Kategorie: Atanga

Insel-Wanderung

Mi., 20.Mrz.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1753, 17.385 sm von HH

Um die gesamte Insel führt eine sandige Piste für Autos. Aber es gibt auch einige Fußwege, die quer über Mangareva verlaufen. Dafür muss man die ungefähr zweihundert Meter hohe Bergkette überwinden, die direkt und steil hinter der Ringstraße beginnt.
Über wunderbare, schattige Waldwege gelangen wir auf die andere Seite. Üppiger Bewuchs auf beiden Seiten der Berghänge: Farne, Moos und wilde Passionsfrüchte. Zu Achims Leidwesen probiere ich alle Früchte, die wir finden. Vorsichtig zunächst nur ein Stückchen, um zu sehen, ob mir schlecht wird. Es schmeckt auch nicht alles wirklich gut. Die Passionsfrüchte sind leider bitter, klein und hart und glatt wie Tischtennisbälle sind sie kaum zu knacken.

Ein echter Seemann hinterlässt auch Lianen schön aufgeschossen

Ein echter Seemann hinterlässt auch Lianen schön aufgeschossen

 

Große Schnecken überall im Wald
Dreistündige Wanderung auf tollen Waldwegen

 

Auf der anderen Seite der Insel wohnen die Perlenzüchter. Im Gambier Archipel gibt es die besten ‚Schwarzen Perlen‘ der gesamten Südsee. Das Wasser ist kühler hier im Süden und die Bedingungen sollen optimal für gute Ernte sein.
An Bojen hängen die Perlenzüchter Drahtgitter auf, an denen die Austern bzw. ihre Perle wachsen sollen. Die Buchten auf der Nordseite sind bunt gesprenkelt mit Bojen. Vor lauter Gittern ist dort kein Durchkommen mehr. Über dreißig Perlenzüchter haben ihr Auskommen auf der Insel. Die Nachfrage nach der schwarzen Tahiti Perle ist vor allem in Asien ungebrochen. Da wundert es nicht, dass sich die größten Perlen-Farmen in chinesischer Hand befinden.

Perlenzucht

Perlenzucht

Drahtgitter für die Perlenzucht

In der Bucht vor Rikitea liegen wir zur Zeit mit zehn Segelbooten. Es ist ein Kommen und Gehen. Zu den anderen Inseln des Atolls ist es nicht weit. Drei Kilometer, fünf oder auch mal acht Kilometer. Die Schlechtwetterfront ist durch, der Regen hat aufgehört. Das Wasser wird jeden Tag klarer und blauer. Allerdings hält der kräftige Wind noch an. Das ist nicht so schön zum Dinghy fahren, dafür haben wir Strom im Überfluss. Dreimal zwanzig Liter Wasser können wir täglich produzieren – plus Trinkwasser. Endlich mal mehr als wir verbrauchen. Die Tanks füllen sich. Brauchwasser kann man auch im Ort bekommen, aber wer hat schon Lust die Kanister zu schleppen?
So langsam weht ein Hauch Südsee über uns hinweg.

Bucht von Rikitea - Atanga liegt ganz rechts außen

Bucht von Rikitea – Atanga liegt ganz rechts außen

 

Rikitea – exotisch? Ja oder nein?

Di., 19.Mrz.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1752, 17.385 sm von HH

Das erste, was uns auffällt: Rikitea ist ordentlich. Unter Straßenbäumen ist das Laub geharkt. Um die Häuser sind hübsche Gärten angelegt mit gemähtem Rasen, geschnittener Hecke und Zaun drum her. Auf dem Rasen steht ein Trambolin und ein Plastikrutschen-Gestell. Wären die Hecken nicht blühender Hibiskus und würden nicht Orchideen in den Bäumen hängen, könnten die Häuser mit Veranda und gepflegtem Pickup vor der Tür auch in Bergisch Gladbach stehen.
Mit großen Augen gehen wir durch den Ort. Damit haben wir nicht gerechnet. An Gefahrenstellen stehen Leitplanken an der sandigen Buckelpiste. Die Leute fahren mit Helm auf ihrem Moped. Auf Providencia (Kolumbien) und der Osterinsel hat man sich über solche Vorschriften vom Mutterland kaputt gelacht.
Und im Ort wird die Straße neu betoniert. Mit Flatterband und Warnhinweisen wird die Baustelle gesichert. Moderne Bagger und Straßenbaumaschinen in Bestzustand sind im Einsatz. Wir kommen uns vor wie in Frankreich. Das Mutterland bezahlt achtzig Prozent der Baukosten der neuen Straße, erzählt uns ein Schild. Exotisch ist Rikitea nicht.

Ordentliches Rikitea

Ordentliches Rikitea

Unser Dorf soll schöner werden
mit Mauer vor dem Haus und Rüschengardinen am Fenster
und spießigem Garten

 

Üppig, ist das zweite, was uns auffällt. Pampelmusen-Bäume hängen voll mit Handball großen Früchten. Daneben biegen sich Papaya und Bananenstauden unter ihrer Last. Granatapfel, Kokospalmen und Brotfruchtbäume stehen gleich daneben. Hier wachsen einem die Früchte direkt in den Mund.

Mit Machete bewaffnet gehen wir auf die Jagd. Aber so einfach ist es dann doch wieder nicht. Im Dorf aus den gepflegten Gärten nehmen wir natürlich keine Früchte. Außerhalb, wo keiner erntet und verfaulte Pampelmusen unter den Bäumen liegen, können wir uns bedienen. Aber mal hängen die süßen Früchte zu hoch, ein Graben verhindert die Ernte oder ein Hund, direkt aus der Hölle, vertreibt uns. Wir würden in diesem Dschungel wohl verhungern. Kaufen kann man das Obst in den Läden nicht.
Ein paar Pampelmusen sind unsere einzige Beute von ersten Streifzügen außerhalb von Rikitea. Verlaufen kann man sich nicht. Die Pampelmusen sind zuckersüß und machen süchtig. Gleich an Ort und Stelle werden zwei geschlachtet. Spontan kommt etwas Exotik auf.

Zwei (extrem hässliche) Hunde begleiten uns den ganzen Vormittag

Zwei (extrem hässliche) Hunde begleiten uns den ganzen Vormittag

Am Sonntag spielen die alten Männer Boule, die jungen Männer trinken Bier. Nach Geschlechtern getrennt, sitzen die Mittelalten drum herum und schauen zu. Aus dem Ghettoblaster erklingt HipHop. Ukulele war gestern. Junge Mädchen ziehen mit ihren Fahrrädern durch das Dorf. Mit Blume hinter dem Ohr. Das bringt etwas Exotik zu den Kopfhörern mit denen sie der Musik aus ihrem Handy lauschen.

Die Atmosphäre ist sympathisch, die Menschen grüßen und nicken uns freundlich zu. Das Dinghy wird nicht angeschlossen. Überall darf man an Land gehen und sein Dinghy an den schmalen Strand ziehen oder an Stegen fest binden. Spontan fühlen wir uns wohl.
Die Pizzeria hat nur freitags bis sonntags geöffnet. An weiteren Tagen nur, wenn Zutaten für die Pizza verfügbar sind. Das Versorgungsschiff kommt nur alle zwei bis drei Wochen. Und Brot gibt es aus ‚technischen Gründen‘ erst ab Donnerstag wieder. Noch ein Stück Exotik gefunden.

Rikitea von oben mit betonter Anfahrt

Rikitea von oben mit betonter Anfahrt

Unser erstes Südseeatoll

Fr., 15.Mrz.19, Franz.Pol/Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1748, 17.385 sm von HH
Zu früh gefreut, ohne Schwell ist unser neuer Ankerplatz nicht. Kein Vergleich zu den letzten Wochen, aber 20 Knoten peitschen die Lagune auf. Wir müssen wieder tief ankern, auf 17 Meter mit auflandigem Wind. Aber der Haltegrund ist exzellent. Im Dinghy wird man pudelnass. Das vorgelagerte Riff, durch das die Tonnen uns den Weg führten, hält zwar den schlimmsten Schwell ab, aber Atanga nickt im Wind. Die Antirutschmatten sind allerdings im Schrank verschwunden. Das Wasser ist weder türkis, noch klar. Wahrscheinlich liegt dies nur an den heftigen Regenfällen der letzten Tage. Auch fehlen die palmengesäumten Strände. Um das Prädikat ‚paradiesisch‘ zu bekommen, muss optisch noch etwas an der Insel gearbeitet werden. ;-)
Auf Mangareva wohnen 1.500 Menschen, die meisten entlang des Ufers in der Ankerbucht. Durch den Ort führt eine Betonstraße, die nach einem Kilometer in Sand übergeht. An der Hauptstraße liegen ein paar Geschäfte mit Konserven, Keksen, Reis und Fertigsaucen im Angebot. In den Kühltruhen liegen ganze Tiere. In einem Sack erkenne ich ein undefinierbares Bein von massiven Ausmaßen. Besser den Deckel wieder schließen, nicht dass man noch auf die Oma stößt. In anderen Truhen gibt es gekochten Schinken und Speck in typischen Blister-Packungen. Die Läden sind penibel aufgeräumt, die Dosen sauber aufgestapelt und mit Preisen beschriftet. Die Preise sind lustig. Ein direkt aus Frankreich importierter Camembert kostet 12 Euro. Das Angebot ist schmal, vor allem gibt es kein Obst oder Gemüse. Zwiebeln und Knoblauch sind die einzigen Frischeartikel. Wir müssen zur Gendarmerie, um einzuklarieren. Der junge Franzose (er wird in Gambier ein, zwei Jahre arbeiten und sich dann nach Martinique versetzen lassen) ist super nett und bringt tapfer seine paar Englischbrocken an den Mann. Wir sprechen ja leider beide kein Französisch, sind ihm daher sehr dankbar für seine Hilfe. Es gilt ein (kurzes) Formular auszufüllen. Das war’s, schon sind wir fertig. Eine Kopie dieses Formulars müssen wir mit der Post nach Tahiti schicken. Dieser analoge Postweg kommt uns relativ unsinnig vor, da die Gendarmerie über einen Scanner, PC und Internet verfügt. Heute , am Freitag, hat die Post sowieso schon geschlossen, also erledigen wir das am Montag.
Die Post ist auch der einzige Ort wo man Geld tauschen kann. USD in Landeswährung. Euro werden trotz ‚Mutterland‘ Frankreich nicht akzeptiert. Eine Bank oder einen Automaten gibt es nicht. Somit bleibt uns ein Internetzugang zunächst verwehrt: kein Geld, kein Internet. Der größte Supermarkt – ohne Super – hat einen Internetzugang, den man benutzen darf, wenn man dort einkauft. Das Netz soll sehr langsam sein, ein berittener Bote hätte die Nachricht schneller überbracht, so heißt es. Das selber zu testen, darauf werden wir nun noch drei Tage warten müssen.

Tag 3 ==> Gambier – Die Ankunft

Do., 14.Mrz.19, Franz.Pol/Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1747, 17.385 sm von HH
Bis Mitternacht bleiben wir beigedreht bei konstant 6 Windstärken. In fünfzehn Stunden werden wir nur 26 Meilen nach Norden getrieben. Weil beim Beidrehen das Vorsegel auf der falschen Schiffs-Seite steht, will das Vorschiff nach rechts und das Heck nach linkssegeln, was unterm Strich keine Fahrt bedeutet. Eine Segelrichtung kann man sich dabei leider nicht aussuchen, denn das System funktioniert nur, wenn der Wind von der Seite kommt. Das Beidrehen fühlt sich komisch an. Windgeräusche und die fauchenden Wellen passen nicht zur Geschwindigkeit. Es fühlt sich an als ob wir durch bremsenden Schaum segeln würden. Inklusive Schräglage durch den kräftigen Wind und Wellen, die an die Bordwand klopfen. Unterm Strich besser als aktiv auf uns ab zu segeln, aber trotzdem zermürbt uns das ‚auf-der-Stelle-segeln‘ etwas. Reine Kopfsache.
Die zweite Nachthälfte segeln wir dann wieder auf die Gambier Inseln zu. Der Sonnenaufgang entfällt. Tiefe Regenwolken hängen am Himmel. Ab und an regnet es. Sehr ungemütliches Wetter. Am Horizont tauchen die Inseln auf. Dunkelgraue, steile Kegel vor hellgrauem Himmel. Einzelheiten sind im Nieselregen nicht zu erkennen. Bei Schietwetter ist auch ein Südseeatoll nur eine graue Katze. Dann passieren wir das Saumriff, was die Inseln umschließt. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass dahinter der Schwell aufhört und eine blau-blau-blaue Lagune droht, die Netzhaut zu zerstören. Was für ein Irrtum. Das Wasser hat Nordseequalität. Ich stehe am Ruder. Das hat sich bei uns so etabliert, dass ich meistens die Anfahrten übernehme (da kann man prima das Weib beschuldigen, wenn man aufläuft… :lol: ). Ein echter Glückstag für Achim. Er hockt hinter der Sprayhood im Trockenen. Ich stehe mittlerweile im strömenden Regen und mir haut eine Welle ordentlich Salzwasser ins Gesicht. Was ich seit Ecuador, über viertausend Meilen auf offenem Ozean verhindern konnte. Alles fühlt sich nach Dänischer Südsee an. Alles sieht nach dänischer Südsee aus. So haben wir uns das nicht vorgestellt. Ich finde, so langsam muss sich Fortuna die Frage gefallen lassen, wo sie denn geblieben ist.
Der trockene Achim vergleicht OpenCPN Daten mit unseren Navionics Plotterdaten. Die Einfahrt zum Ankerplatz ist betont. Sehr gut betont, muss man sagen. Französisch Polynesien gehört zu Frankreich und da haben die Französen mit EU-Geldern (??) gute Arbeit geleistet. Die Angaben in den Karten stimmen beide nicht. Durch die Betonnung müssen wir aber nicht so schwer schwitzen. Nach 2,5 Stunden erreichen wir happy unseren Ankerplatz. Außer uns liegen weitere zehn Schiffe hier. Alte Bekannte darunter. Da sagen wir Morgen ‚hallo‘. Heute geht es früh ins Bett. Die erste Nacht ohne Schwell seit über drei Monaten. Das wird eine schöne Nacht.

Tag 2 ==> Gambier – Südseeträume/Südseepläne

Mi., 13.Mrz.19, Pazifik, Tag 1746, 17.181 sm von HH
Gambier? Gambier wo? Bis wir uns mit der Osterinsel-Pitcairn-Route beschäftig haben, hatten wir noch nie von den Gambier Inseln gehört. Jetzt sind sie der logische Weg auf unserem weiteren Weg in die Südsee. Das kleine Atoll (grad mal 30 km Durchmesser) gehört zu Französisch Polynesien und ist die östlichste Inselgruppe im Südpazifik. Polynesien, der Inbegriff für die Südsee. Sofort hat man die Bilder von Gaugouin vor Augen, leicht bekleidete Schönheiten mit melancholischem Blick. Französisch Polynesien besteht aus fünf Inselgruppen, die sich auf 4,5 Millionen Quadratkilometer Wasserfläche verteilen (die Größe von Westeuropa). Die Landfläche macht dabei grade mal acht Prozent aus. Das bekannteste Archipel sind wohl die Gesellschaftsinseln mit den Inseln Tahiti, Bora Bora und Moorea. 14 Inseln, geprägt durch schroffe Bergflanken, üppig bewachsen, bis zweitausend Meter hoch. Meistens von einem Ringatoll umschlossen, was die türkisfarbenen Lagunen bildet. Hier dürfte die Touristenhochburg der Südsee liegen.
Noch östlich davor liegen die Tuamotus. Auf eine Länge von fast zweitausend Kilometern verteilen sich 77 Atolle mit Inseln und Inselchen. Diese sind alle flach und ragen maximal drei Meter über den Meeresspiegel hinaus. Die Tuamotus sind bekannt für hervorragende Tauchspots und für eine Million verschiedener Türkistöne.
Die dritte Gruppe sind die Marquesas. Zwölf bergige Inseln ohne schützendes Ringatoll, aber von bestechender Pracht. „Die Luft ist wie Balsam mit einem zarten Hauch von Blütenduft, man fühlt es fast wie einen Schmerz, so vollkommen ist die Schönheit“, stellte Jack London fest. Die Inseln der Marquesas auseinander zu halten, ist eine Herausforderung: Nuku Hiva, Hiva Oa und Ua Huka, um nur drei Namen zu nennen.
Die kleinste Gruppe sind die Austral-Inseln, etwas abgeschlagen im Süden-Westen, nicht auf der klassischen Route, daher selten besucht.
Vor uns liegen nun die Gambier Inseln. Eng beieinander, wie in keinem anderen Archipel, werden 14 Inseln von einem Ringatoll eingeschlossen. Das verspricht ruhiges Wasser, weil der Pazifik-Schwell draußen bleibt.
Noch ist Zyklon-Saison im Pazifik. Zyklone sind das gleiche wie Hurrikane, haben hier nur einen anderen Namen. Sie können noch zerstörerische Stärken als im Atlantik entwickeln. Die Gambier Inseln gelten als Zyklon sicher. Das ist das Gute an dem Trick über die Osterinsel in die Südsee zu segeln. Man kann die Saison um zwei Monate verlängern. Ab Mai können wir uns dann frei bewegen. Leider nur bis November, dann müssen wir aus der Südsee wieder verschwunden sein oder uns ein Zyklon-Loch suchen, wo wir sicher vor den Wirbelstürmen sind. Wie unsere Route genau aussehen wird, wissen wir noch nicht. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig, leider die Entfernungen riesig. Und hinter Französisch Polynesien liegt ja noch der Rest der Südsee: Fidji, Cook-Islands, Tonga und viele weitere Inselgruppen. :shock:
Als erste Schwierigkeit zeigt sich überhaupt die Gambier Inseln anzulaufen. Die letzte Nacht war toll. Dauerhaft 6 Windstärken, wir donnern durch die Dunkelheit. Zweifach gerefftes Groß und kleines Vorsegel bringen einen Schnitt von 6 Knoten auf die Straße. Der Wind kommt achterlich.Wir geben alles, aber vergeblich. Im Morgengrauen geht dann die Rechnerei los. Schnell ist klar, es fehlen uns zwei Stunden, damit wir noch bei Tageslicht ankommen. Unter keinen Umständen fahren wir im Dunkeln in ein Südseeatoll. Also Tempo raus und 15 Stunden Zeit schinden. Na, super, 55 Meilen vor dem Ziel – wegen 2 lächerlicher Stunden. Es ist jetzt das zweite Mal, dass wir super Streckenwind nicht nutzen können. Ärgerlich.
Zum Reffen haben wir nicht mehr viel. Damit bekommen wir nicht genug Speed aus dem Kahn. Auf und ab segeln klingt ebenfalls nicht verlockend bei 22 Knoten Wind. Also versuchen wir unseren neuen Lieblingstrick. Wir drehen bei. Klappt prima. Seit acht Stunden treiben wir mit 1,5 Knoten langsam dem Ziel entgegen (also halbwegs dem Ziel entgegen – Kurs 10 Grad, Ziel 340 Grad). Heute Nacht nehmen wir dann irgendwann wieder Kurs auf. Jetzt darf uns nur nicht in ein paar Stunden der Wind einschlafen. Soll er aber nicht, sagt die Vorhersage. Es dürfen noch Wetten abgegeben werden. :mrgreen:
Tagesmeilen: 109, noch 45 to go, direkter Weg.

Tag 1 ==> Gambier – Auf zu neuen Ufern

Di., 12.Mrz.19, Pazifik, Tag 1745, 17.181 sm von HH
Heute leben übrigens noch 50 Menschen auf Pitcairn. Viele sind direkte Nachkommen der Meuterer. Viel frisches Blut ist in den letzten 230 Jahren nicht dazu gekommen. Zwölf polynesische Frauen, sechs polynesische Männer und neun Meuterer flüchteten 1790 auf die Insel. Die Engländer hatten sich auf Tahiti jeweils eine eigene Frau mitgenommen, während die Polynesier sich drei Frauen teilen mussten. Als die Frau des Schmiedes John Williams starb und er sich einfach eine Frau der Polynesier nahm, kam es zum Streit. Die Polynesier töteten Williams, Fletscher Christian und drei weitere Meuterer. Diese Tat zog weitere Gewalttaten nach sich, so dass nach vier Jahren nur noch zehn Frauen, vier Meuterer und deren Kinder übrig waren.
Zwei Meuterer verfielen dem Alkohol, den sie aus der zuckerhaltigen Wurzel der Keulenlilie brannten. Der eine stürzte von den Klippen, der andere wurde gewalttätig und wurde von Young und Adams umgebracht. Young erlag 1800 einer Krankheit. Zurück blieb John Adams, der ein gottesfürchtiger Mann wurde, den Alkohol verbat und angesehenes Oberhaupt der Inselgemeinschaft wurde.
1814 wurde die Insel von zwei englischen Kriegsschiffen wieder entdeckt. Die beiden Kapitäne waren so von der friedlichen Atmosphäre angetan, dass die es als ‚einen Akt der Grausamkeit‘ angesehen hätten, den letzten, verbliebenen Meuterer nach England mitzunehmen. 1829 verstarb er auf Pitcairn eines natürlichen Todes.
Trotz Cruiser (die kommen ja nicht an Land, hehe) und ca. 50 Segelbooten im Jahr, ist die Insel eine der isoliertesten der Welt. Ohne Flughafen gelangt man nur mit dem Versorgungsschiff, was dreimal im Jahr vorbei kommt, nach Pitcairn.
Wie ein Backenzahn ragt der Felsen aus dem Wasser. Hübsch anzusehen mit seinen schroffen Klippen und dem dichten Bewuchs. Die Klippen sind dreihundert Meter hoch, fallen steil ab zum Meer und sind ebenfalls komplett begrünt. Der einzige Einschnitt, den wir entdecken konnten, ist die Bounty Bay.
Während wir flott vorwärts kommen (Schnitt 5 Knoten – also keine Flaute), lecken wir unsere verpasste Pitcairn-Wunde. In diese Gegend werden wir wohl nie wieder kommen. Zum Trost war es von der Osterinsel zu den Gambiers kein großer Umweg über Pitcairn zu segeln. Die Insel liegt praktisch auf dem Weg. 12 Tage flauer Wind und ausgerechnet am entscheidenden Tag, brist es so kräftig auf. Etwas gemein ist das schon. Ein kleiner Teufel auf unserer Schulter, dem unser Leben und das des Schiffes egal ist, nennt und Feiglinge. Der Engel flüstert: „Ihr habt alles richtig gemacht. Niemand ankert bei zwanzig Knoten auflandigem Wind und zwei Meter Schwell und genießt seinen Landaufenthalt.“
Nebenbei stecken wir schon wieder im Langstrecken-Dreikampf: Schlafen, lesen, essen. Als neue Disziplin ist ein Rätselheft aus dem Jahre 2011 aufgetaucht. Noch in altdeutscher Schrift. :mrgreen: Als Lösungswort wird unter ‚berühmte Schauspielerin‘ Elke Sommer gesucht. Wie alt sind wir eigentlich, dass wir a) diesen Namen überhaupt kennen und b) sogar ein Gesicht dieser Frau vor Augen haben?
Tagesmeilen: 160 (in 30 Stunden), noch 133 to go, direkter Weg.

Tag 13 ==> Pitcairn – Hello and goodbye!

So./Mo., 10./11.Mrz.19, Pazifik, Tag 1743/4, 17.021 sm von HH
Was haben wir nicht alles versucht, die letzten zwölf Tage, um schneller voran zu kommen? Genua ausgebaumt, Großsegel dazu, Großsegel runter, Blister raus. Und jetzt, am letzten Tag, sind wir zu schnell. Wie paradox kann segeln denn noch sein? Windstärke 5 bis 6, in Böen bis 28 Knoten, peitscht uns durch die Nacht. Mit zweifach gerefftem Groß erreichen wir 7,5 bis 8 Knoten Spitzen-Geschwindigkeiten. Verflixt und zugenäht! Wir sind viel zu schnell. Wer je versucht hat ein Segelschiff langsamer zu machen, weiß, wie hoffnungslos dieses Unterfangen ist. Um nicht im Dunkeln gegen die Insel zu fahren, fangen wir an Kreuzschläge zu segeln, um die Strecke zu verlängern. Mit dem Morgengrauen erwartet uns eine hohe See und ein bleischwerer, regenverhangener Himmel. Der Wind hat etwas nachgelassen. Trotzdem, die Bedingungen für die Bounty Bay sind so viel zu rau. Wir müssen Zeit gewinnen -bis Morgen- dann besteht für uns vielleicht noch eine Chance an Land zu kommen. Für Morgen Tag ist „Flaute“ angesagt. Könnte das unsere Gelegenheit sein?
Wir vertrödeln den Vormittag mit weiteren Kreuzschlägen Richtung Pitcairn. Dann starren wir fassungslos auf das AIS. Wir reiben unsere Augen. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Zwei Kreuzfahrtschiffe nähern sich Pitcairn. Eines kommt aus Norden, der andere aus Südamerika. Das Kleinere (150 Meter) wirft seinen Anker in der Bounty Bay, das Große (300 Meter) treibt. Wir gucken säuerlich. Besser kann der eigenen, beschwerlichen Anreise jede Exklusivität nicht genommen werden. Das sticht. Touristen hassen nichts mehr als andere Touristen. Wir sind aber die Guten, trösten wir uns. :mrgreen: Zehntausend Euro auf den Tisch legen, ist keine Leistung, ätzen wir. Der dicke Kreuzer dreht eine dümmliche Runde um die Insel. Bei drei Meilen Abstand und Regenwetter steht sowieso keiner auf dem Balkon und guckt. Noch mehr sinnlose Tonnen Treibstoff verbrannt. Uns bleibt ein kleiner gehässiger Trost, dass die Gäste nicht an Land können. hehe. Pitcairn hat gar nicht die Kapazitäten und Anlagen, um tausend Menschen und mehr an Land zu bringen. Auch auf der Osterinsel wurde häufig nur geankert, zum Ausbooten waren oft die Bedingungen zu ruppig. In dieser Region sind Kreuzer wirklich deplatziert. Jeder soll reisen, wie er mag, aber käme heute jemand mit einer Unterschriften-Sammlung vorbei ’stop-the-Cruisers now‘, wir wären dabei.
Zurück zu uns. Am frühen Nachmittag sind wir bis auf eine halbe Meile an Pitcairn heran gesegelt. Die Bounty Bay können wir vergessen. Auflandiger Wind von 20 Knoten und beachtlicher Schwell stehen in die ‚Bucht‘. Wir versuchen unser Glück eine Meile weiter im Norden. Echten Schutz bietet die ‚Tedside‘ nicht. Der einzige Vorteil, hier bläst der Wind ablandig. Sollte der Anker nicht halten, zerschellen wir wenigstens nicht an der Insel. Der Anker fällt auf zwanzig Meter. Wir können Sandflächen erkennen, aber auch dunklen Grund, der auf Felsen oder Korallen hindeutet. Beim zweiten Versuch sitzen wir fest. Den Anker abzuschnorcheln, macht keinen Sinn. Bei dem bedeckten Himmel wäre er in der Tiefe nicht zu erkennen. Wir müssen darauf hoffen, dass wir Sand getroffen haben.
Misstrauisch beäugen wir den Platz. Rechts von uns, 500 Meter entfernt, rollen monströse Brecher an die Felsen. Die Dünung, die sich an der Südspitze von Pitcairn teilt, vereinigt sich hier im Norden wieder. Direkt unter Atanga. Von rechts kommt ein zwei Meter Schwell unter uns durch. Der von links ist um einen Meter niedriger. Wir schaukeln wie im Würfelbecher. Unser schlimmster Ankerplatz aller Zeiten. Es ist ja nur für eine Nacht, beruhigen wir uns.
Zum Abend lässt der Wind, wie versprochen, nach. Die Schaukelei leider nicht. Wir sind gerade mit dem Abendessen durch, als es fürchterlich rasselt an der Kette. Achim ist sofort am Bug. Der Tampen (16 mm), der unseren Kettenhaken hält, ist förmlich explodiert. Einen echten Grund dafür erkennen wir zunächst nicht. Die Kette hängt senkrecht runter, kein Zug drauf. Die nun nicht mehr entlastete Ankerkette rappelt in der Dünung in ihrer Röhre. Wir schauen uns in die Augen: „Anker auf!“, kommt aus einem Munde, „bevor wir noch unser komplettes Ankergeschirr verlieren“. Wir haben noch eine halbe Stunde Tageslicht, das reicht. Beim Kette hoch ziehen, wird die Ursache für den gerissenen Tampen klar. Die Ankerkette muss sich um Felsen gewickelt und dadurch erheblich verkürzt haben. Wenn Atanga nun eineinhalb Meter mit dem Bug eintaucht, zerren unglaubliche Tonnen an der Kette. Diese Kräfte können richtigen Schaden anrichten. Da ist es auf See sicherer.
Und nun? Segel setzten und auf zum nächsten Ziel? Morgen kommt doch die Flaute, das könnte unsere Chance sein. Nach kurzer Diskussion sind wir uns einig, wir werden die Nacht vor der Insel auf und ab zu segeln. So einfach geben wir nicht auf. Schließlich gilt es ja noch Marlon Brando auf der Insel zu treffen.
Wir fahren auf die Leeseite von Pitcairn und nehmen durch ‚Beidrehen‘ Fahrt aus dem Schiff. Durch ein backstehendes Vorsegel (es steht dann auf der falschen Seite vom Schiff) treiben wir mit 1 bis 3 Knoten auf und ab. Unsere Wachen halten wir wie üblich ein und wechseln alle paar Stunden die Richtung, um uns nicht zu weit von Pitcairn zu entfernen. Eine tolle Methode dieses Beidrehen, sollte man viel häufiger machen. Atanga wackelt nicht, die Segel schlagen nicht und die Freiwache schläft tief und fest.
Wir halten durch bis zum Sonnenaufgang. dabei war uns beiden eigentlich schon mitten in der Nacht klar, dass das sinnlos ist. Der Wind geht zwar runter auf 12 bis 14 Knoten. Aber immer wieder schieben sich dunkle Wolken vor die Sterne, bringen 16,17,18 Knoten Wind mit. Mit Tageslicht haben wir Gewissheit. Die Dünung beträgt mindestens zwei Meter. Pitcairn können wir vergessen. Wir wenden. Gut, dass unsere Freunde, die Kreuzfahrtgäste, nicht wissen, dass wir ebenfalls nicht an Land konnten. ;-)
Unser neuer Kurs liegt an: Noch dreihundert Meilen bis zu den Gambier Inseln. Ein Katzensprung. Tagesmeilen: 24 ‚auf der Stelle‘, noch 287 to go, direkter Weg.

Tag 12 ==> Pitcairn – Kommen wir auf die Insel?

Sa., 09.Mrz.19, Pazifik, Tag 1742, 16.895 sm von HH
Die HMS Swallow war das erste europäische Schiff, was 1767 Pitcairn entdeckte. Im Logbuch der Swallow ist vermerkt: „Der Fels war mit Bäumen bewachsen, und wir sahen ein schmales Rinnsal von Frischwasser, das an der Seite ins Meer ablief. Ich wollte landen, aber die Brandung, die zu dieser Jahreszeit besonders heftig war, ließ das unmöglich erscheinen. […] Als wir uns in der Nähe dieser Insel befanden, war das Wetter extrem stürmisch, mit langen, von Süden heran rollenden Wogen, höher als alles was ich zuvor gesehen hatte.“
Die im Logbuch der Swallow genannte Position von Pitcairn war falsch. Somit war die Insel zwar in den britischen Seekarten verzeichnet, allerdings ca. 80 sm von ihrer tatsächlichen Position entfernt. Fletcher Christian, der Anführer der Meuterer der Bounty, hatte diesen Bericht gelesen und hielt Pitcairn für das ideale Versteck vor der britischen Admiralität. Am 15. Januar 1790 sichtete Fletcher, trotz falscher Positionsangabe, Pitcairn. Erst nach drei Tagen war ihnen ein Anlanden wegen der starken Brandung mit den Beibooten möglich.
Pitcairn, grade mal 2 x2 Kilometer groß, fehlt ein schützender Korallensaum, den viele südpazifische Inseln aufweisen. Die Klippen erheben sich abrupt aus 3000 Meter Wassertiefe, so dass sich eine hohe Brandung aufbauen kann. Eine geschützte Bucht oder Strand sucht man auf Pitcairn vergeblich. In der ‚Bounty Bay‘ (dort wo die Bounty versenkt wurde) befindet sich eine Pier an der mit kleinen Booten angelandet werden kann. Der Begriff ‚Bay‘ trifft es nicht. Die ‚Bounty Bay‘ ist nach Südosten, der vorherrschenden Windrichtung, ungeschützt und offen. Auf der Westseite soll es einen weiteren „Ankerplatz“ geben.
Morgen werden wir voraussichtlich Pitcairn erreichen. Seit gestern Abend haben wir Wind mit 9 bis 12 Knoten. Die Welle aus Süden betragen zur Zeit ca. zwei Meter. Über Nacht wird mehr Wind erwartet. Das kommt zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Noch einen weiteren Tag so viel Wind, bedeutet höhere Welle. Das könnte unseren Landfall verhindern. Wir wären nicht das erste Segelboot, was unverrichteter Dinge an Pitcairn vorbei segeln muss. 13 Tage Quälerei für Nichts? :shock: Bitte alle kräftig die Daumen drücken.
Tagesmeilen: 84 , noch 87 Meilen to go direkter Weg

Tag 11 ==> Pitcairn – Wo ist der Wind?

Fr., 08.Mrz.19, Pazifik, Tag 1741, 16.811 sm von HH
Die Nacht über läuft es noch einigermaßen, aber zum Sonnenausgang kriechen wir noch mit knapp zwei Knoten dahin. Die Batterien sind auf 80% (Anmerkung des käptn), was bei uns eher selten vorkommt). Sämtliche Spielzeuge warten auf Ladung: Laptop, Pad, eReader und Haarschneidemaschine. Wir werfen den Jokel an. „Zwanzig Meilen weiter westlich gibt es Wind“, weiß Achim nach dem Studium der Windkarte zu berichten.  Nach 2,5 Stunden machen wir den Motor wieder aus. Batterien voll, kein Wind. Weiter unter Maschine fahren, wollen wir nicht. Bis Pitcairn würden wir 140 Liter Diesel verbrennen. Außerdem sind wir scharf auf die Verleihung des goldenen Geduldsfaden am Band.
Aber 1,5 Knoten Fahrt sind dann doch frustig. Also nützt es alles nichts, wir kramen den unbeliebten Blister aus dem Vorschiff hervor. Nach dem Fallklemmer vom letzten Törn, als Achim in den Mast klettern musste, hat das Segel noch mehr an Popularität verloren. Und kaum hat man ihn gesetzt, kommt Wind. Uns ist der große Lappen immer ein wenig unheimlich. Laut knisternd fällt er aus unbekannten Gründen ein, um sich mit einem lauten Knall wieder aufzublähen. Die Schoten reißen dann wie wildgewordene Gäule am Schiff. Weiterhin faul mit einem Buch in der Ecke zu hocken ist unmöglich. Diese bunte Blase ist eine Diva und will Aufmerksamkeit. Aber wir machen sofort 4 bis 4,5 Knoten Speed. Zeitweise sind wir schneller als der Wind. Wenn nach einer Böe von 8 Knoten der Wind auf 4 Knoten abfällt, sich Atanga aber noch in Rauschefahrt befindet, überholen wir uns quasi selber. Die alte Blister-Regel es-frischt-sofort- auf, dauert heute genau zwei Stunden. Da kommen von hinten schon die ersten Squalls angerollt. Blister wieder runter und zurück in den Keller. Jetzt zum Sonnenuntergang haben wir 10-12 Knoten Wind. Die gute alte Genua wird es schon richten. Damit sollten wir durch die Nacht kommen.
Bisher hatten wir an acht von elf Segeltagen Wind unter 12 Knoten. Was für eine Schleichfahrt.
Tagesmeilen: 88 , noch 168 Meilen to go direkter Weg

Tag 10 ==> Pitcairn – Scotti, Energie!

Do., 07.Mrz.19, Pazifik, Tag 1740, 16.532 sm von HH
An der Windsituation hat sich nichts geändert: Maximal 10 Knoten Wind direkt von hinten. Die Segel stehen mit ach und krach. Unter acht Knoten fangen sie an zu flattern. Wir kreuzen tapfer vor dem Wind. Schaffen immerhin noch einen Schnitt von 2,5 Knoten. Eine Windsee existiert nicht mehr, nur die Dünung verändert sich laufend. Welche Wetterschraube dafür, hunderte von Kilometern entfernt, auch immer verantwortlich sein mag.
Ansonsten haben wir nicht viel auszustehen. Schlafen, essen, lesen – ich habe schon das sechste Buch vor der Nase. Die Sonne lacht, alle acht Stunden kommt eine kleine Regenwolke vorbei, manchmal auch zwei, und ist nach 30 Minuten wieder verschwunden. Alles tutti auf Atanga. Wenn es nicht rollt, sind wir happy.
Allerdings haben wir zu wenig Strom. Auf See ist das neu für uns. Normalerweise liefern Wind und Sonne mehr als ausreichend Energie. Meistens sind die Batterien am frühen Nachmittag nach dem Verbrauch in der Nacht wieder voll. Aber der Windgenerator schweigt. Und ab Nachmittags werfen die eigenen Segel Schatten auf die Solarpanele. Die Energie, die rein kommt, reicht gerade für die wichtigen Sachen: für die Navigation, den Kühlschrank, Funk und für die (Trink-)Wasserproduktion alle zwei Tage. Extras liegen bei diesem lauen Lüftchen allerdings nicht mehr drin. Meinem iPad wurde der Stecker gezogen. Ladeverbot. Statt den praktischen Brotbackautomaten anzuwerfen, haben wir heute im Ofen Brot gebacken. Damit sich das Anheizen des Ofens lohnt, sind es gleich zwei Brote geworden. Die Kruste ist aus dem Ofen um Klassen besser als aus dem Automaten.
Die Vorhersage behauptet, Morgen kommt der Wind zurück. Wer’s glaubt.
Tagesmeilen: 84 , noch 246 Meilen to go direkter Weg – vielleicht Ankunft am Montag

Tag 9 ==> Pitcairn – Noch mehr Rollerei

Mi., 06.Mrz.19, Pazifik, Tag 1739, 16.532 sm von HH
Für dreißig Stunden ist Ruhe im Schiff. Mit Windstärke vier kreuzen wir vor dem Wind. Die Segel stehen und zeitweise kommen wir mit 5 bis 6 Knoten Speed voran. Die Rollerei ist auf ein erträgliches Maß zurück gegangen, wir schlafen besser und es wird wieder gelacht an Bord.
Seit drei Stunden ist Schluss damit. Der Wind haucht mit 6 bis 8 Knoten in die Segel. Das Groß steht schon lange nicht mehr. Vorbei mit dem Gelächter. Nach zwei Stunden lassen wir es fallen, es ist nicht zum Aushalten. Schlagartig ist die Rollerei wieder da. Nicht so heftig wie vor drei Tagen, aber genug. Die Begeisterung über diesen Törn ist in einen nicht messbaren Bereich gesunken. Zwei verschiedene Dünungen machen uns das Leben schwer. Eine schnelle, flache rollt aus Osten ran und eine langsame hohe Dünung trifft aus Süden ein.
Noch dreihundert Meilen direkter Weg. Die Hochrechnung sprach schon mal von Ankunft am Samstag, der ist gerade auf Sonntag gerückt. Die Vorhersage spricht nicht von so einem schwachen Wind …
Tagesmeilen: 107 , noch 307 Meilen to go direkter Weg
P.S. Eben kommt der Ruft vom Käpt’n: „Ich bereite schon mal das Setzen des Großsegel vor. Kommst du? Wir haben 11 Knoten Wind!“ Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Tag 7+8 ==> Pitcairn – Rollin‘ home

Mo./Di., 04./05.Mrz.19, Pazifik, Tag 1737/8, 16.532 sm von HH
Seit 48 Stunden rollen wir wie Sau. Die Nerven liegen blank. Wir haben alles versucht. Genua ausgebaumt auf Backbord, Genua ohne Baum auf Steuerbord. Wir haben angeluvt und wir sind abgefallen. Um das Großsegel zu setzen, ist der Wind zu schwach und die Wellen zu hoch. Baum und Segel würden in der Dünung schlagen. Seit 48 Stunden ist die Schlechtwetterfront durch. Der Regen und die Squalls sind verschwunden. Blauer Himmel mit Schafswolken. Der Wind hat über Nord zurück auf Ost gedreht. Er zeigt nun genau auf unseren Hintern und wir rollen. Wir rollen wie nie zuvor.
Seit 48 Stunden spielen wir Schiffsschaukel, finden kaum Schlaf. Achim wünscht sich Klett auf dem Bettlacken und einen Schlafanzug mit Gegenklett, um sich festkleben zu können. Es ist eine Qual. Die Stimmung sinkt auf den Gefrierpunkt. Wir sind grantig und schlecht gelaunt. Ungerecht und unfreundlich. Die schlechteste Laune seit Monaten.
Damit ist seit heute Morgen Schluss. Der Wind frischt etwas auf, das Großsegel kommt hoch und wir ändern unsern Kurs soweit, bis es sich gut anfühlt. 30 Grad weichen wir jetzt vom Kurs ab. Aber Atanga liegt angenehm in der Dünung, die jetzt schräg von hinten kommt. Drauf gepfiffen, dass sich unsere Rest-Strecke dadurch verlängert wird (ca. 15 Prozent). Drauf gepfiffen, dass wir vielleicht einen Tag länger brauchen (andererseits sind wir auf diesem Kurs auch schneller). Endlich ist Ruhe im Schiff. Haben wir gestern noch den golden Zündschlüssel am Band für nicht motoren verliehen bekommen, so gibt es jetzt den silbernen Orden für ‚Weichei-sein‘. Drauf gepfiffen.
Tagesmeilen: 96 bzw. 110 , noch 394 Meilen to go. ??? Rollin‘ home, rollin‘ home, rollin‘ home to good old Hamburg… ???