Kategorie: Atanga

Verzögerungen

Fr.,08.Apr. 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2869, 24.688 sm von HH

Gefühlt ist Corona weltweit kaum noch ein Thema. Außer in Deutschland und Neuseeland. Nach zwei Jahren geschlossener Grenzen hat Neuseeland seit wenigen Wochen wieder geöffnet. In einem Stufenplan dürfen verschiedene Gruppierungen und ab 2. Mai auch Touristen wieder einreisen.
Mit Öffnung der Grenzen ist natürlich auch Omikron mitgekommen. Im Grunde ist dies die erste Corona-Welle in Neuseeland.
Nun wird getestet, was die Stäbchen hergeben. Entsprechend hoch sind die Inzidenzen und die Anzahl der Menschen, die zu Hause bleiben müssen.
Das führt zu Ausfällen an allen Ecken. Supermarktregale sind leer, weil es keine Fahrer und Packkräfte gibt. Unser Flexi Teek Mann: positiv. Dreiviertel der Belegschaft auf der Werft: positiv. Der Schweißer unserer neuen Püttinge: positiv. Die Arbeit ruht, Zeiten verschieben sich, Termine können nicht gehalten werden. Unser anvisierter Hallentermin natürlich ebenfalls nicht.
Das amtliche Enddatum wurde nun auf den 14. April festgelegt. Sehr gut. Ab 15. April beginnt unser House Sitting Job mit Katze. Dann werden wir eine Nacht obdachlos sein, aber es wird sich schon eine Lösung finden.

Wir freuen uns, dass es jetzt bald weiter geht. Bei uns ist etwas die Luft raus. Die bordeigene Buchhaltung hat es festgehalten. Über fünfhundert Stunden Arbeit haben wir bisher investiert. Nun gibt es am Deck nichts mehr zu tun für uns (fast nichts mehr – außer Pusselkram zu dem wir uns nicht gut motivieren können – hat ja noch Zeit … bis wir in die Halle kommen, das dauert – so lauten die Ausreden).
Die Klappe vom Ankerkasten war das letzte größere Werk. Auch so eine Geld-Spar-Geschichte. Bei der Klappe waren an der Kante einige Hohlräume unterm GFK aufgetaucht. Wir hatten dies Peter gezeigt und der hat die Klappe zur Reparatur mit in die Werkstatt genommen. Nicht passierte. Dann haben wir uns die noch immer kaputte Klappe wieder geholt, damit keiner in den Ankerkasten fällt als der Mast runter kam. Schlussendlich haben wir die Reparatur selber vorgenommen. :roll: Die Hohlräume haben wir aufgeschnitten, schön sauber gemacht, mit Epoxid flüssig vergossen und am Schluss sauber verspachtelt und geschliffen. Unser Epoxid mischen wir schon lange selber. Die Pumpenhübe aus dem West-System aus dem Werft-Shop sind uns auf Dauer zu umständlich geworden und zudem nicht am Wochenende verfügbar. Selbst ist der Giftmischer.

Klappe vorher

Klappe nachher – bestimmt vier Stunden Arbeitslohn gespart

Nicht Breaking Bad, sondern die eigene Chemie-Bude auf Atanga

Wir nutzen die Wartezeit bis zum Hallentermin, um mal wieder etwas anderes als staubige Schiffe zu sehen. Ein Ausflug zu den nahegelegenen Wasserfällen soll es sein. Sehr lohnenswerte Wanderung und nur ein paar Autominuten entfernt. Wunderbar. Tagsüber ist es noch immer sommerlich warm. Nur die Sonne steht bereits herbstlich tief am Horizont. Das malt schöne Farben.

Die Whangarei Falls

Das besondere – man kann einmal um den Wasserfall herumlaufen – oberhalb gibt es eine Brücke

Herbst ist schön

Immer am Fluss entlang


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Schiff getauscht

So.,01.April 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2862, 24.688 sm von HH

Wir schlendern etwas missmutig über das Yard als wir auf Andrew treffen. Man kommt ins Gespräch, wir klagen unser Leid über unser halb auseinander gerissenes Schiff und dass uns das Projekt über den Kopf zu wachsen droht.
Andrew lacht: „Ich kann euch verstehen. Ich mache das professionell, ich weiß wovon ihr sprecht. Ich kaufe runter gewirtschaftete oder halb fertige Boote, mache sie fertig und verkaufe wieder. “
Andrew ist witzig und interessant. Noch interessanter ist sein Vorschlag. „Auf der Nachbarwerft habe ich gerade einen Katamaran fertig gemacht, wollt ihr euch den mal anschauen?“

Ich mache es kurz. Von einem Katamaran träumen wir schon länger. Viel Platz, Komfortabel am Ankerplatz. Einfach tolle Boote.
Wir sind sofort begeistert von dem Schiff, was er uns zeigt. Es dauert nur drei Tage, dann sind wir uns handelseinig. Andrew nimmt unsere halb fertige Atanga, wir nehmen den sofort segelfertigen Katamaran (okay, wir legen noch etwas Geld oben drauf ;-)  ) und sind mit einem Schlag alle Sorgen los.

Sagt herzlich Willkommen zu unserem neuen Baby. Wir freuen uns wie Bolle.

Das wird Atanga 2 – Bilder von innen folgen


4

Up and downs auf der Baustelle

So.,27.Mrz.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2857, 24.688 sm von HH

Als erstes das ‚up‘: Unser Hallen-Termin wird weiterhin für Mitte April avisiert. Höchste Zeit, dass ich eine Unterkunft finde. Auf der House-Sitting-Plattform tummeln sich zurzeit nur Angebote für drei Tage, maximal eine Woche – zum Teil 20 Kilometer entfernt. Das klingt nicht so attraktiv.
Es gibt auch AirB&B Angebote in Whangarei, meistens sind die Küchen und/oder Bäder mit anderen zu teilen. Ein Bad haben wir jetzt auch nicht für uns alleine, also, was soll’s. Die Preise für AirB&B sind überraschend hoch: Unter Hundert Dollar (ca. 60 Euro) pro Nacht findet sich kaum etwas. Da läppert sich bei einem Monat Aufenthalt ein gutes Sümmchen zusammen.
Also starte ich eine Anfrage in einer Whangarei-Community-Gruppe, ob nicht jemand privat etwas vermietet oder ein House-Sitting benötigt.
Und, tatatataaa, es meldet sich tatsächlich eine Frau. Sie und ihr Mann wollen für fünf Wochen verreisen und sie suchen jemanden, der ihre Katze hütet. Sie wollen genau in der Zeit in den Urlaub in der Atanga in der Halle stehen wird. Fünf Kilometer entfern. Kann man das glauben?
Wir werden zum Vorstellungsgespräch eingeladen: ein charmantes Haus, nette Leute und eine hübsche orangene Katze. George ist zutraulich und verschmust. Das Ehepaar deutet an, dass sie mit uns grundsätzlich einverstanden wären, würden aber gerne vorher mit unseren ersten Gastgebern über unseren Leumund telefonieren. Wir können diese Vorsicht verstehen und geben ihnen die Nummer von Graham. Was sie nicht wissen ist, dass Graham und Julie uns bereits für Ende Juli erneut zum House-Sitting angefragt haben. J Da sollte doch eine gute Bewertung drin liegen. Drückt uns die Daumen. Während ich schreibe, warten wir auf eine Rückmeldung.

Die ‚downs‘ hängen in erster Linie mit dem Wetter zusammen. Whangarei trägt unter Kennern den Beinamen Whangarain. Davon haben wir in dem phantastischen Sommer nicht viel festgestellt (nicht normal heißt es, so ein lang anhaltendes gutes Wetter). So langsam verstehen wir, was gemeint ist. Es regnet jetzt fast jeden Tag. Entweder Sintflut-Regen, der das ganze Yard unter Wasser setzt oder mit Spielverderber-Schauern. Das Deck ist grade getrocknet vom Morgentau (so um 10:00 Uhr), Staubsauger, Schleifer und Werkzeuge liegen bereit, und dann kommt ein Schauer. Nur fünf Minuten Nieselregen, aber man muss schnell alles wegräumen, alles ist wieder nass, die ist Arbeit unterbrochen. So kommen wir nicht voran.

Knöcheltiefe Überflutung

Überflutung nach ein „bisschen“ Regen – schön an dieser Stelle auch das Stromkabel im Wasser

Es geht noch immer um das ‚Weiße‘. Alle Leihgeräte unserer Schiffsnachbarn waren so erfolglos wie unser Schwingschleifer. Dem Gelcoat kommt man in realistischer Zeit und mit realistischem Aufwand nur mit einer Flex an den Kragen. Der Flex-Einsatz ist nur in der Halle erlaubt.
Aber es gibt natürlich auch Ecken, die man mit der Flex nicht erreichen wird. Zwischen den Fenstern und an den Kanten zum Beispiel. Die können wir noch prima vorbereiten, so unsere Idee (mit dem üblichen Spar-Effekt). Mein neuer Freund ist also eine Abzieh-Klinge. Damit geht das Gelcoat einigermaßen runter und ich gewinne auch gleich neue Freunde von den anderen Booten. :lol: Die Geräusche der Klinge gehen durch Mark und Bein: eine Mischung aus Kreide auf der Tafel und Panik im Schweinestall. Das Quietschen ist abartig.

In Flocken hole ich mit dem Abzieher das Gelcoat runter – Achim hat es derweil gemütlich im Schiff

Alle Kanten sind frei – die Halle kann kommen

Schweinearbeit – grade an den unzugänglichen Ecken kommt mir das Gelcoat besonders dich vor

Und was macht Achim? Der hat Knie und erneut einen Job im kühlen Schiff. Er stellt den Antrag für unsere Visa-Verlängerung. Ein Katalog von Fragen, Erklärungen und Dokumenten-Beigaben. Zum Beispiel sollen darlegen, dass wir eine langfristige, echte, belastbare Beziehung zueinander haben. Ja wissen die denn nicht, dass wir seit vier Monaten auf dem Harten stehen und eine Baustelle haben? :mrgreen:


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Zwischen Menschenverstand und YouTube-Universität

Fr.,18.Mrz.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2849, 24.688 sm von HH

Wir kommen voran. Aber etwas mühsam. Wir fühlen uns manchmal etwas alleine gelassen. Wir vermissen ein Projekt-Management. Jemand, der uns etwas mehr an die Hand nimmt … In einer Comedy-Sendung würde jetzt ein mitleidig-ironisches „ohhhhh“ erklingen.

Jedes Projekt zieht ein Folgeprojekt nach sich. „Ohhhh!“ Inzwischen ist mehr deinstalliert  worden, als wir je geplant hatten. Achim hat sogar die Züge der Püttinge ausgebaut. Davor hat er sehr zurück geschreckt. Muss man dafür doch den halben Salon auseinander bauen. Wer weiß, wie die Züge aussehen? Bei unseren Nachbarn waren die Bolzen zum Teil verrottet. Das gibt den Impuls, dass wir auch mal schauen sollten. Die Bolzen haben ja noch kein Tageslicht gesehen in über dreißig Jahren. Auslöser für unser Problem waren die Abdeckplatten der Püttinge, die an die Püttinge selber angeschweißt waren. Ein unglücklicher Zustand, aber hat man damals so gebaut auf Atanga. Ohne das Ziehen der Züge hätten wir mit dem neuen Deck um die Abdeckplatten herum arbeiten müssen. Teakholz-Klammern waren da schon mal im Gespräch. Die unter die Püttinge geklebt werden sollten. Irgendwie klingt das nach Murks.
Achims Idee (Menschenverstand), die Platten abflexen zu lassen, hat die Facebook-Experten-Gemeinde für doof erklärt. „Du musst die Püttinge ziehen, anders geht es nicht.“
Das war dann einfacher als gedacht. Die Bolzen sind in tadellosem Zustand, die Züge ebenfalls. Die angeschweißten Abdeckplatten werden abgeschnitten, die Püttinge poliert und es gibt neue Platten zum drüber ziehen – alles liegt schon beim Edelstahlschweißer. Folgekosten und Folgeprojekt. „Ohhhh.“

Die Züge unserer Püttinge – durchs Deck bis in den Salonschrank hinein – daran hängen die Wanten und somit der Mast

Das sind unsere Püttinge mit angeschweißter Platte – die kommt jetzt ab

Alles, was abgebaut wird, zieht stundenlanges Putzen und Polieren nach sich. An den meisten Teilen klebt hartnäckiges Sika. Tütenweise legt Achim mir Geheimprojekte, wie er sie nennt, auf meinen Platz. „Geh um die Welt segeln“, haben sie gesagt. „Da kannst du viel erleben“, haben sie gesagt. Dass man dann gebrauchte Schrauben putzt, haben sie verschwiegen.
Unsere Genua-Schienen – 10 Meter  in Summe – sehen schlimm von unten aus. Wir haben angefragt, was neue Scheinen kosten, nur um sie nicht sauber machen zu müssen. :lol: Die 420 Euro darf ich mir jetzt verdienen.

Die Reinigung der Genua-Schinen – möglichst ohne die schützende Eloxal-Schicht zu zerkratzen – mit Zerstörung wäre schneller

Hunderte Geheimaufträge – Bolzen und Schrauben, die noch gut sind verwenden wir wieder – Stichwort Geldbeutel – es läppert sich bei zig Schrauben

Fragen, die wir haben, beantworten wir uns selber oder finden Hilfe in der YouTube-Universität. Dankeswerter Weise haben wir Kontakt zu zwei Bootsbesitzern aufnehmen können, die schon mal Flexi Teek verlegt haben. Hier können wir wichtige Fragen los werden, wie „Dürfen Klampen eigentlich direkt auf dem Flexi Teek angebracht werden?“ „Nein! Zuviel Zug auf den Klampen.“  Aber wenn nein, wie löst man dann das Problem mit dem unterschiedlichem Niveau von Deck und neuem Decksbelag? Schließlich ist das Flexi Teek 5 mm stark.

Vor ein paar Tagen war endlich ein Mitarbeiter der Flexi Teek Firma aus Auckland bei uns. „Alles kein Problem.“ Wir mögen es, wenn Menschen Optimismus verbreiten. Auch, wenn es etwas dick aufgetragen sein mag. Demnächst kommen seine Kollegen, um das Aufmaß unseres Decks vorzunehmen und das Muster für unser neues Deck zu erstellen. Der gute Mann konnte so einige Sorgen zerstreuen. Danke!

„Werdet ihr eigentlich auch selber arbeiten oder lasst ihr alles machen?“ Die Frage wurde uns häufig gestellt als wir von unserem geplanten Decks-Projekt berichtet haben. „Wir werden mithelfen, wo wir können“, war unsere Antwort. Wenn ich überhaupt eine Vorstellung hatte, was auf uns zukommt, dann in der Form, dass wir hin und wieder mal einbezogen werden. Hier und da etwas abbauen, aber ansonsten tatkräftige Arbeiter um uns herum wuseln haben. Wir sind jetzt über drei Monate in der Werft und haben bislang nur für eine Stunde Fremdarbeit für unsere Decksarbeiten bezahlt. Die bestand in Beratung für die Fenster-Abdichtung (die wir übrigens alle dicht bekommen haben  :-) wie ein Regen-Test gezeigt hat) und Gelcoat-Reparatur. Das ist gut fürs Budget, aber nicht nur einmal haben wir uns bereits gefragt, ob das Projekt nicht eine Nummer zu groß für uns sein könnte? „Ohhhhh … „


15

Mast runter

Fr.,11.Mrz.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2842, 24.688 sm von HH

Jetzt ist Atanga endgültig kein Segelschiff mehr. Per Kran wurde der Mast vom Deck gehoben. Die ganze Aktion hat fehlerlos funktioniert. Rigger Gerry ist gut organisiert und der bestellte Kran (der wird vom Nachbar-Gewerk geordert) und Gerry sind um 8:00 Uhr pünktlich zur Stelle. Da der Kran stundenweise bezahlt wird, gibt es im Vorwege von Gerry eine Liste, wie die Wanten und Stagen für den schnellen Abbau vorbereitet werden sollen. „Je schneller es geht, desto günstiger wird es für euch.“ :mrgreen:
Achim bereitet alles vor und reibungslos wird der Kran vom Deck gehoben. Der junge Mann am Kran wirkt ausgeschlafen und hat keinen Tatter an den Joy-Sticks. Gerry befestigt unterhalb der ersten Saling einen Gurt. Dieser wird in den Haken vom Kran gehängt. Die Wanten und Stagen werden endgültig gelöst. Der Mast kann angehoben werden und schwebt dann langsam Richtung Boden. Jetzt nur noch kippen und sanft landet der Mast in den bereit stehenden Gestellen. Voila!
Eine knappe Stunde später (und 250 NZ Dollar ärmer – ungefähr 160 Euro) ist der Mast bereit für seinen Weg zum Lager.

Der Kran wird stabilisiert

Sofort werden die Haken am Ausleger ausgefahren

Der Haken wird zu Gerry runter gelassen

Konzentration am Joy-Stick

Da schwebt er schon

Vorsichtig wird der Mast abgesetzt

Und langsam in die bereit stehenden Gestelle angelassen

Das war’s

Leider klappt nicht alles so reibungslos. Unser Termin für die Halle verschiebt sich von Woche zu Woche. Aus Ende Februar ist nun bereits Anfang April geworden. Aus Hochsommer wird Herbst. Die Nächte sind auch schon deutlich kühler und feuchter. Unser Cupper-Coat-Projekt für den Rumpf ist da eine Diva – zu niedrige Temperaturen und Cupper-Coat kann nicht mehr aufgetragen werden. Hoffentlich läuft uns da nicht die Zeit davon …


10

Luken dicht

Do.,03.Mrz.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2833, 24.688 sm von HH

Wir wohnen wieder auf Atanga. :cry: Schnell, viel zu schnell war die schöne Zeit mit unseren Leihhunden um. Tschüss Marley, tschüss Sally. Aber auch tschüss große Terrasse und tschüss Grill. Leider haben wir kein Anschluss-Haus gefunden, also wohnen wir jetzt wieder in unserem eigenen Chaos. Achim freut sich (home, sweet home :roll: ) – ich hätte gut und gerne noch länger bei Marley und Sally wohnen können. Andererseits sind 150 qm Wohnfläche zu saugen auch so eine Sache.

Unsere Planung ist gut aufgegangen. Ich habe meine Holzrahmen fertig lackiert bekommen. Sogar das Wetter hat mitgespielt, zwei Wochen kein Regen. Jeden Tag konnte ich ohne Probleme mit dem Rad zum Schiff runter radeln. Am Ende hat Sally es geschafft sich auf der Rückseite eines Rahmens mit einem ihrer gestreiften Haare im Lack zu verewigen. Ein nettes Souvenir.

Auf Atanga ist es staubig und nicht besonders gemütlich

Selfie mit Kamera unwilligen Hunden

Tschüss Grill und viel Platz

Alle Teile vom Deck sind demontiert. Auch Achim hat gut was weg geschafft. Jetzt stehen nur noch der Mast (kommt nächste Woche runter) und die Reelingsfüße auf kleinen Holz-Inseln. Ende März haben wir einen Hallenplatz avisiert bekommen.
Zeit für ein Nebenprojekt: unsere Luken. Als wir das Holz um die Fensterrahmen weg geschlagen hatten, wurde uns klar, warum wir soviel Wasser im Bereich der Luken genommen haben. Ein bis zu fünf Millimeter breiter Schlitz befindet sich zwischen Luke und Deck. Die weißen Rahmen sind Bestandteil vom Deck. Sie sind nicht aufgeschraubt oder verklebt.

Diese Schlitze müssen zu. Der Auftrag wurde schon vor vier Wochen von uns an Lance, unseren Supervisor, weitergegeben. Da sich keiner meldet und um den Auftrag reißt, holen uns erneut Rat bei Peter. Er schlägt vor, dass wir (natürlich wir – spart ja Geld für uns) die Schlitze etwas erweitern, schleifen und sauber machen. In eine Plastiktüte sollen wir Epoxid füllen, eine Ecke abschneiden und ähnlich wie bei einer Sahne-Torten-Tüte die Masse in den Schlitz drücken. Job Achim. Ich soll dann mit einem Spachtel die Masse in den Schlitz drücken und mit einem zweiten Gummispachtel die Kante sauber ziehen. :lol: „Wenn ihr gut seid, schafft ihr zwei Luken in einem Rutsch abzuspachten“. Ist die Masse zu dünn, geht es schief und ihr müsst es zweimal machen“.

Dieser Peter. Immer für einen Scherz zu haben. Wir sind nicht gut und die erste Luke müssen wir tatsächlich zweimal abspachteln. Bei Luke zwei und drei klappt es schon besser. Zwei Luken sind noch übrig …

Spalt unter den Fensterrahmen

Schlitz vertieft und sauber gemacht – bis zur roten Linie kommt später noch entsprechend Lagen an GFK und Spachtel rauf – das sollte also hübsch dicht werden

Luke geschlossen mit Epoxid

#nowar    #fckptn   #neinzumKrieg

Natürlich erreichen auch uns die furchtbaren Berichte über den Krieg. Schaut man in die Deutschen Nachrichten, dann gibt es kein anderes Thema. Schaut man in die Kiwi-News, dann findet man Randnotizen. Hier beherrscht noch immer Corona die Schlagzeilen. Und Europa ist weit weg. So unterschiedlich können Ereignisse bewertet werden.

#nowar    #fckptn   #neinzumKrieg


6

Zweit-Job

Mi.,23.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2825, 24.688 sm von HH

Wir haben uns gut eingewöhnt ins Luxus-Hausleben. Die morgendlichen Spaziergänge machen Spaß. Sally und Marley werden immer zutraulicher – mitgebrachte Hunde-Leckerlies leisten ihren Beitrag. Marley darf inzwischen sogar ohne Leine laufen.
Es gibt nur einen Haken an der Sache: wir wurden gebeten, die Hunde nicht länger als vier, maximal fünf Stunden am Stück alleine zu lassen. Das ist uns zu kurz, um auf Atanga zu arbeiten. Also haben wir überlegt, wie wir die Zeit strecken können und haben für mich einen Zweit-Job gefunden, den ich im Haus erledigen kann. Ich habe im Vorwege unsere Gastgeber gefragt, ob ich wohl bei ihnen auf dem Hof unsere Holz-Stücke (die es bitter nötig haben) lackieren darf. „Klar, darfst du, gar kein Problem.“ Graham hat mir sogar ein übergroßes Tuch zum Unterlegen zur Verfügung gestellt. Leider hat der Hausherr keine Böcke, aber aus Kartons und Leisten bastel ich mir meine eigenen Unterlagen. Die Bedingungen sind nicht optimal, aber allemal besser als auf der Werft. Dort gibt es immer einen staubigen Nachbarn.

 

Das Lackier-Ergebnis ist ganz viel versprechend und weites gehend Insekten frei

Achim verlässt um 8:00 Uhr das Haus. Er nimmt das Auto und ich mache mich an die Arbeit. Nach zwei Stunden ist der Job getan und um 10:30 Uhr schwinge ich mich aufs Rad, um zu meinem Hauptjob zu radeln. Sieben Kilometer. Die Strecke ist auf der ersten Hälfte super. Nur bergab. Ich stehe auf den Bremsen. Der zweite Teil ist ‚geht so‘. Warum wir nicht abwechselnd radeln? Mein Fahrrad sei angeblich leichter zusammen zu klappen …

Um 11:00 Uhr erreiche ich Atanga. Schnell in den roten Overall geschlüpft. Es fehlt nur noch eine Stechuhr an der Leiter. Meine Haupt-Arbeit ist weiterhin das Deck. Das ‚Weiße‘ ignoriere ich. Kommt Zeit, kommt Lösung. Ob wir uns ein Gerät kaufen oder leihen, steht noch nicht fest. Vielleicht lassen wir es auch die Werft-Jungs machen. Falls sie es nicht wieder an uns abtreten – spart euch ja Geld und so.

Peter hat sich ein Deck glatt wie einen Kinder-Popo gewünscht. Peter bekommt ein Deck wie einen Kinder-Popo. Dazu müssen alle Löcher, Kratzer und die Verletzungen, die wir ins Deck geschlagen haben, mit Epoxid aufgefüllt werden.
Beim Füllen der Schraubenlöcher haben wir einen riesigen Fehler gemacht. Wir haben versucht mit dem Epoxid keine Haufen auf den Löchern zu bilden, damit wir hinterher nicht zu viel weg schleifen müssen. Was wir nicht wussten, dass Epoxid sich beim Trocknen einzieht. Was wir auch nicht wussten, dass es mehr Arbeit macht, die Löcher noch einmal anzufassen als sie überdick zu füllen und dann hinterher einfach glatt zu schleifen.
So viele Löcher sind es aber nicht. ;-) Vielleicht 2000.
Seit Tagen fülle ich, schleife ich, fülle ich, schleife ich … Es nimmt kein Ende. Einige Löcher bilden beim Füllen eine Luftblase, die müssen erneut gebohrt und wieder gefüllt werden. Und wieder geschliffen.
Ich mache auch viel falsch und muss etwas größere Flächen zweimal füllen, weil ich zu wenig Epoxid nehme. Das ist wie Sahnetorte glatt streichen – kann ich auch nicht  gut. Kratzer, die voll Kleber sind (das darf nicht sein, laut Peter – und wer bin ich, dass ich Peter widersprechen würde?), bohre ich mit dem Dremel auf. Das ist jetzt Zahnarzt-Arbeitsweise. Sicher nicht sehr professionell (Peter sieht es ja nicht), aber für mich eine sichere Methode mit Erfolgsgarantie. Dauert halt nur etwas länger als schweres Gerät zu verwenden.

Mit dem Dremel hole ich den schwarzen Kleber aus Fugen – das muss weg – da hält nix drauf, sagt Peter

Gutes Beispiel für schlecht gespachtelt – die glänzenden Flächen in der Mitte, dort habe zu dünn aufgetragen – Oben am Rand noch eine Verletzung, die zu füllen ist

Wenn ich es gut mache – vermischt sich das Epoxid mit dem GFK Deck zu einer homogenen Fläche – so soll es überall sein

 

Und was macht Achim eigentlich die ganze Zeit? Die Frage ist berechtigt. Man hört ihn nicht hämmern, man hört ihn nicht schleifen. Man sieht ihn auch nicht. Er ist im kühlen Schiff verschwunden. Was er macht, wissen die Götter. Ich höre ihn nur fluchen. Und er stürzt das Schiff ins Chaos. Um die verbliebenen Beschläge von Deck zu bekommen, muss er die Deckenverkleidungen abbauen, um von unten an die Bolzen zu gelangen. Manchmal sogar einen halben Schrank. „Verfluchte Schrauben, scheiß Bolzen.“  Sein negativ Rekord sind ein gezogenes Kabel und vier gelöste Schrauben von den Genua-Schienen – vier von neunzehn. Dafür kann man keine Fleiß-Sternchen bekommen. Das ist mal klar. :lol: Manchmal fährt er auch gemütlich in den Baumarkt oder er berät er sich mit anderen Skippern. Dann kommt er mit neuen Werkzeugen zurück, einem Schlagschrauber zum Beispiel und rückt den verbliebenen fünfzehn Schrauben mit Erfolg zu Leibe.

Chaos im Schiff – das Schlafzimmer ist ein Wühlhaufen – die Matratzen lagern im Salon

Um 15:00 Uhr ist Feierabend. Den Hunden sei Dank. Mein Rad kommt in den Kofferraum und gemeinsam fahren wir zurück in unsere Luxus-Oase.
Ich gehe dann noch eine Runde meinem Zweit-Job nach. Es ist warm, es ist trocken. Da schaffe ich locker zwei Anstriche am Tag.

Achim in der großen Küche dreht zu Höchstleistungen auf


10

Unser Leben als Hunde- und Haus-Sitter

Fr.,18.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2820, 24.688 sm von HH

Unsere Tage beginnen neuerdings  mit Wecker klingeln. Den Leih-Hunden sei Dank – sie sind frühes Aufstehen gewohnt. Um 5:45 Uhr müssen wir hoch. Da ist es noch stockdunkel. Zuerst bekommen Marley und Sally ihr Futter. Noch vor dem Frühstück das Hundefutter zuzubereiten, haut leicht auf den Magen. Das Futter wird genau abgewogen, jeder Hund bekommt etwas anderes. Ein laminierter Zettel mit Instruktionen macht uns das Leben leicht. Beide Tiere bekommen dann noch eine eigene Tablette aufs Futter. Zerrieben mit einem kleinen Mörser.
Während die beiden fressen, trinken wir noch schnell einen Tee und Kaffe, dann geht es los. Vor der Tür steht ein klappriger Wagen auschließlich für den Hundetransport. Das Hundeauto ist die zweite Herausforderung des jungen Morgens. Der Wagen muss am Ende seiner Tage verbrannt werden. Es riecht nach Hund. Nach viel Hund. Nach sehr viel altem Hund. :mrgreen:

Zwei Minuten brauchen wir zum nahe gelegenem Park. Im Wald direkt vor der Haustür ist Hunden der Zutritt verboten. Hier leben Kiwis und daher dürfen Hunde nicht hinein. Während der Fahrt bellt Sally anhaltend. Sie bellt immer, wenn Auto gefahren wird. Da sie taub ist, fällt ihr Bellen etwas heiser aus, aber sie bellt. Sobald wir am Park angekommen sind, ist sofort Ruhe.
Mit Graham haben wir die Hunderunde geübt. Er lässt sie frei laufen. Aber wir gehen auf Nummer sicher und nehmen die Hunde vereinbarungsgemäß an die Leine. Wie ruft man einen tauben Hund, der abhauen will? Sally kennt das Kommando, dass sie kommen soll, wenn man die Arme ausbreitet. Aber Achtung, dafür benötigt man Augenkontakt …
Nur in einem eingezäunten Gebiet lassen wir sie von der Leine. Im Park selber ist es Pflicht, die Hunde-Köttel aufzusammeln. Da Achim die Fütterung übernimmt, sammel ich. Es ist ungewohnt noch körperwarme Dinge zu greifen.  Die Angst, dass der Greif-Beutel ein Loch haben könnte, sammelt mit.

Inzwischen dämmert es. Nebel hängt über den Wiesen. Jetzt ist es schön. Und es macht Spaß mit den Hunden zu laufen. Sally ist ein Huntaway-Mischling. Diese Hunderasse hat die Aufgabe Schafsherden zusammen zu treiben. Sally ist ein echter Quirl, leider mit einer 14 Jahre alten Hüfte, die schon etwas Probleme bereitet. Graham geht langsam mit den Hunden seine Runde. Wir ziehen das Tempo etwas an und schon nach drei Tagen läuft auch der geh-faule Marley im Trab neben uns her.

Arme ausbreiten bedeutet ‚komm‘

Offensichtlich versteht Sally nur Bahnhof

Eine weitere Spaziergangs-Runde gibt es nicht. Wir halten das für zu wenig Auslauf, aber Herrchen und Frauchen finden die Hunde zu alt, um ihnen mehr Bewegung zuzumuten. Am Abend gibt es noch einmal Futter, das war‘s an Verpflichtungen.

Bei Sally ist es gut, wenn man keine Hundehaar-Allergie entwickelt. Das alte Mädchen haart wie verrückt, überall verteilt sie ihr Fell. Sie hat ein sonniges Gemüt und möchte ständig gestreichelt werden. Mit großen Kulleraugen schaut sie einen an. Gute Sally.
Marley ist ein Cockerspaniel und auf einem Auge blind. Er hat ein Gesicht, was nur eine Mutter lieben kann, ist aber echt drollig. Und hat seidenweiches Fell. Er ist gut erzogen, etwas vornehm zurück haltend. Er macht Sitz und Platz und versteht die Kommandos sogar auf Deutsch. Guter Marley.

Sally – 14 Jahre alt und taub von Geburt an

Marley – 12 Jahre alt und auf einem Auge blind

Auch sonst genießen wir das Leben in einem Haus. Wir haben ein Schlafzimmer und Bad im Erdgeschoß. Die Räume unserer Gastgeber befinden sich im Obergeschoß. Hier verläuft auch die dreiseitige Holzterrasse. Auf verschiedenen Ebeneren kann man sich draußen seinen Lieblingsplatz suchen. Die Küche ist neu und riesig. Herrlich mit Platz zu Kochen. Sich mal ausbreiten können. Die Kräuter zum Kochen finde ich auf der Terrasse. Ein Eiswürfelbereiter  ist im Kühlschrank integriert. In der Spüle befindet sich ein Grünabfall-Schredder. So ein Ding wie aus amerikanischen Horrorfilmen. Ganze Schweine kann man darin verschwinden lassen. Eine Sauerei für die Kanalisation – ein Traum beim Gemüse putzen.
Natürlich gibt es einen Geschirrspüler. Die Waschmaschine steht zur Nutzung im Untergeschoß. Wir dürfen und sollen uns wie zu Hause fühlen. Das machen wir auch. Die „gute Stube“ lassen wir aus. Dort liegen Schonbezüge über dem Sofa. Und auch die Erbstück-Teller und Gläser bleiben im Schrank.

Ich würde sagen, wir haben es sehr gut getroffen.

Der Blick zur Straße – total ruhige Lage – nu zehn Minuten vom Stadt-Zentrum entfernt

Die untere Terrasse direkt an der Wohnküche

Eine riesige Küche mit allem Schnick-Schnack

Da schwingt sogar Achim mal den Kochlöffel

Die Küche hat einen Ess-Tresen zum offenen Wohnraum – sofort unser Lieblingsplatz


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Das Weiße muss auch runter

Fr.,11.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2813, 24.688 sm von HH

„Wie? Das Weiße muss auch runter?“ Ich schaue Peter ungläubig an. Wir haben ihn zur Begutachtung des Decks und Zwischenbesprechung an Bord gebeten. „Down to zero“, nickt er zustimmend. Zero Mitleid in der Stimme. Hatte ich mir etwas Lob über das blitzweiße Deck erhofft, so werde ich bitter enttäuscht. Ich bin für Lob empfänglich, ist Achim doch schon sparsam, um nicht zu sagen knickerig, damit. Für Peter scheint Lob ein ganz unbekanntes Wesen zu sein.
So können wir keine Freunde bleiben, lieber Peter. ;-)

Das schneeweiße Deck lässt Peter nicht jubeln

Bei ‚dem Weißen‘ handelt es sich um Gelcoat. Unschleifbar das Zeug. Zumindest mit unserem Schwingschleifer. Normalerweise würde man das mit der Flex und einer 36er Scheibe brutal runter hobel. Eine Flex dürfen wir allerdings nur in der Halle mit Absaug-Anlage benutzen. Draußen ist Schleifen nur mit Staubsauger am Schwingschleifer erlaubt (und der Einsatz vom Staubsauger wird vom Werft-Chef auch kontrolliert, wie ich bereits feststellen durfte).

„Umso glatter das Deck ist, desto weniger Arbeit haben wir, wenn wir das Deck wieder aufbauen. Und ihr spart dadurch Geld.“  Da war es wieder. Schieb dem Kunden die Arbeit zu. Mach sie ihm schmackhaft und wedle mit der Geld-Möhre vor dessen Nase herum. Die Philosophie der Werft ist einmalig.

Hier dachte ich noch, dass ich bald fertig bin

Gefrustet widme ich mich zunächst unseren Fenstern. Dort klebt noch Zentimeter dick Kleber an den Umrandungen. Freiwillig kommt der nicht runter. Ich versuche es sanft. Ohne Erfolg. Also die harte Tour: mit einem Plastikschaber die dicke Schicht runter, dann mit 40er Sandpapier den Rest vom Gummikleber weg rubbeln. Schleifen kann man es nicht nennen. Die dabei entstehenden Rillen schmirgel ich erst mit 100er, dann mit 180er nach. Der Rest ist Schönheit: 280er und mit 400er nass. Die werden wie neu. Aber erst, wenn sie wieder abgedichtet sind, so denke ich.

Fenster – das Schwarze muss runter

Apropos abgedichtet. Es regnet jetzt häufiger. Da die Fenster nun ihrer Dichtungen beraubt sind, tropft es natürlich rein. In der Nacht vom Montag hat es solche Mengen geregnet, dass diese es als eine Meldung in die Nachrichten schaffen.  Örtlich über 450 mm. Bei uns „nur“ 150 mm. Tropf, tropf, tropf. Ins Vorschiff, ins Bett. Achim dichtet alles ab so gut, wie es eben geht. Es fehlen jetzt auch schon diverse Klampen und Lüftungs-Hutzen an Deck. Die Anzahl an Löchern nimmt täglich zu. Überall kommt Tape rüber.

Am Heck ein zaghafter Versuch das ‚Weiße‘ runter zu schleifen

Dann zeige ich Peter noch die angerichteten Gelcoat Verletzungen und einige weitere Risse an den Fensterrahmen. „Das musst Du machen, bevor der neue Belag rauf kommt. Es sei denn, du rufst gleich nach Ärger.“ Dieser Peter.
Und wieso muss ich das eigentlich machen? Ich kann das gar nicht! „Kein Problem. Wenn du alle Stellen sauber gemacht hast und sie vorbereitet sind, dann komme ich, zeige dir an einem Platzer, wie es geht. Und den Rest machst du. Und ihr spart Geld.“ Er grinst und erklärt mir dann noch kurz, was er mit „vorbereitet“ meint und zieht von dannen.  Ich google noch mal nach, was von mir erwartet wird. Und widme mich vorläufig lieber dem ‚Weißen‘.

P.S. Unsere neuen Nachbarn – die Venture Lady – die wir bereits aus Tahiti kennen, bekommen ein neues Teakdeck. Das Alte wollen sie ebenfalls selber abreißen. Andy und Alison sind gerade dabei Muster zu erstellen für die neuen Holzleisten. „Alles, was ihr selber machen könnt, spart euch Geld“, lautete die Ansage. :mrgreen:

P.S. 2 Abends haben wir Körper. Aber abends haben wir auch Gin and Tonic. Es hat sechs Wochen gedauert, bis wir auf die Idee gekommen sind, den Weft eigenen Gefrierschrank sinnbringend zu nutzen. Wir haben uns einen Eiswürfelbehälter gekauft und ab sofort Zugang zu Eiswürfeln. Wann hatten wir das zuletzt? Das Leben kann so einfach und so herrlich sein.

Work hard – play hard Freitags jetzt immer after-work-party auf Atanga


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Grüße von der Baustelle

Mo.,31.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2802, 24.688 sm von HH

Das Vorschiff ist frei von Holz – an den gut zugänglichen Stellen. Reste gibt es nur noch dort, wo irgendetwas auf Deck montiert ist. Der Mast zum Beispiel. Oder tragende Teile, wie die Wanten. Der Mast soll zwar demnächst runter, aber so recht findet sich auf der Werft kein vernünftiger Platz dafür. Eine Schwachstelle von Norsand, dass sie kein gutes Masten-Lager haben.

Das Deck ist Holz frei – nur hinterm Cockpit gibt es noch ein wenig Fläche

Die Relings-Füße stehen auch noch auf dem Teak. Da bin ich ganz froh drüber. Mit Reling ringsherum arbeitet und wohnt es sich in über drei Meter Höhe noch mal so sicher.
Klampen und Genua-Schienen haben wir zunächst auch ausgespart. Das macht uns zwar mehr Arbeit darum herum zu arbeiten, aber die Demontage dieser Teile hinterlässt dicke Löcher im Deck. Diese dürfen wir nicht schließen, weil wir sie später wieder verwenden wollen. Außerdem müssen dafür im Schiffsinneren die Deckenverkleidung abgeschraubt werden. Dafür müssen Schränke und Kojen leer geräumt werden. Und deshalb bin ich dafür, dieses Chaos noch etwas hinaus zu zögern. :mrgreen:

Jetzt wo das Vorschiff Holz frei ist, hat Achim die A-Karte gezogen. Er klopft das Holz an den Seiten weg. Unmöglich sich dort anständig zu bewegen. Im Stehen gegen den Strich hämmern – nein, die Kraft habe ich nicht. Wir machen das zur Chef-Sache. Ich bekomme  im Gegenzug „ehrenvolle“ Aufgaben: die Umrandungen weg zu klopfen. Möglichst so, ohne Schäden am Gel-Coat und den Fensterrahmen zu hinterlassen.

An den Seiten ist es Quälkram

in jeder Position – es ist einfach zu wenig Platz vorhanden

Das Stecheisen ist inzwischen eine Art Freund geworden. Ein tolles Werkzeug. Aber auch brandgefährlich. Der Winkel in dem man es hält, entscheidet zwischen Sieg und Niederlage. Richtig angesetzt, rutsch es unter den Kleber und malt glückliche Gesichter. Stimmt der Winkel nicht, gibt es hässliche Löcher im Deck. Die sind nicht so tragisch, weil sowieso noch geschliffen und gespachtelt wird.  Aber ein (unnötiger) Arbeitsgang mehr. Es gibt Löcher von uns beiden – nur mal so. Fürs Protokoll.

Das Stecheisen – Freund und Feind in einem Werkzeug – hier Freund

Schwerer wiegen da Verletzungen am Gelcoat. Gelcoat ist ein Polyester-Harz, was zur Versiegelung eines GFK-Rumpfes oberhalb der Wasserlinie dient. Auch unser Cockpit hat einen Gelcoat-Überzug. Solche Schäden auszubessern, dazu braucht man viel Erfahrung und Geschick. Einfach mit Lack überpinseln geht leider nicht. Bei der Atanga-Crew ist diese Erfahrung nicht ausgebildet. Für die zwei peinlichen Abplatzer am Cockpit (beide von mir – jaaaa – auch fürs Protokoll) müssen wir nun Jemanden finden, der das beseitigen kann. Aber das ist Schönheit. Das kommt ganz zum Schluss.

Ärgerlicher Gelcoat-Abplatzer – Shit happens – das Stecheisen – dein Feind

Die zweite „ehrenvolle“ Aufgabe ist das Abschleifen der schwarzen Kleber-Reste. Ein ganz guter Job. Man sieht, was man schafft. Ich komme ganz gut voran. Da dürfte ich bald Achim hinten am Holz eingeholt haben.

So sieht es geschliffen aus – der schwarze Kleber ist runter


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Wir werden House Sitter

Mi.,19.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2790, 24.688 sm von HH

„Macht doch House Sitting“, rät uns unsere Nachbarin Carla als wir mit ihr über eine Unterkunft außerhalb vom Schiff sprechen. Spätestens wenn wir in der Halle sind, dürfen wir nicht mehr an Bord wohnen und brauchen eine Ausweichunterkunft. Da bringt Carla das House Sitting ins Spiel.
Vielleicht ist es auch ganz angenehm schon früher das Boot zu verlassen. Im Augenblick hält sich das Chaos an Bord zwar noch in Grenzen, weil wir nur an Deck arbeiten und das halbe Cockpit als Lagerraum für unser Werkzeug nutzen können, dank dauerhaft aufgebauter Kuchenbude. Vom Wetter her wäre das eigentlich nicht nötig, im Gegenteil – häufig ist es viel zu heiß in der Bude, aber das gibt Entspannung unter Deck.

House Sitting, hm, wir wissen nichts darüber. Ich mache mich schlau und werde Mitglied (52 Euro Jahresgebühr) auf der größten House Sitting Seite in Neuseeland. Was mir dort an Angeboten entgegen prasselt, beeindruckt mich. Whangarei ist mit 50.000 Einwohnern ja eher eine Kleinstadt, trotzdem finde ich sofort zehn verschiedene Angebote im Umkreis von dreißig Kilometern.  Zum Vergleich: eine entsprechende Seite für Deutschland bietet 32 Annoncen für die gesamte Republik. Ich hatte nicht gewusst, dass es solche Angebote zu Hause überhaupt gibt. Aber im Kiwi-Land scheint House-Sitting sehr beliebt zu sein.

Das Prinzip ist einfach. Menschen, die in den Urlaub fahren, brauchen jemanden der sich um Hund, Katze und die Hühner kümmert. Manchmal wird auch Rasen mähen und Unkraut puhlen erwartet. Dafür darf man kostenlos in deren Haus wohnen. Voila.
Ich melde mich bei einem Paar mit zwei Hunden und einem zu gießenden Kräuter-Beet. Prompt trudelt eine Antwort rein, wir sollen übermorgen vorbei kommen.

Wir haben keine Idee, was uns erwartet. Geschniegelt und mit sauberen Fingernägeln fahren wir vor. Ein großes Haus in steiler Hanglage. Sechs Lämmer grasen auf der dazu gehörigen Wiese. Ruhige Lage mit tollem Blick in die Berge.

Unser Heim für zwei Wochen mit Auto nur für den HUndetransport

Der Blick von einer (!) der Terrassen

Ich bin innerlich auf eine peinliche Befragung eingestellt, ähnlich wie bei einem Vorstellungs-Gespräch. Auf das unerträgliche „Warum wollen Sie ausgerechnet in unserem Unternehmen arbeiten?“, bereite ich mich vor mit „weil Hunde meine Lieblingstiere sind.“ Hoffentlich wächst mir keine Pinocchio-Nase – bin ich doch Team Katze.
Graham und Julie sind nett und unbefangen. Auf der Terrasse gibt es ein kaltes Getränk und wir lernen die Hunde kennen.  Der Liebling der Hausherrin ist Marley. Ein Cockerspaniel. Zwölf Jahre alt und auf einem Auge blind. Sally ist ein Mischling, 14 Jahre alt und von Geburt an taub. Und beide haben Arthrose. Was für ein Gespann. ;-)
Morgens  (früh, sehr früh – am liebsten schon um 6:00 Uhr) werden die beiden zum nahe gelegenen Park gefahren. Im eigens dafür zur Verfügung stehenden Hundeauto. Die Hunde sind nach zwanzig Minuten erschöpft und wollen dann wieder heim. Das war’s.  Mehr müssen wir nicht machen mit den Tieren. Allerdings sind sie ständig Graham um sich gewöhnt, so dass wir sie nur vier Stunden am Tag alleine lassen dürfen.
Okay, das klingt machbar.

Ich staune. Nach einer Stunde Plauderei ist alles klar. Keine Bedenkzeit seitens unserer Gastgeber. Kein Zögern. Keine Geheimabsprachen oder Zeichen. Ich hatte erwartet, dass wir auf Herz und Nieren geprüft würden. Schließlich überlässt man total Unbekannten das eigene Haus und die geliebten Hunde. Dass wir unsere Zuverlässigkeit irgendwie beweisen, mit Geschichten vergangener House Sittings aufwarten müssten. Nö, nichts dergleichen. Handschlag: „Wir sehen uns am 13. Februar. Dann bekommt Ihr eine Einweisung ins Haus, eins unserer Lämmer hat es bis in die Gefriertruhe geschafft, wir braten eine Keule und am nächsten Morgen zeigen wir euch die Parkrunde mit den Hunden und dann fahren wir in den Urlaub. Einverstanden?“
Ja, einverstanden. Das wird spannend.


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Gleichzeitig Zyklon und Tsunami

So., 16.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2787, 24.688 sm von HH

Dass Zyklone im Westpazifik auch Neuseeland treffen können, war uns bekannt. Dass jetzt schon der zweite seit unserem Aufenthalt vorbei schrammt, überrascht dann doch. Die Vorhersage des ersten Zyklons im Dezember hat keine  Aktivitäten auf dem Yard hervorgerufen. Diesmal kommt ein Mitarbeiter der Werft vorbei, der die Keile unter den Schiffen festklopft. Ob mich das jetzt beruhigen soll? Ich weiß es nicht.

Diese Keile werden nachgeklopft – Sie halten den Balken, der unseren Bug stützt

Dann am nächsten Morgen die Entspannung und Entwarnung: Zyklon Cody geht in gutem Abstand an uns vorbei. Es werden allerdings „gefährliche Bedingungen an den exponierten Ostküsten der Nordinsel, mit hohen Wellen und Küstenüberschwemmungen erwartet“.

Vergangene Laufbahnen der Zyklone in Neuseeland ( Fotocredit: Wikipedia)

Zyklon Cody in Anmarsch

Zeitgleich mit der Wellenwarnung kommt eine Tsunami-Warnung rein. Die Explosion des Vulkans auf Tonga ist dafür verantwortlich. Der Tsunami kann Atanga auf ihrem Standort nicht gefährlich werden. Zu weit stehen wir im Landesinneren. Unsere Segelfreunde, die in der Bay of Islands ankern, berichten uns dann auch nur von ein paar ungewöhnlichen Strömungen, die heftig am Anker gezogen haben.

Am schlimmsten trifft es die kleine Marina in Tutukaka, die wir noch vor zwei Wochen besucht haben. Das geschützte, natürliche Hafenbecken wird vom Tsunami quasi leer gesogen. Dann kommt das Wasser mit aller Kraft zurück. Angeheizt von der Brandung durch den Zyklon. Etliche Boote reißen sich los, einige sinken.
Fünf Tage später wird ein Katamaran zur Norsand Werft geschleppt. Er ist manövrierunfähig. Als er aus dem Wasser gehoben wird, werden die Schäden sichtbar. Aus einem Rumpf läuft das Wasser. Der Kiel ist komplett aufgerissen. Das Dinghy am Heck ist wie ein Spielzeug zerquetscht worden. Die Aufhängung dafür, die Davids, sind eingedrückt. Der Katamaran soll von den Wellen auf ein Angelboot gehoben worden sein. Zumindest hat man entsprechende Spuren vom Antifouling auf dem Motorboot gefunden.
Fünf kleinere Boote werden in Tutukaka noch vermisst. Liegen irgendwo am Meeresgrund.
Zum Glück sind dies die größten Schäden, die Neuseeland zu beklagen hat. Der Zufall von Zyklon und Tsunami ist vor Ort glimpflich abgelaufen.

Der kleine Hafen von Tutukaka – zwei Wochen vor der Tsunami-Zerstörung

Wir fahren am nächsten Tag zum nahe gelegenen Strand an den Whangarei Heads, um uns die hohen Wellen anzuschauen. Hundert Meilen vor der Küste werden sechs Meter gemeldet. Wir finden noch ein aufgepeitschtes Meer, aber die anrollenden Brecher haben an der flachen Küste Neuseelands ihre Schärfe verloren.

Aufgewühltes Meer an den Whangarei Heads

Ein Surfer versucht sein Glück – vergeblich – gegen drei Meter Wellen kommt er nicht gegen an

Im windgeschützten Fluss ist davon nichts zu merken


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