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Unter Segeln: Von schnellen Gewittern. Und von langsamen.

Ein Blitz über Gemiler Reede. Gut erkennbar sein gleißender Entsehungsort ganz oben, dort, wo sogar Regen und Nässe aufgrund der gewaltigen Hitze zu verdampfen scheinen.

Gewitter gibt es verschiedene. Gewaltige Gewitter, solche, an die man sich noch nach Jahren und Jahrzehnten erinnert. Und leichte. Laute und leise. Solche, die schnell heranziehen. Und schnell gehen. Und solche, die langsam kommen. Und lange bleiben.

In Gemiler-Reede – ich schrieb über die Insel, auf der Sankt Nikolaus gelebt hatte – wollte ich eigentlich nicht lange bleiben. Aber weil die Ecke so faszinierend ist, blieb ich drei, vier Tage. 

                                                                      Weiterlesen bei: Gemiler Reede. Oder: Sankt Nikolaus.

All die Tage hatte es rundum gegrummelt. An dem Tag besonders. Hohe Quellwolken bauten sich über den Nachmittag auf. Oben, ganz oben auf der Insel, dort: wo eine der ersten von fünf Kirchen errichtet wurde, wo der heilige Nikolaus gelebt hatte.

Wieder einmal erkennt man auf dem obigen Bild gut, wie sich „Wolken höher als breit“ bilden, vor allem oben rechts im Bild. Ein Warnsignal. 

Dazu am frühen Abend erste dunkle Wolken, über der Kirchenruine unten. Ich ruderte über die Bucht zurück zu LEVJE. Die schaukelte friedlich an ihrem Ankerplatz, ich hatte eine Landleine ausgebracht, nur eine. Teils aus Faulheit, teils aus Überlegung: Wenn ich raus müßte mitten in der Nacht, weil der Anker schlechter hält als die eine Landleine, dann käme ich schneller weg.

Es grummelte. Im Norden, hinter den Bergen. Es grummelte auch noch, als die Sonne unterging, und erste Blitze das dämmrige Grau hinter den Bergen erhellten. Aber immer noch war alles friedlich. So friedlich, dass ich ganz gemächlich LEVJE’s Bimini aufstellte, um Cockpit und Niedergang vor dem Regen zu schützen. Meinen abendlichen Rundgang an Deck machte. Gemütlich in die Bucht schaute. Und hinauf in die grummelnden Berge. Dämmerung. Kein Anlaß zur Sorge.

Leichter Niesel setzte ein. Leicht, ganz leicht. Mir fiel die alte Regel ein. Ein Kinderreim fast, aber so geht er:

„Kommt der Regen vor dem Wind, Skipper birg die Segel geschwind.
Kommt der Wind vor Regen. Skipper kann sich Schlafen legen.“

Eine Warnung. Wenn es vor dem ersten Windstoß zu regnen beginnt: dann wird’s heftig. Ich fragte mich, ob das auch fürs Mittelmeer gilt. Aber die Antwort kam. In Gestalt des Gewitters, das langsam, unendlich langsam über die Berge im Norden hinunter zur Gemiler Reede kroch.

Der erste Windstoß. Nicht arg. Ein Lüftchen eher, der Böencharakter nur daran erkennbar, dass die Windrichtung nicht die rechte war. Und gleich wieder eine andere war. Kalte Luft. Die Landleine spannte sich, triefte, als sie aus dem Wasser kam. Der Regen wurde härter. Die Böen setzten wilder ein, und Blitze zuckten durch die Nacht. Doch diesmal auf unserer Seite der Berge. Das Gewitter war da. Die Blitze. Nah. Ziemlich nah.

Oft im Gewitter – vor allem draußen auf See – ist der Blitz das, was aller Augen und Emotionen auf sich zieht. In ihm stecken Gewalten, die wir uns nicht vorstellen können. Natürlich ist der Einschlag eines Blitzes das Schlimmste, was einer Yacht passieren kann. Blitze so wie der, den ich in dieser Nacht auf dem ersten Foto ganz oben festgehalten habe.

Kaum jemand weiß: wie eine Yacht nach dem Einschlag eines Blitzes aussieht. Halten die Wanten? Gibts unten, unter Deck, da wo der Mastfuss sitzt und der Blitz wieder hinausfährt, ein großes Loch? Wie übersteht man es, wenn in meternahem Umkreis 10.000de Volt Strom durch Leitungen jagen, die dafür nicht gemacht sind? Ich weiß es nicht. Aber ich werde es herausfinden.

Ich dachte an meine schwäbische Großmutter. Sie fürchtete in ihrem Leben nichts und niemand. Sie hatte fünf Kinder großgezogen, allein. Hatte heimlich für Juden gearbeitet während des Krieges. Ihren Mann rausgepaukt, als der im Wirtshaus zu laut über die Nazis schimpfte. Und am Tag später mit Haft bedroht wurde. Nur eines fürchtete sie: Gewitter. 
Ihre bewährte Ausrüstung dagegen: 1 Kopfkissen. 1 Wetterkerze. 1 Weihwasser-Fläschchen. 1 Rosenkranz. Wenn Gewitter war, dann zündete sie im Fenster die schwarze Wetterkerze an. Zog sich das Kopfkissen über den Kopf. Und betete den Rosenkranz herunter, unter gelegentlichem sich-besprengen mit einem Schuß Weihwasser. Wir Kinder fanden es urkomisch.



Die Blitze in dieser Nacht waren nah am Boot. Blitz und Donner fielen zusammen, beides in ein und demselben Augenblick. Schläge, bei denen ich unwillkürlich den Kopf einzog. Sehr laute Schläge. Der Regen wurde heftiger. Der Wind kam von den Bergen und trieb den Regen genau in den Niedergang. Blöde Landleine. Hätt‘ ich LEVJE doch lieber schwojen lassen. Dann läge sie jetzt im Wind. Und ich säße trocken in meinem Niedergang…

Teilweise war der Wind so heftig, dass meine Dinghi-Paddel – ich hatte sie neben den Seezaun gelegt – über Bord geweht wurden. Irgendein merkwürdiges Geräusch hatte mich den Kopf aus dem Niedergang stecken lassen. Ich spurtete los, um meine Paddel zu retten, die brav in Lee genau an der Bordwand trieben. Zu hoch. Also auf den Bauch gelegt, längelang, dahin, wo vorher die Paddel lagen. Und jetzt daumendick das Regenwasser übers Deck rann. Tropfnass, von einem Moment auf den Anderen. Jetzt bin ich schon nass, ich schau gleich noch, ob der Anker vorn hält…

Triefend wie meine Landleine erreichte ich meinen Niedergang, durch den die Böen immer noch die Regenschwaden trieben. Regen am Meer ist einzigartig. Aber in der südlichen Türkei einfach beeindruckend. Ich suchte mir im Donnern trockene Klamotten. Und zündete mein Petroleum-Licht an. So, wie meine Großmutter ihre Wetterkerze.

Das Gewitter dauerte eineinhalb Stunden. Es stand genau über der Bucht. Es bewegte sich kaum. Es schepperte noch nahe am Boot, als ich mich irgendwann schlafen legte. Irgendwann wird man zu müde, vom langen Aufpassen. Und schließlich: wir lagen ja vor Anker. Der hielt.



Am nächsten Morgen war die Welt friedlich. Nur ein paar graue Fahnen am Oktoberhimmel zeigten, dass die Nacht davor irgendetwas anders gewesen war, über der Gemiler Reede. 

                                                                      Weiterlesen bei: Ist es gefährlich, im Gewitter zu Segeln?
                                                                      Weiterlesen bei: Ankermanöver im Gewitter.

Levje’s Lieblinge: Wie Wunden am Meer schneller heilen.

Letztes Jahr, in der Bucht von Bozukale: Vor den Stegrestaurants kann man wunderbar schwimmen, das Wasser ist ganz klar, und die antiken Ruinen rundum beeindruckend. Ein Teil meiner Crew geht ins Wasser. Josef kommt blutend wieder, er verletzte sich an der rostigen Steg-Badeleiter, ein 2mm tiefer Schnitt im Ballen.

Das war’s für Josef, Schluß mit Schwimmen. Für den Rest der Woche auf dem gecharterten Boot. Genau unten am Ballen. Es wird lange nässen. Und schlecht heilen.

Vom Nachbarboot kommt ein älterer Franzose. Große schiefe Nase, wirres Haar. Stellt sich auf französisch als Arzt vor. Hält eine grüne Tube in der Hand. Irgendwas. Brummelt, es würde schneller heilen damit. Ich bin vorsichtig. Aber Josef, ganz Haudegen, sagt: „Drauf damit“. Es ist so eine Art grüner Heilerde, die der französische Arzt auf die Wunde gibt. Pflaster drauf. Fertig.

Ich bin skeptisch. Aber der Franzose hatte Recht: nach eineinhalb Tagen ist die Wunde geschlossen. Josef hüpft wieder barfuß herum. Und kann für den Rest des Törns ins Wasser. Gepriesen sei der französische Arzt. Und seine PATE D’ARGILE VERTE:

Ich habe mir das Mittel besorgt und hatte es auf meiner fünfmonatigen Reise dabei: Wie schnell holt man sich einen stark blutenden Kratzer am Bein. Beim Legen der Landleine. Beim Schwimmen. Aber mit der grünen Heilerde waren alle Wunden nach etwas mehr als 24 Stunden geschlossen. Ich bin entzückt. Es ist einfach. Es hilft. Es stimuliert die Selbstheilungskräfte des Körpers. 

Grüne Tonerde – und davon bitte nicht irritieren lassen – ist eigentlich für die Reinigung der Haut gedacht, so steht es auf der Verpackung. Und nur zu allerletzt kommt der Hinweis, dass das Mittel auch die Wundheilung beschleunigt. 

Und wer noch nicht weiß, was Skipper & Skipperin sich außerdem zu Weihnachten unter den Weihnachtsbaum legen sollen:

In einem früheren Beitrag stellte ich bereits zwei Bücher vor, die meinen Winter retteten.

                                                              Weiterlesen bei: Wie der Segler über den Winter kommt. Hier.

Heute zwei, drei weitere Bücher:
Für jeden Kroatiensegler sind die Bücher aus dem ALBUM-VERLAG ein Muß. Meist dreht es sich bei den alten Fotografien, die zwischen 1850 und 1918 aufgenommen wurden, um die Geschichte Istriens. Und die österreichische Marine, die jedem der istrischen Küstenorte neben den Venezianern bis heute ihr prägendes Gesicht gab. Der Band über Pola gehört dazu, ein kleines, reizvolles Büchlein, das auf LEVJE immer neben mir auf dem Bett liegt, das ich wieder und wieder ansehe. Bilder, Fotos aus einer anderen Welt, versunkenen Welt. Genauso wie die MARINEBILDER mit einzigartigen Fotografien des Marinefotografen Alois Beer, der bis 1916 ungehindert Zugang zu den österreichischen Flottenstützpunkten in Istrien hatte. Von seinen über 12.000 erhaltenen Fotos beschäftigen sich allein 2.000 nur mit Pula und Triest.

                                                               Weiterlesen bei: Von Menschen und von Schiffen. Kaiser   
                                                               Franz-Josef und sein Schlachtschiff VIRIBUS UNITIS. Hier.

Ein weiteres Buch, das meinen Winter rettete und mich auf LEVJE immer begleitet, ist David Abulafia’s DAS MITTELMEER. Eine Monografie des Mittelmeers von der frühen Steinzeit bis in unsere Gegenwart. Eine unglaublich gute Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes vieler Disziplinen, dessen Reiz darin liegt, dass Abulafia einfach kurzweilig und flott schreibt und nie den roten Faden verliert. Eine besondere Lust ist es, an langen Winterabenden das Buch zu lesen und mit dem Ipad immer gleich Orte und archäologische Funde im Web aufzusuchen. Wahrlich: ein Buch, das meinen Winter rettete. Ich habe die 1.000 Seiten mehrmals gelesen. Und verdanke David Abulafia viele, viele Anregungen zum Verständnis mancher Orte, die ich auf meinem fünfmonatigen Törn bereiste so wie diese drei Ägäis-Inseln:

                                                           Weiterlesen bei: Das 5.000 Jahre alte Steinzeitmesser von Milos.
                                                           Weiterlesen bei: Milos. Oder: Wenn Tonscherben anfangen zu  
                                                                                                                                                  erzählen.

                                                           Weiterlesen bei: Ein Schiff, um 5 Monate zu Segeln. Hier.

Die vergessenen Inseln: Gemiler Reede. Oder: Wer war der Mann, der Sankt Nikolaus heißt?

Ankern beim Gebeinhaus: Wer der heilige Nikolaus war und was er mit Gemiler Reede, den St. Nikolaus-Inseln zu tun hat: das berichtet dieser Artikel.

Wer war er bloß, der Mann, der uns in diesen Tagen im roten Mantel so oft auf den Weihnachtmärkten, in Kaufhäusern und Kindergärten begegnet? 

Die Spurensuche beginnt in der südlichen Türkei. Segelrevier-technisch gesprochen, lebte Sankt Nikolaus genau zwischen dem Golf von Fethiye und dem Golf von Antalya. Er war ein Kind dieser Küste, er ist hier aufgewachsen, er hat immer an dieser Küste gelebt, er hat sie nie verlassen. Zumindest als Lebender nicht.

Geboren wurde er zwischen 270 und 286 nach Christus im prosperierenden römischen Patara, keine Tagesreise südöstlich von Fethiye und der Gemiler Reede. Patara ist heute noch zu besichtigen, eine antike Ruinenstadt an der Küste, verlandet, versunken in wehendem Sand eines der schönsten, längsten Sandstrände der Türkei. Sein Onkel weihte ihn mit 18 zum Priester – zu einem Zeitpunkt, als Kirche heimlich und Christsein tödlich war. Vermutlich geriet er in die große diokletianische Christenverfolgung, die von 303 an 10 Jahre in einem letzten großen Aufbäumen versuchte, das Christentum gewaltsam zurückzudrängen, wie ein Hund die lästigen Flöhe abzuschütteln, die sich im Fell des römischen Staatsapparates festgesetzt hatten. Im Westen war man damit einigermaßen lax. Die Behörden in den Ostprovinzen des Reiches setzten die staatlich angeordnete Verfolgung mit grausamer Konsequenz um. Georg, Maragrete und Katharina von Alexandrien waren nur einige prominente Zeitgenossen von Nikolaus, die dem Verfolgungsapparat zum Opfer fielen. 


Blick auf die Gemiler Reede am Abend.

Nikolaus wurde vermutlich in dieser Zeit gefangen genommen, mißhandelt, wenn nicht gefoltert. Als man vor wenigen Jahren seinen Schädel in Bari aus dem Grab holte und einer Gesichtsrekonstruktion unterzog, stellte man fest, dass seine Nase zu Lebzeiten schwer gebrochen war und seitdem schief in seinem großen Gesicht saß. Die Gerichtsmediziner fanden heraus, dass er ein ungewöhnlich kleiner Mann gewesen sein muss: 1,60 groß. Aber mit bemerkenswert großen Kopf. In dem eine schiefe Nase saß.

                      Blick von den Kirchenruinen nach Osten, Richtung Patara.

Mit dem Jahr 313 endete die Christenverfolgung. Mehr noch: Christentum wurde Staatskult. Der Wind hatte gedreht. Auch in dem kleinen Ort Myra, dem heutigen Demre, ein paar Seemeilen südwestlich von Antalya und nahe der Hafenstadt Finike, wo LEVJE gerade liegt. Nikolaus war hier Abt, später wahrscheinlich Bischof.


Von den Kirchen hinunter zum Ankerplatz.     

Es muss in diesen Jahren gewesen sein, dass er Gemiler Reede besucht und vielleicht auch einige Zeit hier auf der Mönchsinsel gelebt hat. Vielleicht sogar kurz begraben war. Jedenfalls ist seine Verehrung auf diesen vergessenen Inseln besonders groß. Man erzählte sich viele, viele Geschichten von dem Mann aus Myra, der noch zu seinen Lebzeiten Feldherren im Kerker und Seeleuten im Sturm erschien. Und sie rettete aus Not und Bedrängnis.

Etwa fünf Kirchenruinen fand man auf der einstigen Klosterinsel Gemiler. Ruinen seit dem späten Mittelalter, als die Osmanen über das Festland hinaus auf Meer und Inseln griffen und byzantinische Mönche die Inseln räumten. Bis dahin war Gemiler Reede, die Nikolaus-Inseln, ein wichtiger Hafen auf der Route ins Heilige Land. Ein „Must-See“ für einen jeden Pilger, um dem heiligen Nikolaus seine Verehrung zu bezeugen. Und damit auch ein ungewöhnlich prosperierender Hafen, dessen mittelalterliche Kaimauern, Reeden, Lagerhallen man heute noch die ganze Nordküste mit Staunen sieht.


Hier wollte man begraben sein: Eine Insel voller Gräber, Grabkammern, Beinhäuser, Totenhaus. All das zeugt davon, wie verbreitet die Verehrung von Sankt Nikolaus über die Jahrhunderte war.

Im Insel-Inneren stehen mittelalterliche Ruinen an diesem Ort herum, es sind viele: dem heiligen Nikolaus geweihte Kirchen. In den Felsen gehauene Steingräber. Unzählige Totenhäuser vermeintlich bedeutender Menschen, die beim Erweckungsruf des jüngsten Gerichts nahe, nahe beim Heiligen und auf heiligem Boden sein wollten. Als Klassenprimus in der ersten Bank, sozusagen. 

Die Verehrung riss auch nicht ab, als italienische Kaufleute im Herbst des Jahres 1087 die Gebeine des heiligen Nikolaus aus der heute noch stehenden Nikolaus-Kirche in Demre stahlen. Heiligenklau, Reliquien-Diebstahl war groß in Mode. Die Liste prominenter Heiligen, die in diesen Jahren angeblich „zum Schutz vor heidnischen Seldschuken“ aus Gräbern christlicher Kirchen gerissen und zufällig nach den größten Hafenmetropolen Italiens „schützend“ verfrachtet wurden, ist lang: San Marco nach Venedig. Sankt Andreas nach Amalfi. Sankt Matthäus nach Salerno. Sankt Johannes der Täufer nach Genua. Sankt Thomas nach Orthona. Jede mächtige Hafenstädte dieser Zeit brauchte einen Apostel in ihren Mauern. Oder das, was von ihm übrig war. 

     Der Mann im roten Mantel: Ob hochmittelalterliches Abbild des Sankt Nikolaus oder nicht: 
     Diese Malerei hat sich in einer Kirchenwand von Gemiler – wenn auch beschädigt – 
                                   über sechs, sieben Jahrhunderte erhalten.

Die Kaufleute, die die Gebeine von Sankt Nikolaus klauten, waren vergleichsweise spät dran bei diesen Ereignissen. Sie waren aus Bari, und vermutlich war die Mission lange geplant, mit der sie die Gebeine von Sankt Nikolaus heimlich nach Bari schafften. Wo noch heute jedes Jahr vom 7.-9. Mai die Ankunft der Gebeine von San Nicolà, denn so heißt er hier, in der Stadt mit großem Brimborium, Umzügen, Herumtragen der Reliquien des San Nicolà in der Stadt und im Hafen gefeiert wird. Und hier ruht er auch noch heute. Wenn nicht gerade eine Gesichtsrekonstruktion, ein Umzug oder anderer Trubel seinen ewigen Schlaf stören.

                                   Weiterlesen bei: Was Sie über das Segeln in der Türkei wissen müssen.

                                   Weiterlesen bei: Die vergessenen Inseln: Hier.

                                   Weiterlesen bei: 5 Monate Segeln. Was hat mir das gebracht? 7 Erfahrungen
                                   Weiterlesen bei: Reden wir mal über die Angst. Hier.

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Von Menschen und von Schiffen: Wie 50 Männer 50 Schiffe im Jahr bauen.


    Für die einen sinnlose Holztrümmer, für die anderen wertvolles Werkzeug: Fast alles an einer Yacht entsteht aus Formteilen und nach Schablonen. Wie eine Yacht entsteht, zeigt dieser Beitrag.

Ein nebliger Dezembertag an einem kleinen See vor den Alpen. Der barocke Turm der Dorfkirche ist im Grau kaum zu sehen. Eiskalter Ostwind streicht um die drei Werkshallen oben auf dem Hügel. Die Luft riecht nach Schnee von den Bergen. Dies ist der Ort, an dem die Werft ihre Yachten baut. 400 Kilometer vom Meer entfernt. Seit bald 70 Jahren. 50 Männer. Die 50 Schiffe im Jahr bauen. Von 24 bis 53 Fuß Länge. Die Werft heißt SUNBEAM. Und der Ort im Nebel ist Mattsee. Und er liegt in Österreich, 20 Kilometer von Salzburg entfernt, von Mozartkugeln, Trachten-Moden, Weihnachtsmarkt.

Wieso man so weit vom Meer entfernt seegehende Yachten bauen kann? Günter Ambrosi, der für den Verkauf zuständige Mann, lacht sein keckerndes Lachen. „Ein gute Yacht bauen: Das hat erst mal nichts mit der Beherrschung von Wind und Wellen zu tun. Sondern mit der Beherrschung des Werkstoffes.“ Und dieser Werkstoff heißt Harz. Und Härter. Und Glas – genauer: Glasfasern.


    Der Stoff, aus dem die Träume sind: Glasfasermatten.

In Mattsee experimentieren, bauen, arbeiten sie mit diesem Werkstoff seit den frühen 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Väter der beiden heutigen Werftbesitzer waren Schreiner. Tischler. Bootsbauer. Sie bauten kleine Holzjollen. Für den heimischen Mattsee, den Mondsee und den Attersee. Als der neue Werkstoff – die mit Harz und Härter getränkten Glasfasermatten – aufkam, begannen die Brüder damit zu experimentieren. Bauten ihre ersten Jollen und stellten diese auf den Bootsmessen vor. Am Anfang steht die Beherrschung des Werkstoffes. Und das ist der Grund, warum kaum eine der Werften im deutschsprachigen Raum am Meer entstand. BAVARIA im mainfränkischen Giebelstadt – 1978 gegründet von einem Fenster-Fabrikanten. DEHLER in Freienohl im Sauerland.  

Am Anfang: Die Idee.


    Ideen, Zeichnungen, Pläne – wieder und wieder verworfen. Ein Papierabfall-Behälter in der Werft.

Am Anfang eines neuen Boots steht die Idee. Aus Gesprächen mit Kunden und aus der Beobachtung dessen, was am Markt gerade gut verkauft wird, entsteht eine Vorstellung davon, wie ein neues Boot aussehen könnte und was es auszeichnen soll. „Meistens entwickeln wir so etwas, wenn wir am Feierabend ganz zwanglos ein Bier miteinander trinken, der Günter, der Gerhard und ich“, sagt Manfred Schöchl, dem die Werft zusammen mit Gerhard Schöchl gehört. Aus der Idee entstehen erste Skizzen. Und aus den Skizzen: die Form – eine Positivform.

Schritt 2: Laminieren.

Die Positivform ist ein aus Sperrholz, Schaumstoff, Styropor, Pappelleisten geleimtes, getackertes, gespachteltes Modell in Originalgröße. Es enthält alle Details. Für den Bootskörper. Für das Deck. Für Einzelteile wie Backskistendeckel, Salonhimmel und ähnliches. Von dieser formgenauen, oberflächenbrillanten Bauteil-Vorlage, der Positivform, stellen die Männer die Negativform her – die Grundform, in der der Bootsrumpf produziert wird. Oder das Deck. Oder einzelne Bauteile, wie der Salonhimmel oder ein Backskistendeckel.


    Die Negativform eines 40 Fuß-Schiffes vom Heck her gesehen. In sie werden nach spezieller Vorbereitung die mit Harz und Härter getränkten Glasfasermatten gelegt.

Die Produktion des Schiffes beginnt in der Laminierhalle mit der Grundform. Diese wird zunächst gereinigt. Dann noch mal gereinigt. Dann mit Wachs als Trennmittel bestrichen. Im Anschluss kommen mit dem Pinsel mehrere Millimeter Gelcoat drauf – das, was man als Bootsbesitzer an seinem Schiffskörper als erstes wahrnimmt. Und dann werden nach einem detailliert vorgegebenen Lagenplan die mit Harz und Härter getränkten Glasfasermatten aufgebracht. Lage für Lage werden die getränkten Glasfasermatten in die Rumpfform eingelegt. Der Bootsrumpf entsteht. 15 Männer brauchen für den Rumpf einer 40er etwa 14 Tage.

    Die Negativform von Außen in ihrem Formkorb. Im Vordergrund links: die Negativform eines Schiffsdecks.

Für jeden der derzeit lieferbaren acht Bootstypen gibt es nur eine einzige Negativform. Ob es nicht Sinn machen würde, gleich mehrere Negativformen, zum Beispiel von der neuen 40er zu haben? Dann könne man doch gleich mehrere Bootskörper parallel und effizient produzieren? Der Produktionsleiter lächelt: „Theoretisch ginge das. Aber das Laminieren ist nicht das Problem. Sondern der Ausbau in der nächsten Halle, der Ausbauhalle. Wenn wir hier mit dem Laminieren fertig sind und die Rumpfhülle kann nicht gleich rüber in den Ausbau, weil die drüben mit dem aktuellen Auftrag noch nicht fertig sind: Dann geht hier nichts weiter. Der Engpass liegt immer drüben in der Ausbauhalle“, erklärt er den Produktionsprozess.


    Der Rumpf ist fast fertig: in die eingelegten und bereits trockenen Glasfasermatten des Rumpfs werden nun die Formstücke für die Bilge eingelegt. Und einlaminiert.

Schritt 3: Der Ausbau in der Ausbauhalle.


    Mannshoch, tonnenschwer: Der Kiel des neuen 40-Fuß-Modells der Werft.    

Warum das so ist, sehen wir beim Betreten der Ausbauhalle. Mannshohe Gusskiele für das brandneue 40er-Modell stehen herum. Leere Negativformen für Deck und Rümpfe. Fünf bis zehn weitere Kiele. Fertige Holzteile für den Innenausbau. Es riecht streng nach Chemie. Überall liegen Werkzeuge, Behälter, Schleifer und Hobel. Schläuche, Kabel, Leitungen, die in den oben offenen Rumpf einer 40er hineinlaufen wie in einen Patienten nach der Operation, wenn das Leben wieder Stück für Stück in ihn gebracht wird. Die Männer montieren gerade den Innenausbau. Ausbau – das heißt: Einbau des Bodens und des Motors. Einziehen aller Kabel in die Kabelkanäle. Einbau der kompletten Innenraum-Elektrik wie Beleuchtung, Heizung, Warmwasser. Auch die Navigationselektronik ist dabei. Einbau der Querschots, der Salonmöbel, des Bads, der Pantry. Und der Kojen.


    Eine 40-Fuß-Yacht wird ausgebaut: gut erkennbar sind beide Querschotts. Der senkrechte „Schacht“ in der Bildmitte ist der Niedergang, mit dem bereits fertig eingebauten VOLVO-PENTA-Motor.    

Alle Kabel, Seeventile und natürlich die Holzteile, die die Werft in ihrer eigenen Schreinerei anfertigt, finden hier ihren vorbestimmten Platz. Wie in eine offene Schüssel werden die Teile einzeln an den Rumpf gebracht, hineingehievt und dann sorgfältig eingebaut, bei noch nicht montierter Deckseinheit.


    Der Salon: Gut erkennbar der Eingang in die Toilette. Links davon die bereits montierte Panel der Schiffselektrik. Davor die Pantry mit gelb abgedeckter Spüle. Dahinter der Eingang in die Koje.

Der Innenausbau: ein kompliziertes Gewerk, umfasst es doch Holzbau, Elektrik und Elektronik sowie den Einbau des Motors. Um 12 Meter Schiff mit dem Innenausbau fertigzustellen, ist ein bunt gemischter Haufen an Schreinern, Tischlern, Bootsbauern, Elektrikern und Elektronikern zugange, um dem Traum eines Seglers Gestalt zu geben. Facharbeiter, Angelernte, Lehrlinge, Helfer – sie alle sind Teil der Werft. „Ich kann mich noch genau erinnern“, sagt Günter Ambrosi, der Verkaufsleiter, „wie ich als Lehrling bei Schöchl angefangen hab. Eine Ankerwinsch fürs Heck der 37er PAMINA, die hab ich 1997 als erstes einbauen dürfen. Der Eigner war leidenschaftlicher Mittelmeer-Segler. Und hatte nur einen Arm – deshalb die Heck-Ankerwinsch. Und die PAMINA mit meiner Heck-Ankerwinsch liegt heute immer noch in Porto San Giorgio an der Nordadria.“ Man kennt seine Kunden – und begleitet sie über Jahrzehnte.


    Die Niedergangstreppe einer Yacht, noch unlackiert, in der Schreinerei.

Sämtliche Holzteile stellt die werfteigene Tischlerei selbst her, in der Werft hat sie, ebenso wie die Schlosserei, ein kleines eigenes Reich. Mit allem, was zu einer traditionellen Tischlerei gehört: 


Schraubzwingen hängen an den Wänden. Schrauben, Leimtöpfe, Schleifpapier für die Bandschleifer. Und überall hängen Formstücke – Formstücke für fast alles und jedes einzelne hölzerne Bauteil eines jeden Schiffes, das in der Werft gebaut wird und gebaut wurde. Für die Niedergangstreppe, „die Stiege“ einer 39er, deren Formstück für die Seitenwrange man im Foto unten rechts erkennt.

Die Tischler produzieren hier praktisch alles, was das Boot an Holzteilen benötigt: Von der Pinne bis zur Pantry. Von der Navi-Ecke bis zum Niedergang, vom Schapp bis zum Schuber. Sie sind stolz darauf, dass das Furnier für die gesamten Seitenschapps des Salons aus einem einzigen Stück geschnitten wird. Das über die ganze Salonlänge läuft. Auch die Lackierung aller Holzteile geschieht hier in der Schreinerei, so dass das fertige Holzteil nur durch die Schreinereitüre hinausgerollt wird in den Halle nebenan, dahin, wo die leeren Yachtrümpfe auf Ihr Innenleben warten.

Auch die Beschläge fertigt die Werft selber: Belegklampen. Bug- und Heckkörbe. Seezäune. Sind Deck und Rumpf miteinander verschraubt, kommt die Yacht für zwei Wochen ins Tauchbecken. Man legt das Boot einfach ins Wasser. Und überprüft vor der Auslieferung, ob alle Borddurchlässe sicher sind. Ein simples und einfaches Verfahren. Das aber bösen Ärger beim Kunden vermeiden hilft.

Und wie lange braucht man, um sich ein neues Yachtmodell auszudenken? Manfred Schöchl, zusammen mit seinem Cousin Gerhard Schöchl Eigner der Werft und dort für Technik und Entwicklung zuständig, lächelt: „Das dauert ein bis zwei Jahre. Wir reden einfach darüber, was Kunden gerade suchen. Was dem Kunden bei einer Yacht gerade wichtig ist. Das ändert sich alle paar Jahre.“ Die Kunden seien andere geworden. Früher waren Yachtbesitzer Segler, die mit Pirat oder Opti angefangen hatten und dann langsam auf die Yacht umstiegen. Und sich vergrößerten. „Ganz anders der heutige Kunde: der ist begeisterter Chartersegler. Unser Kunde kommt heute von der Charter. Er weiß genau, was ihm an seiner Charteryacht nicht gefallen hat. Er steigt aufs eigene Schiff um und erwartet, dass alles so zuverlässig funktioniert, wie er das von seinem Auto her kennt. Eine große Herausforderung für Yachtbauer.“ Und noch etwas fällt Manfred Schöchl dazu ein: „Früher wurde beim Kauf einer Yacht viel über Technik im Hinblick auf Sicherheit gesprochen. Wenn ich heute anfange und sage: ‚Wir verwenden für die Kiel-Halterung nur 20er-Kielbolzen…‘, dann kann es schon vorkommen, dass mich ein Kunde unterbricht und sagt: ‚Sülz mich nicht voll. Wenn ich nicht wüsste, dass Ihr gute Yachten baut, wäre ich nicht hier.‘ Sicherheit und Verlässlichkeit einer Yacht werden heute genauso wie beim Auto stillschweigend vorausgesetzt. Darüber wird nicht mehr geredet.“


    Stilleben in der Schreinerei.

50 Männer, die 50 Schiffe im Jahr bauen. Für Männer. Denn immer noch sind Bootskäufer fast ausnahmslos männlich. Die meisten verheiratet. Und beim Bootskauf ist die Ehefrau immer dabei. Aber welche Rolle spielen die Frauen beim Yachtkauf? Manfred Schöchls Antwort verblüfft: „Ohne die Ehefrau verkaufe ich kein Schiff. Sie trifft die Entscheidung mit. Das geht soweit, dass wir wesentliche Teile einer Yacht auf die Frauen hin konzipieren: die Inneneinrichtung, die Funktionen der Pantry, die Kojen. Das muss alles genauso funktionieren, wie man das von seiner modernen Wohnung und vor allem von seiner Küche her kennt. Segeln: Das war früher ‚Camping auf dem Wasser.‘ Mit Bunsenkocher. Heute ist das alles anders. Das Design eines Schiffes, die Segelleistung, die Sicherheit: Die schneidern wir auf den Mann zu. Das gesamte Innendesign von der Matratze bis zur Schlingerleiste am Salontisch: Das machen wir nur für die Frauen. Denn schließlich: Ohne die Frauen würde hier auch in der Werft nix funktionieren.“

                                                                     Weiterlesen bei: Von Schiffen und von Menschen

Karibische Geburtstagsparty in Portugal

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Liebe Leser,

gestern haben wir unsere “Maverick too” auf ihre Partytauglichkeit getestet und meinen 29. Geburtstag mit den Crews der Hamburger Yacht “Lilly-Marie” und den beiden französischen Yachten “Noordvaarder” und “Kalao” gefeiert. Cati und ich hatten erst ein wenig Sorge, ob acht Erwachsene und drei Kinder im Salon des kaum zehn Meter langen Bootes Platz finden würden. Aber mit einem Kinderspielzimmer im Vorschiff hat es dann gut geklappt. Da “Lilly-Marie” ebenfalls die Karibik als Ziel hat, haben wir der Geburtstagsfete ein Motto gegeben und eine karibische Nacht veranstaltet.

Als Hauptgericht gab es Roti – das eigentlich aus Indien kommt, aber in modifizierter Version als karibisches Fastfood dort an jeder Ecke zu bekommen ist. In der Basis handelt es sich dabei um einen Eintopf aus Hähnchenfleisch, normalen und Süßkartoffeln, Möhren und Erbsen. Das ganze mit viel Curry und Kurkuma gekocht und in einen Weizenfladen eingerollt. Zum Nachtisch gab es eine Eigenkreation: “Rum-Salad mit Obst”.

Es war ein wirklich einmaliger Geburtstag, den ich so schnell nicht vergessen werde. Tolle Menschen, deren Wege sich ganz zufällig vor Portugal gekreuzt haben. Vielen Dank an alle, die dabei mitgewirkt haben! ; )

Im Moment verfolgen wir hier sehr gespannt das Wettergeschehen und planen am Dienstagmorgen Segel zu setzen. Auf dem Atlantik weht es wieder etwas mehr, als wir gebrauchen können. Aber zumindest aus Norden. Wir können uns also auf eine Rauschefahrt einstellen.

 

Der Segler im Winter: Wie der Segler über den Winter kommt.

 

„Ende November auf dem See ist nicht jedermanns Sache. Die Kälte auf dem Wasser geht durch Mark und Bein. Der Tee aus der Thermoskanne hilft nicht wirklich. Das Wasser des Sees, im Hochsommer Türkis, ist jetzt braun, fast schwarz und ganz unbewegt. Der See ist wie ein Moorsee und ein bisschen unheimlich. Trotzdem mag ich diese Jahreszeit auf dem Wasser. Das ganz Unbewegte. Die Stille. Kein Laut. Kein Lüftchen. Nur der Rauch der Laubfeuer, der am Ufer steht. YamYam ist meist das Vorletzte der 270 Boote, das aus dem Wasser kommt. Das gefällt mir. Trotz RAMSAR-Artenschutz-Abkommen. Auf dem Bild oben sieht man YamYam ganz hinten und mit gelegtem Mast. Da ist sie wirklich das letzte Boot. Der Rest: Stille und Schweigen.“

Im November 2007 schrieb ich diesen Text. Auf meinem ersten Blog. Und über mein erstes eigenes Boot. Es hieß YAMYAM. Nichts hat sich seitdem geändert. Der November, in dem ich geboren bin, ist ein trüber Monat. Die Boote kommen aus dem Wasser. Die letzte Runde, die ich auf YAMYAM dick eingepackt und mit gelegtem Mast auf dem See drehte, war vorbei. Unwiderruflich. Oft hatte ich das Gefühl: Es sei vorbei mit dem Segeln. Für immer. Unvorstellbar, dass es wieder Sommer werden würde. Segeln – das würde nie, nie wieder sein.

Der Segler im Winter: das ist schon ein eigenes Kapitel. Wie kommt der Segler über den Winter? Wenn man es sich nicht leisten mag, wegzugehen? Die Zuhause allein zu lassen? Thailand, Karibik oder die Kanaren für eine klägliche Woche charternd zu bereisen?

Ich habe das immer geschafft, in dem ich mich über den Winter mental mit dem Segeln beschäftigte. Am Boot arbeiten war ja nicht. Wegen der Kälte. Aber die Gedanken um das Segeln kreisen lassen. Deshalb das Eine: Wir werden auf MARE PIÙ ein Buch machen. Zusammen mit Seglern. Über ein Thema, das wir nächste Woche bekanntgeben werden. Ein Thema, um den Segler über den Winter zu bringen. Wenn Sie mehr Informationen über unser Buchprojekt möchten: Bitte rechts oben Ihre EMail unter „News & neue Artikel… “ eintragen. Und dann das nachfolgende FEEDBURNER-Sicherheits-Mail abwarten und bestätigen.

                                                                                                          Weiterlesen bei: Mare Piu macht ein Buch.
    
Das Andere: Den Winter habe ich immer geschafft mit EINEM besonders guten Buch. Ein Buch, das  über das Leben auf dem Meer schrieb. Ein Buch, das mit dem Segeln zu tun hatte. EIN Buch, das mich über den Winter gerettet hat. Buchstäblich. 

Jedes Jahr gab es davon eines. Ein einziges, das ich verschlungen habe. Und daraus ist dann meine persönliche Bestenliste geworden: BÜCHER, DIE MICH ÜBER DEN WINTER BRACHTEN. Ein höheres Lob kann ich einem Buch nicht aussprechen, als dass ein Buch war: das mich über den Winter brachte.

Das unten sind sie. Sie brachten mich über den Winter. Sie begleiten mich auf meiner Reise mit LEVJE. Sie sind immer an Bord. Die meisten kennt man. Ich werde jetzt, in loser Reihenfolge, meine Bestenliste, meine BÜCHER, DIE MICH ÜBER DEN WINTER BRACHTEN, vorstellen. Bis Weihnachten immer ein, zwei beschreiben. Und wenn das für Sie nützlich ist: dann freue ich mich, wenn Sie wie immer unten im Feld auf das „Tolle Geschichte…“ ein Häkchen setzen. Dann weiß ich, dass das auch Ihnen über den Winter hilft.

Beginnen wir ganz, ganz unten: 
1993 veröffentlichte Annie Proulx ihre SCHIFFSMELDUNGEN. 1995 habe ich es zum ersten Mal gelesen, und dann immer wieder. Das Buch beginnt – schrecklicher kann ein Buch nicht beginnen – mit einer fortgesetzten Reihe persönlicher Katastrophen: Fremd sein in der Familie, in die man geboren wird. Fremd sein an dem Ort, an dem man lebt. Arbeitslos. In eine vollkommen verzweifelte Beziehung hineinrutschen, Trennung, Tod, schreckliches Sterben. Die ersten 38 Seiten handeln nur von einem lebenslangen Absturz. In Raten. Die restlichen 360 Seiten? Die Geschichte einer Heilung. An einem Ort, an dem keiner von uns wirklich gerne leben wollte. Wo immer Winter ist. Aber wo Quoyle, der Held des Romans feststellt, dass er hingehört. Wo er Wurzeln schlägt. Und beginnt, über Schiffe zu schreiben. 

Rechts oben, ERIC TABARLY – Ein Seglerleben.
Ein Bildband. Über das Leben des französischen Seglers, der wirklich ein Ausnahmesegler war. Eine chronologische Sammlung von Fotos aus seinem Leben. Seine Liebe zu seiner PEN DUICK, die er von einem Schiff auf das andere übertrug. Seine Rastlosigkeit, was Ideen, Projekte, Reisen angeht. Ein ungewöhnliches Leben bis hinein in seinen Tod in der irischen See. Und: gerne gebe ich zu, dass ich dieses Buch immer um mich habe. Es steht, es liegt immer irgendwo, wo ich das Titelbild sehen kann. Damit es mich an etwas erinnert: Es zeigt Tabarly kurz nach dem Zieleinlauf eines Einhand-Transatlantik-Rennes. Erschöpft. Abgekämpft. Aber in seinem Blick, in seinen lachenden Augen liegt alles, was die Leidenschaft fürs Segeln ausmacht. Sein Blick sagt: „Ich habe da draußen gesehen, was noch keiner sah.“

Anmerkung:
Ich habe nicht geprüft, ob und wie diese Titel lieferbar sind. Sollten Sie das wünschen, werde ich in meiner Texte zur Bequemlichkeit aller Links einbauen, wo die Bücher erhältlich sind. Gerne mache ich das und bitte Sie um kurze Mitteilung an mich, wenn Sie als Leser das möchten.
For Tabarly: Special Thanks to Katja.

Bom Dia, Portugal!

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Liebe Leser,

die vergangene Woche konnten wir eine Menge Meilen machen. Es war zwar nochmal ein harter Kampf am Cabo Vilano, bis wir die Nordwestecke Spaniens gerundet hatten – aber danach ging es mit jeden neuen Segeltag ein Stück weiter nach Süden. Süüüüüüden!

Eigentlich wollten wir die 85 Seemeilen von La Coruña bis nach Muros in einem Stück abreissen, aber das Gestampfe gegen Wind und Wellen hat uns so müde und mürbe gemacht, dass wir noch einen Zwischenstopp im kleinen Hafen Camariñas eingelegt haben, nach etwa 50 Seemeilen. Als wir dort gegen 22 Uhr angekommen sind, waren im Ort schon fast alle Lichter aus. Nur im Clubhaus des Yachtclubs brannte noch Licht. Ein paar Spanier saßen auf der Veranda und tranken einige Biere. Unter ihnen der Hafenmeister, dessen Feierabend eigentlich schon lange eingeläutet war. Trotzdem kam er gleich im Nieselregen über die Stege gesprintet, um unsere Leinen anzunehmen. Als Cati ihn dann nach dem Papierkram fragte (der in Spanien für gewöhnlich sehr umfangreich ist), winkte er ab. “Ihr wollt doch morgen früh weiter. Da lohnt das nicht. Kommt auf dem Rückweg nach Deutschland nochmal länger ran … dann passt das” – und schon war er verschwunden. Wir durften also eine Nacht kostenlos liegen.

Am nächsten Tag sind wir dann bei sehr leichten Winden die übrigen 36 Seemeilen bis nach Muros motort. Ein kleiner Fischerort am Fjordartigen Einschnitt Ría de Muros e Noia. Vermutlich hätten wir dort gar nicht hingefunden, wenn dort nicht die Hamburger Yacht “Lilly-Marie” mit Thomas, Jola und ihrer Tochter Lilly-Marie gelegen hätte. Die drei sind ebenfalls sehr spät im Jahr gestartet und waren bis jetzt immer genau eine Tagesreise vor uns. Nie hat es geklappt, dass wir zusammen in einem Yachthafen liegen. Um die drei kennenzulernen haben wir aber vor vier Wochen von Viveiro aus einen Ausflug nach La Coruña gemacht.

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Als wir La Coruña dann auf eigenem Kiel erreicht haben, waren sie gerade zwei Tage zuvor weitergesegelt und wir haben ihren Liegeplatz gehütet. Nun endlich gelang es, “Maverick” und “Lilly Marie” mal nebeneinander liegen zu haben. Am späteren Nachmittag ist dann auch noch die französische Familie auf dem Katamaran “Kalao” eingelaufen, die sowohl uns als auch den “Lilly Marie”s in La Coruña gegenüber gelegen hat. Auch Laurent ist mit seiner Frau und den beiden kleinen Töchtern auf dem Weg nach Süden. Die Wiedersehensfreude war groß – wir haben bis in den frühen Morgen zusammengesessen, Vino Tinto getrunken und über das Leben, die Segelei und weitere Törnziele geplaudert. Die Ziele waren überraschend dieselben – und so war kurzerhand eine Flottille gebildet.

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Zwei Tage später sind wir dann mit allen drei Schiffen gen Süden aufgebrochen. Endlich waren die Wind- und Wetterbedingungen einmal wirklich perfekt. Nordwind der Stärke drei, Sonne, 18 Grad. Herrliches Segeln. Zum ersten Mal haben wir unseren Gennaker auspacken können und “Maverick” ist so sportlich gesegelt, wie vermutlich in ihrem ganzen Leben noch nicht. Der längere Mast, den wir installiert haben (gebraucht von einer Bavaria 34 übernommen) verlangt zwar frühes Reffen – aber bei solchen Segelbedingungen bekommt das Boot ein ganz neues Segelpotenzial. Zickzack durch die vorgelagerten Inseln hindurch, vor dem Wind kreuzend. Eine Regatta, die einen Mordsspaß bereitet hat.

Natürlich hat der Kat am Ende gewonnen. Gestern sollte es eine Revanche geben, aber der Wind schlief ein und wir mussten die 36 Seemeilen über die spanisch-portugiesische Granze bis nach Viana do Castelo mit arabischen Winden – aus dem Dieseltank – zurücklegen. Heute ist hier wieder viel Wind angesagt. Draußen soll es mit bis zu sieben Beaufort wehen und bis Samstag sind 4,5 Meter hohe Wellen angesagt. Das wollen wir lieber noch abwarten und dann vielleicht Sonntag weiter in Richtung Porto.

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Die Wartezeit ist aber keine vertane Zeit. Die Stadt ist wunderschön und typisch portugiesisch. Morgen werden wir mit allen drei Crews (9 Personen!) an Bord der “Maverick” in meinen Geburtstag hinein feiern. Am Samstag werde ich 29 Jahre alt …

Mit der Crew der “Lilly-Marie” und der “Kalao” unternehmen wir inzwischen jeden Tag etwas. Von Erkundungstouren durch den Ort bis hin zum gemeinsamen Abendessen. Dabei lernen wir neue, interessante Speisen kennen. Auf dem Weg nach Baiona hat Laurent einen Bonito gefangen, den es am Abend als Sushi gab. Das rohe Fleisch schmeckte mir hervorragend, Cati eher weniger. Dafür haben ihr die Miesmuscheln als Beilage geschmeckt, mit denen ich nicht so recht warm geworden bin. Am Abend vorher gab es sogar “Pulpo”, Tintenfisch, den es in Galizen an jeder Ecke gibt. Sehr lecker – und sehr spannend, Laurent beim Kochen zuzusehen.

Drei Yachten, die einfach die letzten im Jahr zu sein scheinen, die nach Süden wollen. Zudem eine extrem lustige Konstellation: Zwei deutsche, eine französische Crew in Spanien bzw. Portugal. Die Grundsprache ist englisch, das Laurent wirklich perfekt beherrscht. Cati ist fast permanent von den drei Mädels umgarnt und wird so beim Spielen und Malen mit ihnen an ihre alten französisch-Vokabeln erinnert. Wir haben eine Menge Spaß und scheinen wirklich endlich im Langfahrtseglerleben angekommen zu sein.

Johannes

 

Reden wir über: Der Segler und das Klo. Oder: Vom Nutzen und Nachteil des Fäkalientanks für das tägliche Leben.

Der zurückliegende, am 19. November unter kaum vernehmlichen medialen Echo begangene Welt-Toillettentag – jawoll, so heißt der ganz offiziell! – bietet uns Anlaß und Gelegenheit, auf diesen Seiten mal ein Streiflicht auf ein täglich drängendes Thema zu werfen: Den Segler und sein Klo.

Betrachtet man das Verhältnis des Seglers zu seinem Klo aus historischem Blickwinkel, dann war, wie so oft, früher alles besser. Früher hing man halt einfach den Hintern über die Bordwand. Und schon war das kleine oder große Geschäft erledigt. Unter Männern geht das gut. Man sieht das sehr schön in einer kleinen Sequenz des immer wieder sehenswerten Films MASTER AND COMMANDER: Eine Teerjacke hockt im dichten Schneefall mit heruntergelassenen Hosen vorne im Bugkorb. Jawoll. So war das.

Problematischer war es mehr als 2.000 Jahre auf Galeeren: Die angeketteten Rudersklaven konnten ja nicht einfach wie im Klassenzimmer den Finger heben und sagen: „Ich muss mal!“ Das Geschäft wurde an Ort und Stelle erledigt, egal, wer drüber saß. Oder drunter. Gelebt, geschissen, gestorben wurde, wo man hockte. Schaurig. Schaurig vor allem auch für andere, wenn das Schiff tagelang im Hafen lag. Und in seiner eigenen Brühe von 300 Ruderern schwamm. Von venezianischen Galeerenkapitänen – die Venezianer hielten aus nicht nach vollziehbaren Gründen am längsten an diesem Schiffstyp fest – wird gesagt, dass sie immer mit Spazierstock unterwegs waren. Nicht weil sie lahm waren. Sondern weil im Knauf des Stocks geruchsintensiver Salmiak untergebracht war. Stank’s mal wieder auf dem Schiff zum Himmel, schnüffelte der Kapitän einfach am Salmiak. Weiterlesen auf Mare Più, wie die Venezianer an den Galeeren festhielten

Auf der im Hamburger Hafen liegenden RICKMER RICKMERS ist die Sache fortschrittlicher geregelt. Da gibts im Bug, gleich neben dem Kabelgatt, ein veritables Plumpsklo. Man setzt sich drauf, und eine zugige Regenrinne leitet alles nach draussen. Wie auf einer Almhütte. Das war Fortschritt. Im Film DAS BOOT wird in einer kleinen Szene der Kriegsberichter, gespielt von Herbert Grönemeyer – das waren noch Filme!! – mit den sanitären Einrichtungen des U-Boots Typ 7C vertraut gemacht. Zwei Toiletten. Für 67 Mann Besatzungen. Die eine hängt voll mit Schinken, Würsten, Salami. Was der Bootsmann im Film mit launiger Schnautze kommentiert: „Mehr zum Fressen und weniger Platz zum Scheissen – des is‘ aa a Logik!“

Jedenfalls blieb das mit dem „einfach nach Draußen leiten“ lange Jahre letzter Schrei der Technik. Eigentlich bis in unsere Zeit. Ich erinnere mich an meinen ersten Segeltörn in der südlichen Türkei, Ende der 90er. Da lagen wir, drei Segelyachten, friedlich in der Gemiler Reede, einem wunderschönen Ort (über den ich nächste Woche aus gewichtigem Anlaß berichten werde. Bitte oben rechts registrieren, wenn Sie’s nicht verpassen wollen!). 3 Segelyachten in 1 Bucht mit je 4-5 Menschen: kein Problem. Man informierte seine Mitsegler an Bord mit dem dezenten Hinweis, doch die nächsten 10 Minuten nicht ins Wasser gehen. Und das drängende Problem war gelöst. Die Ringelbrassen, die immer unter den Booten stehen und darauf warten, was von oben runterfällt, die wir deshalb „Kackbrassen“ tauften: sie erledigten zuverlässig „den Rest“.

Die Probleme begannen, als der Wohlstand in die Bucht kam. Genauer gesagt: Die Gülets mit den ferienfrohen Urlaubern aus Marmaris, aus Fethiye, aus Kas. Kam so ein Gület mit 60, 70 Oberkörper-geölten Urlaubern in die Bucht und legte sich neben uns: dann konnte man für den Rest des Tages das Schwimmen in der Bucht vergessen. Soviele „Kackbrassen“ konnte es in der Bucht gar nicht geben. Es war zuviel für sie. Es war zuviel für uns.

Die Türkei hat dann aber noch Ende der 90er erkannt, dass das Problem weniger die ferienfrohen Urlauber, sondern die eigenen Gülets waren. Und hat sich Ende der 90er die strengsten Umweltregeln zum Schutz der eigenen Gewässer verpasst, die ich kenne:
Das Einleiten von Fäkalien in Gewässer ist streng verboten. Und wird besonders im Hafen mit sehr hohen Geldstrafen belegt.
Jeder, der dort Segelt, hat einen Fäkalientank an Bord. Wenn nicht: Geldstrafe.
Jeder, der dort Segelt, hat eine blaue MAVI-Card. Die kostet 25 Euro. Und auf dem Computerchip wird penibel kontrolliert, wann man zum letzten Mal ordentlich im Hafen abgepumpt hat. Hat man keine Blaue Card: Geldstrafe.

Weiterlesen, was man sonst noch an Regelungen über das Segeln in der Türkei wissen sollte

Weiterlesen, was man über die Regelungen in Griechenland wissen sollte.

Zugegeben: drastisch. Und streng. Gelegentlich drakonisch. Es hat aber den unbestreitbaren Vorteil, dass man selbst in vollen Ankerbuchten sorglos zwischen den Schiffen herumschwimmen kann. Das Wasser ist kristallklar. Man muß als Skipper seine Crew in einer vollen Bucht morgens nach dem Aufstehen nicht mehr warnen: „Es ist halb neun. Ich würd‘ jetzt nicht ins Wasser gehen…“


Und weil mir trotz aller Gängelei die Vorteile einleuchteten, habe ich mir auf LEVJE gleich zu Beginn meiner Zeit in der Türkei einen Fäkalientank einbauen lassen. Wie schon öfter, haben mich die Türken beeindruckt. Das da oben sind Dennis und Muhsin. Muhsin war lange, lange Jahre Techniker bei einem Vercharterer, er hat sich Anfang September als Bootstechniker mit Dennis selbständig gemacht. Als ich ihn wegen eines ersten Besichtigungstermins auf LEVJE anrief, war er sofort zur Stelle. Schaute sich LEVJE gründlich an. Sagte mir, wie er den Tank einbauen würde. Und wo.
10 Minuten später stand ein Tankbauer auf der Pier. Vermaß den von Muhsin angegebenen Platz im Schrank. Und baute mir innerhalb eines Tages einen eigens für mich angefertigten Tank aus 10mm starken Kunststoffplatten.
 

 

Der sieht aus wie ein schwarzer Tresor. Als ich etwas nörgelig auf Edelstahl bestehen wollte, warnte mich Muhsin vor undichten Nähten. Bei mir traf er damit ins Schwarze, denn ich habe zwei mal undichte Edelstahl-Tanks erlebt.
 


 
Jetzt thront der Fäkalientank im passgenau in LEVJE’s Schrank. Es war innerhalb eines Tages erledigt. Es war weit günstiger als das Angebot eines deutschen Anbieters nur für das Material. Es war schrecklich zu sehen, wie Muhsin zwei Löcher durch LEVJE’s Bordwand bohren musste. Eins für die Lüftung. Eins für die Absaugung.
 
                                            Weiterlesen: Was kostet eigentlich 5 Monate Segeln im Mittelmeer
 

 

Und wenn jetzt Welt-Toilettentag ist, der uns daran erinnern soll, dass die Trennung von Fäkalien und sauberem Wasser keineswegs überall Standard ist, dann denke ich mir dreierlei:
 
Wie fortschrittlich doch die Türkei ist. Mit wieviel Energie dort in nur zehn Jahren eine Infrastruktur zur effizienten Reinhaltung der Küstengewässer aufgebaut wurde.
Wie bräsig auch bei diesem Thema die EU-Länder mal wieder sind.
Wie schön es ist, morgens ohne Bedenken in jeder Bucht ins Wasser steigen zu können.
 

Eigentlich schon ganz gut. So ein Welt-Toilettentag.

 


    Levje an Ihrem aktuellen Standort: In Finke in der Südtürkei.

 
 
 

Die vergessenen Inseln: Despotiko. Oder: Der letzte Feldzug des Miltiades.

Der unwirtliche Norden des Inselchens Tsimintiri.

Oft auf meiner Segelreise durch die Ägäis frage ich mich: Bin ich es, der dank glücklicher Fügung Orte findet, die Geschichten erzählen? Oder sind es die Orte, die mich finden?

Denn so war es auch mit Despotiko, der vergessenen Insel. Den Tag über war ich von Kimolos herübergesegelt, ein längerer Schlag, an Sifnos vorbei. Am späten Nachmittag begann ich Ausschau zu halten nach einem Platz, um ankernd die Nacht zu verbringen. An zwei, drei Buchten segelte ich vorbei, bleib ich hier? Bleib ich da? Bis ich mich entschied, noch vor Paros in die weite Ankerbucht Ormos Despotiko einzulaufen, die jeder kennt, der durch die Gewässer um Paros und Naxos streift. Es ist ein Ankerparadies, das da zwischen dem bewohnten Antiparos im Osten und den unbewohnten Inseln Tsimintiri und Despotiko, den alten Piratenschlupfwinkeln liegt: weit, geräumig, das türkise Wasser begeisternd, vor dem Wind geschützt nach allen Himmelsrichtungen, Wassertiefe und Grund ideal zum Ankern. Ein Platz wie wenige. Ich blieb vier Tage.

    Blick von Antiparos nach Westen: Vorne links das unbewohnte Tsimintiri. Dahinter die Insel Despotiko. Und fern am Horizont Sifnos.

Meiner Gewohnheit folgend, nutzte ich den späten Nachmittag, um mit meinem Dinghi Streifzüge zu unternehmen. Zuerst nach Antiparos – da wars touristisch. Dann nach Tsimintiri (im Bild ganz oben): baumlos, strauchlos, menschenleer, und der Meltemi treibt aus Nordwesten die Brandung an die Felsen. Doch plötzlich stehe ich – wie fast immer auf den Ägäis-Inseln und vorher schon auf Milos – in antiken Tonscherben. Die ersten Spuren uralter Besiedlung. 

Am Dritten Tag dann mit dem Dinghi hinüber nach Despotiko selber. Das Dinghi an Land gezogen und vertäut und langsam Richtung Gipfel marschiert. Und plötzlich finde ich – oder es findet mich – dies:

Ein weitläufiges Areal. Grundmauern aus behauenen Quadern. Die Reste einer Tempelanlage der Antike – ein Kultplatz, vielleicht nicht so groß wie Olympia, aber beeindruckend mit den fast fugenlos aufeinandergelegten Quadern, den üppigen Grundrissen, den Säulen mitten auf dieser vergessenen, nur von einem Schäfer bewohnten Insel, dessen Hunde mich aus der Ferne anbellen, während ich allein durch die Ruinen streife.

                                                                                                                     Weiterlesen über das Heiligtum von Olympia: hier.

Kein Zweifel: dies muss in der Antike ein bedeutendes Heiligtum gewesen sein, ein Ort, den zuverlässig untereinander streitenden und kriegenden Hellenen ein Stück Gemeinsamkeit zu schaffen. Was ich fand, ist dies:

Es ist das antike Prepesinthos, ein Heiligtum, im sechsten, siebten Jahrhunderts vor Christus dem Apoll errichtet. Ein zentraler Ort, den die Menschen vor 2.600 Jahren mit einer Bitte, einem Gebet, einem Flehen oder einem Dank aufsuchten. Ein Ort, an dem sie den Göttern, einem Gott, Apoll, ein Opfer, ein Geschenk darbrachten. Manche Gold. Manche eine Figur. Andere nur einen Krug. Oder einen tönernen Weinbecher, in dessen Boden sie mit ungelenker Hand „Für Apoll“ ritzten.

Aber etwas stimmt nicht mit diesem Ort. Irgendetwas ist falsch. Und das hat mit dem marmornen Abbild des „Kouros“, des Jünglings, zu tun, den man im Bauschutt der weitläufigen Ruinen fand. Denn der Kouros, vielmehr die vollständige Statue, war nur wenige Jahre in Prepesinthos aufgestellt. Der Kopf wurde etwa um 560 vor Christus geschaffen, und dies unergründliche Lächeln, das der Jüngling zeigt, verschwand nur wenige Jahre später im Erdboden: die Statue wurde zerstört – keine 70 Jahre, nachdem der Künstler sie geschaffen hatte. Zerstört nicht durch Erdbeben oder eine Naturkatastrophe. Sondern durch militärische Gewalt, durch absichtsvolle Zerstörung. Um danach in Trümmern als Baumaterial Verwendung zu finden.

Man ging zunächst von lokalen Unruhen aus. Dann von den Perserkriegen, in denen Naxos und Paros als wichtiger Trittstein für die Perser auf dem Weg nach Athen eine große Rolle spielte. 

Aber die jüngste Spur ist weit spannender. Sie führt nach Athen. Und mitten hinein in das größte Ereignis der griechischen Antike: Den Einmarsch der Perser mit ihren gewaltigen Heeren nach Griechenland. Und den Sieg der Athener über diesen Feind. Die Spur führt von der vergessenen Insel Despotiko zu Miltiades, dem Strategen, der die athenischen Truppen in der Schlacht von Marathon zum Sieg führte. Miltiades, der als größter Feldherr seiner Zeit galt. Der ein Jahr nach seiner erfolgreichen Kampagne von seiner Heimatstadt Athen beauftragt wurde, die Insel Paros zu unterwerfen. Aber die Bewohner von Paros und der umliegenden Inseln ließen sich nicht unterkriegen. Leisteten erfolgreich Widerstand, und es war vermutlich während dieses Kriegszuges, dass das nur wenige Meilen vor Paros liegende Apollon-Heiligtum von Griechen zerstört wurde. Und das Lächeln des Kouros für 2.500 Jahre im Erdboden verschwand.

Miltiades wurde auf diesem Feldzug am Bein verwundet. Und wegen seines Fehlschlags von Paros in Athen angeklagt. Man war gnadenlos: Auf einer Krankenbahre hatte sich Miltiades vor Gericht für seine misslungene Expedition zu rechtfertigen. Es verurteilte ihn zu einer hohen Geldstrafe. Sie war so hoch war, dass er sie – wiewohl vermögend – nicht begleichen konnte. Also verurteilten ihn die Richter zu Gefängnis.

Miltiades, der seine Vaterstadt vor den Persern gerettet hatte, starb an den Folgen seiner Verletzung von Paros, noch bevor sie kamen, ihn zu holen.

Als ich zurück zum LEVJE rudere, bin ich nachdenklich. Zum ersten Mal ist draußen über dem Meer Nebel. Eine erste Ahnung von Herbst ist da, selbst hier in der Ägäis. Wo die vergessenen Inseln dem, der zuhört, leise gute Geschichten ins Ohr flüstern..

   Wo liegt Despotiko? Und wie segelt man nach Despotiko? So. Einfach auf dem Tablet vergrößern…

Es ist soweit: MARE PIÙ macht ein Buch.

Die Abenteuer beginnen, wenn wir unser Zuhause verlassen.“, sagte Blaise Pascal. 

Was über diesem Blog steht, hat mich nie verlassen, weder draussen auf dem Meer noch an Land. Es ist ernst gemeint. Es ist ein Leitstern geworden in meinem Leben. Für mich, aber auch für die, MARE PIÙ aktiv begleitet haben im vergangenen halben Jahr.

MARE PIÙ hat begonnen als Webseite über das Leben am Meer. Mit Geschichten vom und über das Meer. Und über die Menschen, die dort leben. Ich wollte Geschichten schreiben. Für die, die mich kennen. Und nicht mit auf meine Segelreise mit LEVJE konnten. 

Jetzt wird MARE PIÙ regelmässig gelesen. Und überwiegend von Lesern, die meine Lust auf Meer und vor allem die Sehnsucht auf das einfache Leben am Meer teilen. Die selber Segeln. Oder einfach nur Mitsegeln, weil sie das Leben auf dem Meer so geniessen. Das Entdecken. Aber auch, wie einfach und unkompliziert das Leben tatsächlich sein kann. Und darüber werde ich auf MARE PIÙ auch im nächsten Jahr schreiben. Genauso wie bisher.

Aber etwas wird neu sein. Aus MARE PIÙ heraus wird ein Buch entstehen. Mehrere. Hoffentlich viele. Wir haben lange überlegt. Wir haben den Beschluss gefasst. Es geht los. Was kann man schon anderes erwarten: Denn Susanne, die Idee und Entstehung von MARE PIÙ vom ersten Moment an begleitete und ich: Wir haben unser ganzes Leben gelesen. Und unser langes Berufsleben eines gemacht: nämlich Bücher. 

Aber das erste Buch, das wir planen, wird anders sein als alle Bücher, die wir zuvor gemacht haben. Natürlich wird es um’s „Auf-dem-Meer-sein“ gehen. Aber es wird ein Thema sein, das es so noch nicht gibt. Geschrieben von Autoren, die heute noch gar nicht wissen, dass sie Autoren sind. Aber die unglaublich gute Geschichten erzählen können. So wie man sie im Hafen hört. Über das Meer und über das, was es uns lehrt. Über die Weisheit des Segelns und die Fertigkeiten des Seemanns, über das, was man erlebt, wenn man unter Segeln unterwegs ist. 

Dieses Buch wird nächstes Frühjahr erscheinen. Als erstes. Und der Projektstart wird hier auf MARE PIÙ erfolgen. Noch vor Weihnachten. Mehr verraten wir nicht!

Bereit, um einzusteigen? Dann bleiben Sie dran an Mare Più. Wir halten Sie hier einmal wöchentlich über den aktuellen Stand auf dem Laufenden. Und wenn Sie nichts mehr verpassen wollen: 
tragen Sie einfach Ihre Email rechts im Kontaktfeld unter „Mare Più. News und Artikel…“ ein.
Begleiten Sie MARE PIÙ weiter.

Neuer Blogeintrag auf YACHT.de

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Wir melden uns aus La Coruña. Morgen soll es aber schon weiter gehen. Alles weitere in einem neuen Blogeintrag – diesmal auf www.yacht.de

Johannes

 

Morgen gehts weiter …

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Liebe Leser,

nach einer langen Regenzeit in Viveiro werden wir morgen früh endlich gen Westen aufbrechen. Es ist zwar immer noch Westwind angesagt, aber nur noch der Stärke 3 bis 4. In den vergangenen Tagen waren es 5 bis 7. Also wollen wir diese kurze Wetterbesserung nutzen, um nach La Coruña zu kommen. Dienstag knallt es dann nochmal ganz ordentlich, bevor der Wind Mittwoch wieder abflaut und sogar auf Ost dreht. Eine gute Chance, um das Kap zu runden und Kurs Süd zu nehmen. Natürlich ist für die folgenden Tage dann Südwind angesagt – wieder direkt von vorn. Aber vielleicht schaffen wir es trotzdem in kleinen Tagestörns nach Süden zu hüpfen.

Die Wartezeit in Viveiro war lang und strapazierend. “Schiffe werden im Hafen bei schlechtem Wetter immer kleiner”, hat unser Nachbar Bert von der “Heimkehr” geschrieben. Das haben wir genauso empfunden. Deshalb können wir es auch kaum erwarten, morgen wieder die Segel zu setzen. Trotz des vielen Regens gab es aber auch immer mal kurze, lichte Augenblicke. Wir haben hier in der vergangenen Woche sicher zehn Regenbögen gesichtet.

Johannes