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Eine Cockpit-Reparatur mit Folgen

Mi., 25.Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3161, 24.696 sm von HH

Die Basis unseres Cockpits ist GFK und lückenlos mit dem Rumpf verbunden. Ursprünglich war das Cockpit mal eine Art Deckshaus mit festem Dach, welches vom Vorbesitzer in seine heutige Form umgebaut wurde. Hierfür wurde auf die Basis des Cockpits (den GFK-Teil) ein Holzbrett geschraubt, worauf die feststehende Fensterkonstruktion installiert wurde.

Ursprüngliches Cockpit auf Atanga – als das Schiff noch Folkwang hieß

Das damals verwendete Holzbrett ist kein Brettchen, sondern eine ernst zu nehmende Bohle von bestimmt vier Zentimeter Stärke. Innen und außen laminiert. Im Prinzip gut gebaut, stabil und formschön. Nur leider hat im Laufe der letzten zwanzig Jahre Wasser seinen Weg zum Holz gefunden und dort sein Unheil angerichtet. Zwischen den beiden Laminat-Schichten ist aus dem Holz Torf geworden. Undichtigkeiten im Inneren des Cockpits zeigen uns schon länger, da stimmt etwas nicht. Eine provisorische Reparatur in Ecuador (vier Jahre alt) zeigt Schwächen.

Achim geht dem Übel mit dem Bohrer auf den Grund. Dort, wo das Holz morsch ist, wird es ausgebohrt. Zunächst glauben wir nur an kleine faule Stellen an der Fensterkante im oberen Bereich. Aber an den Ecken kommt die Wahrheit zu Tage. Großflächig wird Atanga nur noch vom Lack zusammen gehalten. Also bohrt Achim weiter. Bis zum Laminat an der Innenseite. Dies soll möglichst stehen bleiben, damit wenigstens ein Form gebendes Element für den Wiederaufbau erhalten bleibt. Das gelingt weitestgehend. :mrgreen: Somit hat Achim es „total einfach“ von außen die Lücken wieder zu füllen.

Das morsche Holz bohrt Achim oben an der Fensterkante weg

Die Lücken werden mit Glasfasermatte und Epoxy verfüllt

Dann die üble Überraschung – die Form gebenden Kanten sind komplett verrottet

Diese großen Löcher bekommen zusätzlich eine Holz-Füllung – eingebettet in Matte und Harz

Das Loch schließt sich in mehreren Arbeitsschritten

Schritt für Schritt

Mir erscheint, das Brett in die alte Form zurück zu schleifen als der schwierigste Teil. Aber Achim hat Talent. Tatsächlich nennt er sich nach kurzer Zeit schon ‚Michelangelo‘. :mrgreen: Mit Recht!
Spachteln, schleifen, spachteln, schleifen und es sieht wieder super aus. Ein leichtes für mich mit etwas Lack das Werk abzuschließen.

Der letzte Schritt ist Epoxy-Spachtel und Schleifarbeit – der umgedrehte Michelangelo war am Werk

Letzter Arbeitsschritt – Lackieren – unten gut zu erkennen der schlechte Zustand der farbigen Streifen

Kaum zu glauben – die Oberfläche ist  wieder 1a – jetzt frisch lackiert

Unterhalb des Brettes befinden sich zwei Streifen. Rot und grau. Die Farbe ist auch schon nicht mehr das Original – wahrscheinlich beim Umbau des Cockpits neu gespritzt worden. Diese Streifen sind in den letzten Jahren nicht schöner geworden. Stellenweise kommt weißes GFK hervor und das Rot ist total ausgeblichen. Die Streifen sollen neu!
Am Rumpf haben die Streifen die gleichen Farben – ebenfalls unschön anzusehen. Wir überlegen, dass wir uns mal was gönnen könnten und lassen uns von der Werft einen Kostenvoranschlag zum Streichen der Rumpfstreifen geben. :lol: Wir lachen noch immer: 6.000 Euro sollen wir dafür bezahlen.

Beflügelt vom großartig gewordenen weißen Brett im Cockpit entscheiden wir, das können wir selber. Was für eine sau-dämliche Entscheidung!

Fortsetzung folgt … stay tuned.


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Meine kleine Raumkapsel

Bevor wir uns thematisch wieder näher ans Meer begeben, müssen wir noch über etwas reden, das mich nun schon eine ganze Weile beschäftigt und mittlerweile längst zu meinem Alltag gehört.

Als ich noch ein Kind war, in den frühen 90ern, fuhren in meiner Stadt, neben den vielen Autos mit Verbrennungsmotor, ein paar wenige kleine Elektroautos umher. Ich wusste damals nicht, was das für Autos waren, aber sie gefielen mir enorm gut. Immer wenn ich eins davon lautlos vorbeihuschen sah, war ich begeistert.
In der Pubertät hat sich die Begeisterung für die kleinen Raumkapseln dann wieder gelegt und mein Mofa musste möglichst laut knattern und nach Benzin riechen. Nach dem Mofa kamen ein paar Zwischenstationen im Motorsport, für die Straße eine ZX-9R und unzählige Runden auf der Nürburgring Nordschleife. Gedanken an Nachhaltigkeit habe ich mit Anfang 20 praktisch keine mehr verschwendet. Die Raumkapseln, von denen ich nicht einmal wusste wie sie heißen, verschwanden langsam aus dem Straßenbild und gerieten bei mir in völlige Vergessenheit.
Als Sabrina in mein Leben kam, wurde ich langsam ein wenig vernünftiger. Die ZX-9R habe ich ihr zuliebe abgegeben und bereue das keine Millisekunde!

Jahre vergingen, es wurde gesegelt und gepilgert. Unsere Autos wurden immer kleiner, meistens sind wir aus Überzeugung Twingo gefahren.
Und dann kam irgendwann die Idee, selber ein Elektroauto auf Basis eines kleinen Verbrenners zu entwickeln. Die Geschichte mit dem Trabant begann und hat dazu geführt, dass ich mich an die kleinen dreirädrigen Autos aus meiner Kindheit erinnert habe.
Vor etwa einem Jahr habe ich dann gezielt danach gesucht und schließlich den Fahrzeugtyp gefunden. Es gab allerdings kaum noch welche, die zum Verkauf standen und wenn, dann waren sie meistens völlig verbastelt oder nicht fahrtauglich.
Im Sommer habe ich schließlich ein unverbasteltes, aber defektes „Mini EL“ in Niedersachsen für kleines Geld gefunden und mit dem Subaru, auf dem Anhänger, abgeholt.
In wenigen Wochen hatte ich es restauriert und nun steht die kleine Raumkapsel im Originalzustand hier und wird fast jeden Tag von mir bewegt.

Mein EL ist als vollwertiger Pkw zugelassen, hat ein großes Nummernschild und fährt ca. 50km/h. In der Stadt schwimmt man damit wunderbar im Verkehr mit. Parkplatzprobleme kenne ich mit ihm nicht und der Verbrauch ist ein Traum. Etwa 3,5kWh brauche ich für 100km. Das entspricht dem Heizwert von ungefähr 0,4l Benzin. Was will man mehr, bzw. weniger.
Im Moment fährt das EL noch mit Blei-Akkus, wie in den 90ern, aber ein Satz LiFePO4 Akkus steht bereits hier. Damit wird die Reichweite mit einer Akkuladung von aktuell ca. 40km auf knapp 200km steigen.

In der Stadt kommt man also genauso schnell vorwärts wie mit einem großen Auto. Auf der Landstraße bin ich natürlich deutlich langsamer. Das war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Man wird halt ständig überholt. Die meisten Leute nehmen dabei aber Rücksicht auf das kleine zerbrechliche Ding.
Auf meiner 30km langen Strecke von unserer Haustür bis zu Morgenstern, bin ich im Schnitt nur etwa 3 Minuten länger unterwegs, als wenn ich mit dem Subaru fahren würde. Manchmal sind es 5 Minuten, manchmal bin ich aber auch keine einzige Minute später am Ziel, wenn irgendwo auf der Landstraße ein Lkw mit 60km/h eine Schlange hinter sich her zieht oder die Ampelphasen passen.



Ich fahre die kleine Raumkapsel jedenfalls ziemlich gerne und träume hin und wieder von einer Gesellschaft, in der irgendwann ein Umdenken in Richtung zweckmäßiger Mobilität einsetzt. In der man große, schwere kW Boliden nur dann nutzt, wenn man sie wirklich braucht. Zum Beispiel, wenn viel transportiert werden muss, auf Langstrecke, oder zum Beispiel auf der Nordschleife.
Die Umstrukturierung des Sonnensegler-Fuhrparks ist mit dem „Mini EL“ (auch „City EL“ oder „Ellert“ genannt) abgeschlossen.
Der Subaru wird nur noch für die echte Langstrecke genutzt, dafür haben wir ihn gekauft. Er ist unser Microcamper und entsprechend optimiert. Der Trabant wird in Zukunft den Twingo ersetzen und das EL wird immer dann eingesetzt, wenn Sabrina oder ich allein irgendwo hin müssen. Ziel ist es, die beiden Oldtimer und den Youngtimer sehr lange zu fahren und zu erhalten.

Der Subaru steht übrigens reisefertig vor der Tür, morgen geht’s los! Ein neues Abenteuer liegt vor uns…

Auf zur Ladesäule

Film: Fomapan 100
Kamera: Weltaflex
Fahrzeug: Trabant 601

Einfach mal ne Runde mit der Elektropappe um den Block cruisen: Unbezahlbar

Ja, der Trabant hat nach über 2 Jahren Entwicklungs- und Restaurationszeit den „Segen“ des TÜV und die „Heiligsprechung“ des Straßenverkehrsamts bekommen.
Für mich geht damit eines der aufwändigsten Projekte überhaupt zu Ende. So richtig real fühlt es sich noch nicht an, mit einem praktisch neuen Trabant 601 E durch die Gegend zu fahren.
Im Moment habe ich noch etwas Angst, es könnte ihm etwas passieren. Zum Beispiel, dass er schmutzig wird.

Das Foto ist übrigens mit einer alten Weltaflex, einer zweiäugigen Spiegelreflexkamera, entstanden. Diese Kamera hatte ich erst vor kurzem restauriert. Das hatte zunächst nichts mit dem Trabant zu tun, es war reiner Zufall, dass die alte Kamera aus der DDR zeitgleich mit dem Trabant fertig geworden ist.
Und so ergab sich die witzige Möglichkeit, das erste Foto des zugelassenen Trabis auf Rollfilm aufzunehmen.
Entwickelt habe ich den Film in Adonal. Für mich ist das immer ein absoluter Genuss! Mit das Beste am gesamten Prozess der analogen Fotografie.

Jetzt ist er also fertig, der gute alte Trabant und ich freue mich schon sehr auf die Zeit, wenn ich ihn im Alltag auf der Straße bewegen werde.
Würde ich so einen Umbau noch einmal machen? Wahrscheinlich nicht!
Ich bin zwar froh, dass ich dieses Projekt begonnen und auch zu einem guten Ende gebracht habe, aber es hat mich graue Haare gekostet. Gar nicht so sehr die Entwicklung der Technik, obwohl die auch eine enorme Herausforderung für mich war. Es war vielmehr der Umgang mit Paragraphen und Verordnungen, sowie den Menschen die entsprechendes umsetzen, durchsetzten und von denen man abhängig ist.
Da so ein Umbau, wenn er wie in meinem Fall eine Neuentwicklung ist, über Jahre geht, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Gesetze schneller ändern, als ich darauf während der Bauphase als Einzelperson mit entsprechender Langsamkeit reagieren kann.
Das Prüfverfahren beim TÜV war da noch das Angenehmste. Die Zeit in der Prüfstelle war mit die beste während des gesamten Projekts. Die Leute vom TÜV Süd kann ich wirklich nur loben! Die Ingenieure dort haben es selbst nicht gerade leicht, die sich ständig verändernde Gesetzgebung zu überblicken und umzusetzen.

Aber das Thema ist nun durch. Er hat seine Gutachten, Plaketten und Stempel und morgen klebe ich noch die grüne Feinstaubplakette in die Windschutzscheibe des 86er Trabis.
Auf mich wirkt er dann fast so, als wolle er die Leute verarschen, wenn er mit seinem freundlichen Gesicht neben den kW-Boliden am Typ 2 Kabel hängt und ein klein wenig Strom speichert.

Schiet-Wetter

18. Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3154, 24.696 sm von HH

Der Tropensturm ‚Hale‘ ist weg. Den schlimmsten Wind hat die Halbinsel Coromandel abbekommen – ungefähr 200 Kilometer entfernt. Als ein nur alle zwanzig Jahre vorkommendes Ereignis wurde dieser Restzyklon bezeichnet. Entsprechend hat der Sturm Erdrutsche, überflutete Straßen und umgeknickte Bäume hinterlassen. Auf dem Yard ist zum Glück nichts Nennenswertes passiert.

Die Sturmflut hat die Rampe im Yard fast zum Überlaufen gebracht – obwohl wir etliche Kilometer flussaufwärts liegen

Die Superlative im Wetter überschlagen sich. Der letzte Winter war der regenreichste Winter seit Wetteraufzeichnung in Neuseeland. So ein feuchtes Frühjahr wie es hinter uns liegt, hat es vierzig Jahre nicht gegeben und dieser Sommer ist der schlechteste seit „Menschengedenken“.  Ebenfalls zu viel Regen und viel zu kalt. Unser Trost, der Sommer im letzten Jahr hat den Titel ‚Jahrhundertsommer‘. Und zu Recht, letztes Jahr um diese Zeit war es einfach nur traumhaft.

 

Whangarei Falls – diesen Sommer

Whangarei Falls – letzten Sommer

Es herrscht das dritte ‚La Niña‘ in Folge. Das bedeutet, dass das Meer Im Südwest-Pazifik deutlich kälter ist als in normalen Jahren. Das ist eigentlich gut für unseren Standort. Bilden sich dann doch erheblich weniger Wirbelstürme in dieser Region. Nun, letzte Woche gab es die Ausnahme von dieser Regel.  Und vor zwei Tagen hieß es noch, dass erneut ein Zyklon in unsere Richtung unterwegs sei. Das scheint sich aber zerschlagen zu haben. Puh! Braucht kein Mensch.

Wegen des schlechten Wetters hat die Arbeit am Cockpit zwei Wochen geruht. Das ist ätzend. In dem Tempo werden wir dann ja nie fertig. Aber seit drei Tagen ärgert uns nur noch ein gelegentlicher Schauer. Die Aussichten für die nächsten Tage stehen auf „Arbeit“ – Sonne von morgens bis abends ist vorhergesagt.


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SV Olleanna – Jeremy Bagshaw ZA

20.000 SM OF SAILING – CAPE TOWN – LES SABLES – HOBART

Jeremy Bagshaw

SV Plan B – Oliver Lieske GER

TRANSATLANTIK MIT DHELER DUETTA IN EINER STUNDE

SV Tiama – Dustin Reynolds US

SINGLEHAND UM DIE WELT – MIT EINEM ARM UND EINEM BEIN
Eine tragische gleichwohl inspirierende Geschichte. Am 18.October 2008 hat Dustin in Hawaii bei einem Verkehrsunfall verursacht durch einen betrunkenen Fahrer einen Arm sowie ein Bein verloren. Er hat sich nicht unterkriegen lassen, hat in den folgenden Jahren mit dem Segeln angefangen und spektakuläre Reisen mit wechselnden Schiffen ( Alberg 35 und später Bristol 35 ) low budget und mit Sponsoren Unterstützung unternommen.

Dustin Reynolds US

SV Pingo – Mike Smith Au

WIE DIE GESCHICHTE WEITERGEGANGEN IST

Mike Smith Au

Detlef Jens – Nur Segeln

BUCHREZENSION
Fast kann man ahnen, worum es hier geht! Wollen wir trotzdem raten? Schon daneben! Denn dies Buch handelt nur sekundär vom Segeln, zeigt hingegen an erster Stelle einen Mann, der schon früh im Leben einen Plan entwickelt hat.

Detlef kann fantastisch schreiben, und dass er segeln kann, glaubt man ohne notariellen Beweis, wenn man gesehen hat, welche Perlenkette von Schiffen er bewohnt, gesegelt und gefahren hat, denn, nicht wahr, ein Schiff von 100 Tonnen Gewicht zu segeln, erfordert mehr Respekt vor dem Skipper, als ein flotter Kreuzer der schnell um die Ecken gefahren werden kann, neudeutsch: Wende, natürlich!

Detlef lebt den Beweis, wie man Beruf und Lebensspass elegant verbinden, verknoten und sogar davon leben kann, zumindest ein bisschen. Ein Lebenskonzept ganz oben im luftigen Traumregal von Männern, die Segeln ansonsten eben nur in kleinen Häppchen an zehn Wochenenden, im Stakkato, oder als Preludium Charterfritze, in toto also mit stets begrenztem Zeitpensum, durch Beruf und Familie eingebremst, immer und immer nur viel zu wenig aufs Wasser kommen. Eine Leben, das ein Vakuum erzeugt.

So ein Leben lebt von kleinen Häppchen. Und in dieser Lebenslücke hat Detlef sich eingenistet. Er hat in kleinen Hordeoeuvre, regelmässiger Kolumnen, diese feuchten Männerträume bedient, kollateral ein wenig für den eigenen Lebensunterhalt abgezweigt, und sich als Lebenskünstler unauslöschlich in Seglerköpfe und Herzen hineingeschrieben. Eine Marke, die jeder kennt.

Was lag näher, als diese Kolumnen, die in vielen Jahren zusammengekommen sind, nun einmal aneinanderzureihen und daraus ein Buch zu machen? Ein logischer Weg, das versteht jeder Segler. Warum ist Detlef erst jetzt darauf gekommen? Eine Frage, der die Antwort innewohnt: für einen Segler mit Boot, der schreibt, der eine grosse Familie zu versorgen hat, ist die Zeit stets zu knapp, weshalb man Ideen und Lebenspläne der Reihe nach abzuarbeiten hat. Und genau das ist nun passiert: das Buch liegt da und wartet auf Segler, deren Seele Futter braucht, die vielleicht dabei eigene Erlebnisse rekapitulieren, schmunzeln, Gänsehaut oder einfach nur die Seele baumeln lassen wollen.

Lesespass besonderer Klasse. Muss, soll, darf man so ein Buch Seglern vorenthalten?

Ich meine nicht!
10.1.2023
Peter Foerthmann
Erschienen im KJM Verlag

SV Suntory Mermaid III – Kenichi Horie JP

WINNER OF BLUE WATER MEDAL – CRUISING CLUB OF AMERICA

© Latitude 38

Kenichi Horie, Japan’s best known ocean sailor, has been named winner of the 2022 Blue Water Medal by the Cruising Club of America (CCA) for a lifetime of ocean-crossing achievement. His most recent voyage began in March, 2022, when he sailed alone from San Francisco to Chiba, Japan, at age 83

Dummheit, Zufall oder Pechsträhne?

10.Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3146, 24.696 sm von HH

„Verflixt, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu“. Erst ist es nur ein Gefühl, eine Ahnung, dass irgendwas nicht stimmt. Jetzt ist es Gewissheit. Ich finde, derjenige, der unsere Voodoo-Puppen bearbeitet, hat genug Spaß gehabt.

Mit dem abgebrochenem Urlaub im November fing es an. Den verbuchten wir noch unter ‚dumm gelaufen‘. Dann kamen wir Mitte Dezember aus Auckland zurück (viel Pech beim Wetter gehabt – Atanga berichtete) und es sollte den Abend ein schnelles Nudelgericht geben. Beim Griff in den Schrank erwische ich was eklig Wabbeliges. Eine Packung aufgeweichte Spaghetti. Ihhhh, wie kann das denn sein?  Wo kommt denn die ganze Feuchtigkeit her? Im Schrank darüber lagern ein paar Bücher und Erinnerungsfotos. Aus den Klarsichthüllen lief das blanke Wasser. Fotos bis zur Unkenntlichkeit zusammen geklebt. Erinnerungsstücke, die ich vor anderthalb Jahren aus dem Nachlass von meinem Vater mitgebracht hatte. Unwiederbringlich kaputt. So ein Pech? Nein, da waren wir noch nicht so weit. Schuld war Pfusch am Bau – beziehungsweise Boot. Eigene Schuld. Eine Pütting (Durchbruch im Deck an dem die ganzen Drahtseile für den Mast befestigt sind) hatten wir nicht vernünftig abgedichtet. Seit August hat sich Regen seinen Weg in den Schrank und in die Fotos gesucht.

Der mühsame Versuch noch etwas zu retten – die Yacht-Zeitschriften mit meinen Artikeln haben es geschafft :-)

Endlich hatten wir Fotos von unserer Hochzeit an Bord – ich hatte mich so gefreut – wie gewonnen, so zerronnen

Ein paar Tage später taucht plötzlich eine dicke Schramme im Bodenbrett in der Pantry auf. Vierzig Zentimeter quer durch den frischen Lack gezogen. Warum quer? Wie kann das sein? Sherlock Sabine und Watson Achim ermitteln. Am Vormittag hat Achim auf dem Boden gehockt und im Motorraum eine Undichtigkeit (Zufall? Voodoo? Pech?) in der Wasserleitung gesucht und gefunden. Dabei muss es passiert sein. Der Delinquent guckt unschuldig. Er habe kein schweres Werkzeug benutzt, nichts über den Boden gezogen. „War es deine Kniemanschette?“, habe ich die zündende Idee. Nein, die war es nicht, aber ein Schraubenkopf steckte im Kniebereich vom Overall fest. Unbemerkt durch die Manschette hat der Kopf die Schramme gezogen. Das ist ja nun wirklich Pech!

Dann wollten wir mit den Arbeiten am Cockpit beginnen. Anhaltend schlechtes Wetter (so ein Pech) verzögerte die Arbeiten bis Weihnachten.  Nach acht Tagen mit Sonnenschein wieder schlechtes Wetter. Drei Tage Dauerregen.  Mit Böen von 40 Knoten Wind. Ausgerechnet jetzt! Haben wir doch die Schiebe-Luke für die Arbeiten ausbauen müssen. Natürlich (!) kommt der Wind genau von hinten. So schafft der Regen es quer durch den Salon.
Achim baut aus einer Plane und zwei Latten eine provisorische Luke. Beim raus krabbeln, rutscht ihm die eine Latte weg. :mrgreen: Die fällt so unglücklich, dass sie einen tiefen Cut in unseren Handlauf ( ebenfalls frisch lackiert) haut. Es reicht irgendwie.

Frischer Cut im Holz – man, man, man – muss doch nicht sein – besonders blöd, da wir solche Cuts gerade alle schön gemacht habe

In diesem Moment in dem ich schreibe, zieht ein Sturm über die Nordinsel. Der ehemalige Zyklon Hale aus Fiji hat sich etwas abgeschwächt, ist zum Tropensturm runter degradiert worden. Der Restwind, den er mitbringt, ist mit 40 Knoten aushaltbar – kennen wir ja schon von letzter Woche. Aber natürlich kommt er wieder von hinten und bläst gegen unsere provisorische Luke. Die Regenmengen sind unbeschreiblich.  In der Spitze 40 mm in zwei Stunden. Wenn einer das Schiff verlassen muss, endet das in einer mittelschweren Überflutung.

Natürlich sammelt sich das Wasser in den Beulen der Plane – und natürlich kann man nicht fehlerfrei einsteigen – inzwischen liegen schon ein halbes Dutzend nasse Handtücher herum

Ich würde sagen, wir haben einen Lauf! Vom erhöhten Pflasterbedarf, weil wir uns zeitgleich, aber getrennt voneinander schneiden und von der mysteriösen neuen Beule im Auto fange ich gar nicht erst an zu berichten.
Jetzt bloß nicht an eine Pechsträhne glauben.  Das führt nur zu selbstbestätigenden Prophezeiungen. Positives muss her. Wo haben wir Glück gehabt die letzte Zeit? Mir fällt der offene Joghurt im Kühlschrank ein, der nicht umgekippt und ausgelaufen ist. Immerhin. Und gestern habe ich ein Glas über den Salontisch gekippt. Nur mit Wasser. Bitte, geht doch!

Freitag ist der 13.te! Au weia. Da verlassen wir besser nicht das Schiff. Decken  die neuen Polstermit Plastikfolie ab, essen nichts mit Gräten und abends gibt es zum Trost ein Weinchen. Weißwein, aus dem Pappbecher, man weiß ja nie.


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Peter Wiedekamm – Weltreisender

PATAGONIEN – DA WOLLEN WIR ALLE MAL HIN!

Patagonien Antarktis