallort schwimmen. Ah, Achim hat den Anker offensichtlich gefunden und markiert. Mir fällt ein Stein vom Herzen.
Ferry bringt Achim zu Atanga zurück. Der Rest ist fast ein Kinderspiel. Wir legen von der Mooring ab, ich steuere auf den Fender zu. Ferry im Schlauchboot daneben, übergibt Achim den Tampen, der fädelt ihn wieder durch die Ankerklüse. Und schon hängt Atanga wieder an ihrem Anker.
Achim legt die Kette auf die Winsch und wir gehen Anker auf.
Wir müssen den Ankerplatz wechseln, es kommt was Dickes auf die Osterinsel zu. Mit nur zwei Stunden Verspätung machen wir uns auf den Weg, so als ob nichts gewesen wäre. Die Tränen hätte ich mir sparen können.

Die Sichtweiten sind gut hier - da sollte ein Anker zu finden sein

Die Sichtweiten sind gut hier – da sollte ein Anker zu finden sein

Haka Pei – Bananenschlitten Rennen

So., 10.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1715, 15.744 sm von HH

Heute steht der sportliche Höhepunkt des Tapati Festivals an: Schlitten fahren auf Bananen-Stämmen. Dazu werden zwei Stämme zusammengebunden und der so entstandene Schlitten erhält rechts und links ein paar Haltegriffe. Den dicken Strunk voran, sausen die Wagemutigen an einem Krater im Inselinneren einen grasbewachsenen Abhang hinunter. Bei 45 Grad Neigung erreichen die Schlitten eine Geschwindigkeit bis 60 Stundenkilometer.
Zufällig haben wir vor zwei Tagen in Hanga Roa gesehen, wie sie verladen werden. Gigantische Teile. Kein Wunder, dass in allen Nachrichten von Tahiti bis Chile von diesem Rennen berichtet wird.
Ungefährlich ist der Wettkampf nicht. Eine echte Mutprobe für Verrückte. Bleibt der Strunk im Gras stecken, kommt es schon mal zu Überschlägen. Letztes Jahr soll das Rennen ausgefallen sein, weil der ewige Gewinner vergangener Jahre sich schwer verletzte.

Um überhaupt zum Krater kommen zu können, mieten wir uns ein Auto. Wir teilen uns das mit Ferry und Brigitte. Die Crew der Alrisha ist vor ein paar Tagen aus Galapagos angekommen.
Mit deutsch-österreichischer Pünktlichkeit sind wir bereits eine Stunde vor dem Start am Krater Maunga Pu’i. Die Rennstrecke ist mit Fähnchen markiert. Rechts und links davon dürfen sich die Zuschauer hinter einer unsichtbaren Linie am Hang verteilen.

Der Abhang - 45 Grad Neigung - kniehoher Bewuchs mit rauem Gras

Die Mittagssonne sticht. Die Insel-Profis haben Sonnenschirme und Eiskisten dabei. Die Feuerwehr steht bereit. Grills werden aufgebaut und aus Boxen kühle Melonen-Stücke verkauft. Die Veranstaltung ist gut besucht. Die ganze Insel ist auf den Beinen. Selbst nach 13.00 Uhr, der offiziellen Startzeit, strömen die Leute herbei. Dann trifft noch ein Krankenwagen ein.

Warten auf den Start

Wir warten. Es wird 14:00 Uhr, dann 14:30. Einen Grund für die Verspätung erfahren wir nicht.
Endlich kommt Bewegung in die Truppe, die auf dem Gipfel steht. „Jetzt geht es los“, verkündet eine Lautsprecherstimme. Acht Schlittenfahrer werden aufgezählt.
Aber plötzlich wird nach ‚Ambulancia, Ambulancia‘ gerufen. Per stiller Post macht die Info die Runde, dass jemand einen Stein an den Kopf bekommen haben soll. Oben auf dem Gipfel. Uns kommt das spanisch vor. Aber der einzige Krankenwagen der Insel sammelt einen Verletzten auf und fährt davon. Per Lautsprecher hören wir, dass ohne Ambulanz das Rennen nicht gestartet wird.
Okay, wir warten weiter. Der Krankenwagen sollte in einer halben Stunde wieder zurück sein. Und richtig, jetzt kann es los gehen mit über zwei Stunden Verspätung.

Der erste Schlitten saust den Abhang runter. Davon bekommen wir nicht viel mit. Wir sind überrascht, der Startpunkt ist bei den Fähnchen auf der gegenüberliegenden Seite und alles geht sehr schnell. Wir warten auf den zweiten Schlitten. Diesmal wissen wir wohin wir schauen müssen. Da kommt er. Brettert den Abhang runter. Aber dann Tumult hinter den Fähnchen. Der Schlitten verschwindet in den Zuschauern, er scheint vom Weg abgekommen zu sein. Menschen laufen aufgeregt zusammen. Wieder hören wir ‚Ambulancia, Ambulancia‘.
Schnell spricht sich herum, dass eine Zuschauerin vom Schlitten getroffen worden sein soll. Die Sanitäter brauchen lange, um die Verletzte in den Wagen zu bringen, dann fährt der Krankenwagen davon. Der Lautsprecher verkündet: „Das Rennen ist abgebrochen.“

Ein kollektives Aufseufzen ertönt. Menschen sammeln ihre Sachen zusammen und traben den Hang hinunter. Die Betroffenheit ist spürbar, so hatte man sich den Sonntag nicht vorgestellt.
Wir stehen mit Ferry und Brigitte unschlüssig am Hang. Wir haben Zeit. So schnell kommen wir sowieso nicht mit dem Auto von dem Wiesen-Parkplatz.

Da entsteht erneut Tumult am Kratergipfel. Eine Fahne wird geschwungen. Die Aufpasser scheuchen schnell ein paar Zuschauer hinter die Absperrung. Und dann kommt auch schon der erste Schlitten angeschossen. Nein, das wollen die Jungs sich nicht nehmen lassen. Sie wollen heute und jetzt ihre Mutprobe. Zuviel Adrenalin hat sich aufgestaut. Das muss raus. Hier lässt sich heute keiner das Rutschen verbieten.
Ein Schlitten nach dem anderen braust den Abhang runter. Atemberaubend. Ein unglaubliche Show. Wie kann man so durchgeknallt sein? Bis zu fünfzig Zentimeter heben die Jungs von ihren Strunken ab. Sie klammern sich fest – bloß nicht den Halt verlieren.
Zwei Jungs fahren im 2er Bob. Übermütig. Tollkühn. Verrückt. Zu wagemutig? Der Hintermann steigt bei voller Fahrt ab. Macht einen Überschlag. Dreht zwei komplette Räder in der Luft. Er steht zum Glück sofort wieder auf.
Alle Schlitten-Fahrer bleiben unverletzt. Okay, ihre blauen Flecken wird man Morgen erst sehen.

Der 2er Schlitten

Der 2er Schlitten

 

 

Der Pilot

Der Pilot

Ein Wehmutstropfen dieses Spektakels ist die verletzte Zuschauerin. Wir könnte nichts über sie heraus finden. Hörten aber, dass sie nach dem Zusammenstoß bewegungslos liegen geblieben sein soll. Wir wünschen ihr alles Gute.
Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass dies das letzte ‚Haka Pei‘ gewesen sein könnte.

Helden für einen Nachmittag
Die Spuren
Der Schlitten

Rapanui Berufskleidung

Rapanui Berufskleidung

Bananen-Rennen

Fr., 08.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1713, 15.744 sm von HH

Ich kann nichts dafür. Die Jungs beim Bananen-Wettlauf tragen wieder nur ihre knappe Rapanui-Sport-Uniform. Um jeden Verdacht der einseitigen Berichterstattung im Keim zu ersticken, hier ein Foto des Damen-Teams. Nicht der Rede wert.

Bananen-Stauden-Wettlauf-Damen-Team

Ganze Wagen-Ladungen von den knackigen Läufern werden zum Startpunkt gekarrt. Eine Augenweide. Die Eichung der Sportgeräte erfolgt mit der Machete. Ist eine Bananen-Staude noch zu schwer, werden einfach ein oder zwei Hände abgetrennt. Fertig.

Wettkampf-Teilnehmer im Sportdress

Wettkampf-Teilnehmer im Sportdress

Eichung der Sportgeräte
Teilnehmer

Die Plastikfolie um die Bananen-Stauden ist doof. Ging doch früher auch ohne. Dabei ist man auf der Insel um Umweltschutz und Recycling sehr bemüht. Seit dem ersten Januar gibt es keine Plastiktüten mehr in den Läden und Schilder mahnen vor Umweltsünden. Während des Festivals stehen überall Plastikflaschen mit Sand gefüllt, in die Raucher ihre Zigarettenkippen werfen sollen.

An die Banane - fertig - los

An die Banane – fertig – los

Das Tapati-Festival ist ein einziger Wettkampf. Jeden Tag können wir uns eine andere Veranstaltung ansehen. Früher ging es darum, wer den größten Moai vor seinem Dorf stehen hatte. Heute gibt es Wettbewerbe im Schwimmen, Speer-Fischen, Kochen, Schnitzen, Blumenkränze binden und in der Herstellung der ursprünglichen Kleidung auf der Insel.

Stoffherstellung durch Weichklopfen von Blättern
Moderne Verarbeitung des Zellulose-Stoffes
ich kann nichts dafür, die Schnitzer sehen aus wie die Kanuten und die Läufer
Hier eines der berühmten Baströckchen

Als die ersten Polynesier die Osterinsel erreichten, fanden sie keine Säugetiere und somit keine Felle zur Kleider-Herstellung vor. Also wurde Stoff aus Blättern hergestellt. Die Blätter wurden auf einen Stein oder Stamm mit einem Knüppel und Wasser solange bearbeitet, bis sich die Zellulose zu einem festen Tuch vernetzte. Der Stoff ist so stabil, dass er heute sogar mit einer Nähmaschine verarbeitet werden kann.

Blumenkranz-Wettbewerb

Blumenkranz-Wettbewerb

Gefangen am Anker

Mo./Di., 04./05.Feb.19, Chile/Osterinsel/Hanga Roa, Tag 1706/7, 15.744 sm von HH

Diesmal sind wir vorgewarnt. Es kommen wieder Wellen, heißt es. Die Vorhersage spricht von 2,70 Metern. Dazu ein Wind aus Nord-Westen. Der ist nicht gut für unseren Ankerplatz. Gar nicht gut. Das bedeutet auflandigen Wind. Solange er nicht zu stark wird, ist das okay, aber auflandiger Wind birgt immer ein Risiko.
Wir sprechen mit Martha. Sie meint, wenn der Wind nur einen Tag aus westlichen Richtungen kommt, kann man in Hanga Roa liegen bleiben. Die nach Osten offenen Ankerplätze hätten dann noch schlimmeren Schwell. Erst bei länger anhaltendem Westwind macht es Sinn zu wechseln.

Es fängt harmlos an. Das Meer ist glatt gezogen wie ein Bettlaken. Eine langsame Dünung läuft unter uns durch, hebt uns einen Meter an, wir schaukeln leicht hin und her. Alles gut. Die Dünung wird schnell höher. Es schaukelt mehr. Dann dreht, wie vorhergesagt, der Wind auf Nord und frischt deutlich auf. Eine kleine, fiese Hacksee bildet sich. Diese läuft im neunzig Grad Winkel zur Dünung aus Westen. Die Windwellen bringen Atanga zum Nicken. Die Dünung aus Westen zum Rollen. Die Kanadier vor uns wohnen in einem Cocktail-Shaker. Ihr Schiff gebärdet sich wie ein wild gewordener Esel (zwei Tage später behaupten sie von uns das gleiche) Es ist schaurig anzuschauen.

Eine unruhige Nacht liegt hinter uns. Um 6:00 Uhr, es ist noch stockdunkel, sind wir beide hell wach. Irgendetwas stimmt nicht. Wir stürmen an Deck. Ach herrje, was machen denn die Schweden da? Positionslichter und Decksbeleuchtung sind angeschaltet und die vierköpfige Crew springt aufgeregt herum. Dann funken sie mit Chris, der hinter ihnen ankert: „Unsere Maschine läuft nicht. Wir haben die Leine vom Dinghy im Propeller. Wir können nicht umankern. Du musst aufpassen und gegebenenfalls selber Anker auf gehen !“ Chris bestätigt und hält Wache, falls die Schweden ihm noch näher auf die Pelle rücken. Scheinbar sind sie gerutscht und Chris unangenehm nahe gekommen.

Beim ersten Tageslicht tauchen die Schweden ihren Propeller frei. Die Maschine läuft wieder und sie ankern um. Für Chris, der weder eine elektrische Ankerwinsch noch das passende Ankergeschirr hat, ist das zu viel Aufregung. Er geht Anker auf und setzt die Segel. Die nächsten 36 Stunden wird er vor der Insel auf und ab segeln. :lol: Zwei Nächte und einen vollen Tag. Einmal am Tag kommt er am Ankerplatz vorbei, begutachtet den Schwell und haut wieder ab. Das wäre ja genau das richtige für mich.

Die Schweden, die Kanadier und wir halten aus. Der Wind dreht von Nord auf (korrekt) Ost, wieder zurück auf Nordwest, um dann einzuschlafen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Kein Wind oder Wind aus der zur Welle falschen Richtung. Wir sind im Schleudergang. Der Bug taucht so tief ein, dass wir Wasser vorne über nehmen. Wir müssen uns festhalten an und unter Deck. Es ist schlimmer als auf See. Vielleicht ist Chris doch nicht so doof? Aber nein, dann sieht man ihn wieder eine Wende fahren. So sinnloses segeln. Total nutzlos. Da ist es am Anker doch noch besser.

Dass wir nicht vom Schiff können, versteht sich. In den Hafen donnern die Brecher rein. Wir sind gefangen am Anker. Zum Glück haben wir uns eine Sim-Karte gekauft und haben Internet an Bord. Verbunden mit der Welt, abgeschnitten von der Insel. Nach 48 Stunden lässt die Dünung nach. Zurück bleibt ein Meer glattgezogen wie ein Bettlaken.