Kategorie: Atanga

Ein Ende ist in Sicht

So., 22.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2366, 21.218 sm von HH

Unsere Arbeiten sind fast fertig. Zu Beginn haben Regenschauer die Decks-Arbeiten ständig unterbrochen, aber seit zehn Tagen ist es trocken und Achim kommt gut voran. Noch eine Stelle schleifen, dann ist er fertig. Was man so fertig nennt … für die Erneuerung aller Fugen an Deck bräuchten wir ungefähr hundert Tuben. Die würde man vielleicht in Papeete noch zusammen kratzen können, aber leider mit der falschen Spezifikation. Achim ist damit nicht zufrieden. Das falsche Sika zieht sich beim Trocknen stärker ein, hinterlässt also keine glatte Fuge und lässt sich erheblich schlechter schleifen. Die schlimmsten Stellen sind aber repariert – das muss, das soll reichen. Achim hat inzwischen das letzte Messer vom Fein Multimaster in Arbeit – Nachschub kann man vergessen. Selbst Latexhandschuhe für Sika-freie Hände sind auf der ganzen Insel nicht zu bekommen. Dank Corona.

Schnell schleifen bevor der nächste Regen kommt

Nun braucht nur noch das Reinigungspersonal anrücken. Der Staub liegt überall Zentimeter dick. Draußen sowieso und sogar im Salon kann man ‚Sau‘ ins Bücherregal schreiben. Das dauert wohl ein paar Tage bis wir damit fertig sind. Allein die Stellen zu finden, wo das Sika nicht hingehört. :roll: Darum haben wir den Liegeplatz in der Marina noch um eine Woche verlängert, aber dann geht es endlich weiter.

Keine Gottesanbeterin sondern Sika was dort nicht hingehört – ein widerliches Klebzeug was seine Wege sucht

Ich darf bei den Decksarbeiten nicht mitspielen – zu wenig Platz für zwei – und suche mir andere Projekte

 

Aus dem großen Refit in Neuseeland einschließlich neuem Bimini, Polstern und einer kompletten Decksreparatur ist etwas Flickwerk mit den Möglichkeiten vor Ort geworden.
Wir sind trotzdem zufrieden. Wir sind trotzdem zufrieden.
Neuseeland hat gestern die finale Absage einer Einreise-Genehmigung an uns geschickt. Wir sind zu arm, Englische Mitbewerber hatten 60.000 Neuseeland Dollar angegeben, mit der Summe hätten sie theoretisch rein gedurft, aber auch sie haben sich längst dagegen entschieden – die Zyklon-Saison hat bereits begonnen.

Wir sind soweit und reif für einen Aufbruch. Noch eine Woche … :-)

 

Technisches K.O. in sechs Runden

So., 15.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2359, 21.218 sm von HH

Runde 1 – die Software
Unsere Handys sind fast sieben Jahre alt. Unvorstellbar für einen Handy-Junkie, aber ein Leben mit solchen Geräten ist möglich. Beide Handys funktionieren tadellos und dank neuer Akkus hängen sie auch nicht nur an der Steckdose. Das Leben ist schön, wäre die Software nicht genauso alt. Ich laufe auf Android 5.0 – Achim, ganz modern auf 5.01 :mrgreen: .
„Dies ist das letzte Update für 5.0“ schnauzt uns unsere Online-Banking-App an. „Nicht mit ihrem Gerät kompatibel“, meckert die App der Krankenkasse. Ein Wunder, dass ‚whats app‘ noch läuft. Es müssen also dringend neue Handys her!

Runde 2 – die Simkarte
Was wir nicht wussten, dass in der Zwischenzeit normale Sim-Karten abgeschafft und durch Nano-Karten ersetzt wurden. Unsere alten Karten passen somit in kein neues Gerät mehr rein. „Kein Problem“, verspricht das Internet, „einfach beim Provider anrufen, dann kommt eine neue Sim-Karte direkt ins Haus geflattert.“ Aha. In unserer Situation etwas schwierig. Für Fälle wie uns gibt es Anleitungen im Netz, wie man seine Karte selber kleiner schneiden kann, was nicht selten zum Totalverlust der Karte führt. In einem der Handy-Läden in Papeete wird Achim fündig. Das Geschäft hat einen kleinen Stanz-Apparat mit dem unsere Karten verkleinert werden könnten.

Runde 3 – die neue Hardware
Groß ist die Auswahl an Handys vor Ort nicht. Ein paar ‚Huawei‘, einige ‚Samsung‘ und das ‚I-phone 10‘. Alles ein bisschen Technik vom letzten Jahr. Allen Geräten ist gemein, dass sie ungefähr das Doppelte kosten wie in Deutschland. Unsere Wahl fällt auf ‚Samsung A31‘. :roll:
Das gibt es nur in Weiß. Okay, man kann nicht immer gewinnen. Noch schlimmer ist, dass wir jetzt Handys im Partnerlook haben. Ich hasse Partnerlook. Und ständig wird man sich das falsche Gerät greifen – ich bin mir sicher. Schutzhüllen gibt es in so kleiner, aber hässlicher Auswahl, dass wir beide die gleiche Hülle wählen würden. Damit wäre also nichts gewonnen. Wir belassen es also vorläufig bei der durchsichtigen Hülle, die im Lieferumfang enthalten ist.

Runde 4 – der Kauf
Die junge Polynesierin bei der wir die Handys bezahlen wollen, ist zuckersüß und hat eine Blume hinter dem Ohr: „Soll ich das Handy gleich auf ‚deutsch‘ einstellen?“, fragt sie hilfsbereit.  „Ja bitte, und kannst du auch unsere Sim-Karten kleiner stanzen?“ Wir schwitzen etwas dabei. Aber das ist kein Problem. Unsere Verkäuferin macht es nicht zum ersten Mal, das sieht man. Souverän der Umgang mit Handy, Karte und Apparat. Achims Handy ist ruck zuck fertig. Bei meiner Sim-Karte passiert ihr ein kleines Missgeschick und die nun wutzi-wutzi klein geschnittene Karte flutscht ihr aus den Fingern und landet genau in dem Spalt zwischen Kassenschublade und Tisch. Sie kichert. Sie prockelt erst mit einer aufgebogenen Büroklammer, dann mit einem Messer und danach mit einem Stück Papier in dem Spalt herum. Ohne Erfolg, die Karte bleibt verschwunden Sie kichert wieder und wendet sich an einen Kollegen. Der drückt ihr einen Schraubenzieher in die Hand, der genau für die Schrauben an der Kassenschublade passt. Warum haben die in einem Handy Laden überhaupt einen Schraubenzieher? Man darf sich zu Recht fragen, wie oft die Kasse wohl schon auseinander gebaut wurde. Unter viel Gekicher schraubt die junge Frau ihre Kasse auseinander. Und dann taucht sie zwischen Wollmäusen wieder auf, meine Sim-Karte. Gut gemacht!

Runde 5 – Die Installation
Ich beginne beim Download fehlender Apps auf meinem neuen Handy mit ‚whats app‘. „Bitte verifizieren sie ihre Handy-Nummer“, werde ich gebeten. Kein Problem. Google-Konto? Nee, habe ich nicht, ich bin immer über Achims Google-Account mit gelaufen, nur irgendwelche Google-Götter wissen warum. Es war mir nie möglich das zu ändern. Damit ist nun Schluss. Ich richte  mir endlich mein eigenes Google-Konto ein. Alles klappt toll, nur meine alten ‚whats app‘ Chats fehlen. Ich frage das Internet.
Okay, doof gelaufen, falsche Reihenfolge, ich hätte erst im alten Handy eine Sicherung meiner Chats erstellen müssen. Ich gehe also zurück aufs alte Handy, um dort ‚whats app‘ zu aktivieren. Aber Fehler wie meiner werden sofort bestraft – ich bin für eine neue Verifizierung direkt mal für dreißig Minuten gesperrt. Nach der Wartezeit kann ich dann aber die geforderte Sicherung vornehmen. Prima. Ich wechsle erneut aufs neue Handy, um ‚whats app‘ hier noch einmal zu verifizieren. Gesperrt für sieben Stunde! Na danke, Zuckerberg oder wer auch immer sich das ausgedacht hat.
Okay, das gibt mir Zeit, dass ich mich um meine Kontakte kümmern kann. Ich sehe Achim bereits tippen. „Ich habe einen Bock mich durchzuwühlen, wie ich die Daten aufs neue Handy bekomme. Schafft auch mal Platz und bereinigt meine Daten“, ist seine Ausrede. Pfft, Anfänger. Ich kann das besser, denke ich und wühle im Internet.
Ich mach es kurz, drei Stunden später sitze ich auch am Tisch und tippe meine Kontakte ab. „Ein Übertrag ist wahrscheinlich wegen meines fehlenden Google-Accounts nicht möglich oder wegen Android 5.0“, so lauten meine Ausreden. Traurig, sehr, sehr traurig.
Wenn ich mich in Zukunft nicht mehr melde, es ist nichts persönliches, sondern nur ein Tippfehler.

Rund 6 – Datenvolumen
Wir haben vor fünf Wochen einen Internet-Vertrag abgeschlossen. Nix Flatrate oder ähnlicher Luxus, sondern 30 GB im Monat für 50 USD. Das ist für hiesige Verhältnisse ein ganz gutes Angebot. Ein kleiner Router ist im Paket dabei, so dass wir gleichzeitig surfen können und sogar unterwegs Internet haben. Bei 1 GB für zwei Personen pro Tag muss man schon darauf achten, was man macht. Filme angucken ist nicht und Updates sind auch so eine Sache. Abends rufen wir ab, was wir verbraucht haben, um am Ende des Monats nicht trocken zu laufen. Das klappt aber alles ganz gut und wir sind nicht unzufrieden – im Gegenteil – im Vergleich zur vorher schon fast Verschwendung.
Die Erstinstallation von zwei neuen Handys kostet mal eben 3,5 GB. Wow, unser Kontingent für  drei Tage ist futsch und dabei fehlen noch auf beiden Geräten lebenswichtige Apps wie ‚Google Maps‘ und ‚Instagram‘. Ich glaube wir müssen mal ein Kaffee trinken gehen. ;-)

Wir gehen nicht davon aus, dass die neuen Handys so lange halten wie die Alten. Akkus kann man in den modernen Geräten nicht mehr tauschen und den Türken um die Ecke, der das trotzdem kann, den gibt es hier leider auch nicht. Das ist aber vielleicht auch ganz gut so – sieben Jahre Pause machen einen zum Technik-Trottel, der seine Daten mit der Hand abtippt.

Unser beider Lieblings-Position zum Surfen

Regenzeit

Sa., 07.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2351, 21.218 sm von HH

Die Regenzeit hat begonnen. Das ist nicht schlimm – es regnet nicht jeden Tag und meistens auch nicht den ganzen Tag. Und irgendwo muss das üppige Grün ja schließlich herkommen. Wenn es regnet, dann regnet es allerdings tropisch anständig in Sturzbächen. Der unangenehme Teil an diesem Regen ist, dass es bei uns rein regnet.
Das macht es schon länger. Daher hatte ich bereits vor zwei Jahren Sika (Dichtungsmasse fürs die Teakdeck-Fugen) aus Deutschland mitbringen wollen. Das Zeug wurde mir zu Unrecht von den Sicherheits-Kontroll-Dödels aus dem Koffer genommen. Achim hatte damals in der Not die schlimmsten Undichtigkeiten mit dem Sika abgedichtet, was wir in Ecuador bekommen konnten. Das hatte nicht die richtige Spezifikation und funktionierte damit leidlich gut (es gibt ungefähr eine Milliarde verschiedene Typen Sika – für jeden Zweck eine andere Sorte. Verwirrend für den Laien, aber der Hersteller denkt sich was dabei, denn die falsche Sorte am falschen Ort eingesetzt, macht die Arbeit nicht leichter und das Ergebnis nicht besser).

Dann, bereits auf Gambier, fing es an in die Eignerkoje zu tropfen. Nichts erzeugt mehr Druck auf einen Skipper tätig zu werden als wenn es ins eigene Bett tropft. Aber was kann er tun ohne Sika? Nichts, keine Chance. Und es waren ja auch nur ein paar Tropfen. Dann kam die Trockenzeit und es wuchs ‚Vergessen‘ über die Sache. Solange bis vor vier Wochen die ersten Regengüsse in Papeete nieder gingen. Tropf, tropf, tropf ins Bett. Pladder, pladder, pladder im Salon: zwei Rinnsale – einer am Fenster und einer direkt an der Maststütze.

Also Ärmel aufgekrempelt und als erstes die Deckenverkleidungen abgebaut. Heijeijei, da steht aber viel Feuchtigkeit. Kein Wunder, wenn man sich die kaputten Fugen an Deck betrachtet. Achim radelt durch ganz Papeete und kauft den Inselbestand an Sika-Tuben auf: fünf Stück! Wollte man es richtig reparieren, bräuchten wir fünf Kartons. Wir haben keine Wahl, wir können nur pfuschen und notreparieren, soweit der Vorrat reicht. Dort wo es verdächtig aussieht, schneidet Achim die alte Fugenmasse raus. Die Teakplanken haben noch eine gute Dicke von fünf bis sieben Millimeter. Allerdings splittert altersbedingt an einigen Stellen das Holz längs der Fugen ab. Ein, zwei Millimeter vielleicht. Oft ist das Holz dort aufgeweicht und muss in jedem Fall entfernt werden. Das macht die Fugen breiter – eine Tube Sika reicht somit für noch weniger Strecke.

Jetzt sind die fünf Tuben leer und die schlimmsten Stellen auf dem Vorschiff und achtern beseitigt. Es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, wann andere Fugen nachfolgen werden. Wir können uns verrenken wie wir wollen, wir bräuchten eine Werft und ein anständiges Deck-Refit, wie es für Neuseeland geplant gewesen wäre.
Achim hat noch fünf Tuben Sika mit einer nicht so geeigneten Spezifikation gekauft. Für eine Schnell-Reparatur in den nächsten Monaten sollte das reichen, falls es uns wieder auf den Kopf tropfen sollte.

An die tiefsten Stellen kommt vor der Fugenmasse noch etwas Epoxi rein vor dem Sika

Vor dem Sika wird abgeklebt – blöd nur dass man hier nur zu breites Klebeband bekommt

Noch hat er Freude

Fugen wieder zu – nur noch schleifen

Sika alle – für mehr Fläche hat es nicht gereicht

Stress-Test für die neuen Fugen – alle dicht

Noch ein Segel-Video

So., 01.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2345, 21.218 sm von HH

Wer erinnert sich noch an die Muppet-Show? An die beiden Alten? Statler und Waldorf, so heißen die beiden. Die Alten saßen immer meckernd auf ihrem Balkon in der Loge und haben kein gutes Haar an den Muppet-Shows gelassen. Sie waren mit jeder Aufführung unzufrieden und trotzdem als Stammgäste immer mit dabei.
Beim Schneiden dieses Films musste ich immerzu an Statler und Waldorf denken: Der Skipper nur am meckern, ich nur am meckern und trotzdem wieder auf See.
Auch so eine Art Hass-Liebe.

Viel Spaß mit dem zweiten Teil von Tahiti nach Gambier nach unserer Unterbrechung in Hao.

 

Unser Ankerplatz auf Mangareva

 

Ein Segelvideo

Do., 29.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2342, 21.218 sm von HH

Ein neues Video ist fertig. Der erste Teil unserer Tour 1.200 Meilen von Tahiti zurück nach Gambier. Ist schon ein wenig her … :shock: , genau genommen zehn Monate.
Wir haben jetzt einen Internet-Vertrag abgeschlossen *** und endlich genug Bandbreite, um  Filme hoch zu laden.

Viel Spaß auf der ersten Etappe: hoch am Wind mit einer unglaublich gut gelaunten Crew, mit Bratnudeln zu Sylvester, mit Tomatensaft und einem Bier bei Flaute; und einem unerbittlichen Tyrannen als Käpt’n. :-)

Spaß bei der Arbeit nach der Ankunft in Hao

 

*** So weit ist es jetzt schon. Der erste Schritt für eine ‚Einbürgerung‘ ist gemacht. Wir haben einen Vertrag gleich über zwölf Monate abgeschlossen. Verrückte Welt, wer hätte das erwartet …

Französisch Polynesien – Corona Update

Mo.,26.Okt.20,Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete,Tag 2339, 21.218 sm von HH

Wie in Europa, so steigen auch vor Ort die Zahlen der positiv Getesteten. Die Zahl in Tahiti ist enorm hoch im internationalen Vergleich – achthundert neue Fälle auf hunderttausend Einwohner. Zum Glück erkrankt kaum jemand ernsthaft und die Verstorbenen-Zahl ist weiterhin recht niedrig (26 Personen). Der Premier von Französisch Polynesien ist infiziert von einem Frankreich-Besuch zurück gekehrt – seine Devise trotzdem: ‚Maske tragen, Abstand halten – wir werden mit dem Virus leben müssen‘.

Da scheint Frankreich als Geldgeber für diesen kleinen Inselstaat nicht mitspielen zu wollen. Plötzlich wird auf einer Pressekonferenz verkündet, dass auf Tahiti und Moorea ab Samstag die neuen französischen Regeln gelten sollen: Ausgangssperre von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr morgens. Protest macht sich laut! „Wie sollen wir zur Arbeit kommen und die Kinder zur Schule bringen? Auf unseren Inseln fängt der Tag bereits um vier Uhr an. Das sind Regeln für die ‚Metropole‘, nicht für uns.“
Wer früh arbeiten muss, kann sich ein Formular mit einer Ausnahmegenehmigung ausdrucken. „Es hat nicht jeder das Geld für 36.000 Kopien“, schimpft ein Kommentar. Der Protest hat Erfolg. Die Ausgangssperre wird von sechs auf vier Uhr morgens zurück benommen. Die Zufriedenheit darüber hält sich mit Gemecker in etwa die Waage. Es gibt viele Menschen, die machen sich Sorgen, um Restaurants, Fitness-Studios und ähnliche Betriebe. Sie glauben, dass die Ausgangssperre nur die Zahl an Verkehrsunfällen senken wird, aber nicht das Virus stoppen kann. Andere schreiben „die Touristen sind Schuld – alle Grenzen dicht“ oder „schließt die Schulen bis es vorbei ist“. Identische Kommentare wie in Deutschland. Der Glaube, dass es irgendwann ein ‚vorbei‘ geben wird, hält sich überall hartnäckig. Neuseeland glaubt das auch noch immer. Chancenlos kämpfen sie mit allen Mitteln gegen den unsichtbaren Feind. Aber täglich poppt die Meldung über mindestens einen Infizierten hoch. Mal aus dem Sicherheits-Trakt der Quarantäne-Zone, mal aber auch aus irgendeiner Gemeinde.

Im Augenblick sind wir nicht betroffen von den neuen Regeln. Nach neun Uhr abends sind Oma und Opa Atanga nicht mehr auf der Straße. Was noch kommen wird, weiß niemand. Ein Insel-Reise-Verbot scheint nicht angedacht zu sein. Gerüchte besagen jedoch, dass die Schulschlaf-Säle der Internate geräumt werden (sollen). Wir fühlen uns im Positiv-Getestete-Hotspot von Tahiti nach wie vor nicht in Gefahr. Wir halten Abstand wo es geht (und tragen Maske, die aber nur weil wir müssen) – das sollte uns genug schützen. So unsere Meinung.

Wir nutzen die Zeit für Boots-Projekte (jaaa, es gibt sie noch immer … ) oder machen Spaziergänge in die Schluchten von Papeete. Dabei freut uns besonders, dass wir als Touristen nicht komisch angesehen werden. Wenn wir durch die Wohngebiete kommen, werden wir freundlich gegrüßt und man hilft uns bei dem richtigen Weg wie eh und je.
Achim hat sich Freitag einen zu Implantat-Zahnarzt-Termin angemeldet. Mit Nachsorge werden wir also noch etwas Zeit hier verbringen. Vielleicht nicht das Schlechteste. Wer weiß, was der Corona-Wahnsinn noch an Entscheidungen mit sich bringen wird.

Im kleinen Hafen von Papeete liegen Industrie- und Yachthafen eng beieinander – über den Wohnvierteln hat man eine phantastische Aussicht

Lei – Blumenkränze

Mi., 21.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2334, 21.218 sm von HH

Kein Markttag in Papeete vergeht ohne Verkaufsstände für Blumenkränze. Die Lei haben in der polynesischen Kultur viele Bedeutungen, sie können ‚Liebe‘, ‚Danke‘, ‚Herzlich Willkommen‘ oder auch ‚Auf Wiedersehen‘ bedeuten. Das hat man sich prima ausgedacht, denn so kann ein Lei praktisch zu jedem Anlass eingesetzt werden.

Bekannt gemacht in der Welt wurden die Lei durch die ersten Gäste auf Kreuzfahrtschiffen, die vor knapp hundert Jahren Hawaii anliefen. Jeder Besucher bekam zur Begrüßung einen Blumenkranz umgehängt und war begeistert von so viel Gastfreundschaft.
Bereits James Cook bekam 1778 einen Lei als er als erster Europäer Hawaii betrat. Heute bekommen nur noch diejenigen Pauschal-Touristen einen Lei, die beim richtigen Anbieter gebucht haben.

In Französisch Polynesien wird die Tradition der Lei noch kräftig gelebt. Auf Gambier zum Festival im letzten Jahr bekamen die Tänzer und Sänger der Nachbaratolle Blumenkränze bis zu den Ohren hoch umgehängt. Der Bürgermeister von Hao konnte am Nationalfeiertag seinen Kopf nicht mehr bewegen – so dick waren seine Lei.

Blumenkranz-Mädchen in Gambier bei der Begrüßung von Gästen

ein gewaltig dicker Lei aus Minze und Blüten

Der Bürgermeister von Hao mit Begleiterin am Nationalfeiertag – bis zu den Ohren mit Lei beladen

In Papeete stehen am Markt etliche Händler und Blumenkranz-Binderinnen mit ihren Verkaufsständen. Aus großen Säcken heraus werden Blüten zu Blumenkränzen oder Kopfschmuck (das nennt sich auch Lei, da wird kein Unterschied gemacht) aufgefädelt und geflochten. Früher wurde die Rippe eines Palmenblattes als Nadel genutzt, heute funktioniert das natürlich moderner. Bis zu tausend Blüten können in einem Kranz verarbeitet werden – ein Lei für die besonderen Anlässe.

Lei-Knüpferin am Sonntag in Papeete

Blütenmeer

Lei im Alltag: Eine Frau bei der Grabpflege auf Moorea

Muschel-Lei als Grabsteinschmuck

Ein Lei kann auch aus Muscheln, Steinen, Federn oder Farnblättern bestehen.

Lei dürfen von jedem getragen werden, zu jedem Anlass und Tageszeit. Da macht man sich auch als Tourist nicht lächerlich, wenn man mit einem Blütenkranz auf dem Kopf durch Papeete wandelt. Ein selbstverständlicher Anblick. Ein offener Lei wird von Menschen getragen, die noch etwas lernen möchten. Das Wissen kann aus beiden Enden der Blumenkette heraus fließen, so sagt man. Ein geschlossener Lei symbolisiert eine Umarmung. Dementsprechend gilt es als unhöflich einen Lei abzulegen, solange der Schenkende noch anwesend ist. Ein Lei darf auch nicht in der Mülltonne landen. Er wird in die Natur gehängt, an einen Baum oder Zaun. Durch das Aufschneiden des Bandes kann man die Blüten auch wieder in die Freiheit entlassen.

Alles Leben stammt aus dem Meer und geht auch wieder dorthin zurück, so sagt der alte Glaube der Polynesier. Ein Lei ins Wasser geworfen, wird vom Ozean zu den geliebten Ahnen getragen. Ein Lei, wieder ans Ufer zurück gespült, wurde von den Vorfahren empfangen und als Zeichen der Liebe zurück geschickt.

Da Lei auch ‚Auf Wiedersehen‘ bedeuten kann, werfen Achim und ich am Tag der Seebestattung von Gert zwei Lei ins Wasser. Direkt an der Hafeneinfahrt von Papeete mit Blick auf Moorea, wahrscheinlich einer der schönsten Insel dieser Welt. Die beiden Kränze treiben noch eine Weile dicht am Ufer entlang, bilden dann für einen Moment eine 80 (das Alter meines Vaters), um dann langsam in der Dämmerung zu verschwinden. Sie werden ihren Weg zum Empfänger finden, denke ich, auch wenn der in diesem Fall etwas weiter ist.

Wir wünschen Dir den ewigen Horizont.

Zwei Lei für Gert

Wanderung zum See Vaihiria

Di., 13.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2326, 21.218 sm von HH

Wanderungen auf Tahiti zu finden, ist ein Krampf. Hinweise im Netz sind rar gestreut und die Mitarbeiter der Touristeninformation können zwar Blumen verteilen und sind total niedlich, aber nutzlos. In einem geliehenen Wanderbuch auf Französisch werden wir endlich fündig, Wir möchten zum ‚Lac Vaihiria‘.  Jetzt bloß keine Fehler bei der Übersetzung machen, sonst laufen wir in die Irre. Aber Doris und Wolfgang nicken bestätigend: „Ganz einfach zu finden.“

Um zum Einstiegspunkt zu kommen, mieten wir uns ein Auto. Nach einer knappen Stunde Fahrt müssen wir in eine schmale Straße abbiegen, die durch ländliches Wohngebiet und an ein paar Tomaten-Plantagen vorbei führt. Erst Asphalt- dann Schotterpiste. Nach drei Kilometern ist Schluss, ab hier kommt man nur noch mit einem Geländewagen weiter. Wir stiefeln los. Der Weg ist einfach. Auf einem Forstweg, der gleichzeitig die einzige Möglichkeit darstellt die Insel zu queren, geht es moderat bergan.
Es ist waldig, üppig grün und ganz nett, aber nicht mit der spannenden Tour zum Wasserfall zu vergleichen als wir über Stock und Stein unseren Weg suchen mussten. Aussichten ins Tal ergeben sich auch keine – es ist einfach zu viel Wald im Weg.

Einfache Streckenführung – zu Beginn ohne viel Fernsicht

Nach knapp zwei Stunden, grad als uns etwas fad mit der Strecke wird, hören wir ein Auto hinter uns rumpeln. Wir gucken uns nur kurz an und sind uns sofort einig, die versuchen wir zu kapern. Die junge Familie nimmt uns gerne mit. Da ein Baby auf der Rückbank schläft, bleibt für uns nur die Ladefläche. Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Nach einer knappen halben Stunde Fahrt wird der Weg deutlich steiler und holpriger. Die Anhängerkupplung vom Pickup kratzt übel über die Steine. Wir rumpeln weiter. Dann wird es richtig steil. Wieder das Kratzen. Es hat keinen Sinn, wir sind zu schwer auf der Ladefläche, wir steigen ab. Unser junger Chauffeur, der den Wagen nur geliehen hat, lässt auch Frau und Baby aussteigen. Ungeübt mit dem Wagen sucht er nach den Kriechgängen, um am steilen Hang überhaupt weiter zu kommen. Dann hat er den Bogen raus, aber wir gehen zu Fuß weiter, das Kratzen wollen wir dem Auto nicht zumuten. Schade, denn das letzte Ende der Strecke hat es in sich. Schnaufend und außer Atem erreichen wir den See.

Unbequem auf der Ladefläche geht es den Berg hoch

Die Kehre hinter der steilsten Stelle des Weges

See Vaihiria – See der Aale

hübsch eingerahmt von Bergen

Schön ist es am Lac Vaihiria. Laut Info-Tafel leben Aale im See, die bis einen Meter fünfzig groß werden können. Eine Legende besagt, dass einst die schöne Prinzessin Hina mit dem König vom Vaihiria-See verheiratet werden sollte. Entsetzt stellte sie fest, dass ihr zukünftiger Gemahl in Wirklichkeit ein riesiger Aal war. Sie floh und suchte Schutz bei Gott Maui. Der konnte helfen, den Aal-Gatten, der die Verfolgung aufgenommen hatte, zu fangen und schnitt ihn kurzerhand in drei Teile. Maui packte den Aal in ein Paket: „Geh damit nach Hause, aber setzte unterwegs auf keinen Fall dieses Paket auf dem Boden ab“. Hina lief nach Hause, aber wie das in Legenden so ist, vergaß sie unterwegs den guten Ratschlag, weil sie unbedingt ein Bad nehmen wollte. Augenblicklich wuchs aus dem dreigeteilten Gatten eine Pflanze, die in ihrem Wuchs einem Aal glich – die Kokospalme war geboren. Und die drei Flecken auf jeder Kokosnuss sind die Augen und das Maul eines Aals. :-)

Unser Rückweg ist bergab viel angenehmer, so dass wir Zeit und Luft haben, den Ausblick ins Tal zu genießen. Wir zuckeln zum Auto zurück. Als wir geschätzt noch 45 Minuten zu laufen haben, holt uns von hinten wieder unsere Familie ein. Klar dürfen wir wieder auf die Ladefläche springen und überbrücken somit prima den langweiligeren Teil der Strecke.

Zwischen den Bergflanken führt der Weg am Fluss entlang

Es gibt auf der Strecke zwei Stauseen zur Stromerzeugung

Der See dient zur Frischwasserversorgung mit Rohren aus den 80er Jahren

 

Wenn man schon mal ein Auto gemietet hat, ist natürlich noch ein Großeinkauf fällig. So einfach bekommen wir Getränke und andere schwere Sachen sonst nicht an Bord. Und Zeit haben wir durch unsere Tramperei auch noch gewonnen. So viel, dass wir auf der wenig besiedelten Ostseite von Tahiti nach Papeete zurück zu fahren können. Ein gelungener Tag.

Tipps zur Wanderung zum Lac Vaihiria

Die Einfahrt befindet sich an Kilometer 47,5 (Kilometersteine am Weg zeigen regelmäßig wo man sich befindet). Wenn man aus Papeete kommt, liegt die schmale Straße zwischen einer Kirche auf der linken und einer Apotheke auf der rechten Seite.
Direkt an der Einfahrt befindet sich ein Quad-Verleih als Alternative zum Wandern.
Ungefähr drei Kilometer bis zur Brücke fahren. Dort kann man das Auto stehen lassen.
Fußweg bis zum See ungefähr acht Kilometer (einfache Strecke) ab der Brücke. Es geht hoch auf 470 Höhenmeter, aber einfach zu laufen, nur die letzte halbe Stunde wird es recht steil. Die gesamte Strecke führt auf einem Schotterweg entlang, den man mit einem Geländewagen oder Quad befahren kann.

Hier kann man sein Auto parken – warum hat eine Urwaldbrücke so viele Schilder?

Unsere geplante Abfahrt verzögert sich

So., 11.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2324, 21.218 sm von HH

Zunächst stand zur Diskussion, ob ich nach Deutschland fliege. Die Situation zu Hause ist schwierig zu beurteilen. Es gibt Flüge (über Kanada), aber ob Französisch Polynesien als Risikogebiet zählt, ist nicht so einfach zu ermitteln. Es fängt damit an, dass die Seite des Auswertigen Amtes keine ’sichere Seite‘ ist – ein Alarmhinweis poppt auf, wenn man die Seite betreten möchte. Rasend schnell ändern sich die Bestimmungen in Deutschland – da kommt man von hier aus nicht mehr hinterher. Am Ende muss ich vierzehn Tage in Quarantäne, mich testen lassen oder komme im schlimmsten Fall gar nicht zu Achim zurück. ( … obwohl, wenn man darüber genau nachdenkt … :mrgreen: )
Ein negativer Test würde mich wohl von Quarantäne befreien (?), aber bekomme ich in Papeete überhaupt einen Test? Ich bin unsicher, da seit geraumer Zeit nur noch Personen mit Symptomen getestet werden.

Französisch Polynesien macht kein großes Theater um Corona. Trotz hoher Zahl an positiven Tests. Dem Söder (schöner Netzfund: wenn du denkst es geht nicht blöder, kommt um die Ecke Markus Söder) wären in Papeete längst die Farben für seine Ampel ausgegangen.  Rot, röter, super rot. Mit Schnappatmung würde er durch die Stadt laufen und ‚mehr Kontrolle, mehr Kontrolle‘ rufen: Alle paar Tage werden 200 positiv Getestete bei knapp 70.000 Einwohnern gemeldet! Die wenigsten werden krank. Es befinden sich zwischen zwanzig bis vierzig Personen im Krankenhaus, davon ungefähr eine Handvoll ernsthaft erkrankt und bisher sind zehn Menschen gestorben. Die Regierung In Französisch Polynesien fährt eine Art schwedischen Stil. Man möchte anscheinend eine Herdenimmunität erreichen. Der Höhepunkt an positiv Getesteten wird für Dezember erwartet und im März soll Corona Geschichte sein. Das kommt gut an bei den Locals. Kommentare in der Tagespresse lesen sich überwiegend positiv. Im Innenstadtkern von Papeete und in allen Geschäften herrscht Maskenpflicht. Daran wird sich gehalten – aber ansonsten kümmert es die Menschen wenig. Versammlungen mit mehr als zehn Personen sind eigentlich nicht gestattet. Drauf gepfiffen. In den Wohngebiet wird in großen Gruppen gegrillt, genau wie letztes Jahr.

Radrennen am Sonntag – AHA-regeln sind leicht einzuhalten, weil es kaum jemanden interessiert

Ich fliege also nicht nach Deutschland. Ein wenig Papierkrieg ist noch abzuwarten, aber dann wollen wir doch bald weiter. Neuseeland ist nun endgültig gestorben: Ein Boot mit drei Deutschen an Bord hat versucht ohne Genehmigung in Neuseeland einzureisen. Die drei landeten sofort im Gefängnis, das Boot wurde beschlagnahmt. Inzwischen wurden sie ausgewiesen und sind zurück in Deutschland. Was aus ihrem Boot wird ist mehr als ungewiss. Sie selber dürfen nie wieder nach Neuseeland einreisen.

Also wohin mit uns? Darüber reden wir uns die Köpfe heiß, mal alleine, mal mit anderen Seglern. Eins ist klar, einfach wird die Entscheidung nicht.

Nachruf

Mo., 05.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2318, 21.218 sm von HH

Mein Vater ist gestorben. Gert lebt nicht mehr. Trotz einiger altersbedingter Krankheiten kam sein Tod überraschend. Sein Leben lang wird man darauf vorbereitet, dass die Eltern vor einem sterben und dann ist es doch ein Schock. Gerne hätte ich meinen Vater im Mai noch einmal gesehen, aber der Corona-Wahnsinn hat das vereitelt.  Mein Leben lang habe ich meinen Vater Gert genannt, wie das gekommen ist, weiß ich gar nicht. Und jetzt kann ich ihn nicht mehr fragen. Er nannte mich ‚Schietbüdel‘ – auch noch als erwachsene Frau. Woher das stammt, kann man ahnen.

Seebär und Brummbär. Als junger Mann, vor meiner Geburt, ist Gert zur See gefahren als Schiffszimmermann. Ich habe als Kind an seinen Lippen gehangen und gelauscht. Seinen Geschichten gelauscht von haushohen Wellen, von Abenteuern, Freiheit und Fernweh und wurde infiziert. Ich habe von Sydney und Westafrika gehört, bevor ich zur Schule kam. Und an Heiligabend lief bei uns immer ‚Gruß an Bord‘, eine Radiosendung, die Matrosen tränenfeuchte Grüße von Mutti übermittelt hat. „Das Schiff kenn ich noch, den Käpt’n auch“, hieß es in den ersten Jahren. Diese Sendung lief auch noch, nachdem Gert niemanden mehr erkannte. Er war Äquator getauft, seefest und standsicher – ein echter Seebär. Dem Meer verbunden und mit Bergen nichts am Hut.

Brummbär und Seebär. Was konnte Gert brummig sein – warum vererben Väter eigentlich nicht nur ihre guten Seiten weiter? Laut in der Stimme war er in der Lage die ganze Elbe zu beschallen. Laut auch sein herzliches Lachen. Laut seine Freude, wenn er auf Feiern das Leben als ‚tau schön, tau schön‘ beschrie. Brummig, aber niemals bösartig. Brummig, aber immer den Schalk im Nacken – oder warum wettet ein erwachsener Mann, dass er fünfzig Eier essen kann?
Stets hilfsbereit und mit handwerklichem Geschick gesegnet. Nichts, was Gert nicht aus Holz bauen konnte. Er hat ein Haus gebaut und er hat für sich einen alten Schiffskutter ausgebaut, Möbel gezimmert, alte Sachen repariert und neue Dinge erfunden. Er hat uns beim Deck-Refit für Atanga geholfen und Schwalben-Nester und andere Spielereien fürs Schiff entworfen.
Und er war mit der richtigen Prise zivilen Ungehorsams ausgezeichnet: „Meine Haare wachsen während der Freizeit und während der Arbeit – also gehe ich jedes zweite Mal während der Arbeitszeit zum Friseur“.

Seine Asche wird in der Elbmündung verstreut. Das ist schön, er folgt dann unserem Kielwasser und braucht sich bei der ersten Tide nur etwas zu beeilen und kann uns bald eingeholt haben. Gemeinsam können wir dann weiterschippern. Zusammen mit Gert, der sich über unsere Reise mehr als alle anderen gefreut hat.

Brummbär und Seebär. Seebär und Brummbär.
In Liebe, Deine Tochter.

Gert am Tag unser Abreise mit Atanga

Und manchmal mache ich einfach die Augen zu, damit ich Dich sehen kann.

Die ganze Wahrheit – Teil 2

So., 04.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2317, 21.218 sm von HH

Natürlich hatten die anderen Recht. Natürlich stimmt die Aussage „hast du eine an Bord – wächst unter den Bodenbrettern garantiert eine Klon-Armee heran“. Die Rede ist von ‚Periplaneta americana‘ – der Amerikanischen Großschabe. wie alles begann
Im Januar hatten Achim und ich unter Einsatz von List und Tücke das vermeintlich letzte Exemplar an Bord weg gefangen. Wir wähnten uns bis zur Ankunft auf Gambier sicher.  Keine Amerikanischen Freunde mehr zu sehen.
Ungefähr vier Wochen später sah ich ein klitzekleines Insekt über die Kühlschrank-Klappe laufen. Zack, und Matsch! Drei Tage später wieder eines dieser Krabbelviecher. Eine genaue Untersuchung ergab keinen Zweifel:  eine Amerikanische Großschabe in Miniatur-Format. Auf Gambier gibt es keine Mittel gegen Kakerlaken zu kaufen, also blieb uns nichts anderes übrig als unsere letzten – seit 2017 abgelaufenen – Kakerlaken-Hotel-Fallen aufzustellen.  Erfolglos, unsere Kakerlaken lachten sich über das alte Gift kaputt und zeigten sich unbeeindruckt. Also konnten wir die sechs Monate auf Gambier prima den Entwicklungsfortschritt von Periplaneta verfolgen. Wie schnell die wachsen. Gru-se-lig! Hin und wieder konnte Achim eine erlegen und er wurde nicht müde zu betonen, dass ‚dies aber nun wirklich die letzte gewesen sei!‘ :mrgreen:
Natürlich hatten die anderen Recht. Natürlich war es nicht ‚die Letzte‘. Natürlich fand ich weiterhin Reste von ihren Panzern, mal einen Fühler oder ein Bein und natürlich ihren Dreck. Sechs Monate mussten wir uns in ungewollter Koexistenz Atangas Pantry teilen.

Damit ist nun Schluss. Natürlich hatten die anderen Recht, ‚das einzige, was hilft, was wirklich hilft, ist Borsäure‘! Das kann man in Papeete in der Apotheke in großen Mengen kaufen. Das Pulver mixe ich seit fünf Wochen mit Milchpulver (oder auch mal mit Kartoffel-Stampf) zu einem lecker Brei. Ein Schuss Zucker dazu, denn spätestens seit Edgar, der Schabe aus MIB, weiß man Bescheid – Kakerlaken lieben Zucker.
Damit unsere Amerikaner sich auch eingeladen fühlen von meinem Mix, habe ich ihnen aus Klopapier-Rollen kleine Hotels gebaut. Man möchte ja nicht unfreundlich erscheinen.

Ein Hotel für unsere Amerikanischen Freunde

Und was soll ich sagen? Hehehe, es wirkt. Vorzüglich! Nach vier Wochen tauchten die ersten Leichen auf. Mausetot auf dem Rücken liegend. Mal hier eine, mal dort eine. Inzwischen fast so groß herangewachsen wie ihre Eltern. Bäh! Es graust mich. Inzwischen habe ich alle Schränke auf den Kopf gedreht. Noch mehr Leichen. Hehehe. Über die Anzahl möchte ich kein Wort verlieren, natürlich hatten die anderen Recht, natürlich ist es eine Klon-Armee.
Noch etwas Geduld und noch mehr Brei für die Hotels und dann werden wir wohl hoffentlich bald komplett Kakerlaken frei sein.

Das Rätsel um den verschwundenen Wasserfall

Fr., 25.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2308, 21.218 sm von HH

Vor einem Jahr sind wir zum Kopf vom Wasserfall von Fautaua gewandert (Atanga berichtete). Diesmal soll es der Fuß des Wasserfalls sein. Zunächst sind beide Wanderwege identisch, nach der bekannten Gabelung zum Kopf vom Wasserfall *** folgen wir diesmal dem Flusslauf des Fautaua. Ein kleiner Trampelpfad führt parallel zum Fluss durch dichten Dschungel. Viele wohlbekannte Freunde wuchern hier im XXL-Format: Efeutute, Tradescantia oder Zebrakraut, diverse Korb-Maranten und Papyrusgras, Fleißiges Lieschen und natürlich Philodendron, der sich meterhoch an den Bäumen empor rankt. Es sieht aus wie in einer Zimmerpflanzen-Gärtnerei. Wir laufen recht ebenerdig, aber rechts und links werden die Berge steiler, die Schlucht enger.
Zunächst ist der Weg gut erkennbar. Steinmännchen oder mal ein Fetzten Stoff an einem Ast weisen den Weg. Dann führt der Pfad aus dem Wald hinaus zum Ufer vom Fautaua und wir werden mehrmals auf die andere Fluss-Seite geleitet. Achim in Wanderschuhen versucht es trockenen Fußes über Steine. Ich wähle den Weg des geringsten Widerstandes und der kleinsten Rutschgefahr und wate direkt durchs Wasser. Erfrischend, aber stellenweise doch tiefer als erwartet. Es dauert nicht lange, da habe ich einen nassen Hintern.

Achim versucht es trockenen Fußes

Stellenweise ist es so tief

dass es auch mal einen nassen Hintern gibt

aber angenehm erfrischend

Der Weg ist immer schwieriger zu finden. Auf den Steinen kann man ihn kaum noch entdecken. Ist das dort ein Steinmännchen oder liegt nur zufällig der kleine Stein auf dem Dicken? Wir arbeiten uns vorwärts. Nein, hier sind wir falsch, dort muss es weitergehen. Sieh mal, da hängt ein Zeichen! Wir krabbeln Steine hoch und Steine wieder runter und queren noch mehrmals den Fluss.
Und dann hört man ihn schon rauschen, den Wasserfall. Noch ein paar dicke Felsen liegen im Weg, dann haben wir ihn erreicht. Aber halt! Was ist das? Das kann doch unmöglich unser Wasserfall vom letzten Jahr sein. Wir gucken doof aus der Wäsche. Hat der Wasserfall sich verändert, können wir nur den unteren Teil von unserem Standort sehen? Sind wir gar am falschen Wasserfall?

Der große Fautaua Wasserfall

Niemals ist dieser kleine Wasserfall identisch mit dem im oberen Bild

Aus einer Rast und einem gemütlichen Picknick wird leider nichts. Es wimmelt vor kleinen Fliegen und sobald wir es uns gemütlich machen, fallen Zebra-Mücken über uns her. Und, Achim bemerkt es zuerst, der Himmel hat sich deutlich zugezogen. Wenn es jetzt zu regnen anfängt, dürfte der Wasserstand im Fluss schnell steigen. Er hat Recht, wir sollten zurück, ich möchte nicht durch brusttiefes Wasser zurück laufen müssen.

Also gibt es nur ein paar schnelle Fotos und wir treten den Rückweg an. Im letzten Drittes des Rückweges finden wir uns plötzlich auf einem steilen Pfad wieder, der in den Wald hineinführt. Der Trampelweg ist deutlich zu erkennen, aber wir kommen nur noch mit Hilfe der Hände vorwärts. Hier sind wir doch nicht gekommen, oder? Hm, ich bin mir sicher und bleibe wo ich bin, Achim quält sich noch ein Stück vorwärts bis zum Ende des Grats. „Hier oben geht es auf der anderen Seite mal richtig steil runter“, ruft er mir zu. „Senkrecht! Und du wirst es nicht glauben, da ist noch ein zweiter Fluss! Aber hier geht es definitiv nicht weiter.“
Sind wir falsch abgebogen und der Fluss auf der anderen Seite des Berghanges wäre der richtige gewesen? Wir drehen um und gehen zur Stelle zurück an der wir falsch abgebogen sind. Da, endlich, ein Steinmännchen und da, die Stein-Formation erkennen wir wieder, hier sind wir gekommen. Ab jetzt bleibt es einfach, wir finden sogar eine Lichtung ohne Mücken und dann gibt es auch endlich eine Brotzeit.

Gerettet, ein Steinmännchen zeigt uns den Weg

 

Auf kaum zu erkennenden Pfaden durch den Wald

oder am Fluss entlang

durch urige Landschaft

Das war eine tolle, abenteuerliche Wanderung (mit gutem Muskelkater zum Lohn), jedoch waren wir definitiv am falschen Wasserfall. Aber wir sind nicht die einzigen. In der Marina rätseln wir zusammen mit Doris und Wolf, wo sich der große Wasserfall verstecken könnte. Die beiden sind ein paar Tage vor uns genauso in die Irre gelaufen. Der Witz ist, dass sie vor fünfzehn Jahren schon einmal am richtige Wasserfall gewesen sind. Es gibt ein Beweisfoto davon.
Aber wo ist der Wasserfall heute? So ein hundert Meter Fall verschwindet doch nicht so einfach. Fragen über Fragen, ein Teufelskreis.

Das wilde und unberührte Innere von Tahiti