Kroatien im November. Von Zadar Richtung Triest. (2)
Philipp, 28, Hörer unseres Segelmythen-Podcasts SEGELN IST MEER! bat vergangene Woche um Infos über Segeln im Winter-Halbjahr. Und die Unterschiede zum Sommersegeln. Im vorigen Post gab ich einen ersten guten Einblick in die Gegebenheiten und beschrieb meinen Allerheiligentag auf dem Meer von Zadar nordwärts, wo ich in Susak ankern wollte. Doch daraus sollte nichts werden…
Die Greben – ein 2 Seemeilen langer und gerade mal ein Fußballfeld breiter Felsrücken auf dem Weg nach Norden.
Am Nachmittag dieses zweiten Tages hatte sich das Licht verändert. Irgendwo auf Höhe der Greben, dem markanten Saurier-Rücken östlich der Insel Premuda, hatte sich der Himmel bewölkt. Das Licht war fahl geworden, Allerseelen-Friedhofswetter über den nördlichen Inseln Kroatiens. Der Wind war lange vor Susak eingeschlafen, Levje brummte unter Motor nach Norden. Wie geplant lag um kurz vor 17.00 Uhr der Hafen der Insel Susak vor mir. Aber anders als im Sommer lag die Insel an diesem frühen November-Abend irgendwie trostlos da. Trostlos. Einsam. Und ungastlich. Ich beschloss, weiterzufahren.
So sehr wir dazu neigen, unser Gehirn als einen vollkommen rational vorgehenden Denkapparat zu betrachten, so wenig stimmt das. Unser Gehirn schickt unsere Gedanken auf eine eigene Reise. Lässt uns unsere Entscheidungen treffen aus Gründen, die alles andere als rational sind. Und manchmal richtiger sind als jede rational begründete Entscheidung.
Ich blickte kurz in den letzten Wetterbericht, verglich die verschiedenen Wettermodelle für die kommenden Tage auf PREDICTWIND, wie ich es auch in meinem Webinar getan hatte. Für heute Abend Südwest 13-15kn. Morgen ab 7.00 Uhr Südwest 20 Knoten. Und dann ein Zeitfenster bis 11 Uhr wo der Wind auf Südwest 25 Knoten klettern würde. Ein Zeitfenster, das sich spätestens am Nachmittag schließen würde, wenn der Wind auf Windstärke 7 und am Abend auf 8 gehen würde. Mein Plan war, In Susak übernachten und morgens um halb sieben mit dem ersten Licht los und in vier Stunden den offenen Meeresarm des Kvarner hinter mir lassen, um mich dann vor dem Sturm in Pula zu verkriechen.
Aber irgendwie schien mir das alles „auf Kante genäht“. Es würde ungemütlich werden auf dem Kvarner, wenn der Starkwind nicht erst um 10, sondern schon früher einsetzte. Ich beschloss weiterzufahren und den Kvarner noch in der anbrechenden Nacht hinter mich zu bringen.
Doch so einfach ist das im Leben ja oft nicht. Beim Routinescheck der Lichter in der Abenddämmerung fiel mir auf, dass die Batterie trotz laufender Maschine nicht mehr geladen wurde. Ich ließ Levje weiterlaufen unter Segel, stellte die Maschine aus. Und beschloß, mir den Keilriemen mal näher anzusehen, den ich seit Tagen argwöhnisch beäugte. Er war tatsächlich auffällig dünn geworden, sah zwar intakt aus. Aber beschloss, ihn dennoch mal testhalber auszubauen und durch einen neuen zu erstzen. Ein kurzer Blick draußen, ob alles frei vor mir ist. Dann holte ich Arbeitshandschuhe, Schraubenschlüssel und tauschte den Keilriemen gegen einen neuen, ich habe immer zwei dabei. Nach 10 Minuten war das
erledigt. Die Batterie saugte sich nach dem Start der Maschine fast genüßlich mit Strom aus der wieder laufenden Lichtmaschine voll. Keine Minute zu früh. Susak lag hinter uns. Der Wind frischte auf. Ich musste mich nun in der Dunkelheit um mein Schiff und die Segel kümmern. Wir schoben beachtlich Lage und schossen mit 7-8 Knoten in die Schwärze über dem Kvarner.
Wo blieb bloß der Mond? Vor meiner Reparatur hatte ich mir den Mondaufgang aus dem Internet geholt. 19.05 Uhr sollte er über Pula aufgehen. Aber statt des Mondes zeigte sich nur ein Blitz im Nordosten über Cres. Wieso ein Blitz? Die hatten doch kein Gewitter vorhergesagt?
Ich prüfte die Situation auf www.blitzortung.org. Tatsächlich hatte die Website drei Blitze über Cres erfasst. Der Mond zeigte sich immer noch nicht. Aber dafür mehr Blitz. Sie waren nun rechts und links von mir und erhellten die Nacht, je näher ich dem Leuchtturm von Porer kam. Eineinhalb Stunden später hatte sich der erste Blitz zu einem gewaltigen Gewitter ausgewachsen, das bis zur Insel Lastovo vor Südkroatien reichte:
„Mist. Wir haben hier Gewitter!“ schrieb Tatjana. Sie lagen mit ihrem Katamaran, der Goere, im Norden der Insel Hvar. „Ich weiß“, schrieb ich Tatjana zurück, „ich hab den ersten Blitz der Front vor zwei Stunden gesehen.“Tatjana schickte nur ein Icon mit Händen, die vor einem Gesicht zusammenschlugen.
Jetzt nur schnell drunter durchgehuscht, bevor mich die Böen in den Untiefen um den Leuchtturm von Porer erwischen. Ich schlich in der Dunkelheit in ungewöhnlich weitem Bogen um die unsichere Gegend. Dann setzte Starkregen ein, der vom Norden gegen die Sprayhood prasselte. Ich dachte an den alten Spruch, der bislang immer stimmte auf dem Meer im Gewitter:
„Kommt der Wind vor Regen,
Skipper kann sich schlafen legen.
Kommt der Regen vor Wind,
Skipper: Birg‘ die Segel geschwind.“
Ich rollte im Starkregen die Genua ganz dicht ein. Dann setzte ich ins Groß ein zweites Reff. Keine Minute zu früh. Ein harter Puster aus Norden kam. Beeindruckte 5 Minuten. Dann waren Regen und Böen mit einem Schlag vorbei. Und dann zeigte sich endlich auch der Mond. Er war – fast noch als Vollmond -tatsächlich um 19.05 Uhr aufgegangen. Aber die Wolken, die zuvor am Nachmittag für fahles Licht gesorgt hatten, hatten auch sein Licht vollständig geschluckt. Erst die Wetterbesserung nach dem Gewitter ließ die Nacht hell werden. Zumindest sah ich jetzt voraus, wo Levje nun hinfuhr.
Gegen 22.00 Uhr erreicht ich die Bucht von Valbandon östlich der Brioni Inseln. Sie ist mein ständiger Nacht-Ankerplatz, weil dort ein Fluß mündet und der Boden lehmig ist und gut hält. Ich dachte, ich werde dort eine ruhige Nacht verbringen. Aber daraus wurde nichts. So schön das Licht am Morgen war: Es wurde eine unruhige Nacht. Erst dieser Tag sollte zeigen, wie richtig es war, die Nacht durchzufahren und den Kvarner hinter mich zu bringen. Aber darüber, wo das wirkliche Abenteuer dieser Tage begann, schreibe ich im Teil (3).




Für erfahrene Segler gelten Schiffe der NORDSEE Serien, aus der Feder von Dübbel + Jesse in Norderney als Inbegriff für Seetüchtigkeit. Was kaum einer weiss, mich eingeschlossen, dass in Norderney auch die Konstruktionszeichnung dieser Risse vereinzelt verkauft wurden. Und so ergab es sich in den 70 Jahren, dass Udo Schröder, lebenslang Konstrukteur von Containerschiffen bei der SIETAS Werft in Cranz – und Segler! – einfach einmal Lust verspürte, ein paar Segeljachten für den Eigenbedarf zu bauen.
Zwei Kaskos wurden hernach zügig ausgebaut und komplettiert, eines davon ist dann nach Australien versegelt, das zweite segelt in heimatlichem Revier bis heute. Der dritte Kasko, eben jener von Udo Schröder, ging schlafen im Vor- oder Hintergarten in Buxtehude. Die Lebenspläne hatten sich ein wenig geändert, das Schiff ging in Tiefschlaf und wartete auf bessere Zeiten. Soll ja schon mal vorkommen, weiss doch jeder.
Dirk Will hat die Theia nach 30 Jahren in Buxtehude entdeckt, sie dort aus dem Dornröschenchlaf erweckt, per LKW nach Eckernförde transportiert, dort zunächst den Kasko mit einer neuen Maschine ausgerüstet, sie dann schwimmfähig auf eigenem Kiel an die Schlei verbracht, wo sie in den Folgejahren in Fleckeby in Eigenarbeit zum segelnden Schwan vollendet wurde. Erstwasserung ungefähr in 2014. Windpilot am Heck ein paar Jahre später.
Ein Leben in der richtigen Reihenfolge: ein überaus solides Schiff, ausgerüstet mit einfacher und solider Technik … und einem Plan, den man fast mit geschlossenen Augen sehen kann.
Zwei Menschen, die Hand in Hand durchs Leben gehen, wie es auf See kaum eine bessere Zusammensetzung geben könnte.

Das Schiff ist ein Ableger der Nordsee 34 von Dübbel und Jesse, das vom Voreigner (Schiffskonstrukteur Udo Schröder / Sietas Werft ) modifiziert und neu berechnet wurde. Geänderter Aufbau und mehr Volumen im Achterschiff.
Die Theia erhielt einen neuen Motor, eine komplette Isolierung mit 19mm Armacell und einen recht einfachen aber gemütlichen Innenausbau. Durch die Isolierung gibt es in diesem Schiff kein Schwitzwasser. 6 hochwertige Aluminiumfenster mit Klemmrahmen (keine Bohrungen) und eine hochwertige Vetus Luke auf dem Vorschiff. Das Boot ist innen staubtrocken.






