Kategorie: Atanga

Verflixte Segelplanung

Fr.,30. Jul.2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Rotoava, Tag 2616, 21.949 sm von HH

Wenn wir uns in einem einig sind, dann darin, dass wir uns bei zeitlichen Planungen eine Reserve einrechnen. Achim ist noch ein bisschen strenger als ich. Da es aber mein Flug ist, der am 8. August morgens früh in Papeete startet, durfte ich bestimmen, dass unsere Abfahrt nach Tahiti am 28. Juli sein sollte. Meine Rechnung war einfach – drei Tage maximale Segelzeit (ungefähr 230 Seemeilen), Ankunft also spätestens am 31 Juli. Gute Reserve für ein gutes Gefühl.
Morgen ist der 31.Juli und wir dümpeln noch immer in Fakarava. Die Reserve schmilzt in der Flaute dahin. Von den acht Wochen, die wir jetzt hier sind, hat es sieben Wochen mit Windstärke vier bis fünf aus Osten geweht. Jeden Tag. Mal etwas weniger, mal etwas mehr. Wenig Wind hatten wir zwischendurch nur mal für drei Tage.
Das Hoch, was uns den Sturm in Hiriva bescherte, hat den gesamten Wind abgesogen. Seit zehn Tagen haben wir Flaute. Anfängerfehler! Niemals, wirklich niemals Ort und Zeitpunkt gleichzeitig festlegen.

Noch bin ich entspannt. Denn natürlich habe ich neben der zweiten Reserve noch die erste Haupt-Reserve eingeplant. Außerdem haben wir herausgefunden, dass ich für meinen Flug keinen PCR-Test brauche. Das spart einen dreiviertel Tag Rennerei in Papeete. Ich kann einen weiteren Tag auf die Reservebank legen.
Die Windvorhersage verspricht segelbaren Wind ab Morgen. Allerdings schwach und nur für zwei, drei Tage, dann folgt das nächste Flautenloch. Wollen wir nicht motoren, müssen wir Morgen los. Die Vorbereitungen sind jetzt fast abgeschlossen: Vorkochen, Dinghy verzurren, was fliegen kann, wird verstaut und alle Spielzeuge wieder an ihre angestammten Plätze gelagert.

Fakarava verabschiedet sich spannend von uns. Wir lernen eindrücklich, dass es in diesem Atoll nur so vor Haien wimmelt. Achim schnorchelt am Propeller, um noch ein paar Gewächse zu entfernen. Und ich will gerade duschen gehen (wie immer mit Sprung ins Meer) – meine Brille liegt schon auf dem Tisch. Da sehe ich Achim in einem Affenzahn an Atanga vorbei zur Badeleiter schwimmen. „Nanu, was hat er denn?“, denke ich. „Oh, das ist ja ein großer Schiffhalter unter ihm“, denke ich dann. „Oh, oh. Oh weia, das ist ja ein Hai“, begreife ich. Wenn ich ihn ohne Brille sehen kann, muss er groß sein. Während Achim an der Badeleiter versucht aus seinen Flossen zu kommen, renne ich nach meiner Brille. Dann hetzte ich schnell zur Reeling zurück. Da kommt wieder, der Oschi. Er schwimmt nah unter der Wasseroberfläche, ist gut zu erkennen. Dreht noch einen Halbkreis um Atanga und verschwindet. Dann hat Achim sich auch endlich von seinen Flossen befreit und kann aus dem Wasser steigen.
Wir sind ganz gut in Hai-Bestimmung, unseren Lieblings-Fischen: Es war definitiv kein Ammenhai, der nicht mal Zähne hat, aber eine gute Größe erreichen kann. Es war auch kein spaddeliger Weißspitzen-Riffhai. Es war überhaupt gar kein Riffhai. Da er recht hell erschien von oben und keinerlei Färbung aufwies, tippen wir auf einen Zitronenhai. Ausgewaschen kann er drei Meter lang sein. Sie gelten als harmlos. Aber weiß der Hai das auch? Meine Dusche fällt dann heute etwas kürzer aus und ohne ausladende Schwimmbewegungen weg vom Schiff. :mrgreen:

 

Ciao, Fakarava, du warst toll und hast uns viel Spaß gemacht.

Auf Wiedersehen Fakarava


2

Müll

Mi.,28. Jul.2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Rotoava, Tag 2614, 21.949 sm von HH

Nur unser Müll von knapp fünf Wochen

 

Diese Menge Müll haben wir in knapp fünf Wochen erzeugt. Und dass, obwohl vielfach die Umverpackungen direkt nach dem Einkauf entsorgt worden sind. Reis und andere Schüttgüter bewahren wir in Plastikflaschen auf. Wir vermeiden Müll, wo es geht, aber viele Lebensmittel bekommt man ohne dreifach Verpackung ja gar nicht gekauft. Viel von unserem Müll-Volumen stammt von Konservendosen, halbwegs guter Müll, aber es ist erschreckend viel.
Es blutet das Herz den Müll auf einer Insel wie Fakarava zu entsorgen. Möchte man doch lieber täglich den Strand vom Müll befreien. Aber das Sammeln ist frustrierend. Nach jedem Sturm liegt wieder alles voll.

Auf den kleinen Inseln gibt es keine vernünftige Müllentsorgung. Etwas abgelegen vom Ort, in einer Sackgasse oder im Wald findet man sie unweigerlich, wenn man über die Inseln wandert. Der Müll wird auf einen Haufen gekippt und lieblos angezündet. Der Plastikmüll brennt nicht heiß genug ab. Schwelbrände sorgen für maximalen Ausstoß von schädlichen Gasen. Über die angekohlten Reste wird Schotter oder Erde gekippt. Aber besser als alles ins Meer zu kippen.

Schwelbrand auf der Kippe auf Fakarava

hier Hao

Müllkippe auf Gambier

Große Müllkippe auf Bora Bora mit viel mehr Menschen – Folien sollen das Einsickern von Giften verhindern

So weit wir gesehen haben, gibt es auf fast allen Inseln Behälter zum Sammeln von Uhren- und Taschenlampen-Batterien. Die Boxen sind meistens randvoll. Autobatterien dienen häufig als Gewicht für Planen oder Pavillons. Oder sie stehen irgendwo dutzendweise hinter einem Schuppen einer kleinen Werkstatt. Das Anliefern von Neuware klappt reibungslos, die Rückführung ist ausbaufähig.
Es werden auch Dosen und Glas gesammelt – auf Tahiti, Gambier, Hao und Fakarava. Das Prinzip der Mülltrennung hat sich aber noch nicht komplett herum gesprochen. Zwischen Dosen liegen Glasflaschen und Plastik oder die Sammelbehälter stehen leer. Da in Deutschland auch nach vierzig Jahren Mülltrennung Container noch immer falsch befüllt werden, ist es sicher auch in Französisch Polynesien noch ein langer steiniger Weg. Dabei sind die Polynesier sehr ordentlich. Überall wird geharkt und gefegt. Auch außerhalb des eigenen Grundstückes wird für Ordnung gesorgt. Überall stehen Mülltonnen, die benutzt werden.

Auf Gambier wurde der Bevölkerung letztes Jahr eine Schredder-Maschine für Glas und Metall präsentiert. Eine groß aufgebautsche Aktion anlässlich der Feierlichkeiten zum französischen National-Feiertag. Hoffentlich hält die Maschine länger als der Vorgänger. Die alte Pressmaschine für Metall scheint nach einiger Zeit kaputt gegangen zu sein, wie anklagende Haufen von Metalldosen beweisen. Ob die gepressten Ballen jemals mit dem Versorgungsschiff zum Recycling gebracht werden? Bsld dürften sie komplett eingewachsen sein.

Mühsam gesammelte Dosen und Flaschen warten auf ihre Pressung – vergeblich – die Maschine ist schon lange kaputt

Gepresse Dosen – stehen jetzt im Wald und sind kurz davor überwuchert zu werden – daneben eine Schrott-Bagger

Präsentation von einer neuen Dosenquetsche und Glas-Schredder-Maschine auf Gambier

Kaputte Autos, Bagger und Baummaschinen bleiben stehen, wo sie kaputt gehen und gammeln am Straßenrand oder im Wald vor sich hin. Hier scheint kein Abtransport durch ein Schiff zu erfolgen. Schrottkarren stehen überall verteilt, auf allen Inseln. Uns erscheinen es noch zu wenig Autos zu sein. Gut möglich, dass die ein oder andere Karre auch am Außenriff landet. Aber das ist Spekulation. Auf Hao wurden allerdings nach Abbau der miltärischen Anlagen für die Atombombenversuche, Schrott und kontaminiertes Material am Riff versenkt.

Baumaschinen-Friedhof auf Moorea direkt an der Hauptstraße

Schrottautos in der Insel-Idylle von Tahaa

Müll – die Geißel der ganzen Welt. Wie sollen wir dem nur Herr werden? Man mag nicht darüber nachdenken und jedes Auffischen einer treibenden Wasserflasche kommt mir zunehmend albern und überflüssig vor. Aber Aufgeben ist auch keine Option. Also weiter sammeln und vermeiden.

Plastik-Müll am Außenriff – Hao

Das traurige Außenriff. Jeder Kringel ist auf dem Foto offensichtlicher Plastikmüll in der Hochauflösung. Dazwischen liegt Makro und Mikromüll. Wir werden alle an unserem Plastik ersticken.


9

Da fliegt dir doch das Blech weg

Mi.,21. Jul.2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Rotoava, Tag 2607, 21.949 sm von HH

Waagerechte Palmenwedel

 

Spontan fällt mir diese alte Liedzeile von Spliff ein als wir um halb drei Uhr morgens im Cockpit sitzen. Der Wind heult in den Wanten. Grundwind dreißig Knoten, in Böen fegt es in Sturmstärke über uns hinweg. Windstärke neun. 42 Knoten Wind. Schnell kramen wir die Regenjacken her, falls der Anker nicht halten sollte. Aber alles ist gut. Atanga schwoit zwar an der Kette wild hin und her, mehr passiert nicht. Wir liegen ausnahmsweise in der ersten Reihe, ganz ufernah. Sonst sind wir gerne auch mal das Pestschiff und liegen abseits vom Ankerpulk. Als wir in Hirifa angekommen sind, war dieser Platz zufällig frei. Das ist jetzt unser Glück. Der Wind hat hinter den Palmen noch keine Zeit eine Welle aufzubauen. Die Lagune vor uns bleibt unbewegt, Atanga nickt noch nicht einmal. Der perfekte Ankerplatz bei viel Wind aus Ost.

Atanga in der ersten Reihe – grade noch im Wellenschatten

Keine Windwelle in Hirifa

Trotzdem heult es in den Wanten, ein Fall klappert. Da fällt mir die Dachkonstruktion ein, zum Regenwasser, direkt vor unserer Nase vor ein paar Tagen gebaut wurde. Und dann kommt mir das fliegende Blech aus dem alten Spliff-Song in den Sinn. Sechs Regenrohre wurden mit Beton gefüllt und in der Erde verbuddelt, eine Konstruktion aus Dachlatten  und Wellblech oben drauf genagelt. Da fliegt doch wohl kein Blech weg? Das wird doch halten? Nach zwei Stunden lassen die heftigsten Böen nach. Auch der Grundwind fällt auf erträgliche 25 Knoten. Wir krabbeln ins Bett zurück.

Neu gebaute Wellblech-Dach-Konstruktion zum Wasser fangen – dahinter die alte Konstruktion – ein geschlossenes Betonhaus – Jahrgang 1957

Drei Tage hält der Starkwind an. Erst begleitet von Regenschauern, dann folgt Sonnenschein. Wir gehen ans Außenriff zum Wellen gucken. Aus der lieblichen Südsee ist eine Art Nordsee geworden – nur ohne Gummistiefel und Mütze. Eine heftige Brandung rollt heran, obwohl das schlimmste Wetter schon vorbei ist.

Die Palmen stemmen sich dem Wind entgegen

Heftige Brandung am Außenriff

Wilde Wasser

Unsere für Sonntag geplante Rückreise zum Dorf im Norden von Fakarava verschieben wir. In Hirifa liegen wir tausend Mal ruhiger. Der Anker hat sich tief in den feinen kalkschlickigen Grund gegraben.
Es locken zwar die Läden mit frischen Lebensmitteln, aber drei Tage kann ich uns noch vor dem Hungertod bewahren. Eine gute Gelegenheit drei alte Konserven – noch aus Ecuador – zu öffnen. Und das allerletzte Glas aus Deutschland wird geöffnet. Wildpreiselbeeren. Abgelaufen 2017, aber tippi-toppi. Lecker zu Meerrettich-Sauce mit Hack und zum Frühstück aufs Brot. So hat alles seine Zeiten.

Jetzt sind wir zurück in Rotoava. Heute Morgen gestartet. Es war eine schnelle Fahrt mit knapp sechs Knoten am Tonnenstrich entlang. Wir hätten auch noch gerne mal am Südpass bei den Haien geankert, aber bei viel Wind ist es dort zu ruppig. Macht nichts. Hirifa war spannend genug.

 


11

Die Tage im Nirgendwo

Fr.,16. Jul. 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Hirifa, Tag 2602, 21.949 sm von HH

Was wir den ganzen Tag machen? Genau wie in der Großstadt-Marina ist es auch am traumigen Südsee-Ankerplatz wichtig, die Work-Live-Balance zu beachten.
Schön ist, dass bei ‚work‘ das Schwitzen nachgelassen hat. Die Tageshöchst-Temperatur kommt kaum noch über 26 Grad hinaus. Wir haben Hoch-Winter. Das Meer hat ebenfalls 26 Grad, Tendenz sinkend. Soo viel Arbeit fällt nicht an. Wäsche mit der Hand waschen, ist etwas lästig, aber machbar. Abwasch, putzen, kochen. Fertig. Und hin und wieder eine kleine Reparatur. Da hat es doch glatt den Steg vom Gitarrenkörper gerissen. Schuld ist wohl die Sonne gewesen, die durch die Luke geschienen hat.

Reparaturen fallen immer an

Das gibt uns Zeit für unsere neuen Hobbies. Achim übt auf seiner Ukulele. Er hat sich eine achtsaitige tahitianische Ukulele ausgesucht. Der Unterschied zur normalen Ukule ist die Akkord-Reihenfolge: statt GCEA wird GC’E’A gestimmt, dadurch klinkt die Tahiti Ukulele etwas höher. Achim ist richtig gut geworden. Die Schilder ’stop the Geklimper now‘ konnten abgehängt werden.
Somit habe ich häufig Musikbegleitung – Gitarre oder Ukulele – während ich nähe. Bevor wir nach Fakarava gesegelt sind, habe ich mich noch ordentlich mit Stoff eingedeckt. Die Blusen in den Schnittmustern, die ich in Papeete gefunden haben, hatten noch Schulterpolster. :mrgreen: Somit muss ich mich mit einer zerschnittenen Bluse als Schnittmuster beschränken. Der Salontisch ist nicht optimal. Mitten im Tisch steht ein Baumstamm und die geteilte Tischplatte ist auch nicht hilfreich. Aber es läuft.

Der Mann an der Ukulele

Schneiderwerkstatt auf Atanga

Stoffe zum Trocknen mit typischen polynesischen Mustern

Einkaufsbeutel – als erster Patchwork-Versuch

Wäsche waschen im selbst genähten Top im Fenua-Stil

Wenn wir nicht an Bord sind, ströpern wir über die Insel. Viel zu entdecken gibt es nicht, trotzdem ist immer was los. Mal kommt der Hund vom Restaurant (noch immer ungeöffnet) mit uns mit oder wir lassen die Drohne fliegen.
Viele Kontakte zu anderen Booten haben wir nicht. Fran und Jeff von der Salpare mussten leider weiter. Sie machen sich demnächst klar für ihren Heimweg nach Hawaii. Überhaupt haben wir die letzten Monate etwas Pech. Immer, wenn wir eine neue nette Crew kennen lernen, reist die kurz darauf weiter: Deutschland, Italien oder in die USA. Schade.

Neue Freunde finden wir hinter der Insel in der Lagune

Hirifa - der Ankerplatz hat sich deutlich geleert

Hirifa – der Ankerplatz hat sich deutlich geleert

Im linken Naturbecken parkt unser Dinghy – hier wird wohl bald ein Durchbruch zum Außenriff entstehen

Bleibt noch das Essen. Über vier Wochen haben wir jetzt keinen Laden gesehen. Noch nie haben wir so lange nicht einkaufen können. Die letzten Möhren gingen gestern Abend weg. Die haben zwar schon ein paar Seitenwurzeln geschlagen, sind aber knackig und hart geblieben (in Küchenpapier eingerollt und dicht in eine Plastiktüte gepackt – so lautet mein Tipp). Knoblauch und Zwiebeln, mehr frische Sachen haben wir nicht. Wir sind bei Dosengemüse und den Hülsenfrüchten angekommen: Linsensuppe mit Würstchen, Kichererbsen-Humus, schwarze Bohnen, Kürbissuppe mit Linsen Dal, Chili con Carne, Linsensalat mit Thunfisch, irgendwas mit Mais. Und hatte ich die Linsen schon erwähnt? Als Nachtisch Pfirsich oder Birnen aus der Dose mit Joghurt. Eier sind alle und die Schokolade auch. Die Zeit ist gekommen, das Paradies zu verlassen.

Die letzten ihrer Art – über vier Wochen alt, aber tippitoppi


6

Haie – Haie – Haie

Fr.,09. Jul. 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Hirifa, Tag 2595, 21.949 sm von HH

Natürlich gehen wir nochmal tauchen. Diese einmal im Leben Chance auf die Wand aus Haien lassen wir uns nicht entgehen. Die Barsche sind weg und jetzt hat man auch endlich einen Blick auf die Korallen. Der Pass ist dicht bewachsen mit gesunden Hartkorallen aller Art. Aber die Korallen sind Nebensache, wir sind heiß auf die Haie.
Und sie tun uns den Gefallen. Alle da. Hundert, zweihundert und mehr. In mehreren Gruppen bilden sie die ‚Wall of Sharks‘ an der Riffkante vom Pass. Wie auf einer Autobahn schwimmen sie in Vierer-Reihe neben und hintereinander her. Wie morgens Autos in der Rushhour. Der Verkehr fließt, kein Stop and Go, aber es wird dicht aufgefahren. Auf der Gegenspur kommen andere Haie zurück und ordnen sich im Reißverschluss-Verfahren mit der Schnauze wieder gegen die Strömung ein. Wir schweben als Zuschauer über dem Standstreifen und lassen den Strom an Haien an uns vorbei ziehen. Ein unglaubliches Schauspiel.

Wem das noch nicht reicht, der bekommt beim zweiten Tauchgang den ultimativen Kick. Wir tauchen den Haien auf ihrer Spur entgegen. Elegant weichen sie aus. Nach rechts und links, nach oben und unten. Aber sie bleiben nahe bei uns. Neugierig schauen sie, wer ihnen da in die Quere schwimmt. Wir lassen uns etwas zurückfallen, lassen mehr Abstand zu unseren Mittauchern. Wir sind umzingelt. Umso länger wir bei den Haien auf der Stelle  verweilen, desto näher rücken sie. Ich schätze, dass die Haie um Achim herum keine zwei Meter Abstand mehr halten. Ziehe ich großzügig die 25 Prozent ab, die Fische unter Wasser dichter dran erscheinen, bleiben noch immer nur zwei Meter fünfzig. Das ist nah. Sehr nah. Jetzt bloß nicht darüber nachdenken, dass sie den elektrischen Impuls unseres Herzschlages spüren können. Der Puls ist sicherlich erhöht. „Ich bin kein Futter“, klopft das Herz.
Achim, der die Kamera bedient, erzählt mir hinterher, dass er den Arm näher an den Körper genommen hat: „Nicht, dass da noch einer denkt, ich will ihn füttern.“ :mrgreen:
Aber natürlich lassen sie uns in Ruhe. Langsam treibt uns die Strömung aus ihrem Gebiet. Wir schauen uns an – in ein paar Tagen noch einmal? Unbedingt!

Obwohl unsere wundervolle Go Pro uns verlassen hat, habe ich mich trotzdem entschlossen einen eigenen Tauchfilm zu schneiden. Die Aufnahmen mit dem 35 Dollar Billg-Spielzeug sind nicht sooo toll, aber es sind „unsere“ Haie. Es ist unser Tauchgang gewesen und Achim hat sich viel Mühe gegeben mit dem Gerät nicht zu sehr zu wackeln.

Atanga proudly presents – unsere Fahrt durch die Hai-Straße als Geisterfahrer.


2

Das süße Leben in Hirifa

Mo.,05. Jul. 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Hirifa, Tag 2591, 21.949 sm von HH

Hirifa ist ungefähr sieben Kilometer lang und endet mit einer rosa schimmernden Sandbank. Im kristallklaren Wasser tummeln sich die Baby-Schwarzspitzen-Riffhaie für die der Pass noch zu gefährlich ist. Zwischen Außenriff und Insel hat sich eine Lagune in der Lagune gebildet. Eine ständige Veränderung der Landschaft erfolgt durch die Gezeiten. Bei viel Wind überspülen die Wellen das nahe Außenriff. Formen Sandbänke und Durchbrüche neu. Wir liegen geschützt hinter dem rechten Winkel, den Hirifa am Ende bildet. Wir ankern mitten im Ozean und doch wie in einem Binnensee.

Die Südspitze von Hirifa

Der Strand schimmert leicht rosa – wenn die Sonne tief steht

So geht Strand

Das Model

und der Wal

Der Strand von oben

und von unten

Am rosa Strand wohnt eine Familie, die ein kleines Restaurant betreibt. Im Prinzip hat das geöffnet, aber nie, wenn wir dort vorbei kommen. Sie haben achtzehn freilaufende Schweine, ein paar Hunde und einen kleinen Gemüsegarten. Nur zu erreichen mit einem Boot. Häufig fährt die Familie für mehrere Tage in den Norden, nach Rotoava mit Geschäften. Über einen Trampelpfad erreichen wir nach zwei Kilometern den nächsten Nachbarn. Auch hier ist keiner zu Hause. Wochenendhaus? Inselmüde? Wir wissen es nicht, aber das Anwesen nebst eigenem Schrein sieht gepflegt aus. Verlassen ist es nicht.

Inselrestaurant

Solar sorgt für Strom – die einzige Quelle

Wohnhaus auf Hirifa – mit Wassertonnen an jeder Ecke

Madonnen-Schrein

Genau wie die Hunde bekommen die Schweine überwiegend Kokos-Nüsse zu fressen

Um ans Außenriff zu gelangen, müssen wir mit dem Dinghy ein paar Kilometer die Insel abfahren. Durch das Inseldickicht ist kein Durchkommen. Es sieht so einfach aus, ach, die fünfzig Meter werden wir uns doch wohl durch das Gestrüpp quetschen können. Aber unmöglich. Wir finden zwei kleine Naturhäfen. Hier ist die Insel besonders schmal. Man kann sehen, dass von Zeit zu Zeit das Wasser seinen Weg in die Lagune findet. Die Vegetation ist bereits verschwunden, wir gelangen bequem ans Außenriff. Bald (in ein paar hundert Jahren … ) dürften hier neue Pässe entstehen und die Insel teilen. Die windzugewandte Seite ist rau und wild. Wenig Muscheln oder andere Strandfundstücke, aber dafür Plastikmüll. Nicht so heftig viel wie in der Karibik, aber dafür, dass wir uns mitten im Pazifik befinden, ist es erschreckend viel. Überwiegend sind es Reste von Fischernetzten und Plastikflaschen.

Kleiner Naturhafen der demnächst zum Pass werden dürfte

Die wilde Seite als Kontrastprogramm

am Außenriff

Die Lagunenseite wechselt zwischen Strand

und Riffplatte die wie eine künstlich angelegte Promenade wirkt

Früher war Hirifa stärker besiedelt. Wir finden noch ein paar alte Gräber und eine Hausruine mit 1879 als Inschrift über der Tür. Der Hauptort befand sich direkt am Südpass, aber dann wurde er in den Norden vom Atoll verlegt. Teilen müssen wir uns diese Idylle mit dreißig weiteren Crews – zur Barsch-Hochzeit. Jetzt sind viele weitergezogen und nur noch zwanzig Schiffe ankern vor Hirifa.

Zwei alte Gräber finden wir im Inselinneren

Hirifa bei Flaute – die ruhigen Tage sind leider vorbei – bei viel Wind verfliegt dieser Zauber


8

Die Hochzeit der Barsche und Haie satt

Do.,24. Jun 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Hirifa, Tag 2582, 21.949 sm von HH

Hundert Barsche, tausend Barsche. Zweitausend Barsche. Dazwischen rollt ein endloser Schwarm Füsiliere wie eine Welle über das Riff. Noch mehr Barsche. So weit das Auge reicht. Das reicht bis zur Riffkante. Dort patrouillieren die Haie. Der Blick geht zurück zu den Barschen. Wir tauchen mitten durch. Die Tiere sind träge, müde vielleicht, sie lassen sich berühren. Ein Barsch schwimmt mich sogar an. Viele liegen auf dem Grund. Die anderen schwimmen knapp über dem Riffdach. Der Schwarm lässt sich teilen wie das rote Meer – mit nur einer Handbewegung. Es sind unfassbar viele Fische. Dann kommen drei kapitale Barrakudas vorbei. Die Barsche versperren die Sicht. Es folgt ein Trupp Adlerrochen. Ein großer Thunfisch. Wieder der Füsilier-Schwarm – oder ist es ein anderer? – begleitet von einer Wolke kleiner Barrakudas.  Und noch mehr Barsche. Ein Meer voller Barsche.

Camouflage-Barsche satt

Leider ist unsere Go-Pro schon seit über einem Jahr kaputt. Unsere Filme und Bilder sind so schlecht (siehe oben), dass ich hier lieber auf einen kurzen Film verlinke von anderen Tauchern. Danke Silvain Camps, so hat es bei uns auch ausgesehen.

Der Camouflage- oder Tarn-Grouper ist ein unscheinbarer Fisch. Grau-braun gemustert, mit dunklen Flecken. Perfekt getarnt vor dem Riff. Er wird maximal achtzig Zentimeter lang, unsere Barsche haben wohl eine mittlere Länge von vierzig bis fünfzig Zentimetern. Einmal im Jahr treffen sie sich am Südpass von Fakarava zur Massenvermehrung. Zwei, drei Nächte lang übergeben die Weibchen ihre Eier der Strömung, die Männchen ihren Samen dazu. 15.000 bis 25.000 Fische sollen es sein. Überwiegend findet die Eiabgabe und Befruchtung nachts statt, so dass wir dies nicht zu sehen bekommen. Auf einen Nachttauchgang verzichten wir großzügig. Die Haie, die von dem gedeckten Grouper-Tisch angelockt werden, jagen ebenfalls nachts. Da kann es schon mal ruppig zugehen. Von Angriffen auf Menschen habe ich nichts gelesen, aber eine Taucherflosse bekommt schon mal einen Hai-Biss ab.

Üblicherweise erfolgt das Grouper-Treffen zum Vollmond im Juli. Da dieses Jahr der Junimond so spät stattfindet, sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir sind natürlich nicht die einzigen, die davon gehört haben. Der Ankerplatz direkt am Pass ist voll. Uns ist er zu voll, zumal der Grund nicht als besonders sicher gilt. Er ist tief und soll überwiegend aus Korallenschotter bestehen. Wir entscheiden uns im zehn Kilometer entfernten Hirifa zu bleiben. Der Anker liegt perfekt im Sand auf sieben Meter. Die Kette schwebt über vereinzelt versprengten Korallen-Mini-Köpfen.

In Hirifa gibt es nichts. Keinen Strom, keine Straße, keinen Laden. Aber es gibt Internet. Unglaublich im Grunde. Auf den kleinen Inselchen direkt am Pass haben sich Tauchbasen, ein oder zwei Lodges und ein Restaurant angesiedelt. Und für diese Geschäfte hat man einen Handy-Mast errichtet.
Mit dem Abschluss unseres Handy-Vertrages  wurde ein kleiner Router mitgeliefert. Kleiner als eine Zigarettenschachtel. Wenn wir den halb den Mast hochziehen, haben wir in Hirifa tatsächlich Empfang. Guten sogar: 4G!  Somit nehme ich Kontakt zu einer der Tauchbasen auf. Die besten Tage, um die Hochzeit der Barsche zu sehen, seien der 22. bis 24. Juni, bekomme ich als Information. Am 24.ten hätten sie noch zwei Plätze für uns frei, Abholung direkt von Atanga, Preis 63 Euro pro Tauchgang. Ich reserviere.

Um 8:00 Uhr morgens werden wir abgeholt. Getaucht wird nach Strömung am Pass, nicht nach Uhrzeit. Das Tauchboot ist ein recht komfortables Schlauchboot mit zwei kräftigen Außenbordern und Überdachung. Nach zwanzig Minuten sind wir am Pass. In zwei Gruppen, mit fünf Minuten Abstand springen wir ins Wasser. Wir sind zu fünft: die Crew der Salpare und unser Tauchguide. Ich nenne das Luxustauchen.

Wir springen am Ende vom Pass, direkt am Außenriff. Die Sicht ist gut, aber nicht sensationell. Es ist das Ende der auslaufenden Strömung. Noch während des Tauchganges kippt die Strömung, so dass wir leicht in den Pass einlaufend rein gespült werden. Es könnte nicht besser passen. Nach dem Tauchgang gibt es eine Pause mit heißem Tee und Keksen. Nico, unser Guide, stellt die Frage in die Runde: „Wollt ihr beim zweiten Tauchgang noch mal die Barsche sehen oder die Haie?“ Einstimmigkeit – die Haie!

An der Nordseite des Passes heißt ein Tauchspot ‚Wall of Sharks‘. Der ist sogar in unserer Navigations-Software mit diesem Namen verzeichnet. Vorsicht ist geboten bei Tauchspots mit hochtrabenden Namen. Hier nicht. Es ist einfach nur sen-sa-ti-o-nell! Haie satt. Es sind Hunderte. Ohne Übertreibung. Überwiegend Graue Riffhaie. Diese Hai-Art wird knapp zwei Meter lang. Die sind schon recht haiig, wie Achim immer sagt. Bullige Körper, nicht so schlank, wie ein Schwarzspitzen-Riffhai. Zwischen den Grauen schwimmen einige Silberspitzen-Haie. Die werden bis zu drei Meter lang und sind noch haiiger.
Die Masse der Haie verschlägt uns den Atmen. Die Haie stehen in der Strömung und lassen sich das Wasser zum Atmen durch die Kiemen strömen. Es ist eine Wand aus Haien. Hinter einem kleinen Überhang auf 28 Meter finden wir Schutz vor der Strömung und brauchen nur zu warten. Die Haie kommen näher. Fast zum Greifen. Schwimmen sie auf gleicher Höhe wie wir, kann man ihnen in die Kiemen schauen. Schwimmen sie über uns, kann man ihnen an den ‚Klasper‘ schauen. Das ist aber unanständig, weil dieses die zum ‚Penis‘ umgewandelte Bauchflosse ist. Niemals zuvor haben wir so viele Haie so nah gesehen. Gut, wen man weiß, dass der Graue Riffhai einen Katzenbuckel macht, wenn er sich bedroht fühlt. :mrgreen:
Auffällig ist, wie dick die Tiere sind. Vollgefressen mit Barschen wahrscheinlich. Oder vielleicht schwanger. Irgendwo müssen die ganzen Haie ja herkommen.

Haie satt

Das gleiche gilt für die ‚Wall of Sharks‘. Unser Foto ist leider unterirdisch schlecht. ;-)
Danke GlobalDiveMedia für den tollen Film, so hat es bei uns auch ausgesehen.

 

Es gab ein französisches Tauchteam, das einen 24-Stunden-Tauchgang zur Hochzeit der Barsche unternommen hat. Sie sind beim Zählen der Haie auf über 700 Tiere gekommen. Zu normalen Zeiten sollen es zwischen zwei- und vierhundert Haien sein, die sich dauerhaft im Südpass von Fakarava aufhalten.
Übrigens haben uns andere Taucher erzählt, dass bereits am nächsten Tag kein einziger der Barsche mehr zu sehen war. Etliche wurden gefressen und die Überlebenden sind zu ihren Spalten und Höhlen am Riff zurück gekehrt. Für Vermehrung dürften sie ausreichend gesorgt haben.


7

Wenn man eben mal weiter will …

Mo.,21. Jun 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Hirifa Tag 2579, 21.949 sm von HH

Das Wetter, Atanga und wir sind soweit. Es geht zum Südpass von Fakarava. In den letzten Tagen hat der Non-Mecánico auf Atanga das Problem mit dem nicht drehenden Anlasser gelöst, der uns bei der Einfahrt ins Atoll noch so geschockt hat. Ein Motor, der zuverlässig am Zündschlüssel startet, ist eine gute Sache, wenn man am Anker hängt. Man weiß nie, wofür das gut ist. Das Kurzschließen des Anlassers im Maschinenraum dauert uns im Notfall zu lange. Achims ist bei der Recherche des Problems erleichtert, es scheint ein elektrischer Fehler zu sein. Jetzt kann er mit seinem geliebten Multimeter Ströme messen und Probleme lösen. Das Relais ist defekt – so einfach kann das Leben sein. Das Relais wird abgebaut, weil sowieso nachträglich angebaut, und schon startet Atanga wieder per Zündschlüssel, wie mehrere Tests an verschiedenen Tagen ergeben.

Nicht so am Abfahrts-Morgen. Mist! Nichts dreht sich – die alte Kurzschluss-Variante muss herhalten. Der Motor brummt,  nun aber, los geht’s. Achim steht an der Ankerwinsch, holt die Kette ein und ich stehe am Ruder. Plötzlich gibt es einen Ruck. Schon wieder Mist! Unsere Ankerkette ist irgendwo verklemmt. Vorwärts fahren, seitwärts, alle Versuche bleiben erfolglos. Atanga ist gefangen. Der Ankerplatz vor Rotoava ist tief, zwischen 14 und 20 Metern. Leicht trübes Wasser gibt keinen Blick auf den Grund frei. Tagelang haben wir andere Segler kommen und gehen sehen. Einige werfen einfach den Anker, andere nutzen die Methode, die ich schon mal beschrieben habe, mit der schwebenden Ankerkette. Eins ist allen Booten gemein: sie gehen einfach Anker auf. Wir nicht. :mrgreen: Jetzt hilft nur noch tauchen. Achim macht sich fertig. Zum Glück stehen immer zwei volle Pressluftflaschen bereit. Nach nur zehn Minuten taucht der Chef wieder auf. Hinter einem Korallenblock war die Kette verklemmt. Ein kleiner Schubser mit dem Kuhfuß und sie ist wieder frei. Eine Stunde Gerödel mit der Ausrüstung für eine Minute Arbeit.

Ein ungewöhnliches Werkzeug zum Tauchen dabei: der Kuhfuß als Korallenknacker – sorry

Gut Luft

Endlich kann es los gehen. Vor uns liegen dreißig Meilen. Der Wind ist mau, wir kommen nur langsam vorwärts. Ewig lang zieht sich die schmale Hauptinsel von Fakarava an uns vorbei. Es gibt eine betonnte Strecke, die allerdings mit etwas Vorsicht zu genießen ist. Ein paar der Bommies am Rand der „Strecke“ sind nicht verzeichnet. Die Sonne steht gut für uns, so dass wir alle Untiefen gut erkennen können. Da es spät geworden ist, beschließen wir nach knapp der Hälfte der Strecke zu übernachten. Ankern kann man praktisch überall.
Neben uns ankert die Salpare, nette Amerikanern mit denen wir uns spontan blendend verstehen.

Das Dinghy hängt seitlich Huckepack – ohne Welle und Geschaukel im Atoll kein Problem

Immer schön im Dunkeblauen bleiben – wo’s Türkis wird. ist es gefährlich

Wir passieren Insel für Insel

Über Nacht hat Achim eine Erleuchtung, im wahrsten Wortsinn: „Wir haben doch ein Ersatz-Relais für unsere Ankerwinsch“, weckt er mich. „Das müsste auch für den Anlasser passen.“ Nach dem Frühstück verschwindet er mit dem Kopf im Maschinenraum und kommt mittags wieder zum Vorschein. „Erledigt! Starte mal den Motor.“ Perfekt, die Maschine springt an wie zuvor.
Wir bleiben noch eine weitere Nacht wo wir sind und erreichen mit zwei Tagen Verspätung den Süden von Fakarava.

Jetzt liegen wir in Hirifa. Wieder vor einer dieser endlos langen, schmalen Inseln. Ein toller Platz, der wahrscheinlich schönste bisher in den Tuamotu. Der Südpass ist fünf Meilen von hier entfernt. Dort wollen wir tauchen. Mal sehen, wie wir das organisieren bis zum Vollmond. Denn am Pass warten 15.000 bis 25.000 Barsche auf uns, je nachdem welchen Bericht man vertraut. Einmal jährlich zum Juni- oder Juli-Vollmond treffen sich dort Camouflage-Barsche zur gleichzeitigen Eiablage und deren Befruchtung. Dieses lockt Tonnenweise Schwärme an Ei-fressenden Kleinfisch an. Und alle zusammen bringen ihre „Freunde“ mit. Bis zu siebenhundert Haie in einer Nacht sind verbürgt. :shock:

Ankunft in Hirifa bei totaler Flaute – ein Südseetraum

Winteranfang – es wird bereits um halb sechs Uhr dunkel


9

Die Schönheiten von Fakarava

Mi.,16. Jun 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Rotoava Tag 2574, 21.919 sm von HH

Schon seit Tagen wollen wir am Südpass von Fakarava sein, allerdings spielt das Wetter nicht recht mit. Viele Regenschauer und dunkle Wolken ziehen über das Atoll. Wir möchten auf unserem Weg Sonnenschein haben – so einige Korallenköpfe lauern auf der Strecke und die Karte ist nicht besonders gut kartographiert. Also warten wir in Rotoava auf Besserung. Viele Sensationen gibt eine Insel in den Tuamotu nicht her, aber wir werden fündig. Die Schönheit liegt im Detail versteckt. Am Nachmittag, wenn die winterliche Sonne schon tief steht, werden die versteckten Schätze von Fakarava in Szene gesetzt.

Der Fahrradreifen ist inzwischen geflickt, trotzdem ziehen wir zu Fuß los. Zuerst am Außenriff entlang – Fakarava hat sogar einen Sandstrand aus Korallenschotter vorzuweisen. Bislang kannten wir nur Außenriffe mit unbegehbaren Riffplatten. Nach vier Kilometern erreichen wir eine Art Maya-Pyramide. Ein außer Dienst gestellter Leuchtturm aus dem Jahre 1957, längst ersetzt durch einen modernen Beton-Turm. Die alte Pyramide wurde noch aus Korallen gebaut. Der Bau wurde damals von einer Frau koordiniert, die ein Team leitete, was Erfahrung im Bau mit Kalk (Korallenpulver) hatte. Heute gibt es Bestrebungen den 14 Meter hohen Turm abzureißen, weil er sich zu nah am Flughafen befindet.

Strand am Außenriff

Der Strand besteht aus grobem Korallenschutt

Strecke zum Leuchtturm

Wie eine Maya-Pyramide ;-) taucht der Turm vor uns auf

Erst 1820 wurde Fakarava von einem russischen Seefahrer für Europa entdeckt, der es Wittgenstein nannte. Bereits 1849 wurden die Einwohner vom verrückten Priester Laval evangelisiert. Lavals wahnsinnige Kirchen-Bauwut forderte auf den Gambier Inseln nur wenige Jahre später viele hunderte Todesopfer. Ein alter Friedhof stammt noch aus dieser ersten Besiedlungszeit. Viele Gräber sind zerfallen und die Grabsteine aus Korallen verwittert. Aber wir konnten Geburtsjahrgänge um 1860 entziffern.

Der alte Friedhof windzerzaust und halb überwuchert

Nur ein paar hundert Meter weiter steht der moderne Friedhof. Der erscheint uns recht leer für tausend Einwohner, aber vielleicht wird nicht jeder auf dem Friedhof beigesetzt. Auf den westlichen Gesellschaftsinseln, wie Huahine, haben wir gar keinen Sammelfriedhof gefunden, da stehen die Gräber der Familienangehörigen im Vorgarten. Zufällig entdecken wir auch in Fakarava eine mächtige Gruft aus dem Jahr 1927 – eingebettet zwischen Wohnhaus und Schuppen.

Der moderne aktive Friedhof von Fakarava

Gruft aus dem Jahr 1927 zwischen den Wohnhäusern

Die schlichten Kreuze auf den Gräbern sind mit Muschelketten geschmückt, den sogenannten Lei. Die Polynesier hängen über alles, was ihnen wichtig oder heilig ist, einen Lei. Der kann aus Blüten, Muscheln oder Blättern bestehen. Auf dem Friedhof sind es Ketten aus den verschiedensten Muschelarten. Hübsch zusammen gestellt. Wo allerdings diese Unmengen an Muscheln herkommen, ist uns unklar. Am Strand liegen sie jedenfalls nicht. Dort findet man kaum ein Exemplar.

Muschel-Lei über jedem Kreuz auf dem Friedhof

Ketten über Ketten

in jeder Art und Weise zusammengestellt

Muschelkettenverkaufs-Stand am Straßenrand – wo kommen die Muscheln her?

In der Kirche von Fakarava – über alles wir ein Lei gehängt

Lei über einem Jesus-Bildnis in der Kirche

 

Und dann steht mal wieder unser Hochzeitstag an, an einem Mittwoch. Ich möchte dieses Jahr zum Jubiläum nicht wieder selber kochen müssen, wie letztes Jahr im Lockdown auf Gambier. In Rotoava finden wir ein paar nette Restaurants. Hoffnungsvoll schauen wir auf die Öffnungszeiten. Aber nein, wir haben Pech, wegen der geringen Anzahl an Gästen auf der Insel öffnen die Restaurants nur am Wochenende. Es gibt noch ein Lokal fünf Kilometer außerhalb mit Abhol-Service, aber wir wissen nicht, ob sie uns auch unter der Woche holen. Da bleibt nur die Pizzeria übrig. Hurra. Allerdings hat diese keine Sitzgelegenheit, es gibt nur einen Abhol-Service. Da die Pizza kalt ist, bevor wir mit dem Dinghy an Bord zurück sind, suchen wir uns ein lauschiges Plätzchen unter einem Baum. Mückenspray dabei – check. Zwei Dosen Bier eingepackt – check. So romantisch kann eine Jubiläumsfeier sein, auch wenn es stockdunkel ist, bevor die Pizza endlich fertig ist.

Mach mir das Wendler-Herz – Moment – das müssen wir noch üben :mrgreen: Alles Liebe zum Hochzeitstag

Nette Restaurants in Rotoava – alle nur am Wochenende geöffnet

Unser Pizza-Platz bevor es dunkel ist

Warten im Stockdunklen auf die Pizza


1

Fahrradtour mit Panne

Mi.,09. Jun 2021, Franz.Polynesien/Tuamotu/Fakarava/Rotoava Tag 2567, 21.919 sm von HH

Fakaravas Hauptinsel verfügt über eine zwanzig Kilometer lange Betonpiste. Eine deutlich überdimensionierte Prachtstraße inklusive abgetrennten Fahrradstreifen rechts und links. Der Bau erfolgte anlässlich  eines geplanten Besuches von Frankreichs ehemaligen Präsidenten Jacques Chirac in den 90er Jahren. Aus dem Besuch ist nichts geworden, aber die Straße ist geblieben. So eine Piste ohne Steigungen ist doch was für eine Radtour, denken wir. Zusätzlich wählen wir einen windstillen Tag, so dass wir nicht gegen den Wind zurück strampeln müssen. Alles läuft perfekt.

Die Autopiste von Fakarava

Hier ist die Welt noch in Ordnung – mit dem Dinghy bringen wir die Räder an Land zum Ausklappen

 

Wir fahren südwärts. Am Ortsausgang stehen noch ein paar Pensionen für Übernachtungsgäste. Einfache hübsche Hütten direkt an der Lagune mit privaten kurzen Sandstränden. Wir radeln weiter, schnell wird die Besiedelung dünner, nur noch selten kommt ein Auto vorbei. Ab und an machen wir einen Abstecher zur Seeseite oder einen zur Lagunenseite.

Kleine Pensionen an der Lagunen-Seite

Kleine Stichwege führen zur Lagune

Mein Kokosnuss-Knacker

Pause an der Lagune mit frischer Kokosnuss

Praktischerweise stehen Kilometersteine an der Autobahn. In der Ortsmitte haben sie begonnen. Der Weg bietet auf Dauer wenig Abwechslung, also drehen wir an Kilometer 13 um. Als wir zurück zu Kilometer 7 geradelt sind, denke ich grade so, dass mir der Hintern weh tut und ein Päuschen nett wäre. Da ruft Achim: „Ich habe einen Plattfuß!“  Na, prima. Die Sonne steht hoch über uns und sengelt. Kein Schatten. Kein Windhauch geht. Aber es nützt nichts, wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Wir haben Flickzeug dabei, aber Achim erscheint eine  Reparatur auf offener Piste qualvoller als das Rad zu schieben. (Auf dem Boot stellt sich diese Entscheidung als goldrichtig heraus. Beim Zusammenheften der Blister-Packung wurde die Tube mit dem Kleber perforiert. Das wäre es ja gewesen: ausgebauter Hinterreifen und dann ist der Kleber für die Flicken unbrauchbar…)

Ich fahre langsam nebenher, mal etwas vor, mal bleibe ich zurück. Immer wachsam den Blick nach hinten, ob nicht ein Auto kommt. Es ist wie verhext – es kommen uns nur Wagen entgegen. Freundlich winkend. Bei Kilometer drei der erste Überholer: ein Moped. Dann ein Kleinwagen. Erst bei Kilometer zwei der erste Pick-Up. Voll geladen mit Autoreifen und einem riesigen Wagenheber. Da ist kein Platz für uns. Achim schiebt weiter. Da er sich nicht an mein langsames Lauf-Tempo anpassen muss, kommt er mit langen Beinen gut voran. Schlussendlich muss er bis Kilometer ‚Null‘ schieben. Den schweißnassen Kerl hätte wahrscheinlich sowieso niemand mehr gerne mitgenommen. :mrgreen:

Kein Schatten und nur Autos von vorne an Kilometer 6

Plattfuss hinten


9

Fakarava

Di.,08. Jun 2021, Franz.Polynesien,Tuamotu/Fakarava,Rotoava Tag 2566, 21.919 sm von HH

Fakarava ist das zweitgrößte Atoll in Französisch Polynesien. Erstaunliche 60 Kilometer lang und 25 Kilometer breit ist das fast rechteckige Archipel. Fakarava hat zwei schiffbare Pässe. Die liegen sich gegenüber an den kurzen Seiten im Norden und Süden. Eingerahmt wird die Lagune von langgezogenen, flachen Inselchen.

Fakarava (danke, google maps) – wir ankern oben rechts in der Ecke

Die Insel, vor der wir im Nord-Osten ankern, ist zwanzig Kilometer lang , aber nur 250 Meter breit. Manchmal sogar noch schmaler. Entsprechend in die Länge gezogen ist der Ort. Eine befestigte Straße führt an der Lagunenseite lang – eine Sandpiste am Außenriff. Keine tausend Menschen wohnen hier. Es gibt drei Tante-Emma-Läden, die für die Tuamotu aber erstaunlich gut sortiert sind. Es steht sogar Joghurt und Quark im Kühlregal. Das Versorgungsschiff kommt einmal die Woche. Vor Corona war Fakarava die Touristen-Insel Nummer eins in den Tuamotu, jetzt schlendern nur die Segler durch den Ort und ein paar wenige Gäste. Die Tauchbasen haben nichts zu tun. Die kleinen gemütlichen Pensionen stehen leer.

Die Kirche jetzt von Lad aus betrachtet – genau gegenüber von Atangas Ankerplatz

Diese hübsche Pension freut sich über Segler die zum Mittagessen kommen

Südsee-Idylle

Wir fühlen uns spontan wohl. Südsee-Gelassenheit schleicht sich sofort ins Gehirn. Besonders nach dem lauten und hektischen Papeete. Hier wird noch Fahrrad gefahren – die paar Autos fallen nicht ins Gewicht.

Gemächlichkeit auf Fakarava

Eine stete Brise kommt vom wilden Außenriff

Der Ankerplatz ist gut gefüllt – Fakarava ist sehr beliebt unter den Seglern

Berühmt ist Fakarava vor allem bei Tauchern. Nicht selten wird das Atoll unter den zehn besten Tauchspots der Welt gehandelt. Vor allem für seine Hai-Dichte ist Fakarava bekannt.
Und richtig, wenn man am Strand spazieren geht, sieht man alle fünf Minuten einen Hai seine Bahnen im seichten Wasser ziehen. Da weiß man gleich, wer einen beim Dusch-Bad abends hinter dem Boot von unten beobachtet. ;-)

Hai-Beobachtungsposten am Strand der Lagune

zwei Ammenhaie an der Pier fürs Versorgungsschiff – ca. fünf Meter tief


10

Tag 4 – Ankunft mit Schrecken

Do.,03. Jun 2021, Franz.Polynesien,Pazifik, Tag 2559, 21.919 sm von HH

Bereits um 1:00 Uhr morgens in der vierten Nacht hat die Kreuzerei ein Ende. Wir stehen vor dem Eingang von Fakarava. Hat sich die bordeigene Kalkulation wohl verschätzt? Nein, hat sie nicht, wir haben gemogelt. Als wir um Toaus Nordspitze herum kommen, drückt uns nach einer Wende eine Strömung auf unsere alte Kurslinie zurück. Das nennt man auf der Stelle segeln. Wir werfen die Maschine an und motor-segeln sieben Meilen direkt nach Osten. Da Wind und Welle etwas zurück gegangen sind, kommen wir gut voran. Prima Lösung. Der Rest ist dann easy. Noch ein Kreuzschlag und schon stehen wir etwas zu früh vor der Passeinfahrt. Aus einer kleinen Strecke von 230 Meilen Direktweg haben wir 340 Meilen gemacht. Wahrscheinlich weil wir ja so gerne segeln.

Unsere Strecke von Tahitt nach Fakarava mit einem kleinen Ritt über Toau

Streckenweise ist es etwas ruppig

Ab Tag drei ist die Welt dann trotz Schietwetter wieder in Ordnung

Den Rest der Nacht verbringen wir beigedreht vor der Insel. Hierbei wird das Vorsegel auf die“ falsche“ Seite des Schiffes genommen – back gestellt – wie es heißt. Dadurch verliert das Schiff fast komplett den Vortrieb und treibt ruhig ohne viel Schräglage Richtung Luv. Die einzige Voraussetzung dafür ist ausreichend Platz zum Treiben.
Nach dem Frühstück erwarten wir dann die !Slacktime‘, die Zeit zwischen Hoch- und Niedrigwasser, dem idealen Zeitpunkt, um in einen Pass in ein Atoll zu fahren.
Achim startet die Maschine und „piiiep“. Mehr passiert nicht. Der Motor springt nicht an. Ich schaue in tellergroße Augen. „Der Anlasser“, lautet Achims Sofortdiagnose. Er fummelt ein wenig im Maschinenraum herum, der Anlasser bekommt zwei sanfte Schläge mit dem Gummihammer (so ein Auto hatte ich auch schon mal – ein halbes Jahr habe ich das so gemacht). Nichts. Der Motor springt nicht an. Achim fummelt und klopft. Ich bediene den Zündschlüssel. Nichts. Im Geiste sehe ich uns schon die 230 Meilen direkt nach Tahiti zurück segeln. Wer will, ja, wer kann ein 17 Tonnen Schiff durch den Pass schleppen? Da fällt mir spotan niemand ein. ;-)  Ich höre von unten komische Geräusche und plötzlich läuft die Maschine. Dabei habe ich doch gar nicht am Zündschlüssel gedreht. „Ich habe den Anlasser kurzgeschlossen“, grinst Achim mich an. „Mit einem Maulschlüssel.“
An dieser Stelle herzlichen Dank an ‚Pat Manley‘, der in seinem Buch ‚Bootswartung‘ genau diese Lösung beschreibt, sollte der Anlasser mal nicht wollen. Und einen dicken Dank an den Skipper, der sich an diese Passage im Buch erinnert hat. Ein Dreamteam.

Der Rest ist dann schnell erzählt: drei Knoten Strömung drücken uns ins Atoll. Im Pass wartet eine stehende Welle von einem Meter auf uns. Wir werden ordentlich durchgeschüttelt, aber das war es auch schon. Nach fünfzehn Minuten ist der Spuk vorbei.
Jetzt liegen wir im Norden von Fakarava vor dem Hauptort. Wie idyllisch es wirkt. Scheinbar hat sich der Umweg gelohnt. Morgen geht es an Land.

Fakarava – die Kirche von Rotoava


2