Kategorie: Atanga

Angeschmiert, mit Butter lackiert

09.Jan.24,  Australien/NSW/Balranald, Tag 39-40 Roadtrip,  3.179 km total, 134 Tages-km

Dieser alte Kinderreim beschreibt sehr gut unsere letzten drei Tage in der Riverina. :mrgreen:
Der große Regen verschont uns in Hay, sorgt allerdings örtlich für heftige Überschwemmungen.  Aber der Campingplatz im Mungo Nationalplatz ist zur Buchung wieder freigegeben, wie uns eine Prüfung im Buchungsformular wissen lässt. Allerdings erst in zwei Tagen. Okay, das macht nichts, wir überbrücken halt (nach den ersten drei) die zwei Tage auch noch. Wir buchen zwei Nächte: vom 10. bis 12. Januar. Die Abbuchung erfolgt sofort – 50 Dollar! Dass uns das Camp-Formular anschmiert, wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Da wir in Hay alle Sehenswürdigkeiten abgeklappert haben, beschließen wir einen Ort näher zum Mungo NP aufzurücken und dort die Wartezeit zu verbringen.

Durch die Plains – wenig Veränderung über endlose Kilometer – und dann noch regnerisches Wetter

In Balranald schmiert uns als nächstes der Campingplatz an. An der unkooperativen Dame an der Rezeption beißen wir uns die Zähne aus. Die auf der Homepage ausgewiesenen ‚unpowered sites‘ für 25 Dollar kann (will) sie uns nicht geben. Es hätte zu sehr geregnet letzte Nacht. Dass uns etwas Wasser auf der Wiese nicht stört, da wir ein Dachzelt haben, interessiert sie nicht. Dass die Plätze mit Strom genauso nass sind, ebenfalls nicht.
Ein Stellplatz mit Stromanschluss kostet 40 Dollar. „Wir stöpseln nicht ein“, versichert Achim. „Das mag sein, aber es könnten ja andere Gäste kommen, die Strom wollen, also muss ich den vollen Preis euch haben“. Lächerlich. Ein Blick genügt – der Platz ist leer (und soll sich bis zum Abend auch nur zu einem Viertel füllen).
Balranald hat zwar auch einen Showground, allerdings nur für 24 Stunden Standzeit. Uns gehen die Alternativen aus. Wir schlucken die Kröte und zahlen der doofen Ziege zwei Nächte für je 40 Dollar – und stöpseln ein ;-) .

Der Campingplatz ist ganz nett – aber 15 Dollar für Strom (den wir nicht brauchen) – lächerlich

Das Dorf mit tausend Einwohnern ist schnell abgelaufen. Es gibt auch hier ein altes Gefängnis. Der letzte Mann, der 1967 in Australien gehängt wurde, saß hier ein, weil er ausgerechnet hier mit einem Banküberfall seine Verbrecherkarriere begonnen hat. Mehr Sensationen hat der Ort nicht zu bieten.

Die Foto-Sensation in Balranald – klar braucht ein tausend Seelenort eine Hundewasch-Anlage

Wer viel Platz hat – kann großzügige Straßen bauen – hier kann ein Space Shuttle landen

Allerdings eine Touristen-Information, die Touren eben auch in den Mungo Nationalpark anbietet. Wir schwätzen mit der netten Dame hinter dem Tresen. Und wieder werden wir angeschmiert: „Die Straße in den Park ist gesperrt! Ich glaube nicht, dass die Übermorgen wieder aufmachen. Nein, ganz sicher nicht.“
Wir sind verwirrt. Wie kann die Parkverwaltung Buchungen für einen Zeltplatz frei geben, wenn man gar nicht hin kommen kann? „Der Park entscheidet nicht über die Zufahrten“, lernen wir. „Das macht die Gemeinde. Mit uns als Info-Zentrum spricht der Park aber nicht, wir müssen jeden Morgen im Internet raus suchen, ob der Park geöffnet hat. Wenn ihr in Zukunft plant, dann schaut ihr besser auf die Veröffentlichungen der Gemeinen, die über Straßensperrungen informieren.“

Wir sind jetzt schlauer – die Straßen sperren die Gemeinden

Na, das läuft ja. Unter den Umständen würden wir Morgen abreisen. Balrandal ist nicht so spannend und wer weiß, wie lange es dauert, bis die Straßen wieder frei gegeben werden.  Aber die Ziege an der Camp-Rezeption brauchen wir gar nicht fragen, ob wir für die zweite Nacht unser Geld wieder bekommen. Sie hatte gleich gewarnt als Achim gleich für zwei Nächte bezahlt hat (wahrscheinlaich das erste Mal in der Geschichte des Platzes, dass sowas vorgekommen ist), eine Rückzahlung wird es nicht geben.

Wir recherchieren, wie wir unser Geld vom Nationalpark wieder bekommen können. Im Kleingedruckten steht, dass man auf Rückzahlung nur Anspruch hat, wenn das Camp geschlossen hat. Status im Internet: ‘Alles geschlossen, alle Wanderwege, alle Tracks, nur das Camp ist geöffnet.“

Wir vertagen einen Anruf auf den nächsten Tag. Der bringt endlich wieder Sonnenschein. Zu spät. Wege sind noch feucht und matschig. Die Straße nach Mungo bleibt geschlossen.  Wie lange, kann uns keiner sagen. Wir drehen eine große Runde um das gesamt Dorf. Viel gibt es in der Tat nicht mehr zu entdecken.
Am Nachmittag dann der Anruf bei der Parkverwaltung. Es braucht fünf Anläufe und zwei verschiedene Kontakte im Callcenter. Dann ist es geschafft. Wir werden die Gebühren erstattet bekommen.

Insgesamt haben wir in der Riverina Region sieben Nächte verbracht. :lol: Bestimmt hat es auch das noch nie gegeben. Die Hauptattraktion auf der Strecke ist eindeutig der Mungo Nationalpark. Schade.

Angeschmiert, mit Butter lackiert.
Abgeleckt, hat gut geschmeckt.

P.S. Update heute am 11. Januar: Park geschlossen bis 15. Januar. Also war es richtig, nicht zu warten.


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PitStop in der Provinz

03.-07.Jan.24,  Australien/NSW/Hay, Tag 34-38 Roadtrip, 2.3042 km total, 186+269 Tages-km

Ein Reifen verliert Luft. Und zwar schon seit kurz nach Weihnachten. Wegen der Feiertage konnten wir bisher keine geöffnete Werkstatt finden. Achim hat jeden Tag mit einem kleinen Kompressor (extra gekauft) Luft  nachgepumpt, so konnten wir uns ganz gut behelfen. Aber der Luftverlust wird größer, wir brauchen dringend einen Reifen-Höker. Wir verlassen endgültig die Berge und den dicht besiedelten Osten. Orte, die diese Bezeichnung verdienen, liegen plötzlich fünfzig Kilometer und mehr auseinander. Nach 200 Kilometern erreichen wir Wagga Wagga. Mit 50.000 Einwohnern eine Stadt, die alles haben sollte. Da wir nicht wissen, ob und wie schnell uns geholfen wird, und im Zentrum bleiben wollen, reservieren wir auf dem örtlichen Showground einen Zeltplatz. Fast jedes Dorf in Australien hat einen Showground für seine lokalen Veranstaltungen und ist oft zum Übernachten geeignet.
Nach dem Bezahlen (30 Dollar mit heißer Dusche) bekommt wir einen Code zugeschickt mit wir die Schranke zum Gelände öffnen können. Wir staunen, wo wir gelandet sind. Auf dem Grundstück gibt es eine Hunderennbahn – gut ausgestattet mit Flutlichtlampen. Für den Wochenmarkt steht eine extra Halle zur Verfügung und der jährliche Viehmarkt findet im September statt, wie eine Werbung verspricht. Am äußersten Ende stehen Pferdeställe und dahinter dürfen wir unser Zelt aufschlagen. Die Duschgebäude wirken alt und ramponiert. Man möchte umdrehen. Aber nein, das wäre ein Fehler. Ein Rentner-Paar mit Blumentöpfen vor dem Wohnwagen sorgt für Ordnung. Und Mutti macht das richtig gut. Mit dem C-Schlauch rauscht sie morgens durch die Bude. Die saubersten Toiletten und Duschen unserer Tour. Keine Spinnweben oder Kokons in den Ecken, obwohl die ganze Nacht die Türen offenstehen und das Licht unfassbar viele Insekten herbei lockt.

Der Blick auf die Ställe vom Zelt aus

Hinterm Zelt ein Zaun – dahinter Schienen – angeblich nur sieben Züge am Tag – aber alle fahren nachts :mrgreen:

Showground in Wagga Wagga

 

 

Beim Reifen-Höker läuft es ebenso gut. Nach zehn Minuten Wartezeit ist der Reifen runter. Eine Viertelstunde später repariert. „Ihr habt euch einen Nagel reingefahren. Ich hab’s geflickt und das hält bis zum Lebensende des Reifens“, versichert der Monteur.  Wir staunen und freuen uns – 35 Dollar (22 Euro) statt zwei neue Reifen. Sehr schön.

Da alles so gut klappt, haben wir noch viel Zeit, um uns Wagga Wagga anzusehen. Ein netter Ort mit moderner Innenstadt und hübschen Geschäften und Cafés. Das nagelneue Heimatmuseum ist kostenlos (eine Spendenbox steht bereit) und informiert ganz nett über die Region Riverina.

Wertvolle Ausstellungsstücke im Museum – typisch für Neuseeland und Australien. Aber wir lernen auch, dass die Bee Gees als Teenager in Wagga Wagga ihre ersten Songs komponiert haben. Bitte – Reisen bildet.

Trotzdem alles nett gemacht im Wagga Wagga Museum

Der fruchtbare Boden und drei Flüsse haben aus der weiten Ebene einer der wichtigsten landwirtschaftlichen Gebiete Australien gemacht. Unfassbare Quadratmeter (fast zwei Milliarden) werden bewässert und dienen dem Weinanbau, Reis, Weizen und Zitrusfrüchten. An den trockenen Rändern  grasen Kühe und Schafe. Die Region gilt schon seit zweihundert Jahren als wohlhabend. Als andere Neuankömmlinge in Australien sich weiter im Süden dem Goldrausch hingegeben haben, haben die Farmer der Riverina erkannt, dass so viele neue Siedler viel essen müssen.

Wir fahren knapp dreihundert Kilometer weiter. Die Landschaft ändert sich kaum. Entweder Ackerbau – zweimal sehen wir, dass per Flugzeug Pestizide oder Dünger gespritzt werden. Oder Schafe. Aus leichten Hügeln ist längst ein Teller geworden. Platter als Ostfriesland.

Hunderte Kilometer verändert sich die Landschaft kaum – Orte gibt es nicht mehr – nur noch verstreute Höfe

Wir landen in Hay. Hay liegt in der Mitte-Mitte der Riverina. Ist Drehkreuz für alle, die die über tausend Kilometer durch die Ebene fahren müssen. Dreitausend Einwohner. Provinz. Tiefste Provinz. Ein wenig scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Alles ist adrett. Die Grünflächen vor den Häusern sind gemäht und die Häuser in einem guten Zustand. Das öffentliche Schwimmbad inklusive Spaß-Springbrunnen kostet keinen Eintritt. Es muss der Gemeinde sehr gut gehen.

Hübsche Gärten

und hübsche Häuser in Hay

So etwas gibt es gar nicht im richtigen Leben – ein Rondell mit Stickgarn in allen RAL Farben. So was gibt es nur im 3000 Menschen-Ort Hay im Handarbeitsgeschäft.

Charmant altmodisches Schild vom Motel – so schlimm ist die Situation nicht – es gibt nicht nur Direktwahltelefon – sondern sogar Internet im ganzen Dorf

Hay hat ein Touristen-Information-Zentrum (jawohl!), die kostenlos Fahrräder verleihen und eine Dusche für zwei Dollar anbieten. Zwei gut sortierte Supermärkte, fünf Motels und zwei Museen. Ein Museum liegt im herausgeputzten alten Bahnhof. Das andere im ehemaligen Gefängnis. 1878 hatte man entschieden, dass ein Knast hermuss, da die Schwarzbrennerei von Schnaps überhand genommen hat.

Das ehemalige Gefängnis – war auch schon Hospital und Besserungsanstalt für unerzogene Mädchen bis in die 60er Jahre. „Hölle auf Erden“, lautet ein Zitat in der Ausstellung. Hier Eintritt 5 Dollar – die Ausstellungsstücke sind ähnlich wie in Wagga Wagga ;-)

Hier hängen wir nun. Haben uns extra einen Campingplatz mit einem Aufenthaltsraum für schlechtes Wetter ausgesucht, denn seit Tagen wird vor Niederschlägen bis zu 60 mm gewarnt – im Umkreis von fünfhundert Kilometern übrigens. Ein Entkommen scheint zwecklos. Der Nationalpark in den wir als nächstes wollen, ist gesperrt bis Dienstag. Und tatsächlich, heute regnet es schon ganz ordentlich.
Also warten wir in der Weltstadt Hay auf gutes Wetter. Wir hätten es schlechter treffen können.

Noch scheint die Sonne – der Campingplatz ist ganz nett – knapp zur Hälfte gefüllt – 35 Dollar die Nacht


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Frühstück mit Kängurus ***

02.Jan.24,  Australien/NSW/Burrinjuck, Tag 31-33 Roadtrip, 2.587 km total, 285 Tages-km

Das nächste Camp am Burrinjuck Lake wählen wir nur, weil es auf dem weiteren Weg liegt und dort über Silvester ein Stellplatz zu bekommen war. Der Zeltplatz ist riesig – bestimmt einen Kilometer breit – und trotzdem rappelvoll. Es gibt keine abgesteckten Parzellen, sondern jeder hat freie Wahl auf dem wilden Gelände. Familien haben ganze Zeltstädte errichtet mit Kocheinheit und Wohnbereich. Dazwischen stehen Boote oder Jet-Skis auf Trailern. Wir finden kaum eine halbwegs gerade Ecke auf die wir unseren Bundy quetschen können. Es gibt viel zu wenig sanitäre Einrichtungen und die sind endlos entfernt. Besser man geht schon los, bevor man muss. Das finden alle so, deshalb wird ab Einsetzen der Dämmerung rechts und links in die Büsche gepinkelt. Außerdem ist das Internet total überlastet – kein Empfang.

Über den Spaß-Verfall nach dem letzten traumhaften Camp hilft eine Flasche Silvester-Champagner (vom Aldi! In jedem größeren Ort gibt es mindestens eine Aldi-Filiale mit gutem Angebot und den niedrigsten Preisen Australiens) und ein brauchbares Huhn mediterrane Art hinweg. Wir tütteln uns einen an und gehen einfach um 22:00 Uhr ins Bett. Unsere Nachbarn scheinen es genau so zu machen, denn unser Schlaf wird um Mitternacht durch nichts gestört.

Kochen an Silvester

Essen und gute Getränke trösten die Enttäuschung weg

Die Ruhe hält bis fünf Uhr morgens an. Da hören wir neben dem Zelt einen alten Mann sich räuspern, der ein paar Tausend Zigaretten zu viel in seinem Leben geraucht hat. Dann wieder. Hust, hust, räusper. Wer zum Henker ist das und warum hustet er genau bei uns? Ich zippe das Fenster auf meiner Seite auf. Es beginnt gerade zu dämmern. Die hustenden Übeltäter stehen keine fünf Meter entfernt: Kängurus. Zwei junge Männchen messen ihre Kräfte. Sie boxen und treten aufeinander ein nach übelster Känguru Art. Erst wird mit den Vorderbeinen geboxt, es folgt ein Klammergriff und dann treten sie dem Gegner beide Hinterfüße mit voller Wucht in den Magen. Als Standbein dient jetzt der kräftige Schwanz. Wenn sie treten, ertönt dieser menschliche Hust-Räusperer. Total spannend. Was für ein nettes Geschenk für den ersten Tag des Jahres. Bitte, so darf es weiter gehen. :-

Liebenswerte Kängurus

 

Normale Touristen wie uns gibt es auf diesem Zeltplatz keine. Nur Aussies, die am See ihre Kinder bespaßen. Alles, was es für Geld zu kaufen gibt, schwimmt am Seeufer. Boote knattern über den See.

Silvestervergnügen in Oz

Der Wanderweg am Ufer vom Lake Burrinjuck ist fein

Zur Quelle vom See verjüngt er sich Fjordartig mit vielen Windungen

Wir treffen auf einen ausgewachsenen Waran. Dieser ist ungefähr ein Meter fünfzig. In Ausnahmefällen erreichen sie über zwei Meter.

Die Krallen sind sicher sechs Zentimeter lang

 

Überraschender Weise erfolgt bereits Neujahr eine große Abreise-Welle. Vierzig Prozent der Gäste packt zusammen. Der Familienvater von vier Kindern neben uns fängt um 7:30 Uhr an. Die beiden Jüngsten sind zu klein, um zu helfen und die Teenager-Töchter kämmen ihr Haar oder trödeln anderweitig herum (Internet gibt es ja nicht). Um 13:00 Uhr ist alles verpackt und er fix und fertig. Er freut sich über ein Lob von uns, dass er erstaunlicher Weise alles wieder verstaut bekommen hat.
Am nächsten Tag reist die zweite Hälfte ab. Plötzlich haben wir ein riesiges Areal für uns alleine. Das macht uns für einen vierköpfigen Känguru Mob interessant. Mangels anderer Opfer, fallen sie bei uns ein, gerade als wir uns zum Frühstück hingesetzt haben. Was es bei uns zu essen gibt, interessiert sie mächtig. Es sind drei zierliche Weibchen, behütet von einem kapitalen Männchen. Langsam hüpfen sie näher und näher. Eigentlich wollten wir noch einen Brie aus dem Kühlschrank geholt haben, aber nun mag keiner von uns mehr aufstehen, um keine unnötige Aufmerksamkeit bei dem Männchen (in den Waschräumen wird tatsächlich auf Känguru-Übergriffe hingewiesen) zu erregen. Es geht auch mal ohne Käse.
Die Weibchen kommen zögerlich bis an den Tisch – während es sich der junge Mann lässig hinter Achim gemütlich macht. Wenn er so liegt, sieht er harmlos aus, aber dann steht er wieder auf und zeigt seine muskulösen Oberarme.
Wir haben schon entspannter gefrühstückt :mrgreen: – finden Kängurus aber trotzdem einfach liebenswert. Ob wir sie jemals satt haben, ist anzuzweifeln.

Die Dame mit ihren zarten Ärmchen ist harmlos

Mein Platz – meine Regeln

Wenn er aufsteht, sind seine Arme echt auffällig gegen die der Weibchen. Achim mag sich kaum noch umdrehen :lol:

 

*** Titel eines empfehlenswerten Buchs von Bill Bryson über Australiens Geschichte und Bräuche.


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Abercrombie – ein gewagter Umweg zum Camp

30.Dez.23,  Australien/NSW/Abercrombie, Tag 29-30 Roadtrip, 2.302 km total, Etappen km 149

Wir verlassen unseren Zeltplatz (durch diverse Weihnachtszuschläge kostet er 58 Dollar die Nacht – sehr teuer) die Blue Mountains auf dem gut ausgebauten Great Western Highway. Dieser Highway war der Durchbruch, den die ersten Siedler durch die, von Schluchten und Steilhängen durchzogenen, Blue Mountains gefunden hatten. Viele Expeditionen wurden damals erfolglos abgebrochen. So brauchte man fünfundzwanzig Jahre, um auf die andere Seite zu gelangen. Ausgerissene Kühe hatten längst einen Weg gefunden und labten sich an dem köstlichen Grasland, was sie vorfanden. Durch dieses hügelige Grasland, heute überwiegend von Schafen befressen, führt unser Weg in den Abercrombie River National Park.

Aus Weideland wird Eukalyptus-Wald. Aus Highway wird Schotterpiste. Aus Schotterpiste wird 4WD-Strecke. Echte 4WD-Strecke. Immer häufiger lässt der Fahrer ein „Ui, das ist aber steil“, vernehmen. Zwei Apps haben uns auf diese Strecke gelockt: Maps me und wikicamps.  „Bei Nässe gefährlich“, informiert die Park Service Information. Aber es ist trocken, alles ist in bester Ordnung.

Waldweg der es in sich hat

Unser Bundy (einen Name muss der Große ja haben ***) zeigt, was er kann. Wo wir Schweiß auf der Stirn haben, rattert er ohne mit der Wimper zu zucken hoch. Keine durchdrehenden Reifen, kein Wegslippen – total cool! Eine Stunde werden wir mächtig durchgeschaukelt. Achim ist angespannt, kann den Spaß, den er hat, aber nicht verbergen. Ein Dauergrinsen ist in sein Gesicht getackert. Das schüttet mehr Endorphine aus als zwei Tafeln Schokolade. :mrgreen:
Zweiundzwanzig Kilometer Holperpiste. Wir messen Pfützen auf ihre Tiefe und müssen dicke Äste zur Seite räumen und dann sind wir fast am Camp angekommen als sich uns ein echtes Hindernis in den Weg stellt – ein kleines Flüsschen.

Sicher ist besser

Wie tief die Furt sein mag, können wir nicht schätzen. Ohne dass einer durch watet, wird das nicht. Einen Schnorchel für den Motor haben wir leider nicht. Der einzige Makel unseres feinen Autos. Was wie ein albernes Statussymbol am Geländewagen aussehen mag, ergibt in Australien tatsächlich einen Sinn.
Ich erbarme mich und gehe auf die andere Seite. Grünes Licht für Achim. Das Wasser reicht mir nur bis zum Knie.
Als wir das Camp am Mittag erreichen, schaffen wir grade noch das Zelt und die Markise aufzubauen als es zu regnen beginnt. Wie war das noch? Bei Nässe gefährlich?

Da müssen wir durch – wollen wir nicht über 20 Kilometer zurück fahren

Achim kommt

Kein Problem – er kommt super durch

Der Zeltplatz ist großartig. Direkt an dem eben überquerten Little Hole Creek gelegen. Eingerahmt von einer Steilwand an die sich Eukalypten krallen. Es gibt eine Plump-Toilette und Gary als einzigen Camping-Nachbarn. Der Platz ist kostenlos – man muss nur einmalig sechs Dollar für eine Registrierung bezahlen. Auch so ein Covid-Ding, was nicht wieder abgeschafft werden wird.

Für ein Bergkänguru stellt die Wand kein Problem dar

Wunderschön

Ausblick direkt neben dem Zeltplatz

Ein kleiner Waran mit strammen Schenkeln schleicht durchs Camp

Gary wohnt in der Nähe, ist ein echter Naturbursche, der im Dunkeln mit der Taschenlampe im Busch umherwandelt und super nett. „Hier habt ihr gute Chancen auf Wombats“, verspricht er. Und er lacht über den Weg, den wir gekommen sind. Es gäbe einen zweiten Eingang. Bessere Strecke und nur acht Kilometer lang. ;-)

Wenn es heftig regnet, sitzen wir unter unserem tatsächlich regendichten Sonnenschutz. In Phasen, wo es nur nieselt, streifen wir am Flussufer entlang. Entdecken fette Eingangslöcher der Wombat-Höhlen. Und nichts ist so schlecht als es nicht für etwas gut ist! Das dunkle Wetter treibt die nachtaktiven Wombats schon bei Tageslicht aus ihren Höhlen. Eine Mutter mit ihrem Jungen watscheln am Ufer entlang.

Etwas unscharf – es war schon arg dunkel – aber der Beweis – die sagenhaften Wombats existieren tatsächlich

Was für niedliche Tiere. Würste auf Stummelbeinen, kann man sagen. Sie werden bis 1,20 Meter lang und bringen 40 Kilo auf die Waage. Wie es sich für echte Australier gehört, sind es Beuteltiere. Damit der Beutel nicht voll Erde gerät, ist er nach hinten offen, damit die Mutter in Ruhe ihre bis zu dreißig Meter langen Gänge buddeln kann. Die Wombats sind Einzelgänger, aber in Gegenden mit hoher Wombat-Dichte können die Tunnelsysteme auch schon mal miteinander verbunden sein.

Etwas größeres Wombat Baby – es verlässt den Beutel nach acht Monaten

Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Wir lassen uns nach dem feuchtkalten Abend und einer frischen Nacht die Knochen durchwärmen.
Schnappen unsere Wanderschuhe und gehen den Weg zurück, den wir gestern gekommen sind. Wo das Auto souverän  hoch gefahren ist, haben wir durchdrehende Füße. Wir schnaufen uns die Hügel hoch und runter oder ströpern am Flussufer entlang. Dabei  scheuchen ein paar Kängurus auf. Wahrscheinlich Berg-Kängurus, denn sie hüpfen sogar die Steilwand leichtfüßig hoch. Wie schafft man das mit rechtwinkligen Beinen, die immer wie falsch angewachsen aussehen?

Am nächsten Tag beim Wandern müssen wir noch einmal durch das Flüsschen

Die Steigung ist schwer zu schätzen – wir müssen aber echt kraxeln

teile ausgewaschene Wege mit vielen Bodenwellen – die dienen dazu große Auswaschungen zu verhindern

Nach zwei Nächten verlassen wir das Camp über die wirklich so viel bessere Ausfahrt. Egal. Der Umweg hat sich gelohnt. Ein herrlicher Platz, der glücklich macht.

Wir wünschen Euch ein ebenso glücklich machendes Jahr 2024. Viel Gesundheit, Zufriedenheit und jeden Tag Endorphine, wie es zwei Kilo Schokolade schaffen.  Prost Neujahr!

 

*** Von Bundy nach Bundy mit Bundy – Bundaberg, unser Start- und Zielort wird von den Aussies Bundy genannt.

Blue Mountains

28.Dez.23,  Australien/NSW/Blackheath, Tag 26-28 Roadtrip, 2.120 km total

Von Newcastle ist der logische Weg eigentlich nach Sydney. Noch drei Tage bis zum berühmtesten Feuerwerk der Welt. Noch drei Tage bis Silvester. Man könnte meinen, wir hätten es so geplant. ;-)
Die Internetsuche ist ernüchternd: alles ausgebucht. Schon seit Wochen. Selbst Hotel-Suiten mit Blick aufs Feuerwerk für 1.500 Dollar die Nacht. Will man das Feuerwerk vom Ufer aus sehen, muss man sich bereits mittags anstellen, um einen guten Platz zu bekommen. Nein, danke. So gut kann ein Feuerwerk nicht sein. Wir verzichten.

Von unserem Haus aus telefonieren wir uns unsere nächste Unterkunft zusammen. Ein einziger Campingplatz in den Blue Mountains hat für drei Nächte Platz für uns. Allerdings müssen wir einmal umziehen auf eine andere Parzelle.  Was solls’s – die Blue Mountains möchten wir nicht auch noch ausfallen lassen.  Einer der besuchtesten Nationalparks Australiens.
Berühmt sind seine ‚Three Sisters‘, eine imposante Dreier-Felsformation. Am Aussichtspunkt wissen wir, warum alles ausgebucht ist. Halb Australien hängt an der Balustrade.  Wie vorhergesagt, hat sich der Regen der letzten sechs Tage verzogen. Schön. Gepokert und gewonnen.

Sehr hübsche Schwestern

Three Sisters in den Blue Mountains

Selfie-Manie

Nur ein paar Kilometer weiter, in Blackheath, liegt unser Campingplatz. Einige Wanderwege beginnen nur zwei Kilometer entfernt direkt am ‚Grose Valley‘. Eine riesige Schlucht, eingerahmt von imposanten Bergformationen.
Am nächsten Tag machen wir uns auf die Socken. Hier stehen nicht ganz so viele Besucher an der Balustrade. Das Gute, neunzig Prozent will nur gucken und der Rest verteilt sich auf der Strecke (Cliff Top Walking Track). Gute drei Kilometer führt der Track an der Schlucht entlang. Viele Treppen, bergab, bergauf. Aber immer wieder mit sensationellen Ausblicken auf das Tal.

Ein imposantes Loch – es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Blue Mountains ihren Namen den Ausdünstungen vom Eukalyptus-Wald verdanken sollen. Das kann nicht stimmen, andere Länder haben auch Blue Mountains und  „Von den blauen Bergen kommen wir“ ist wohl nicht in Australien entstanden.

Über den Zufluss zum Wasserfall führt unser Weg entlang – immer an der Kante

Schöne Klippenwanderung

 

Wir haben gerade das Ende erreicht, als dunkle Wolken aufziehen. Zehn Minuten später schüttet es aus Kübeln. Mit ein paar anderen Wanderern finden wir Unterschlupf in einer kleinen Hütte. Wir geben unseren Wetter-Engeln high five: gut gemacht! Nach einer halben Stunde tröpelt es nur noch. Wir müssten den gleichen Weg zurück, da aber vor weiteren Schauern gewarnt wird, entscheiden wir uns durch den Ort zurück zu gehen. Satte fünf Kilometer, aber vielleicht besser als rutschige Wanderwege und über die Ufer steigende Bäche.
Wir haben unseren Zeltplatz fast erreicht – nur 750 Meter sind es noch – da öffnen die Wetter-Engel richtig die Schleusen. Was für Dreckschippen!

Unterstellen witzlos – wir sind tropfnass als wir am Zelt ankommen

Am nächsten Morgen herrscht wieder eitel Sonnenschein. Das richtige Wetter für den Grand Canyon Track. Dieser Weg ist ein Rundweg und fast sieben Kilometer lang. Er ist Himmel und Hölle in einem.

In einem Einschnitt zwischen den senkrechten Felswänden geht es steil bergab. Fast dreihundert Meter müssen wir – überwiegend über Treppen – die Höhenmeter abbauen. Aber es lohnt sich. Wir überqueren Bäche, kommen vorbei an Wasserfällen und überhängenden Felsen. Die Stufen beißen in die Oberschenkel.
Die Schlucht wird eng und enger. Fast kann man beide Seiten berühren. Der Weg ist super in Schuss. Ein großes Kompliment an den National Park Service. Menschen ohne hochalpine Kenntnisse würden diesen verwunschenen Ort gar nicht erreichen können.  Eine der schönsten Schluchten, in der wir je waren.

Toller Weg – leider nur ein Foto – Akku leer. Wenn’s läuft.

Unter anderem geht es hinter Wasserfällen lang

Kleine Agame – wie ein Drache mit deutlichen Stacheln

Ans Tageslicht zurück kommt man über andere Treppen – dreihundert Meter wieder steil bergauf.  Die Stufen beißen in die Waden. Das ist aber nicht der Teil, der den Weg zur Hölle macht. Es sind die anderen Wanderer. Es ist einfach zu voll. Viel zu voll. Würden alle in die gleiche Richtung laufen, ginge es noch. Aber es kommen uns ebenso viele Personen entgegen, wie mit uns laufen. Die Schlucht könnte magisch sein. Ist mal für dreißig Sekunden Ruhe, erhascht man kurz den Zauber. Auf den schmalen Steigen muss man ständig stehen bleiben und Platz machen. An Engstellen kommt es schon zu Staus. Dazu diverse Duftnoten von Deos und Mückensprays. Alle brabbeln und rufen durcheinander. Schnelle Läufer treten einem fast in die Hacken. Wichtig für mich, dass ich keine Kinder um mich habe. Die kleinen Bewegungswunder zeigen schmerzlich, wie viel Leichtfüßigkeit mir in den Jahren verloren gegangen ist. :mrgreen:

Nein, das war nichts. Wir müssen raus aus dem Weihnacht-Neujahr-Touri-Trubel. Morgen geht es weiter nach Abercrombie River National Park. Das scheint eine gute Wahl. Nicht mal unser Zeltnachbar – wohnhaft in Sydney, keine 200 Kilometer entfernt – kennt diesen Park. Ein gutes Zeichen.


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Fröhliche Weihnachten

23.Dez.23,  Australien/NSW/Newcastle, Tag 18-23 Roadtrip, 1.746 km total

Wir wünschen unseren Familien, Freunden und Lesern ein wundervolles Weihnachtsfest mit einem gelungenen Festmahl und gut gelaunten Gästen. Macht es Euch in Euren Wohnzimmern gemütlich und freut Euch an Euren bequemen Möbeln – einer Angelegenheit, der man im Alltag viel zu wenig Bedeutung zukommen lässt. Viel zu selten sagt man danke zu seinem Bett, dem gemütlichen Sofa oder dem Ohrensessel.
Wir sagen jedenfalls danke, dass Ihr auch in diesem Jahr mit uns gereist seid. Wir freuen uns über jeden Klick, Eure Kommentare und Anmerkungen. Und wir freuen uns auf ein weiteres gemeinsames Jahr.

Wir dachten, dass wir im Zelt Weihnachten feiern würden. Zwar ohne Ohrensessel, aber irgendwo romantisch im Wald. Wie beim Segeln, kommt es auch im Auto anders als man denkt. Statt auf der Wiese zu stehen, sind wir zu Hausbesetzern geworden. Eine Geschichte mit Fehlplanung, Wetterpech und einem freundlichen Ende.

Unseren Campingplatz zurück in der Zivilisation verlassen wir bei strömendem Regen. Das Dachzelt ist schnell zusammen geklappt – inklusive Litern von Wasser, die sich auf dem Überzelt befinden. Wie viel davon seinen Weg auf die Matratze findet, ist noch unklar.

Unser nächster Stopp heißt Newcastle. Achims Nichte Marcia plus Mann Josh, ihrem Sohn und Baby wohnen dort. Durch einen nie abgesprochenen Zufall ist gerade unsere Schwägerin Andrea zu Besuch bei ihrer Tochter. So ist das mit der buckeligen Verwandtschaft: jahrelang kommt keiner aus Deutschland vorbei und dann alle auf einmal. Das Haus ist also voll und der Garten hat zu viel Hang, so dass unser Auto mit Zelt dort nicht stehen kann.
Aber die Eltern von Josh sind zauberhaft und bieten uns gleich um die Ecke ein leer stehendes Haus zum Übernachten an. Dies wartet auf eine kleine Reparatur und soll dann wieder vermietet werden. Küche und Strom vorhanden, heißes Wasser und Toilette funktionieren. Wir sagen begeistert zu.
Unsere aufblasbaren Luftmatratzen kommen auf den Boden und Campingstühle und Tisch ins Wohnzimmer.

Vor Heiligabend wollten wir wieder abreisen und weiter in die Blue Mountains hinter Sydney fahren. Ab Weihnachten bis Ende Januar ist die Hauptferienzeit der Australier. Daher hatten wir unseren Platz reserviert. Ein Blick in die Wettervorhersage lässt uns schaudern. Dauerregen über Weihnachten und nachts soll die Temperatur auf sechs Grad fallen. Pfui.

Wir stornieren den Campingplatz mit flinken Fingern. Etwas zu flinken Fingern. :mrgreen: Die Suche nach Alternativen über die Feiertage gerät zur Frustnummer. Alle Campingplätze, die an der Küste liegen und vom Regen – laut Vorhersage – verschont bleiben, sind ausgebucht. Wir suchen nach Cabins in den Bergen: Fehlanzeige! „Fully booked“, lautet die Dauermeldung.
Wir fragen Joanne und Jamie, ob wir wohl drei Tage länger bleiben dürfen. Und auf die angeheiratete Familie ist Verlass. Herzlichen Dank, Ihr seid unsere Retter.

Somit verbringen wir zwar in einem Haus das Weihnachtsfest, aber ohne Bett. Ohne die Romantik eines Wald-Campingplatzes. Kein Sofa. Keine Deko. Keine Kerze.

Achim fällt es zuerst wieder ein. Genauso war unser erstes Weihnachten vor 24 Jahren. ‚Zwischen den Jahren‘ hatten wir den Umzug in unsere erste gemeinsame Wohnung geplant und schon kräftig gepackt und aussortiert. Die Feiertage wollten wir uns bei meinen Schwiegereltern durchfuttern und trotz ungemütlicher Wohnungen bei Kerzenschein unterm Tannenbaum sitzen.
Aber dann sind Achims Eltern krank geworden. Weihnachten wurde kurzfristig abgesagt und wir saßen Heiligabend auf Umzugskisten und haben Dosensuppen in der Mikrowelle heiß gemacht. Kein Sofa. Keine Deko. Keine Kerze.
Denkt man zurück, so ist dieses Fest unvergessen. Und so wird es auch mit diesem sein.

Fröhliche Weihnachten!

Immerhin haben wir unsere Mützen dabei


4

Barrington Tops: Spielplatz für 4×4 Fahrer und Schlangenjäger

17.Dez.23,  Australien/NSW/Barrington Tops, Tag 13-17 Roadtrip, 1.585 km total

Nach dem Dorrigo National Park (1.100 Meter) wechselt die alpenländisch anmutende Berglandschaft über in trockenere Gebiete. Wir fahren dreihundert Kilometer und halten in einem beliebigen Dorf mit dem witzigen Namen ‚Wallabadah‘.

Sogar die Kühe sehen aus wie in den Alpen

weiter südlich sieht Weideland so aus

Die Gemeinde bietet eine gepflegte Wiese zum Übernachten an. Inklusive heißer Duschen, Brauch-Wasser und Toiletten. Als Gegenleistung wird eine Spende von 10 Dollar pro Fahrzeug erwartet. Bitte einfach in die Box werfen. Die sanitären Anlagen sind alt, abgeschlagen und spartanisch. Aber alles funktioniert und darf noch als sauber bezeichnet werden. Auf dem Fußboden befinden sich nicht mehr tote Käfer und Spinnweben an den Decken als für 30 Dollar die Nacht.
Die Wiese ist Tummelplatz für Kakadus, die sich an den Gras-Rispen mit den winzigen Sattkörnern versuchen satt zu fressen. Papageien umfliegen uns wie Drosseln in der Heimat. Eine Dorfrunde hat als Highlight einen historischen Friedhof im Angebot. Genau wie in Neuseeland ist alles „Monumento Historico“, was grade einhundert Jahre alt ist. Wir bleiben zwei Nächte – es ist gemütlich in Wallabadah. ;-)

Gelbhauben-Kakadus grasen auf der Weide

Zusammen mit dem Rosa Kakadu – der sieht besonders hübsch aus – wenn erfliegt – da seine Flügel unterwärts komplett rosa gefärbt sind

Friedhofsgrenze – die letzte Ruhe vor endlosem Busch

Putten auf dem Friedhof von Wallabadah

Beim King Parrot hat das Männchen einen roten und das Weibchen einen grünen Kopf

Nächster Halt 150 Kilometer weiter: Barrington Tops National Park. Im Park lautet die Regel, dass man vor Anreise seinen Platz reservieren muss. Wir buchen drei Nächte auf zwei verschiedenen Plätzen. Kein Internet im Park warnt die Buchungsseite.
Das Camp Polblue liegt auf 1500 Meter direkt neben einem kleinen Sumpfgebiet mit attraktivem Wanderweg. Es gibt eine Schutzhütte, aufgefangenes Regenwasser zum Händewaschen und Plumpsklos. Die sind besser als so manche Toilette mit Wasserspülung. Komplett ohne Geruchsbelästigung und durch eine geschickte Rampenführung bleibt einem der Blick auf unappetitliche Dinge erspart.
Außer uns campieren noch fünf, sechs weitere Parteien auf dem großzügigen Platz. Alles Australier, meistens mit großen Wohnwagen und Hauszelten unterwegs.

Die Anfahrt zum Barrigton Tops NP ist nur Schotterpiste – 25 Kilometer

An Tag eins erwischt uns am Nachmittag fast ein Gewitter. Grade rechtzeitig nach der Sumpf-Umrundung schaffen wir es uns in der Schutzhütte unterzustellen. Nach einer halben Stunde Hagel und Regen ist alles vorbei. Die Wetter-Engel stehen weiterhin an unserer Seite. Sonnenschein jeden Tag. Die Tage sind warm bis heiß, die Nächte kühl. Hier auf 1500 Meter sinkt die Temperatur auf 13 Grad. In letzter Sekunde habe ich entschieden, dass ich meine extra Wolldecke zusätzlich zum Schlafsack auf dem Schiff lasse. Sehr zum Bedauern von Achim. Gerne würde er zwei Decken über sich auftürmen. :mrgreen:

Wir gehen die drei Kilometer lange Sumpfrunde mehrere Male zu unterschiedlichen Tageszeiten. Immer wieder treffen wir auf Brumbies. Das sind australische Wildpferde, ähnlich den Mustangs in Amerika. Es gibt ruhige Gruppen, die uns nur anschauen. Andere Herden wirken nervös und provokant. Geblähte Nüstern. Die Ohren verdreht. Ein Hinweisschild warnt vor aufgebrachten Hengsten. Wir lassen die Tiere passieren ohne behelligt zu werden. Der Bestand der Brumbies wird kontrovers diskutiert. Die Tiere vermehren sich prächtig. Zu prächtig finden viele: „Sie gehören hier nicht her, trampeln alles kaputt, vertreiben heimische Tierarten. Man sollte sie im großen Stil abschießen.“ Eine entsprechende staatliche Aktion ist für die nächsten drei Jahre in New South Wales geplant. Tierschützer versuchen dies zu verhindern.

Wildpferde in Australien – Brumbies

Schüchterner Blick geht anders

Der Sumpf bei Sonne

Bei einem unserer Walks tritt Achim fast auf eine Schlange. Im Karnickel-Dreisprung macht er einen Satz rückwärts. Das arme Tier ist ebenso geschockt und in Affengeschwindigkeit im Unterholz verschwunden. Identifizierung in der kurzen Zeit nicht möglich. Die Schlangendichte scheint tatsächlich immens hoch zu sein. Das hatten wir so nicht erwartet.

Nach zwei Nächten wechseln wir den Campingplatz. Die holprige Piste darf nur mit einem Vierrad angetriebenen Fahrzeug befahren werden. „Ihr werdet alleine sein“, weiß der Ranger, der die Campingplätze abfährt,  Toilettenpapier nachfüllt und kontrolliert, ob auch alle Camper bezahlt haben.

Einfahrt zum Camp Little Murray

Genau wie Wellen auf dem Meer sind Bodenwellen nicht zu erkennen auf dem Foto ;-)

Er hat Recht. Da wir genug Brauchwasser dabei haben und alleine sind, gibt es sogar eine Dusche aus der Abwasch-Schüssel. Nur die Papageien und diebische Elstern schauen zu. Camp Little Murray hat nur ein Plumpsklo. Mehr nicht. Hier ist man auf sich allein gestellt. Eine Idylle mitten im Wald.

Dusche in der universal Allzweck-Schüssel

Wenn es auch keine Dusche gibt, so gibt es lecker Essen. Unser Ofen ist so kräftig, dass er locker einen Lammkeule gar bekommt. Nach längerer Überlegung hatte ich mich entschieden für den Bräter statt Pfanne. Eine gute Entscheidung. :-)

Im Wald wimmelt es ebenfalls von Papageien – nie so erwartet

Und wir gehen auf die Suche. Angefixt durch die bereits beobachteten Schlangen achten wir jetzt systematisch auf weitere Exemplare. Bleiben bei sonnigen Flecken mit Totholz stehen und halten die Augen offen. Und wir haben Glück – direkt neben dem Weg (die wir nicht verlassen) liegt eine Schlange aufgerollt und guckt. Sie lässt sich nicht von uns stören. Keine Zuckungen, kein Muskel bewegt sich. Es ist ein Kupferkopf – erfahren wir einen Tag später als wir das Foto in der Facebook-Schlangen-Bestimmungs-Gruppe zeigen.
Diese Schlangenart pumpt verhältnismäßig große Mengen Gift in ihr Opfer, welches Neurotoxinen enthält und zusätzlich das Gewebe und Blut zersetzt. Für einen Menschen ist es ohne Behandlung tödlich. Es ist gut, dass Schlangen keine Jagd auf Menschen machen. ;-)

Australischer Kupferkopf

Anhand der dreieckigen Platte hinter dem Auge konnte die Schlange identifiziert werden – die Färbungen sind wohl häufig uneinheitlich

Der Kupferkopf lag direkt neben dem Weg

 

Am nächsten Morgen fahren wir bei der Abreise mit dem Auto an der Stelle vorbei. Die Schlange liegt noch immer da. Etwas verändert in ihrer Position. Aber heute ist sie aufmerksam. Als ich aus dem Auto springe, spürt sie die Erschütterung (hehe, ein Zeichen für Diät oder wie ist das zu werten?) und verschwindet im Wald. Und wir verschwinden zurück in die Zivilisation auf einen gemütlichen Campingplatz in der Ebene.

Camp Little Murray

In der Dämmerung ziehen tiefe Wolken durch den Wald – und ein paar Brumbies – sie übernachten nahe beim Zelt. Nachts hören wir sie schnauben und mit den Hufen scharren.

Wenn eine Wolke tief durchzieht – ist der Wald mystisch schön

Wallaby – abends ziehen sie über den Campingplatz


4

Ein überraschender Schlangen-Zugriff

12.Dez.23,  Australien/NSW/Dorrigo, Tag 10-12 Roadtrip, 1.125 km total

Achim wandert vor mir. Achim wandert immer vor mir. Da kann er ja nun in Australien nicht plötzlich hinter mir gehen. Das wäre ja feige, weil wir beide die vordere Position für die Riskantere halten.
Achim ist also ein paar Meter vor mir, als ich es plötzlich neben mir im Laub rascheln höre. Mein Blick erhascht einen schwarzen Blitz, der auf mich zuschießt. Ich schreie laut auf und bin nun selber der Blitz, der hinter Achim Deckung sucht (mutig kann ich, wisst Ihr ja).
„Schlange“, meldet mein Gehirn. Und tatsächlich! Hinter uns windet sich eine Rotbäuchige Schwarzotter auf dem Waldboden. Vorsichtig nähern wir uns. Trauen uns bis auf zwei Meter ran.
Und jäh ist klar, der Angriff galt nicht mir, sondern einer bedauernswerten Echse. Die Schlange hat die Echse gut im Biss. Beide winden sich umeinander. Die eine, um die eigentlich zu große Beute zu halten. Die andere im Todeskampf. Ein Gewimmel aus gelbem Echsenbauch und beigen Schlangenbauch liegt vor uns. Fasziniert bestaunen wir den Kampf.
Wer gewinnt, steht außer Frage. Die Zuckungen der Echse werden langsamer. Aber sie bewegt sich sogar noch, als ihr Kopf bereits im Maul der Schwarzotter verschwunden ist. Aber dann ist Ruhe. Die Schlange braucht nur noch zu schlucken. Die Zeitstempel der Fotos beweisen, keine fünfzehn Minuten vom Biss und bis der letzte Zipfel des Echsenschwanzes verschwunden ist. Unmittelbar nach dem letzten Schlucken verschwindet die Schlange sofort im Unterholz.
Ein schaurig-schönes Schauspiel. Wir sind Team Echse, aber so viel Glück (arme Echse – die sieht das anders) dabei gewesen sein zu dürfen, was sonst nur im Terrarium passiert. Wir strahlen über alle Backen.
Läuft in Down Under!

Zugriff am Kopf der Echse

Schlange und Echse bilden ein Knäul

Beide müssen kämpfen

Keine zärtliche Umarmung

Uns überrascht, wie sehr die Schlange arbeiten muss

Die Hinterbeine sind noch zu sehen – Kopfüber wurde die Echse geschluckt

Ende … :-(((

Ort des Verbrechens ist der Dorrigo National Park. Ein feiner Wanderweg (Wonga Walk) führt durch einen Gondwana-Regenwald. Diese Wälder tragen den Namen des Urkontinents, da fossile Pflanzenfunde beweisen, dass in diesen Wäldern Arten vorkommen, die bereits vor 200 Millionen Jahren existierten. Ein Unesco-Welterbe.
Der Wald ist überraschend still. Kaum ein Vogel ist zu hören. Dafür sind die Zikaden heftig am Sägen. Ob da tatsächlich ein Zusammenhang besteht? Je mehr Zikade, desto weniger Vögel? Und Gondwana erfreut durch die komplette Abwesenheit von Mücken. In Bunya wurden wir noch aufgefressen – hier ist alles gut.

Der Weg hat einen Eingang von zwei Seiten. Uns kommen andere Besucher entgegen, daher machen wir uns nicht allzu große Hoffnungen auf Tier-Sichtungen. Aber nein, falsch. Mitten auf dem Weg liegt ein fetter Skink und sonnt sich. Später dann die Schlange.
Merke! Hinten laufen ist auch gefährlich und viele Menschen verscheuchen nicht unbedingt Reptilien.

Australiens größter Skink – bis 75 cm

Ein Land Mullet

Leider gibt es im Nationalpark keine Campingplätze und zum Wanderweg sind es drei Kilometer. Das ist uns zu weit zu Fuß. Also fressen wir hier das erste Mal die (einzige) bittere Kröte unseres Dachzeltes: man muss es zusammenklappen, wenn man fahren will. Der„Hartschalenkoffer“ ist so knapp bemessen, dass nichts im Zelt bleiben kann. Gut, irgendwas ist immer und inzwischen sind wir auch schon eingespielt.

Camping unter Baumfarn – herrlich – was in Neuseeland nicht gelungen ist, klappt nun hier

Der Campingplatz (30 Dollar/Nacht) ist ganz cool. Klein und überwiegend von Aussie Rentner bewohnt. Die sind super freundlich und die zarte Omi neben uns in ihrem Mikro-Zelt macht uns auf ein Paar Seidenlaubenvögel aufmerksam. Das Männchen hat unter einem Busch seine „Laube“ errichtet. Dies ist kein Nest, sondern nur ein aufwendiger Balzplatz zu dem er interessierte Weibchen lockt. Dieser Balzplatz wird mit blauen Gegenständen geschmückt. In modernen Plastikmüll-Zeiten hat der Vogel es einfach: Flaschendeckel, Wäscheklammern und Strohhalme sind seine Deko. Früher wurden Blüten, Beeren, blaue Muscheln oder Schneckenhäuser verwendet.
In Experimenten hat man Männchen rote Gegenstände vor seine Laube gelegt. Diese wurden umgehend entfernt. Es gibt andere Arten vom Seidenlaubenvogel, die nur weiße Gegenstände dekorieren.
Vögel mit Stil in Down Under.

Die Laube mit dem gesammelten Müll – stilvoll verteilt

Sie hat blaue Augen – ein Zusammenhang zur Farbe der Deko?

Er hat auch blaue Augen – und die schwarzen Federn schimmern bläulich

 


15

Sitten an der Küste

10.Dez.23, Australien/NSW/Byron Bay, Tag 7-9 Roadtrip, 825 km total

Im Osten Australiens tragen Küstenabschnitte Namen wie ‚Sunshine Coast‘ oder ‚Gold Coast‘. Die Bezeichnungen sind berechtigt, wie wir in Byron Bay feststellen können. Hübsch streckt sich eine Felsennase, die gleichzeitig der östlichste Punkt Australiens ist, ins tiefblaue Meer. Ein schneeweißer Leuchtturm passt perfekt in diese Harmonie. Die Felsen sind nur eine schmale Unterbrechung der endlosen Sandstrände rechts und links. Zu unserem Entzücken zieht ein Trupp Delphine vorbei als wir zum Leuchtturm wandern.

Cape Byron Bay – der östlichste Punkt Australiens

Jetzt ist auch klar woher der Begriff Gold Coast stammt

Eine Delphin-Schule zieht nahe an der Küste vorbei

Unten rechts schwimmen die Delphine

Es wird ausgiebig gebadet und gesurft. Die gefährlichen Salzwasserkrokodile findet man weiter nördlich. Auch tödliche oder zumindest schmerzhafte Quallen-Invasionen wie noch in Bundaberg gibt es hier nicht. Das Meer ist friedlich vor Ort. Lediglich ein Verbots-Schild vom Angeln Weißer Haie und Tigerhaie weist auf eine mögliche Anwesenheit an der Küste hin. Dieses Australien …

Am Samstag-Vormittag stoßen wir auf Australisches Freizeit-Vergnügen. Ein Wettkampf im Brandungs-Schwimmen der Altersgruppen 8 bis 14 Jahre. Surfen und Brandungs-Schwimmen gehört zum Schulsport. Alle sind auf den Beinen inklusive Würstchen-Grill.

Auf die Plätze

Brandungswettschwimmen – Altersgruppen von 8 bis 14 Jahre

Wer schwächelt – wird von den Aufpassern aufgesammelt und am Strand abgesetzt

Vorsicht wird groß geschrieben an der Ostküste:

Kajak-Tour mit Helm – hmmmm – kann man machen

Glatt gezogenes Meer – der Helm ???

 

Natürlich lockt so eine attraktive Küste Touristen an. Viele Touristen. Die meisten ausländischen Urlauber besuchen die Ostküste Australiens und die Aussies lieben ebenfalls ihre Strände.
Byron Bay ist entsprechend eingestellt: Die Preise sind hoch und Cafés, Bars und Boutiquen spielen das Spiel „Wie kommt dein Geld in meine Tasche“.
Auch unser Campingplatz spielt mit. 50 Dollar (30 Euro) pro Nacht, aber bitte nur zwei Personen pro Parzelle – sehr unüblich. Die Plätze sind zudem super schmal. Rückwärts einparken lautet Regel Nummer eins des Platzes, damit im Notfall leichter ausgeparkt werden kann. Witzige Vorstellung mit dem aufgebauten Zelt auf dem Dach.
Regel Nummer sechs von acht verbietet das Aufhängen von Wäscheleinen. Unsere skandinavischen Nachbarn kümmert das nicht. Gleich nach der Ankunft wird eine Maschine gewaschen und zwischen Baum und Campervan eine Leine gespannt. Zufrieden ziehen sie in die Stadt zum Abendessen.
Zehn Minuten später fährt eine Campingplatz-Kontrollperson mit einer E-Karre vorbei. Sieht. Stoppt. Steigt aus. Und fragt uns, ob unsere sündigen Nachbarn anwesend wären. Wir verneinen. Die Kontrollperson hinterlässt einen laminierten Zettel: „Das Aufhängen von Wäsche zwischen Bäumen ist verboten. Bitte bringen Sie diesen Zettel in Büro zurück“.
Dreißig Minuten später hält wieder eine E-Karre. Eine ältere Frau springt resolut vom Fahrzeug. In der Hand eine Schere. Man darf ihr also Vorsatz unterstellen. Und ohne zu fackeln, schnipp, schnapp, ist die Wäscheleine durchgeschnitten. :lol:
Rüde Sitten herrschen an der Ostküste, kann man nicht anders sagen. Was sie wohl machen würden, wenn man das Auto falsch rum parkt und nicht anwesend ist?

Grillen auf dem recht vollen Platz ist kein Problem – alle gehen essen außer uns ;-)

Nur 2 Meter fünfzig breite Stellplätze – perfekte Gewinnoptimierung – nur durchs versetzte campen ist es noch erträglich

Die Atmosphäre, sowohl im hübschen Ort als auch auf dem Campingplatz, ist komplett anders als zu den beschaulichen Bergen. Auf dem Campingplatz wird die Nase so hoch getragen, dass es rein regnen könnte. Die zwei Frauen direkt neben uns schaffen es, drei Tage jeden Blickkontakt und ein „Good Morning“ zu vermeiden.
Als Frau ist man komplett overdressed, wenn man zum Einkaufen mehr als ein Bikini-Oberteil trägt. Die Männer laufen oben ohne durch die Straßen (immerhin meistens junge, Sixpack-Männer ;-) ).
Okay, wir sind alt. Ich sehe es ein – wir hauen nach drei Nächten ab und wechseln zurück in die Berge.

Tierisch laut und tierisch heiß

06.Dez.23, Australien/NSW/Wadeville, Tag 5+6 Roadtrip, 732 km total

Wir sind noch ungefähr dreißig Minuten vom Tagesziel entfernt als mir ein Geräusch auffällt. „Hörst du das auch? Kommt das vom Motor?“ Ein komisches Säuseln. „Das kommt von draußen“, befindet Achim und öffnet sein Seitenfenster. Uns schlägt ein tausendfach erzeugtes Surren von Zikaden entgegen in einer wahrlich beeindruckenden Lautstärke.

Da wir heute viel gefahren sind (376) Kilometer, bauen wir nur unser Zelt (das geht schon deutlich flotter von der Hand) auf und genießen die bäuerliche Idylle. Eine Kälbchen-Wiese genau vor der Nase. Über die Weide kommt ab und an ein kleiner Kakadu-Schwarm geflogen. Im Baum hundert Meter entfernt zirpen die Zikaden ihr Feuerwerk ab. Die Vogeldichte ist deutlich geschrumpft. Schuld sollen die Zikaden sein, die in den Vogelohren gellen und sie vertreiben.

Abendstimmung – hinter uns stehen Zelt und Auto

Wir sind nicht ganz allein – noch ein Wohnmobil steht auf diesem schönen Platz

Wir haben inzwischen den State gewechselt und sind knapp an der nördlichen Grenze von New South Wales. Die Fahrt hierher war recht eintönig. Hinter dem Bunya Mountain National Park gab es nur Landwirtschaft zu sehen und das auch nach auf endlosen Ebenen. Erst die letzten hundert Kilometer nahm Viehwirtschaft wieder Überhand. Rinderweisen auf sanften Hügeln durchsetzt von Eukalyptus-Mischwäldern. Hübsch anzusehen.
Gleich hinter dem Campingplatz beginnen verschiedene Nationalparks. Und in einem wird übrigens das berühmt-berüchtigte Dschungel-Camp gedreht. Dafür habe ich vor zwei Wochen einen Aufruf für Deutsch sprechende Komparsen gesehen. Man suchte Leute für Trockenübungen der geplanten Dschungelprüfungen der echten „Stars“.  :lol:

Liebliches New South Wales – saftig grün trotz hoher Temperaturen

Am nächsten Morgen wandern wir direkt vom Campingplatz aus los. Ein Schotterweg führt an vereinzelt liegenden Höfen vorbei und an einem kleinen Bach entlang. Immer wieder müssen wir uns die Ohren zuhalten. Die Zikaden sind echt der Hammer. Bis zu 120 Dezibel sollen sie auf Messgeräte bekommen.  Nur die Männchen machen diesen Radau.

Immer mal wieder eine hübscher Bauernhof am Weg

Ein Farn klebt am Baum

Schöner Wohnen auf dem Land

Mitten in der Pampa spricht uns an einem interessanten Haus ein älteres Ehepaar an. Wir erfahren, dass das Haus das Dorfgemeinschaftshaus für ungefähr dreihundert Anwohner im Umkreis von 20 Kilometern sei. Hochzeiten und Geburtstage würde man hier feiern.Wir können uns nur knapp unterhalten. „Die Zikaden sind laut wie nie“, wird uns berichtet.

Und die beiden zeigen uns Zikaden-Hüllen. Hunderte. Ach, was rede ich, Tausende Hüllen kleben an Bäumen und Zaunpfählen. Die Zikaden-Weibchen legen ihre Eier in die Baumrinde. Die noch flügellosen Nymphen schlüpfen aus den Eiern, fallen auf die Erde und graben sich in den Boden ein. Dort können sie bis zu sieben Jahre verbringen während sie sich vom Wurzelsaft ihres Baumes ernähren. Sobald sie ausgewachsen sind, buddeln sie sich an die Erdoberfläche und kriechen ihren Baumstamm bis vielleicht drei Meter hoch. Dort schlüpfen sie aus ihrer alten Haut und fliegen davon.
Diese alte Haut klebt nun an den Stämmen. Ein wenig wie im Zombie-Film.

Invasion der Hüllen

Geplatzter Rücken – ein kleines Gruselkabinett

Jeder braune Bobbel ist eine drei Zentimeter große Hülle

Unser Weg endet an der Landstraße und wir müssen leider zwei Kilometer über Asphalt zum Campingplatz zurück laufen. Das erste Mal, dass wir mit der Hitze Australiens Bekanntschaft machen. Der Wetterbericht hat 36 Grad vorher gesagt. Gefühlt ist es zehn Grad heißer. Der Asphalt strahlt brüllende Hitze aus. Fast kleben die Wanderschuhe am Belag fest. Unsere mitgeschleppten vier Liter Wasser sind ausgetrunken als wir am Camp ankommen. Toiletten unnötig – das schwitzt man locker einfach aus.
Alles Anstellerei, so warm kann es nun auch wieder nicht gewesen sein! Zikaden sollen bei 36 Grad aufhören zu zirpen, aber wir werden die ganze Zeit von ihrem lautstarken Konzert begleitet.

Schatten ist spärlich auf der Straße


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Australien ist tierisch

04.Dez.23, Australien/Bunya Mt.NP/Dandabah, Tag 3+4 Roadtrip, 383 km total

Als Vorbereitung für unseren Trip sind wir Mitglied in einer Facebook-Schlangen-Bestimmungsgruppe geworden. Mit Fotos bitten die Mitglieder um Identifizierung ihrer Begegnung: Schlangen im Pool, Schlangen auf der Terrasse, im Vorgarten, Schlange auf dem Grill in der Garage. Sechzig, siebzig Meldungen am Tag sind keine Seltenheit. Meistens lautet die Antwort ‚gefährlich giftig – am besten aus sicherer Entfernung betrachten‘. Ich bin dann noch in die entsprechende Spinnen-Gruppe eingetreten und gleich wieder raus. Zu abscheulich.
Camper bekommen die Hinweise, dass man besonders in Toiletten und Duschräumen schauen soll, ob nicht bereits ein beinloser oder achtbeiniger Freund auf einen wartet.

Dritter Abend unserer Tour. Letzter Toilettengang vor dem Schlafen. Ein abstoßender Jonni wartet in der Ecke über dem Klo auf mich. Ich muss ihm zum Pinkeln den Rücken zudrehen. Mich gruselt es. Vielleicht ist er ja nicht mehr so flink auf seinen verbliebenen fünf Beinen. Ich bin jedenfalls schnell fertig. Sehr schnell. :mrgreen:

Kapitaler Oschi – groß wie eine Maus

Wir stehen inzwischen mit unserem Zelt im Bunya Mountains Nationalpark und sind umzingelt von Tieren. Niedliche Wallabies hüpfen über die Wiese. Schauen uns neugierig beim Kochen zu. Diese kleinwüchsigen Kängurus muss man einfach lieben.

Wallaby mit der weißen Zeichnung an der Schnauze

Wer mag neugieriger sein?

Und dann hat es unfassbare viele Vögel. Über 800 Vogelarten soll es in Australien geben. Sie sind alle hier. Als erstes besucht uns ein Australisches Buschhuhn, einem Truthahn nicht unähnlich. So schnell kann ich gar nicht gucken und er haut seinen Schnabel in unsere Kartoffeln. Er lässt sich dann aber leicht verscheuchen. Diese Vogelart baut Bruthügel, die bis zu zwei Meter hoch und vier Meter breit sein können. Das Männchen scharrt aus Laub einen Komposthaufen zusammen. Darin legt das Weibchen bis zu 20 Eier. Das Männchen reguliert die Hitze im gärenden Laubhaufen durch Hinzufügen oder Wegnahme von Laub auf 33 bis 35 Grad.

Australisches Buschhuhn in diebischer Mission

Ein Brut-Komposthaufen

Im Wald herrscht  Rabatz der Vögel. Normales Zwitschern, Trillern und Pfeifen wird begleitet von katzenähnlichem Gejammer. Ständig guckt man sich nach einer verletzten Katze um. Ein Vogel klingt wie eine Laserpistole aus Star Wars. Nie haben wir so viele Vogelstimmen gehört.

Ein King Parrot – Königssittich

Pennantsittich Crimson Rosella

Und dann liegt sie da. Eine Rotbäuchige Schwarzotter. Sie ist medium giftig, aber es sind schon Todesfälle registriert worden. Die Schwarzottern gelten aber nicht als aggressiv und sollen beißfaul sein. Unser Exemplar hat dann auch mehr Angst als wir und verschwindet schnell im Gebüsch. Frösche und Fische sind ihre liebsten Opfer. Dass die giftigen Aga-Kröten nach Australien eingeschleppt wurden, macht dieser Schlangenart arg zu schaffen. Denn die Kröte ist tödlich für die Giftschlange. Paradoxe Welt der Gifttiere.

Rotbäuchige Schwarzotter – eine Giftnatterart

Und dann gibt es im Bunya Nationalpark noch die Queensland-Araukarie. Sogar fast ausschließlich hier. Nicht nur ihr Wuchs ist außergewöhnlich, sondern auch die Größe der weiblichen Zapfen. Bis zu 10 Kilogramm können die schwer werden. Leider werden sie im Dezember angesetzt – sind also noch winzig. Alte Zapfen haben wir nicht gefunden. Wir wollten die Wege nicht verlassen – siehe Kapitel mit der Rotbauch-Schlange. ;-)

Die ungewöhnliche Queensland-Araukarie

Bunya Lookout – der Nationalpark liegt auf 1100 Metern


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Ein schwieriger Anfang

02.Dez.23, Australien/Goomeri, Tag 1+2 Roadtrip (3471), 223 km

Unser Roadtrip rund Australien beginnt unkomfortabel mitten in der Nacht, zeigt dann seine schöne Seite, um mit der Frage zu enden: „Wer hatte bloß diese verfluchte Idee?“

Aber der Reihe nach.

4:30 Uhr – der Wecker klingelt. Atanga kommt bereits um 6:30 Uhr aus dem Wasser und es sind noch etliche Handgriffe zu erledigen. Leichter Nieselregen drückt auf die Laune.
Für die letzten Dinge gilt es im Auto ein Platz zu finden. Es endet im Chaos und mit feuchten Handtüchern zwischen Schlafanzügen. Macht nichts, wir sortieren uns beim ersten Campingplatz neu. So kann man sich irren.

10:00 Uhr – wir sind abfahrbereit. Das Boot steht sicher in einem Gestell, was mit Erdankern im Boden befestigt ist. Zusätzlich werden noch Gurte gespannt. Darauf haben wir allerdings nicht mehr gewartet. Bundaberg liegt leider noch ganz knapp im Zyklon-Gürtel, aber alles macht einen sehr sicheren Eindruck auf uns. Wir haben demontiert, was möglich war, außer dem Bimini. Das ist unser altes und bleibt drauf, um die neue Sprayhood zu schützen.
Wir stehen mit dem Bug zur vorherrschenden Windrichtung. Schimmel- und Insektenbefall soll angeblich kein Thema in Bundaberg sein.
Tschüss Schiff, du bist hier gut aufgehoben.

Tschüss Schiff – für neun Monate

13:30 Uhr – Wir entscheiden nicht bis zum geplanten Ziel zu fahren, sondern suchen uns bereits einen Campingplatz nach 220 gefahrenen Kilometern. Das Goomeri Bush-Camp. Eine zufällige Wahl, längst abseits von der gut besiedelten Küste. Viehwirtschaft und lichte Wälder wechseln sich ab. Alle zig Kilometer fahren wir durch kleine Orte.
Der Campingplatz liegt mitten in einer riesigen Rinderfarm. Wir sind die einzigen Gäste. „Das bleibt auch so“, weiß unsere Gastgeberin. „Den Aussies ist es jetzt auf dem Land zu heiß, sie machen alle Urlaub an der Küste.“ Die Aussies könnten Recht haben, es brütet mit über 30 Grad in der Nachmittagssonne.
Ungeübt dauert der Aufbau von Zelt, Tisch und Markise noch über eine halbe Stunde. Da ist noch Luft nach oben. ;-)

Unser neues Zuhause für acht Monate

Großer Campingplatz – alles für uns alleine – ein paar Gäste wären uns ganz recht gewesen

16:00 Uhr – Das Camp ist toll (und auch noch recht preiswert – 12 Euro inklusive Duschen). Wir laufen über die Farm. Ausdrücklich sind mehrere Wanderwege ausgewiesen. Nach fünfzehn Minuten treffen wir auf unsere neuen Lieblinge: Kängurus! Hinter jeder Biegung sehen wir neue Gruppen. Einige bleiben sitzen, lassen uns bis auf 30 Meter näher kommen, andere Mops hüpfen schon deutlich früher vor uns weg.

Mutti ist ganz relaxt

Ich will raus

Erst wird aufmerksam geschaut

Dann nix wie weg

17:30 Uhr – Grade steht unser Abendessen auf dem Tisch als erste Böen die Schüsseln vom Tisch fegen. Unbemerkt ist es drohend dunkel aufgezogen. Erster Donner grollt. Wir schaffen es grade eben unsere Sachen trocken in die Gemeinschaftsküche zu bringen. Dann beginnt es zu schütten.

20:00 Uhr – Das Gewitter hat sich verzogen. Wir haben die Zeit easy abgesessen, denn zum Glück hat es ein vier Liter Wein-Karton mit in die Küche geschafft.

Ein wenig Gewitter kann einen Seemann nicht erschüttern

20:30 Uhr – Wir beschließen ins Bett zu gehen. Inzwischen ist es stockdunkel. Ein Hinweis-Schild am Kühlschrank haut uns Sorgenfalten auf die Stirn. Wir haben keinen Stock. Und meine Flip Flops sind sicher keine „korrekten“ Schuhe. Nicht mal eine Taschenlampe ist am Mann. Alles richtig gemacht in einem Camp im Busch. In Australien.  :mrgreen: Heijeijei. Das müssen wir noch üben.

Schlagen unterwegs – bitte anständige Schuhe anziehen und hab einen Stock dabei

20:45 Uhr – Wir stapfen durch die Pfützen. Hart aufzutreten soll Schlangen vertreiben. Hart auftreten sorgt in jedem Fall mal für nass-schlammige Beine. Und wir verbreiten noch mehr Chaos im Auto. Wo ist die Taschenlampe? Wo ist mein Handy, meine Zahnbürste?

1:00 Uhr – Blitze zucken und Donner grollt. Wir sitzen senkrecht im Bett. Eine zweite Gewitterzelle fegt direkt über uns rüber. Es gallert schon wieder wie aus Kübeln. Alles wackelt. Faradayscher Käfig – gilt das auch auf dem Autodach? Wir gucken uns an: „Es war deine Idee!“

2:00 Uhr – Das Gewitter ist vorbei. Als es auch aufhört zu regnen, rappeln wir uns hoch, um zur Toilette zu gehen. Wenn man mal merkt, dass man muss, bekommt man es nicht wieder aus dem Kopf. Ich geh wieder in Flip Flops – ist ja jetzt auch schon egal. Und im Autochaos ist auch nichts anderes zu finden.

5:00 Uhr – Ich wache auf vom Donner. Das gibt es doch gar nicht! Diesmal ist es nicht ganz so heftig und mittlerweile dämmert es bereits. Achim sieht drei Kängurus am Zelt vorbei hüpfen. Das ist herrlich. Der Rest ist Müll. „Land Cruiser plus Dachzelt zu verkaufen“, formuliere ich im Geiste eine Verkaufsanzeige.

8:00 Uhr – Der letzte Regenschauer hat sich verzogen. Die Sonne brennt. Der Regen wird förmlich aus dem Boden gekocht. Wahrlich eine super Luft. Wir ziehen ‚proper‘ Wanderschuhe an und machen uns auf den Weg über die Farm.

Auf der Farm unterwegs – üppig grün ist es (noch) nicht

8:30 Uhr – Ein Koala sitzt im Eukalyptus und döst. Camping ist doch schön. Australien auch. Wir sind versöhnt und ich ziehe die Verkaufsanzeige wieder zurück.

Unser erster Koala

Bis zu 20 Stunden täglich wird geschlafen

10:30 Uhr – Wir sind von unserer Wanderung zurück: Kängurus und Wallabies bekommen wir zu sehen. Wallabies sind auch Kängurus. Aber selbst wir können sie von weitem unterscheiden. Ein Wallaby hüpft ganz anders und der Schwanz ist viel zierlicher.

Ein Wallaby

11:00 Uhr – Wir beschließen noch eine Nacht in Goomeri zu bleiben. Schön ist es hier.


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