Kategorie: Atanga

Inselrundfahrt mit modernem Sevusevu

Mi.,12.Jul.23, Fiji/Vanua Levu/Savusavu, Tag 3329, 26.191 sm von HH

Wir mieten uns ein Auto, um etwas von der zweitgrößten Insel Fijis kennen zu lernen. Die 180.000 Einwohner von Vanua Levu verteilen sich fast ausschließlich auf die Küstenstreifen. Das Inselinnere ist bergig – immerhin knapp über tausend Meter hoch- mit Urwald bewachsen und unbewohnt. Eine Straße führt quer über die Insel zum größten Ort, nach Labasa. Die restlichen Straßen führen an der Küste entlang.

Üppiges Grün in der Inselmitte

Ein Blick zurück. Auf der anderen Seite der Bucht liegen Savusavu und Atanga

Das Auto ist die abgewohnteste Kiste, die wir je gemietet haben. Alle Kontrolllampen leuchten rot: Kühlwasser, Airbag, ABS und Anschnallen. Ein gutes Zeichen, zeigt es doch, dass immerhin die Leuchtdioden der Kontrollleuchten noch funktionieren. Über das staubige Armaturenbrett huschen winzige Ameisen. Abschließen kann man die Gurke ebenfalls nicht. „Der Wagen ist tip top“, findet unser indischer Vermieter, „alles funktioniert.“
Achim macht einen Bremstest. Daumen hoch. Mehr wäre überbewerteter Firlefanz. Los geht’s.

Wir fahren zuerst in die Berge und bleiben auf der Hauptstraße. Kommen an bescheidenen Dörfern vorbei. Angrenzende Felder werden mit der Hand beackert. Sobald man uns sieht, wird auch von weitem gewunken. Dabei ist es nicht so, dass es keine Touristen auf Vanua Levu gibt. Vor allem im Osten stehen einige Urlaubs-Resorts. Und die Marinas in Savusavu und dadurch dass man hier einklarieren kann, lockt es natürlich auch viele Segler hierher.

Typisches Dorf rechts und links der Hauptstraße

Feldarbeit ist Handarbeit – als die Bäuerin uns im Auto entdeckt – reißt sie sofort die Arme hoch

Ein kleiner Friedhof – viel Plastikmüll – Blumendeko wird zig-fach in Folie gewickelt

Müllabfuhr vor uns

Für einen als sehenswert angepriesenen Wasserfall verlassen wir die Hauptstraße. Steil geht es auf einem unbefestigten Weg ins Tal. Ein Schild, wo es zum Wasserfall geht, sehen wir nicht. Wir folgenden der Straße bis zum Dorfrand. Dort stoppen uns zwei Feldarbeiter. „Ihr müsst erst ein Sevusevu bezahlen, sonst dürft ihr nicht ins Dorf.“ Natürlich hatten wir vorher schon von der Tradition des Sevusevu gelesen. Fremde Besucher eines Dorfes (egal, ob Einheimische oder Touristen) müssen ein Geschenk an den Chief des Dorfes überreichen. Hierbei handelt es sich um ein Bündel trockener Wurzeln des Rauschpfeffers. Dieses Kraut kann man Bündelweise auf dem Markt kaufen. Aus den Wurzeln wird dann das Kava „gebraut“ und gemeinsam mit den Besuchern getrunken. Zumindest meistens. Kommen viele Besucher wird auf das Trinken schon mal verzichtet. Danach darf man sich im Dorf frei bewegen.
Wir hatten angenommen, dass die Sevusevu-Tradition nur noch auf den abgelegenen Inseln zelebriert wird und sind ohne Kava-Wurzeln unterwegs.

Ohne Kava wollen wir nicht ins Dorf fahren. Sind unsicher, was wir machen sollen und suchen einen Platz zum Wenden. Da kommt schon ein Opa auf uns zu gehumpelt. „Sevusevu abliefern da hinten“, deutet er freundlich auf ein größeres Haus. Ich erblicke eine Frau, die aus einem Haus stürmt und fast im Laufschrift auf uns zueilt. „Bula. Folgt mir. Dahinten könnt ihr euer Sevesevu bezahlen.“  Wir fahren langsam hinter ihr her. Ein junger Mann eilt heran. Er spricht am besten Englisch. Wir erzählen ihm, dass wir kein Kava dabei hätten. Kein Problem, mit der Zahlung von 10 Dollar pro Person wäre das auch abgegolten. Wir steigen aus dem Auto. Weitere Frauen sind inzwischen herbei gelaufen gekommen. Wir werden in das große Haus gebeten. Schuhe aus natürlich. Die Frauen haben inzwischen alle Platz vor geflochtenen Matten mit Kunsthandwerk genommen. Im Grunde spricht nur der junge Mann Englisch. Die Frauen verstehen wir nicht, aber klar ist, dass wir etwas kaufen sollen.
„Ihr wollt den Wasserfall sehen, oder?“ Wir nicken. „Dazu müsst ihr Sevusevu bezahlen.“ Wir nicken wieder. Achim übergibt die geforderten zwanzig Dollar. „Die Straße zurück. Da ist ein Parkplatz. Ins Dorf dürft ihr nicht, da ihr kein Kava habt.“  Der junge Mann bietet noch freundlich an, uns den Weg zu zeigen. Wir können ihn überzeugen, dass wir es sicher alleine finden.

Das Dorf mit dem Wasserfall

Wir steigen ins Auto und fahren ein paar Hundert Meter zurück. Am Parkplatz steht eine kleine Überdachung. Eine Frau sitzt dort im Schatten. „Bula! Habt ihr schon eurer Sevusevu bezahlt?“ Wir nicken und gehen den hübsch angelegten Weg bis zum Wasserfall. Als wir zurück kommen, fahren gerade zwei weitere Touristen-Autos in das Dorf.

Ein schöner Weg führt zum Wasserfall

Der Wasserfall

Orchideen in der Astgabel eines gewaltigen Baumes

Bewohner am Wasserfall

Nach dem Berg-Abenteuer fahren wir an der Küste entlang. Richtung Osten, dort wo die Resorts stehen. Auf den Besuch eines weiteren Dorfes verzichten wir.

Kein Strand an der Hauptinsel – es wird bei Ebbe eine Korallen-Schotterfläche trocken gelegt

Einfahrt zum Resort – kein Sevusevu, trotzdem für uns tabu

Kleine Inselchen vor dem Außenriff

Noch ein Inselchen


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Fiji überrascht uns!

Mo.,03.Jul.23, Fiji/Vanua Levu/Suvasuva, Tag 3320, 26.191 sm von HH

Insgeheim hatten wir ein wenig Französisch Polynesien 2.0 erwartet. Aber nein. Ganz falsch. Fiji – die englische Schreibweise von Fidschi – ich bleibe beim englischen Ausdruck, sie ist kürzer und sieht lustig aus.
Fiji ist total anders. Exotisch, bunt durcheinander gemixt an Kulturen.
Der quirlige Busbahnhof im Ort mit Transportmitteln aller Art erinnert eher an Südamerika. Die Menschen erinnern eher an Afrika. Die Melanesier  (aus dem Griechischen: melas –schwarz; nesos – Insel) haben dunkle Haut und schwarzes Kraushaar. Sie sind die ursprünglichen Bewohner Fijis und haben die Inseln wahrscheinlich schon vor über 3000 Jahren besiedelt.
Sie sind genetisch mehr verwandt mit den australischen Aborigines als mit Polynesiern. Die Melanesier stellen allerdings nur 57 Prozent der Bevölkerung. Über ein Drittel der Einwohner ist indischer Abstammung. Vor knapp 150 Jahren holten die damaligen britischen Kolonialherren Inder als Arbeiter auf Zuckerohrfelder. Viele sind geblieben. Der Rest der Bevölkerung sind Polynesier (und noch ein paar Minderheiten: Chinesen und Weiße). Die Polynesier leben aber eher auf den Außeninseln von Fiji.

Krause Matte – typisch für Melanesier – nicht immer pechschwarz – manchmal sogar etwas rotstichig

Wir landen also in einem bunten Kessel an Kultur. Die Melanesier, groß und von kräftiger Statur. Daneben die schmalhüftigen Inder, die kaum das halbe Gewicht auf die Waage bringen. Sie tragen Tilaka oder Bindi Male auf der Stirn und am Haaransatz. In den indischen Geschäften schallt lautstark übelste Bollywood Musik aus den Lautsprechern. Seit Portugal sind die „ich-habe-alles-was-du-an-Plastik-brauchst-im-Angebot-Läden“ in chinesischer Hand. Erstmals finden wir indische Betreiber vor. Ihre Esskultur hat sich auch im Street Food durchgesetzt: Currys und Rotis duften an jeder Ecke.
Die Melanesier sind unglaublich fröhlich und freundlich. „Bula, Bula“, werden wir gegrüßt. Schnell muss man Hände schütteln, wenn wir erfolgreich verstehen, wo wir eine Busfahrkarte kaufen können. Schulterklopfen. Begeisterung über die dummen Ausländer macht sich breit. Schulkinder winken uns aus den vorbei fahrenden Schulbussen zu. Die indisch stämmigen Fijianer sind etwas zurück haltender in ihrer Art.

Kultur-Mix – die melanesische Marktfrau verkauft Roti – aber auch Thunfisch mit Tomatensauce, Ei und Cassava (Maniok)

Seit 50 Jahren ist Fiji unabhängig. Zurück geblieben von den Engländern ist Englisch als eine von drei Amtssprachen. Untereinander sprechen die beiden Gruppen allerdings ihre Sprachen: Bauanisch oder Fiji-Hindu. Hinweis-Schilder sind somit häufig dreisprachig verfasst. Übergeordnet wird dann auf das gemeinsame Englisch zurück gegriffen.
Wenn man sich jetzt freut, dass vor Ort Englisch statt Französisch gesprochen wird, kommt schnell die Ernüchterung. Der Akzent ist heftig. Weich und rund gemurmelt, werden Worte bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Na, aber immerhin werden wir verstanden. ;-)

Die Kleiderordnung der Frauen ist konservativ – Knie und Schultern sollten bedeckt sein – in der Stadt werden Ausnahmen bereits toleriert

Das Knie-Verbot-Problem wird mit Walleröcken oder einem Sulu (Fiji Name für Pareo oder Sarong) gelöst

Zur Schuluniform der Jungs gehört ein Rock

Und uns ereilt noch ein ganz besonderer Schock: die Preise! Nach zweieinhalb Jahren Franz Poly und anderthalb Jahren Neuseeland denken wir erst, wir machen einen Fehler bei der Umrechnung. Aber nein, eine gute Portion Lamm-Curry mit Reis kostet wirklich nur 3,20 Euro im Restaurant. Eine Flasche Bier dazu – 0,75 Liter Flasche bestes Fiji-Bitter – das Gleiche. Ein Liter Diesel an der Tankstelle etwas über einen Euro. Unsere Mooring an der Atanga hängt, belastet grade mal 6,50 Euro am Tag die Bordkasse. Okay, Nescafé und Salami sind teuer. Wäsche waschen ebenfalls, aber die meisten Sachen sind sehr preiswert aus unserer Sicht.

Das Angebot auf dem Markt ist nicht das bunteste – was wir je gesehen haben – aber ausreichend und günstig

Die Fischabteilung auf dem Markt spricht uns nicht an – in diesen Truhen liegen die Fische in geschmolzenem Eis

Das Lebensmittel-Angebot ist reduziert in Savusavu. Bei ungefähr 9.000 Einwohnern nicht anders zu erwarten. Aus zwanzig Meter Fleischtheke in Whangarei sind zwei Meter geworden. Davon zwanzig Zentimeter Hühnerfüße. :mrgreen:
Es sind im Wesentlichen zwei Sorten Fleisch im Angebot: Huhn und Lamm (wahrscheinlich den Indern geschuldet). Zusätzlich haben wir im Ort noch einen Schlachter entdeckt, der hat tiefe Kühltruhen mit etwas Rind im Angebot.
Das Fleisch ist tief gefroren und wird zum Teil mit der Bandsäge in kundenfreundliche Klötze gesägt. Heute dachte ich, ich kaufe halbe Hühnerbrüste mit Flügel dran – nach dem Auftauen tauchten aber nur Flügel auf. Also Planänderung beim Kochen. Das Abenteuer Fiji hat begonnen.

Kleines Angebot an der Fleischtheke – aber alles hygienisch und mit Überraschungen nach dem Auftauen

Blick von Atanga auf Savusavu

Das Mooringfeld in der Morgensonne

Wohnhaus der Polizei-Mitarbeiter

Wohnhaus etwas außerhalb vom Ort

 


14

Von NZ nach Fiji – Die Ankunft

Di.,27.Jun.23, Fiji/Vanua Levu/Suvasuva, Tag 3315, 26.080 sm von HH

Die letzte Nacht verläuft ereignislos. Wir motoren uns bei Windstärke 1 unserem Ziel entgegen.  Auf den Totenköpfen, die wir passieren, brennt überraschend wenig Licht. Nur einzelne Behausungen scheinen es zu sein, nicht mal kleine Dörfer. Dann ist das Gewirr aus Inseln vorbei und wir nähern uns unserem Ziel: Savusavu. Der kleine Ort hat keine 10.000 Einwohner und liegt auf Vanua Levu, der zweitgrößten Insel von Fiji.

Pünktlich um 8:00 Uhr, wenn die Marina Büros öffnen, erreichen wir unser Ziel. Es gibt vier Marinas in Savusavu. Alle liegen geschützt hinter ein paar vorgelagerten Inselchen, die zu Vanua Levu eine Art Kanal bilden. Wir haben uns für die äußerste Marina entschieden. Über Funk melden wir unser Kommen an. Gleich darauf kommt ein Marina-Mitarbeiter mit einem Boot angedüst und weist uns eine Mooring zu. Stege gibt es keine in der Waitui Marina.

Nach 1.434 Meilen haben wir unser Ziel erreicht. Unser viert längster Törn. Wir mochten ihn nicht so (abgesehen von Tag 2 und 3 und dem Stopp in Minerva). Es war zu wenig Wind und der war zu wechselhaft. Wir haben häufiger die Segelstellung geändert als alle neun Jahre zusammen.

Die Passeinfahrt auf der Westseite vom Minerva Riff

Minerva – überirdisch schön

Atanga in Minerva

Riffkante

An der Ostseite vom Minerva Riff bricht sich die Dünung – bestimmt 1,5 Meter

Die Flaute ist wunderschön

Coole Muster am Horizont

In absoluter Flaute bilden die brechenden Wellen ein Kaleidoskop

Mondsichel auf Pastell

Die Marina meldet unser Erscheinen an die Behörden weiter. Nach einer Stunde wird eine Dame vom Gesundheitsamt gebracht. Mit viel Not bekommen wir die kräftige Dame auf Atanga gehievt. Sie nimmt es mit Humor.“Bula, bula“, schallt uns als Begrüßung entgegen. Sie wirft einen Blick auf unsere Schrankinhalte ohne sich ernsthaft zu interessieren. Ein paar Formulare, Unterschriften und richtigen Antworten zu unserem Gesundheits-Zustand später, zieht sie wieder von dannen. Ach ja, sie lässt noch eine Rechnung da über 163,50 Fiji Dollar (65 Euro). Die seien im Krankenhaus zu bezahlen. In bar. Und bitte passend das Geld mitbringen.

Eine Stunde später kommt der nächste Trupp: Zoll, Immigration und Umwelt-Sicherheit. Bula! Die drei haben noch mehr Formulare, noch mehr Unterschriften sind zu leisten. Ein bisschen Angst haben wir vor dem Zoll. Nach Alkohol wird in einem Formular gefragt. Ich lüge dreist. Den für Französisch Poynesien gebunkerte Wein, den wir hier nach Fiji gar nicht einführen dürften, wird nicht kontrolliert. Schwein gehabt.
Der Umwelt-Mann ist der Gefürchteste. Haben diese Angestellten doch die Macht, alles zu beschlagnahmen, was ihnen nicht angemessen erscheint. Ein Kaffee, den er sich wünscht, statt angebotene Fata oder Cola, mit scheinbar genau der richtigen Menge Milch, stimmt ihn milde. Er fragt nach Honig. Darf ich behalten. Nur nicht mit an Land nehmen, bitte. Restbestände an Zwiebeln, Kartoffeln, ein Kürbis und zwei Äpfel interessieren ihn ebenfalls nicht. Lustlos fragt er alles ab, was wir eigentlich nicht haben dürften und lässt es uns behalten. Für seine nicht geleisteten Pflichten bekommen wir eine Rechnung über 85,02 Fiji Dollar. Zu bezahlen in bar im Büro irgendwo in der Stadt auf der Rückseite von der Bank. Nach 45 Minuten verlassen alle glücklich das Boot. Nicht ohne, dass der Umweltmann noch die ungeöffnete Cola eingesteckt hat. ;-)

Der Tag ist noch jung, also beschließen wir unsere Schulden gleich heute zu bezahlen. Am Automaten ziehen wir Geld. Der spuckt nur Hunderter aus. Wir kaufen ein Getränk, um an Wechselgeld zu kommen. Den zweiten Hunderter wechseln wir in einer Wechselstube.  Dann machen wir uns auf den Weg zum Krankenhaus. Drei Kilometer Fußmarsch. Gar nicht gut für unsere Gummi-Seglerbeine. Die junge Frau an der Rezeption strahlt uns an: „Bula! Ihr seid die ersten, die es passend haben.“ Das Büro vom Gesundheitsamt erlässt uns die zwei Cent. Nett dieses Fiji. Nicht wegen der zwei Cent. Überhaupt.
Wir werden sehen und sind gespannt, aber abends fallen wir erstmal um 8:00 Uhr tot müde in die Betten.

Abfahrt bei Kaiser-Wetter

Zehn weitere Boote sehen wie wir das Wetterfenster nach Fiji

Eine heftige Dünung begleitet und sechs Tage

Der einzige Mitstreiter ab Neuseeland, dem wir nahe kommen

Verdammt kalt – auch im Salon – die ersten Tage

Die ersten Tage sind noch sehr kalt – über die Nächte sage ich lieber nix

23ter Hochzeitstag

Kalt geht es weiter – wir sind bereits in den Tropen – aber ohne Sonne ist es empfindlich kühl

Mahi Mahi – 1,20 Meter vom Kopf bis zum Keil vom Schwanz – Essen satt – 12 Kilo


25

Von NZ nach Fiji – Tag 16

Mo.,26.Jun.23, Pazifik, Tag 3314, 25.979 sm von HH
Um 20:00 Uhr brechen wir die Aktion „wir segeln nach Fiji“ ab. Der Wind geht auf zwei Windstärken runter, die Maschine geht an. Seit 18 Stunden knattern wir jetzt über den Ozean und haben nicht vor, das noch wieder zu ändern. Ankommen heißt jetzt die Devise.
Da wir nun nicht mehr auf den Wind angewiesen sind, könnten wir ja endlich direkt unseren Zielkurs fahren. Aber hahaha. Die Inselwelt von Fiji hat begonnen. Anders als in Französisch Polynesien, wo man mehrere Tage von einem Atoll zum nächsten braucht, liegen die Inseln, die uns im Weg liegen, keine zwanzig Meilen auseinander.
Schluss mit der Träumerei unter Deck. In Fiji Gewässern muss man aufpassen. Damit uns das Navigieren einfach gemacht wird, haben sich die Leute von Navionics (und unser Spielmacher) etwas ganz köstliches ausgedacht: Sie lassen die Inseln einfach verschwinden. Ist keine Insel im Weg, musste auch keinen Slalom fahren. Stellt man den Plotter auf grobe Übersicht ein – hunderte von Meilen – sind alle größeren Inseln zu sehen. Als kleine Fliegendrecke im weiten Ozean. Mirkroinseln sind in der Auflösung natürlich nicht sichtbar. Will man sich das Gebiet näher anschauen und zoomt in die Karte hinein – schwupps – Inseln weg. Zurück in den großen Maßstab – schwupps Inseln wieder da. Stellt man die Kartenansicht auf ‚Sonar‘ ein, bleiben die Inseln erhalten beim Zoomen. Allerdings fehlen dann zum Teil halbe Inseln. Da hat unsere Navionics-Karte wohl einen Fehler. Oder ist es ein Feature? :mrgreen:
Blöd. Unser schönes Schiff, grade fertig mit dem Refit, soll doch sicher um alle Klippen herum geführt werden. Zum Glück haben wir Open CPN Karten an Bord (und noch eine alte Navionics-Karte aus dem letzten Jahrtausend). Dort sind alle Inseln in allen Auflösungen zu sehen. Die Positionen der Inseln haben wir in den Plotter an Deck übertragen und mit einem Totenkopf markiert. Somit motoren wir jetzt im Slalom um Totenköpfe herum.
Die Inseln sind hügelig und grün überwuchert, wie es sich für die Tropen gehört. Die Meerestemperatur ist auf anständige 26 Grad gestiegen und letzte Nacht reichte ein dünnes Sweat Shirt, um draußen zu sitzen und nach Inseln zu gucken. Juhu. So langsam steigt die Ankunftsfreude. Noch einmal schlafen. Morgen sollten wir in Savusavu ankommen.
Tagesmeilen: 116 (davon 64 unter Maschine) Bereits gesegelt: 1333 Meilen Noch 93 Meilen bis Fiji Position: 18°17,8 S – 179°42,5 E


2

Von NZ nach Fiji – Tag 15

So.,25.Jun.23, Pazifik, Tag 3313, 25.863 sm von HH
48 Stunden nach Minerva konnten wir unseren Zielkurs segeln. Ein seltenes Ereignis auf diesem Schwachwind-Törn. Zum Teil zwar mit erheblicher Schräglage, was es nicht gerade einfacher machte, den dicken Fisch zu filetieren. Eine erste Blutprobe hat der neue Decksbelag gut weg gesteckt. Ein echter Stresstest. Nach einer Bürstenbehandlung und einigen Pützen Salzwasser sieht es aus wie vor dem Schlachtfest. Zum Abendessen gab es gebratene Filets satt plus Süßkartoffel-Mus. Schleck, yummi, schlürf. Endlich sind die extra für dieses Ereignis mitgeschleppten Limetten ihrer Bestimmung zugeführt worden. Die 48 Stunden sind seit heute Morgen um. Und wir eiern wieder. Der stürmische Wind, der zweihundert Meilen unter uns bald das Minerva Riff erreicht, schickt schon mal seine Dünung in den Norden. Zwei Meter (plus x), genau von der Seite. Der Winddruck ist jetzt einen Tick zu schwach. Das Groß fängt wieder an zu knallen. Wir benutzen alles, was an Spielzeug auf so einem Kahn eingebaut ist: Baumniederholer. Traveler nach Luv. Echte Hilfe verschafft nur etwas anzuluven. Okay, somit segeln wir knapp 20 Grad neben dem Zielkurs. Immerhin mit 3,5 Knoten. Die Maschine anzuwerfen, brächte nur 1,5 Knoten mehr und ist in dieser Dünung auch kein Vergnügen. Wir lassen das vorerst. Die ruhigen Bedingungen erleichtern mir am Vormittag das Einkochen von ein paar Gläsern Fisch. Das ist recht schnell gemacht. Die geschnittenen Fischwürfel werden in sterile Gläser gestopft ohne Zusatz von Irgendwas und im Schnellkochtopf zwanzig Minuten haltbar eingekocht. Gut zu verwenden für ein Fisch-Curry oder Fischsuppen. Heute Abend gibt es dann noch einmal gebratene Filets. Den Rest davon dann wiederum zum Mittag. :mrgreen: Verhungern müssen wir also nicht, auch wenn es im Augenblick so aussieht, als würden wir unser angestrebten Ankunftstag am Dienstag nicht halten können.
Tagesmeilen: 100 Bereits gesegelt: 1217 Meilen Noch 192 Meilen bis Fiji Position: 19°56,0 S – 179°31,0 W


3

Von NZ nach Fiji – Tag 14

Sa.,24.Jun.23, Pazifik, Tag 3312, 25.763 sm von HH
Den ganzen Nachmittag werden wir ordentlich durchgeschüttelt. Mal kommt der Wind vorlicher, mal achterlicher. Wir müssen ständig unseren Kurs korrigieren. Unser Windanzeiger funktioniert noch immer nicht. Alle Reparaturversuche im Minerva Riff waren vergeblich. Einen Wackelkontakt kann Achim ausschließen. Entweder ist es der Windgeber auf dem Mast oder die „Steuereinheit“ – der ITC 5, eine Art Datensammler für Wind, Tiefe, Geschwindigkeit und Temperatur. Wobei wir nur die Windanzeige vermissen, was für einen Fehler im Mast spricht.
In Squalls schätzen wir den Wind auf 20 Knoten, sonst vielleicht 15 Knoten. Grade als ich um 20:00 Uhr ins Bett gehen will, gibt es noch einmal ordentlich Wind. Wir überlegen gerade, doch noch für die Nacht zu reffen, als der Wind plötzlich komplett verschwunden ist. Wir sind maximal genervt. An so unsteten Wind können wir uns nicht erinnern. In der Vorhersage ist ein Gebiet von Meilen über Meilen mit gleichmäßigem Wind angezeigt. Wir motoren durch die windlose Nacht bis 3:00 Uhr morgens. Moderat kommt der Wind mit 12 Knoten zurück und schenkt uns eine langsame, aber gemütliche Fahrt. Noch immer dreht sich der Wind um 30 bis 40 Grad und hält uns ordentlich auf Trapp.
Und wir haben Anglerglück. Eben gerade haben wir erfolgreich einen Mahi Mahi (Golddorade) rein gezogen . Der ist mit 1,20 Metern (12 Kilo, wow) ebenfalls eine Spur zu groß für uns. Gleich werde ich ihn filetieren und Morgen auch etwas davon einkochen. Ein paar leere Gulasch-Gläser haben sich in der Zwischenzeit ja schon wieder angesammelt. Und vielleicht finden wir bei unserer Ankunft noch willige Abnehmer in der Marina. Jetzt im unmittelbaren Vergleich Golddorade zu entkommenen Thunfisch korrigiert Achim das Gewicht vom Thun auf 25 Kilo.
Tagesmeilen: 90 Meilen (davon 26 unter Motor) Bereits gesegelt: 1117 Meilen Noch 288 Meilen bis Fiji Position: 21°42,3 S – 179°26,5


8

Von NZ nach Fiji – Tag 13

Fr.,23.Jun.23, Pazifik, Tag 3311, 25.763 sm von HH
Der dritte Abend im Minerva Riff ist betörend schön. Die Lagune liegt ohne Regung vor uns. Am Horizont spiegelt sich die Brandung in der Wasseroberfläche. Die Spiegelungen verschwimmen zu einer Fata Morgana. Der Abendhimmel sieht aus wie ein Monet Gemälde. Pastelltöne ziehen sich bis zur Unendlichkeit. Wattewolken malen schöne Muster an den Himmel. Die kleine Mondsichel spiegelt sich auf der Lagune. Dieser Abend ist ein Geschenk. Der Umweg, den wir segeln mussten, hat sich in jedem Fall gelohnt.
Wir würden gerne noch bleiben, aber die Wind-Vorhersage holt uns in die Realität zurück. Es wird ab Sonntag stärkerer Wind aus Westen vorhergesagt. Bei 25 Knoten und mehr ist die Gemütlichkeit im Atoll sicher schnell vorüber. Wir beschließen weiter zu segeln.
Morgens weckt uns gleich der Ankeralarm. Mit Sonnenaufgang stellt sich eine erste Süd-West-Briese ein, die unsere Ankerkette streckt. Der Anker muss sich drehen, verliert wohl für ein paar Meter im Korallensand seinen Halt, um dann wieder zu greifen. Da wir ja nun schon mal wach sind, brechen wir auch gleich auf. Viele Handgriffe haben wir nicht zu erledigen. Bei der Passausfahrt haben wir einen Knoten Gegenstrom und etwas kabelliges Wasser. Der Pazifik liegt aber glattgezogen vor uns. Mit vollen Segeln können wir Kurs (337 Grad) anlegen. Sehr schönes, einfaches Segeln mit knapp vier Windstärken.
Die Freude währt nicht lange. Wir sind noch keine zwei Stunden unterwegs und haben wegen diverser Squalls schon mehrfach ein- und wieder ausgerefft. Nach der Squallphase nimmt der Wind kontinuierlich zu. Die Welle auch. Hoch am Wind kommen wir zwar gut voran (6er Schnitt zurzeit), aber es ist arg ruppig. Das Spielmacherteam leistet gute Arbeit: wir wollen nach Nord-Osten und bekommen Ostwind geschenkt. Wir wollen nach Nordwesten und bekommen Westwind. Danke für nichts und beste Grüße ins Schaltzentrum.
Tagesmeilen: 34 Meilen Bereits gesegelt: 1027 Meilen Noch 388 Meilen bis Fiji Position: 23°06,9 S – 179°09,1
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10

Von NZ nach Fiji – Tag 11+12

Mi.,21.Jun.23, Minerva, Tag 3308/9, 25.729 sm von HH
Offiziell sind wir mit überschreiten des südlichen Wendekreises, 23,5 Grad, in den Tropen angekommen. Der türkisene See um uns herum lädt zum rein springen ein. Das Wasser ist unfassbar klar. In vierzehn Meter Tiefe kann man jedes Detail erkennen. Die Wassertemperatur beträgt Nutzer freundliche 24 Grad (in Neuseeland hatten wir 16 Grad). Endlich wieder planschen. Meine Haare sind noch nicht ganz trocken, da kommt ein Funkspruch von einem der anderen Boote rein: „Meine Frau ist eben von einem drei Meter fünfzig langen Tigerhai von ihrem SUP Board gestoßen worden. Sie ist ins Wasser gefallen, konnte wieder auf Board zurück klettern und den Hai mit ein paar Schlägen mit dem Paddel vertreiben.“ Puh. So hat jedes Paradies seine Gemeinheiten. ;-)
Bei Flut, wenn es die Brandung über das Riff schafft, wackelt Atanga ganz ordentlich. Aber bei Ebbe liegen wir ziemlich ruhig. Ein wundervoller Ankerplatz. Wir schlafen erstmal gründlich aus, herrlich keine Nachtwache halten zu müssen. Wir backen ein Brot und weil bis Fiji noch ein paar Äpfel vertilgt sein müssen, gibt es außerdem einen Apfelkuchen, wo der Ofen schon grade heiß ist. Essen, kochen, lesen und faulenzen. Ein wunderbarer Ort dafür.
Am zweiten Tag schläft der Wind komplett ein. So haben wir es uns gewünscht. Wir wechseln die Atollseite und suchen uns einen Ankerplatz in der Nähe vom Pass. Über Nacht soll der Wind zurück kommen und aus Westen wehen, dann liegen wir im Osten vom Atoll aufriffig. Der Gedanke gefällt uns nicht. Der Wechsel stellt sich als gute Entscheidung raus. Da der Schwell aus Osten aufs Riff trifft, liegen wir hier noch ruhiger.
Insgesamt neun Boote liegen heute in der Lagune. Zwei Motoryachten sind gestern noch dazu gekommen. Wir sind einigermaßen überrascht über das Kommen und Gehen. Es ist anders als auf See zu sein und zu segeln. Hier wird gewohnt und normal gelebt. Man kann total die Welt vergessen. Katastrophen? Unglücke? Kriege? Die Welt könnte untergehen und wir bekämen nichts mit davon. Aber halt! Es gibt ja eine neue heiße Ware: Star Link. Immer mehr Boote haben jetzt das weltweit verfügbare Internet dabei. Auf facebook wird direkt vom Minerva Riff aus gepostet, dass erfolgreich Langusten aus dem Riff gezogen wurden. Ich habe nichts gegen das Internet, aber das nimmt dann doch etwas den Zauber aus diesem magischen Ort. Würde die Welt untergehen und wir zehn Boote wären die letzten Überlebenden, die Besitzer von Star Link wären wahrscheinlich der König von Minerva.
Tagesmeilen: 2 Meilen (rüber zur anderen Atollseite) Bereits gesegelt: 993 Meilen Noch 420 Meilen bis Fiji Position: 23°37,2 S – 178°55,3
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23

Von NZ nach Fiji – Tag 10

Mo.,19.Jun.23, Minerva, Tag 3307, 25.729 sm von HH
Der Wind ist uns gnädig und geht bereits am frühen Abend kontinuierlich runter auf die versprochenen 14 Knoten. Recht schnell legt sich die Windsee, es folgt gemütliches Segeln. Um 2:00 Uhr sind wir bis auf 10 Meilen an Minerva heran gekommen. Wir verkleinern das Vorsegel, um langsamer zu werden. Viel hilft es nicht. Am Ende müssen wir dann doch noch ein paar Stunden beidrehen. Es wird hell und wir haben Land in Sicht, ohne Land in Sicht. Das Minerva Riff ist ein Atoll, was sich in seiner Entstehungs-Phase befindet. Bei Flut ist das Außenriff fast komplett überspült, nur bei Ebbe wird Korallengeröll freigelegt. Inseln und Pflanzen existieren noch keine.
Der wohl abgefahrendste Ankerplatz auf der Südhalbkugel. Das nächste Land liegt 485 Kilometer entfernt. Minerva Nord (es gibt noch 16 Meilen südlicher ein weiteres Riff in dieser Art) ist nahezu kreisrund, hat einen Durchmesser von 6,5 Kilometer (3,5 Meilen) und nur eine schmale Einfahrt an der Nord-Westseite. Dieser Pass ist ungefähr einhundert Meter breit.
Zunächst erkennen wir nur weißen Schaum der brechenden Wellen an der Außenkante. Seezeichen gibt es keine. Aber dank der genauen Karten, die es heutzutage gibt, finden wir den Pass mühelos. Der ist einfach zu fahren, etwas kabbeliges Wasser und eine harmlose Gegenströmung erwarten uns. Das Atollinnere ist nahezu einheitlich tief – ungefähr 30 Meter. Zum Glück gibt es keine Untiefen oder Korallenblöcke, die nach Schiffen greifen. Eben noch kabbelige Hochsee, schon befinden wir uns in total ruhigem Wasser. Wir suchen uns auf der Ostseite vom Atoll einen Ankerplatz direkt hinter dem Saumriff. An den Kanten gibt es eine schmale flache Zone. Der Anker fällt auf 14 Meter.
Aber wir sind nicht alleine. Einige unserer Mitstreiter, die mit uns in Neuseeland gestartet sind, liegen bereits im Atoll vor Anker (jaaa, es scheint, wir sind die Nachhut). Ein Boot verlässt gerade seinen Platz als wir ankommen. Nachmittags kommt noch ein unbekannter Segler von draußen rein. Betrieb wie auf dem Aldi Parkplatz. ;-) Tagesmeilen: 76 Meilen
Bereits gesegelt: 991 Meilen (der direkte Weg von Neuseeland hierher beträgt übrigens 800 Meilen. Unser treppenförmiger Kurs, den uns der Wind aufgenötigt hat und dass wir vor dem Wind gekreuzt sind, statt den Wind platt von hinten zu nehmen, hat uns tatsächlich einen Umweg von 180 Meilen beschert – zwei Tage auf See – unglaublich).
Noch 420 Meilen bis Fiji Position: 23°39,0 S – 178°53,6
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14

Von NZ nach Fiji – Tag 9

So.,18.Jun.23, Pazifik, Tag 3306, 25.653 sm von HH
Ab dem Morgengrauen können wir wieder segeln. Verhaltene drei Windstärken, unter den Bedingungen werden wir noch drei Nächte auf See sein, bevor wir Minerva erreichen. Umso erstaunlicher, dass wir plötzlich einen Biss an der Angel haben. Den ersten seit unendlichen Meilen. Die Rute biegt sich verdächtig durch. Achim zieht. Der Fisch hält dagegen. Versucht abzutauchen. Schwimmt linke und rechte Hacken. Da macht es auf einmal ‚knack‘. Die Angel bricht durch (der Spielmacher hat offensichtlich den entsprechenden Knopf gedrückt :mrgreen: ). Achim gibt nicht auf. Mit Handschuhen schafft er es, den Fisch an der Sehne dichter zu ziehen. Endlich können wir sehen, was es ist. Ein prächtiger Gelbflossen-Thunfisch. Aber du meine Güte, bitte nicht – er ist riesig. Achim schafft es das schwächer werdende Tier bis auf die Badeplattform zu ziehen. Für einen kleinen Augenblick gehe ich Rezepte durch. Da reißt die Sehne (unser Freund in der Schaltzentrale leistet gute Arbeit) und der Thunfisch ist frei. Schade, aber vielleicht auch ganz gut so. Achim schätzt das ein Meter lange Tier auf mindestens fünfzehn Kilo. Das hätten wir nicht essen können. Den Haken wird er sicherlich verlieren und kann noch ein langes, glückliches Leben führen (in der Nacht sehen wir allerdings einen Fisch-Trawler auf dem AIS hinter uns – schwimm, kleiner Kerl, schwimm, gegen den hast du keine Chance).
Über Mittag nimmt der Wind auf vier Windstärken zu. So hat es auch die Windvorhersage für die nächsten drei Tage versprochen. Herrliches segeln. Es gesellen sich ein paar Regenwolken dazu. Kurze Schauer mit 20 Knoten Wind. Alles ist gut. Der Wind nimmt ungerührt der Vorhersage weiter zu. 18 Knoten Grundwind, dann 22 Knoten – Windstärke 6. Die Schauer bleiben uns erhalten, jetzt bis knapp 30 Knoten in Böen. Die Nacht ist ruppig. Am Morgen hat sich eine Welle von drei Metern aufgebaut. Weiterhin Dauerwind von über 20 Knoten.
Bei dem Wind sind es noch zwölf Stunden bis Minerva, Ankunft mitten in der Nacht (wann sonst? ;-) ) Bei dem Wind wird es allerdings für uns kein Minerva geben (der Spielmacher, die alte Backpflaume, gibt wirklich alles). Bei solchen Bedingungen erscheinen uns die Einfahrt und der Aufenthalt zu riskant. Wir hoffen, dass der Wind die nächsten Stunden deutlich abflaut. Daumen drücken, bitte.
Tagesmeilen: 99 Meilen Bereits gesegelt: 896 Meilen Noch 476 Meilen bis Fiji, noch 56 Meilen bis Minerva Position: 24°37,2 S – 178°29,2
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7

Von NZ nach Fiji – Tag 8

Sa.,17.Jun.23, Pazifik, Tag 3305, 25.554 sm von HH
Wir sind in den letzten neun Jahren ungefähr 220 Tage auf See gewesen. An viele Tage haben wir keine Erinnerung mehr, aber Tag 8 nach Fiji wird ausdrücklich im Gedächtnis bleiben.
Wer kennt „Tribute von Panem“? In diesem Film werden Probanden in einer künstlichen Welt von einem Spielmacher mit allerlei Tricks daran gehindert ihre Aufgaben zu lösen. Uns scheint, wir haben auch so einen Spielmacher, der die Knöpfe auf seiner Schalttafel drückt. Willkommen in unserer persönlichen Matrix, Tribute von Fiji.
Mit dem letzten Dämmerlicht erkennt Achim eine dunkle Front, die auf uns zu kommt. Ich bin eigentlich so weit, um mich vor meiner Nachtwache noch einen Augenblick hinzulegen. Ein Squall – kein Problem – kennen wir und reffen rechtzeitig das Großsegel. Achim in vollem Segel-Outfit. Schlauer Skipper. Ich denke so, für die fünf Minuten brauche ich nicht extra eine Segelhose anzuziehen (scheinbar nichts dazu gelernt in neun Jahren ;-) ). Der Squall kommt, es schüttet wie aus Eimern. Grade rechtzeitig schaffe ich es noch, meine Socken und Fleecehose nach unten zu kicken. Es dauert nur zwei Minuten und meine Unterhose ist klitschnass. Der Wind dreht, wir müssten eigentlich anluven. Unmöglich. Das Vorsegel ist ausgebaumt und am Wind fahren somit nicht möglich. Wir donnern mit über sieben Knoten Richtung Westen. Hey, da kommen wir her. Auf einmal rennt der Kahn, sind wir auf Kurs kriechen wir mit drei Knoten vorwärts.
Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Der Baum vom Vorsegel kommt weg und ich gehe noch für eine Stunde schlafen. Noch kommt uns nichts verdächtig vor, normaler Segelalltag.
Um 22:00 Uhr übernehme ich die Wache. In der Ferne glüht heftiges Wetterleuchten. Nach anderthalb Stunden schläft der Wind komplett ein. Ich wecke Achim. Wir starten die Maschine. Der Keilriemen quietscht erbärmlich. Noch vor der Abfahrt frisch gespannt, dreht er jetzt durch. „Achim guckt mich an: „Reicht es nicht, dass ich meine Pause unterbrechen muss? Jetzt auch noch an der Maschine herum fummeln? Mitten in der Nacht!“ Mit ein paar Andrück-Tricks überredet Achim den Riemen dann zu greifen. Wir nehmen die Segel runter, der Skipper verschwindet wieder im Bett. Das Wetterleuchten flimmert jetzt im Minutentakt.
Um 1:00 Uhr ist das Gewitter bei uns. Es steht Backbord voraus. Ich sehe erste Blitze auf der Wasseroberfläche einschlagen. Unruhig beobachte ich, dass die Gewitterzelle schnell und bedrohlich grell näher kommt. Ich ändere den Kurs um dreißig Grad nach Osten. Bloß weg von dem Biest. Unter Maschine schaffen wir 5,5 Knoten. Alle zwei Minuten ein Blitz. Mir wird mulmig. Ich korrigiere noch einmal den Kurs um weitere zwanzig Grad. Das Teil kommt näher. Mir fängt der Spielemacher an auf den Geist zu gehen.
Während ich noch so darüber nachdenke, was ein Blitzeinschlag für Folgen hat, höre ich unsere Bilgepumpe gluckern. Im Cockpit hört man sie am besten, da Wasser im Schiff über die beiden Lenzrohre im Cockpit nach außen gepumpt wird. Es blitzt, der Donner folgt vier Sekunden später. Wieder gluckert die Pumpe. Blitz. Donner. Gluckern. Dann hört das Gluckern gar nicht mehr auf. Was soll das? Ich hechte nach unten. Und tatsächlich, die Alarmlampe der Bildgepumpe steht auf Dauer-Rot. Ich hechte mit wackeligen Beinen einen Raum weiter, Achim wecken. „Aufwachen, aufwachen, unsere Bilgepumpe hört nicht mehr auf zu pumpen“. Ich sehe in tellergroße Augen. Achim sprintet in den Salon. „Mach die Maschine aus, damit ich das Wasser besser sehen kann“ [O-Ton :lol: ]. „Nein geht nicht“, rufe ich ihm zu, „wir müssen weg hier, wir haben ein Gewitter, was über uns hinweg zieht.“
Achim hört schon gar nicht mehr hin. Hecktisch reißt er Bodenbretter hoch. Leuchtet hierhin und dahin. Wo kommt das Wasser her? Er öffnet die Klappe vom Maschinenraum. Da steht bereits Wasser und über eine schmale Rinne kommen schwallartig größere Mengen nach. Wir gucken uns entsetzt an. Jetzt geht mir der Arsch auf Grundeis. Das erste Mal auf See, dass ich echt Angst habe. Zum Glück hört man unter Deck wegen des Dröhnens der Maschine das Donnern vom Gewitter nicht. Achim sucht hektisch die Quelle für den Wassereinbruch. Ich kontrolliere, ob wir dem Gewitter entkommen. Und ich sammele wichtige Dinge zusammen. Unsere Segelklamotten, die Handfunke. Ich lege eine Hand an die Eprib (unsere Rettungs-Boje), um mich schon mal mit dem „von der Wand reißen“ anzufreunden. Achims Geschmackprobe ergibt: wahrscheinlich Süßwasser. „Mach mal schnell die Sicherung von der Frischwasser-Pumpe aus!“ Wir warten. Nach ein paar bangen Minuten und weiteren Pumpen-Glucker-Geräuschen ist Ruhe. Wir werden nicht sinken!
Wir sinken gemeinsam erschöpft auf die Cockpitbank. Uns ist der Schreck ganz schon in die Glieder gefahren. Puh, das war ein Detail zu viel des Guten. Wir zeigen unserem Spielemacher den Stinkefinger. Auf dem Radar sehen wir, dass das Gewitter jetzt genau auf unserer Kurslinie sitzt. Die Flucht nach Osten mit Kurs 90 Grad (wieder knapp zwei Stunden weg vom Ziel) war die richtige Entscheidung. Wir atmen auf. Wir sind die Helden in unserer Matrix.
Am nächsten Morgen wechselt Achim den Keilriemen und findet den Fehler an der Wasserleitung. Eine Rohrverbindung hat sich „losgeschraubt“. „Das geht eigentlich gar nicht“, erklärt Achim mir, „das ist eine Verschraubung mit Widerhaken, die kann sich gar nicht lösen. So was kommt nur in Filmen vor.“
Tagesmeilen: 88 Meilen (davon 43 unter Maschine – ab Mitternacht kein Wind bis zum Morgengrauen).
Bereits gesegelt: 797 Meilen Noch 572 Meilen bis Fiji, noch 156 Meilen bis Minerva Position: 26°20,3 S – 179°12,3


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Von NZ nach Fiji – Tag 7

Fr.,16.Jun.23, Pazifik, Tag 3304, 25.466 sm von HH
Wir kommen voran, aber mühsam. Bis drei Uhr morgens segeln wir weiter hoch am Wind, dann schläft der Wind erneut ein. Der Schwell, der uns eine Woche begleitet hat, hat sich tot gelaufen. Ruhig liegen wir in der sternenklaren Nacht mitten im Ozean. Wir lassen uns ein paar Stunden treiben. Nutzen die Ruhe, um ohne Geschüttel und Motorlärm schlafen zu können. Im Morgengrauen starten wir die Maschine. Mittags kommt zögerlich der Wind zurück. Statt Süd-West jetzt aus Süd-Ost. Mit ausgebaumter Genua und Groß segeln wir auf der Kurslinie (inzwischen 7°). Damit haben wir alle Segelstellungen und Windrichtungen durch.
Bis auf 25 Meilen haben wir uns unsere Ost-Meilen erarbeitet (ich glaube, ich hatte mal geschrieben, es seien 200 Meilen – das war falsch – in echt sind es 350 Meilen gewesen). Wir haben mit den gewählten Kursen gepokert und gewonnen. Freu, freu – endlich mal was richtig gemacht. ;-) Der Wind soll von nun an tagelang aus Osten kommen.
Die ersten drei Tage sah es so aus, dass wir bereits nach einer Woche in Minerva ankommen würden. Pustekuchen! Der Wind ist schwach. Er schwankt von 7 bis 10 Knoten hin und her. Wir kriechen mit zwischen zweieinhalb und vier Knoten vorwärts. Natürlich besser als Flaute. Zum Glück wurde das erneut angekündigte Windloch von den Flauten-Malern wieder weg genommen.
Wir fügen uns in unser Schicksal, dass wir bis Minerva wohl noch drei Tage brauchen werden. Auszustehen haben wir nichts. Das Wetter ist gut und mit einem rot glühenden Sonnenuntergang könnten wir unseren 23.ten Hochzeitstag gar nicht romantischer feiern. Im Logbuch habe ich nachts einen Gutschein für ein Abendessen in Fiji gefunden. [ :-) schau einer an, geht doch] Und noch einen weiteren Gutschein: jeden Tag einen Riegel Schokolade [mit dem Zusatz, solange der Vorrat reicht – so lahm wie wir unterwegs sind, ist das ein geschickter Zusatz. Wie leicht könnte der Skipper sonst in Bringeschuld geraten]. Achim ist auf diesem Törn von mir zum Hüter der kostbaren Fracht gekrönt worden, damit ich nachts nicht schon in den ersten Nächten alles auf einmal auffuttere.
Tagesmeilen: 74 Meilen (davon 23 unter Maschine – erneut Strommangel. Kurs jetzt Nord, da schatten die Segel die Paneele ab, als ob die kurzen Tage nicht schon für genug Energie-Kummer sorgen würden).
Bereits gesegelt: 709 Meilen Noch 651 Meilen bis Fiji, noch 242 Meilen bis Minerva Position: 27°78,9 S – 179°28,6
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