Kategorie: Atanga

Wellington – schönste Hauptstadt der Welt?

12.Nov. 22, Neuseeland/Wellington, Tag 3087, 24.696 sm von HH

Zumindest wird Wellington regelmäßig von einschlägigen Reisemagazinen unter die Top 20 der schönsten Hauptstädte gewählt. Häufig bleibt dabei die Quote an Regentagen unerwähnt: über fünfzig Prozent! Folgerichtig regnet es, als wir am ersten Morgen unseres Aufenthalts einen Stadtbummel Richtung Hafen unternehmen. Okay, kein Problem, Wellington hat auch eines der schönsten Museen. Das Te Papa Tongarewa – Ort der Schätze, was es übersetzt bedeutet. Es beherbergt kulturelle Maori- und Pazifik-Schätze auf vier Etagen. Der Eintritt ist kostenlos, wow!

Am besten gefällt uns die Natur- und Geologie-Abteilung. Vieles ist zum Anfassen oder Interagieren. Es ist nicht nur für Kinder spannend, aus Bausteinen ein Erdbeben sicheres Gebäude zu bauen oder im Wellensimulator einen Tsunami zu erzeugen.
In einem Erdbeben-Raum bekommt man eine Vorstellung davon, wie es sein muss, wenn das eigene Haus anfängt zu wackeln. Achim war während seiner beruflichen Zeit häufiger in Wellington und hat mir immer von einem Grauwal-Gerippe an der Museums-Decke vorgeschwärmt. Das ist leider demontiert. Wie schade. Wahrscheinlich musste es Platz machen für eine riesige Ausstellung über den 1. Weltkrieg, die uns absolut nicht erreicht.

Geblieben sind zwei Skelette von Moas, den ausgestorbenen Riesenvögeln aus Neuseeland.  Die Strauß ähnlichen Laufvögel waren Giganten. Geschätzte 180 bis 270 Kilogramm schwer und sie haben Eier von bis 4,5 Kilogramm Gewicht gelegt. Wahrscheinlich wurden die Moas von den ersten polynesischen Siedlern ausgerottet. Die arglosen Tiere waren Menschen nicht gewöhnt, hatten keine Angst und waren leicht zu fangen. Es mussten nicht mal spezielle Jagdwaffen entwickelt werden. Dementsprechend ging die Ausrottung rasend von statten. Wissenschaftler vermuten, dass es in Coromandel nur fünf Jahre gedauert haben dürfte.

Skelette von ausgestorbenen Moas – die Besonderheit ist der Schatten. Es ist nämlich nur eine Projektion und kein echter Schatten. Plötzlich fangen die Schatten-Moas an zu grasen und weg zu laufen – schön gemacht!

Eine Besonderheit ist das ausgestopfte Exemplar eines Polynesischen Hundes. Die Reisegefährten der Polynesier, die sie in ihren Kanus mitbrachten, dienten zur Jagd und zur Gesellschaft, als Sonntagsbraten und Fell-Lieferant. Mit europäischen Hunden waren sie nicht kreuzbar, so dass sie ebenfalls ausgestorben sind. Im Te Papa steht wahrscheinlich das letzte Exemplar dieser Art.

Polynesischer Hund – er war nicht kreuzbar mit europäischen Rassen – ob es am Aussehen gelegen haben könnte?

Nach dem Museum hat sich der Regen verzogen und Wellington zeigt, warum die Stadt als Schönheit gilt. Wellington ist mit weniger als 200.000 Einwohnern sehr klein und traumhaft gelegen. Angeschmiegt an einen Naturhafen mit einem schmalen Zugang zur Cook Strait, der berüchtigten Meerenge zwischen Nord- und Südinsel. Die beiden Inseln liegen nur 22 Kilometer an der schmalsten Stelle auseinander. Ein Ansteigen des Meeresgrunds und ein Düseneffekt machen aus der Cook Strait eine der rauesten Meeresengen der Welt. Ungewöhnlich hohe Wellen sorgen häufig für den Ausfall der Fähren, die ab Wellington auf die Südinsel starten. Windy Welly trägt Wellington als Beinamen, Fallboen aus den umliegenden Bergen haben Schuld.

Wellington – the windy city – windy Welly

Davon merken wir nichts – bei vorsommerlichen Temperaturen schlendern wir weiter. Das heißt, Achim schlendert. Ich hinke hinter ihm her. Seit der Wanderung am Lake Waikaremoana kann ich den rechten Fuß nicht mehr schmerzfrei abrollen.  Schonen oder ignorieren? Liest vielleicht ein Orthopäde mit? ;-) Ich entscheide mich fürs Humpeln.

Wellington Hafen – Rechts im Bild erkennt man bereits die Cook Strait

Marina Flair im Stadtteil Mt. Victoria

Buntes Straßenbild in Wellington – Restaurants jeder Geschmacks- und Preisrichtung

Cuba Street – die quirlige Fußgängerzone

Typische Drohgebärde vom rituellen Haka (Haka bedeutet Tanz) statt bravem Ampelmännchen

Maori – Skulptur am Hafen

Untergekommen sind wir wieder in einem Air B&B. Diesmal mit glücklichem Händchen. In einer tollen Wohngegend (Thornton) wohnen wir bei Lucy in ihrem super sauberen Appartement. Das Haus steht auf einem Eckgrundstück, hat insgesamt sechs Wohnungen und liegt direkt am Fuß einer kleinen Bergkette, die mitten durch Wellington führt. Steil muss man sich die Nebenstraße zum Eingang hoch kämpfen.
Die Hauptstraße liegt direkt auf der „Fault-Line“ von Wellington, erzählt uns Lucy. Beim Kauf des Hauses sei sie ausdrücklich davor gewarnt worden. Diese Bruch- bzw. Verwerfungslinie zieht sich quer durch die Stadt. Die pazifische und australische Platte reiben sich in 25 Kilometer Tiefe genau an dieser Stelle aneinander. Genau unter unserer Unterkunft.
Alle 150 Jahre geht man von schweren Erdbeben aus – mit Land-Verschiebung von bis zu einem Meter. Gut, dass wir im Te Papa im Erdbebenhaus gelernt haben, was wir tun müssen, falls es zu wackeln beginnt. ;-)

Air B&B bei Lucy – alles in Laufnähe zum Centrum – tolles Lage, tolle Wohnung, tolle Gastgeberin

Deko bei Lucy – viel frische Blumen in allen Zimmern und alles etwas retro

Typisch für den Stadtteil Thornton – steile Wohngegend


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Der Tod einer Stadt – Napier

9./10.Nov.22, Neuseeland/Napier, Tag 3080-81, 24.688 sm von HH

Wir sitzen im Museum in Napier und schauen eine Dokumentation über das verheerende Erbeben in Napier, das am 3.Februar 1931 die Stadt dem Erdboden gleich machte. Zeitzeugen berichten in dem Film über ihre persönlichen Erlebnisse an diesem Tag. Eine Frau erzählt, sie seien aus der Schule gerannt, als die Erde zu beben begann. Stolpernd haben die Kinder sich ins Freie gerettet als hinter ihnen das Schulgebäude zuzammenstürzte. Sie habe sich dann Richtung Stadt umgedreht. Wo eben noch Häuser standen, seien nur noch Staubwolken zu sehen gewesen: „Der Tod einer Stadt“, sagt sie mit brüchiger Stimme.
Das Erdbeben hatte damals eine Stärke von 7,8 auf der Richter-Skala und kostete über 250 Menschen das Leben. Was an Gebäuden noch stehen geblieben war, wurde durch ein anschließendes Großfeuer zerstört.

Zeltunterkünfte für Obdachlose – erstaunlich finde ich die Anzahl an Autos – 1931

Der besondere Wiederaufbau der Stadt ist der Grund, warum heute Napier in keinem Reiseführer unerwähnt bleibt. Auch Napier war von den Auswirkungen der damaligen Weltwirtschaftskrise betroffen, trotzdem wollte man ein Zeichen setzen – „Lasst uns eine neue Epoche beginnen“ – und beschloss die Stadt im Art-déco-Stil wieder aufzubauen.
Dieser Stil hatte in den 1920er Jahren in Frankreich seinen Höhepunkt erreicht und zeichnet sich durch glatte, klare Formen aus. Dies war mit Betonplatten preiswert herzustellen. Und die Pastelltöne entstanden automatisch – Farbe war knapp – durch das Verdünnen mit Wasser.
Die Art-déco-Häuser werden seit hundert Jahren liebevoll erhalten und restauriert, so dass Napier heute wie ein Knallbonbon-bunter Kunst-Ort wirkt.
Eine schöne Stadt zum Schlendern und um sich von einer Bäckerei zur nächsten zu schleppen und köstliche Kuchen in der Fußgängerzone zu genießen. Aber bitte nur im Windschatten. Der Wind kommt aus südlicher Richtung und ist eiskalt. Im Windschatten sind dann wiederum zwanzig Grad.

Geometrische Linien überwiegen

alles super in Schuss

Feuer Brigade

Feuer Brigade

Symmetrisch – klare Linien

Tolles Stadtbild in Pastell

Nette Stadt an der Küste

Untergekommen sind wir in einem Air B&B, da uns die Campingplätze in Napier zu außerhalb liegen. Zu Fuß ist es von dort zu weit in die Stadt und Motels sind alle ausgebucht (Unterkunft für Obdachlose). Also Air B&B, obwohl wir es nicht so sehr mögen.
Peter und seine Frau Ann sind liebenswürdig und heißen uns herzlich willkommen. Peter fährt sofort seinen Wagen aus der Garage, damit wir unser Auto dort parken können. Ann ist schüchtern, sie wirkt wie achtzig, aber wenn man genau hinschaut, kann sie erst Mitte sechzig sein. Das Haus ist voll gestellt mit Nippes und die Wände sind gepflastert mit Bibel- und Sinnsprüchen. Unser Zimmer ist ein Traum in pink und Rüschenkissen.

Der Hintereingang in die Küche – ein hundert Jahre altes hübsches Hexenhaus

Wir unternehmen einen ersten Gang in die Stadt zur Orientierung. Als wir zurück kommen, ist auch das zweite Gästezimmer belegt. Mit einer älteren Dame. Wir haben uns aus der Stadt eine Tiefkühlpizza mitgebracht, die in den Ofen kommt. Ann und die Gästin sitzen am einzigen Tisch neben der offenen Küche, der nur zwei Stühle hat. Die beiden Damen unterhalten sich angeregt. Mal untereinander, mal werden wir ausgefragt. Dass unsere Pizza fertig ist und wir die Teile im Stehen verdrücken müssen, erkennen die beiden nicht. Sie sitzen am Tisch und sind in ihre Unterhaltung vertieft.

Am nächsten Morgen zum Frühstück wird es noch besser. Ein Freund der Familie ist da. Er komme immer mal vorbei, trinkt einen Kaffe und hält ein Schwätzchen. Peter, Ann, der Freund, die Gästin und wir – macht sechs Personen. Und zwei Stühle am Tisch. Als wir uns einen Kaffe und Tee kochen, kommt Peter mit einem Besen und fegt Krümmel zwischen uns zusammen. Alle laufen durcheinander, alle quatschen durcheinander. Wir werden an den Tisch genötigt zu Sitzen. Ahh! Der kalbsgroße Hund der Famile (Cosmo) legt seinen Kopf auf den Tisch. Zwischen meinen Teller und den Becher. Es ist ein Tollhaus. :mrgreen:
Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder wir werden bekloppt oder lassen uns darauf ein. Wir lassen uns ein und erfahren erneut interessante Dinge über Neuseeland und seine Menschen. Als ich unser Geschirr abwaschen möchte, widerspricht Peter: „Dieses Haus hat nur eine Regel: unsere Gäste sollen nicht arbeiten“.

P.S. Der zweite Morgen ist das totale Gegenteil. Keiner da außer uns. Selbst der Hund ist weg. Ein Tisch ist gedeckt mit Brot, Cerelalien, Joghurt und Früchten. Wir sollen uns nach Herzenslust bedienen. Air B&B – ein echter Abenteuer-Spielplatz mit Überraschungen.

Die Küche von Peter und Ann

 


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Im Urwald am Waikaremoana

7.-8.Nov.22, Neuseeland/Waikaremoana, Tag 3084-85, 24.688 sm von HH

Unser kleiner Kombi schraubt sich die Berge hoch. Die letzten 21 Kilometer der kurvenreichen Strecke sind Schotterstraße. Die Steine knirschen unter den Rädern, wir kommen nur langsam voran. Drei Pick-Up überholen uns mit Vollgas. Den 4-Rad angetriebenen Wagen macht der Schotter nicht viel aus. Mit 70 km/h donnern sie an ins vorbei. Bienenkörbe haben sie geladen – das kann ich grade noch erkennen, bevor wir in einer Staubwolke verschwinden.

Die german Rentners stellen auf dem Weg nach oben zum Picknick mal eben die Campingstühle auf

Unser Ziel ist der See Waikaremoana. Hier leben die Maori vom Tuhoe-Stamm. Tuhoe bedeutet Kinder des Nebels.
Der See liegt auf 600 Meter Höhe und ist komplett von Regen-Wald umgeben. Die umliegenden Berge erreichen 1250 Meter. Dieser Wald ist der größte verbliebene Urwald auf der Nordinsel.  Die Heimat fast aller neuseeländischen Vögel, etlichen edemischen Baumarten und angeblich 250 verschiedenen Farnen. Außerdem wird von nierigen Durchschnittstemperaturen und sehr häufigen, sehr intensiven Regenfällen berichtet.
Wir erreichen das Camp bei strahlendem Sonnenschein und in kurzer Hose. Die Reservierung der Hütte erweist sich als unnötig. Nur eine Handvoll Cabins sind belegt und ein einsames Zelt (Deutsche ;-) ) steht auf der Wiese.

Diesmal haben wir eine Hütte gemietet – wie überall ist auch hier fast nichts los

Die Cabin hat zwei Einzelbetten, ein Stockbett, Kühlschrank und Mikrowelle, aber kein fließendes Wasser. Mitzubringen sind eigene Laken (hat die tüchtige Hausfrau eingepackt) und Decken (da nehmen wir unsere Schlafsäcke [der Chef noch unsere zwei Wolldecken oben drauf :mrgreen: Prinz Erbse ] und die eigene Kissen). Passt!

Winzige Hütte – an der Rückwand steht noch ein Hochbett mit zwei Schlafplätzen

Außer dem Campingplatz gibt es nichts hier oben. Nicht mal Handyempfang oder Internet. Beides sei auf der Mitte vom See Waikaremoana zu empfangen, witzelt die Camp-Broschüre.

Lake Waikaremoana – hier der Campingplatz – mehr gibt es hier draußen nicht

Die Sonne geht früh unter hinter den Bergen um den See herum. Der Himmel ist wolkenfrei und sofort wird es lausig kalt. Der letzte Wetterbericht hat für die Nacht acht Grad, gefühlt wie sechs, versprochen. Und richtig, als wir morgens aufwachen, entstehen kleine Dampfwolken beim Ausatmen. Die Frühstücksbutter ist steinhart, die haben wir im Auto vergessen. Die elektrische Heizung in der Hütte sorgt aber schnell für Wärme.

Neuseeland hat neun sogenannte ‚great walks‘. Wanderwege, meistens über mehrere Tage, und über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ein ‚great walk‘ führt um den Waikaremoana herum. 46 Kilometer, Dauer drei bis vier Tage. Den wollen wir laufen – zumindest ein Teilstück davon.
Zuerst müssen wir zwei Kilometer bis zu einem Gebirgsfluss laufen. Der mündet über einen zweistufigen Wasserfall in den See. Man kann rechts und links zum Wasserfall hinunter steigen. Sehr schön gemachte Wege, man kann zwischen den beiden Wasserfall-Stufen auf Steinen stehen.

Hoffentlich nicht

Typische Brücke in Neuseeland auf dem Land

Wasserfall – die erste von zwei Stufen

Beide Stufen liegen dicht hintereinander

Es ist auch mal Kletterei mit dabei

Nicht ganz einfach zu erreichen

Gegenüber vom Wasserfall ist ein Einstieg zum ‚great walk‘. Ein wunderschöner Wanderweg quer durch den unberührten Wald. Breit und gut ausgebaut. Recht einfach zu laufen, wäre da nicht die Steigung. Dieser Weg geht nur bergauf. Keine erleichterte Etappe ebenerdig oder mal ein Stück bergab. Gnadenlos fünf Kilometer bergauf. Pfui.

Noch ursprünglicher Urwald

Unser Endpunkt ist der Waikareiti See.  Der kleine Bruder vom Waikaremoana. In der Hochsaison kann man hier Ruderboote mieten, jetzt steht die Schutzhütte vereinsamt da.

Schutzhütte am Waikareiti

Hinter dem See zieht sich der Wald dicht und endlos weiter

Ziel erreicht

Nach einem Picknick treten wir den Rückweg an.
Am Schluss haben wir 13 Kilometer und 360 Höhenmeter hinter uns. Mein rechter Fuß zwickt am Außenriss und sagt bösartig, dass er genug vom Wandern hat.

In der Hütte hängen ein paar Beschreibungen von endemischen Pflanzen. Unter anderem von einer Fuchsie, die in Neuseeland ein bis zu 15 Meter hoher Baum werden kann. Auf dem Rückweg fallen mir dann tatsächlich die Blüten auf. Zum Teil ist der Waldboden übersät damit.

Fuchsienblüten

Die zweite Nacht in der Hütte ist deutlich wärmer. Der inzwischen bedeckte Himmel hilft. Leider gießt es am Morgen wie aus Eimern. Tief hängen die Wolken in den Bergen. Wir wollten sowieso abreisen und beglückwünschen uns: zwei Tage herrliches Wetter sind bei den ‚Kindern des Nebels‘ eine Seltenheit. Im dicken Nebel schraubt unser kleiner Kombi sich wieder den Berg hinunter.


15

Mahia – eine Perle in der Hawke’s Bay

5.-6.Nov.22, Neuseeland/Mahia, Tag 3082-83, 24.688 sm von HH

Nach zwei Tagen haben wir von Opotiki genug. Wir haben die Wahl an den östlichen Punkt Neuseelands zu fahren oder diesen Zipfel inländisch abzukürzen. 180 Kilometer Küste, dünn besiedelt, gegen 75 Kilometer Bergketten, gar nicht besiedelt.
Wir nehmen die Abkürzung – eine optisch gute Wahl. Eine Stunde lang kurbeln wir durch eine bewaldete enge Schlucht. Ab und zu ist ein Blick auf den Fluss möglich, der sich zwischen den Bergen entlang schlängelt. Dann wird die unberührte Landschaft zu Weideland. Abgeholzte grüne Hügel so weit das Auge reicht. Das mag ökologisch nicht wertvoll sein, aber unserem Auge schmeichelt diese Kulturlandschaft.

Typisch auf den Weiden sind riesige, abgestorbene Bäume – als Solitär stehen gelassen

Dann, nach dem Weideland folgt eine Ebene. Die ersten Weinfelder erscheinen. Die Sonne brennt in Neuseeland so stark, dass Weinstöcke nicht an Hängen stehen müssen.

Unser Endpunkt des Tages soll Mahia sein. Eine kleine Halbinsel am östlichen Ende der Hawke’s Bay. Der Ort hat nur einen Emma-Laden und knapp 1.000 Einwohner. Was für ein Kontrast zu Opotiki. Hier stehen die wohlhabenden Häuser gut in Schuss in adretten Gärten. Der Campingplatz ist der bisher teuerste (55 NZD), bietet dafür aber auch dafür zum Ausgleich kein W-Lan. ;-)  Nur eine schmale Straße trennt unser Zelt vom kilometerlangen Strand. Nachts auf der Luftmatratze hört man die Brandung donnern. Wundervoll.

Wohlstand und gepflegte Häuser – was für ein Kontrast zu Opotiki

Blitzsaubere Küche auf dem Campingplatz in Mahia

Hinter jeder Klippe erscheint ein neuer Strand. Unbenutzt und naturbelassen. Angeschwemmtes Treibholz stapelt sich Kubikmeter an Kubikmeter. Mit Quads werden Border Collies und andere nicht tot zukriegende Hütehunde ausgepowert.

Die Strände in Mahia sind mit Holz übersät – absolut kein Müll dazwischen

Auch echte Baumriesen darunter

Treibholz in allen Größen

Fischen ist das Hauptinteresse der Anwohner. Jeden Morgen kommen Trecker und schieben kleine Boote durch die Brandung ins Wasser. Jeder zweite Haushalt besitzt so einen Trecker. Wer keinen hat, wird Mitglied im örtlichen Fischer-Verein und darf den Vereins-Trecker benutzen.
Beim Strandlauf fällt uns ein riesiger Boots-Trailer mit eigenem Fahrwerk auf, der leer am Ufer steht. Gerade als wir eine der Klippen erklettern (schnauf – 125 Meter steil bergauf), kommt das dazu gehörige Fischerboot nach Hause. Der Trailer fährt bestimmt 200 Meter aufs Meer hinaus. Bis zur zur letzten Sandbarre. Dort wartet bereits das Fischerboot. Langsam fährt der Fischer in sein Gestell und wird direkt bis zur Haustür gebracht. Unglaublich, was in Neuseeland bezüglich Fischen alles möglich ist.

Auf die Klippe kann man klettern

Mit dem Trecker wir das Fischerboot ins Wasser gelassen

Selbstfahrender Trailer – der fährt bis zur Sandbarre und holt dort

seinen Fischer-Kollegen ab

Rückwärts geht es an den Strand zurück

Die Entladung erfolgt auf einem Hof direkt per Rampe

Auch eine Art und Weise

Von der Klippe aus kann man schon in die nächste Bucht schauen

Hinter dem winzigen Örtchen geht es hügelig weiter – ein Feldweg führt von der Küste weg . Mal bewaldet, wieder aufgeforstet mit Eukalyptus, Kiefern, mexikanischen Zypressen oder Fichten. Mal Weidelandschaft. Meistens sehen wir Schafe, jetzt mit ihren süßen Lämmern. Die Schafe sind überraschend scheu. Annäherung unmöglich, ihre Fluchtdistanz beträgt mindestens dreißig Metern. Wie fängt man die jemals ein? Zu gerne würde ich mal sehen, wie die Schafe von den Hütte-Hunden zusammen getrieben werden.

Vom Strand führt ein Weg in die Felder

Die Lämmer sind schon etwas länger geboren – aber noch immer zuckersüß

Der Blick zurück auf unsere Klippe – schnauf

Schafwirtschaft ist total rückläufig in Neuseeland. Der Höchst-Bestand von 70 (?) Millonen Schafen (die Angaben schwanken … ) in Neuseeland ist  in den Jahren  zusammengeschrumpft auf einen Rest von ca. 25 Millionen Tiere. Rindvieh bringt inzwischen besseres Geld. Methan pupsen sie beide und Nitrar können Rinder ebenfalls. Aber Schafe gehören zum Neuseeland-Klischee einfach dazu.

Noch ein weiterer Tag in Maihi würde uns gefallen. Merkwürdigerweise habe ich beim Route planen den Ort nirgendwo erwähnt gefunden – weder in Reiseberichten noch in Blog-Tipps. Nur zufällig haben wir hier einen Aufenthalt geplant, um die Fahrstrecke zum nächsten Ziel zu verkürzen.
Aber diesmal „müssen“ wir weiter – für den nächsten Stopp haben wir eine Hütte vorreserviert – es geht zurück in die Berge auf 600 Meter.


22

Erst etwas Pech und dann auch noch ein Crash

3.-4.Nov.22, Neuseeland/Opotiki, Tag 3080-81, 24.688 sm von HH

Nach den Bergen liegt unser nächster Stopp wieder am Meer. Opotiki, ein kleiner Ort, keine zehntausend Einwohner.
Der Campingplatz ist ruhig gelegen, am Ortsrand und direkt am Dünenwanderweg. Es ist der preiswerteste Platz bisher, nur 30,00 NZ Dollar, statt 51,00 wie die Luxusbude in Rotorua. Eigentlich sollte uns das stutzig machen.
Unser Zelt bauen wir neben einer Pferdekoppel auf, soweit, so idyllisch. Die sanitären Anlagen sind alt und abgerockt, aber sauber und okay. Die Gemeinschaftsküche ist grausam, hier möchten wir bestimmt nichts kochen. Klar als Touristen zu erkennende Camper sehen wir keine, aber fast alle Cabins sind belegt. Komisch.

Netter Campingplatz – bis man die Küche sieht

Achtung, das Foto kann verstörende Inhalte enthalten :mrgreen:

Unappetitlicher Kühlschrank auf dem Campingplatz

Wir bummeln durch den Ort. Auch der hat schon bessere Tage gesehen. Die Auslagen in den Geschäften stammen aus dem vorigen Jahrhundert, die Tische in einer Fish&Chips Bude sind abgeblättert, Schilder sind beschädigt. Alles sieht abgewohnt aus. Dann fängt es auch noch zu regnen an. So ein Pech.

In Opotiki ist alles etwas abgeblättert . selbst das Willkommenschild

Gemischtwarenladen – mit dem ausdrücklichen Hinweis – die Teepötte sind nicht verkäuflich

Notgedrungen setzen wir uns in den Aufenthaltsraum vom Campingplatz. Die Atmosphäre erinnert den Gemeinschaftsraum in einer Nervenanstalt, wie sie in Filmen gerne dargestellt wird.
Eine ältere Frau setzt ein 50-Teile Kinderpuzzle zusammen – eine gesamte Stunde lang. Zunächst summt sie auch noch lauthals zur dudelnden Musik. Ein Typ mittleren Alters wärmt sich Reis in der Mikrowelle auf und ißt diesen dann mit den Fingern direkt aus der Plastikdose.
Ein anderer Mann dagegen kocht sich aufwendig ein Essen mit Huhn und grünem Spargel. Eine ältliche krumme Frau wohnt in einem Einmannzelt und setzt auch dort ihre Maske nicht ab. Die Herrschaften kennen sich augenscheinlich – sie wechseln allerdings kein Wort miteinander. Ein alterer Mann sitzt schnachend vor dem Fernseher.

Küche und Aufenthaltsraum – die Comics helfen nicht – das ist kein lustiger Ort

Wir kommen ins Plaudern mit einer Frau. Sie sei grade Rentnerin geworden, kommt aus Auckland und macht hier Zwischenstation bevor sie zu Ihrer Farm fährt. Sie klagt über die steigenden Preise, keiner könne sich mehr etwas leisten und es gäbe so viele Odachlose, weil Mieten unbezahlbar geworden seien. Der Staat zahlt Motels viel Geld, damit die Obdachlosen von der Straße kommen. Andere wohnen auf Campingplätzen. Unser Platz scheint so ein Sammelort für gestrandete Seelen zu sein.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir fahren 25 Kilomter zu einem interessanten Wanderweg. Ein Loop, der an einer historischen Brücke beginnen soll. Hier hat sich der Waioeka River tief ins enge Tal eingeschnitten.

Waioeka

Der Waioeka endet in Opotiki

Auf dem Parkplatz die Ernüchterung: etliche Schilder warnen hier vor Autoaufbrüchen. Der Platz ist sprichwörtlich tapeziert mit den Hinweisen. Da meint es jemand ernst.
Hm, das gefällt uns nicht, unser Wagen steht rappel voll zum Schlachten alleine auf dem Platz. Wir packen „alles“ von Wert in den Rucksack und laufen trotzdem ein Stück bergab zu Brücke. Dort noch ein Schild: Brücke gesperrt.
Wir glauben zwar, dass die Brücke hält (und wenn nicht, fällt man ja nur ins Wasser), aber die Warnung vor den Autoeinbrüchen, alles kommt zusammen, wir entscheiden uns, wieder umzudrehen. Aber vorher noch mal die Drohne fliegen lassen, die Landschaft ist sensationell. Au ja!

Wir bauen alles zusammen. Maschine start. Die Drohne soll von meiner Hand aus abheben. Nein, ein Kompass-Fehler verhindert den Start. „Das liegt bestimmt an den dicken Drahtseilen der Brücke“, befindet Achim. „Geh noch etwas zurück.“ Viel Platz ist nicht, dann kommen schon Bäume. „So, jetzt geht es. Fehlermeldung ist weg. Fertig?“
Die Drohne hebt ab. Aber statt vorwärts, von mir weg, taumelt sie rückwärts. Direkt auf mich zu. Ich ducke mich. Drohne taumelt mal vor, mal zurück. Ich gebe Hackengas den Weg bergauf.
Achim kurbelt an der Fernbbedienung. Ohne Erfolg. Dann ist Ruhe, die Drohne bleibt im Baum hängen und landet direkt im Matsch. Au weh.
Oben auf dem Parkplatz kann ich sie sauber machen. Die Rotoren haben nichts abbekommen, also noch ein Versuch, diesmal vom Parkplatz aus.

Drohnenreinigung – danach fliegt sie wieder tadellos

Gesperrte Brücke Tauranga

Der Tag ist nicht der beste in unserer Laufbahn. Findet aber noch einen guten Abschluss am Dünenwanderweg in Opotiki.

Der Dünenwanderweg entschädigt etwas für die gesperrte Brücke

Strand in Opotiki


15

Rotorua – ein heißes Pflaster

31.Okt.-3.Nov.22, Neuseeland/Rotorua, Tag 3075-79, 24.688 sm von HH

In Rotorua stinkt es. Bereits bei der Anfahrt die vorwurfsvolle Frage im Auto: „Warst du das?“ Achim leugnet überzeugend: „Das kommt von draußen!“ Und dann fällt es uns wieder ein, dass wir gelesen haben, es stinkt in Rotorua. Und zwar nicht zu knapp. Fieser faule Eier Schwefelgeruch hängt über dem Ort.
Neuseeland liegt auf dem Ring of Fire. Es schiebt sich die Pazifische Platte unter die Australische und sorgt dadurch für hohe vulkanische Aktivität. Statt der üblichen mittleren 35 Kilometer misst die Erdkruste hier nur 15 Kilometer. Und in Rotorua und Umgebung ist sie besonders dünn. Das kann man nicht nur riechen, sondern auch sehen. Überall dampft es aus der Erde. Mitten in der Stadt gibt es eingezäunte Wasserbassins in denen kochendes Wasser aus der Erde brodelt. Ein Geysir sprüht meterhohe Fontänen – nur fünfhundert Meter vom Wohngebiet entfernt. Ein ständiger Nebel wabbert über den Wald.

Am Stadtrand spuckt dauerhaft ein Geysir – besonders stark nach Regenfällen – hatten wir ja gestern genug ;-)

Geysir quasi mitten in der Stadt

Altes Kur- und Bäderhaus – charmante Ecken in Rotorua

Das kostenlose Schauspiel in der Stadt kann noch getoppt werden. Mehrere kostenpflichtige Parks mit geothermalen Aktivitäten stehen zur Wahl. Wir entscheiden uns für Waimangu (25 Euro pro Person). In einem anderen Park wird jeden Tag um genau 10:15 Uhr Seife in einen Geysir geschüttet, damit er ausbricht. Das ist nicht so unser Ding.
Waimangu entpuppt sich als zauberhaft. Ein vier Kilometer langer Weg führt gemächlich bergab. Vorbei an babyblauen Seen, bunten Bächen und zischenden Mini-Fontänen. Mit viel ‚ah‘ und ‚oh‘ biegen wir um jede Kurve. Eine Märchen-Wunder-Welt mit Gestank. Immer wieder zieht uns der üble Geruch über die Nasen.

Rechts und links vom Weg spuckt und brodelt es aus Löchern in der Kruste

Dieser himmlische See stinkt wie die Hölle

Bunt, aber unwirtlich

Algen und Bakterien sorgen für die Farben

Die Temperaturen der verschiedenen Kraterseen betragen zwischen 35 und 50 Grad. Der PH-Wert liegt bei 3,5. Ein paar Algen und Bakterien konnten sich an diese uncoolen Umstände anpassen und sind verantwortlich für das Farbenspiel aus gelb, grün und ocker in allen Schattierungen. Wir sind echt begeistert.
Am Ende der Wanderung besteht die Möglichkeit mit dem Bus zurück zum Start zu fahren oder man läuft zurück. Für Fotos ist das Geblubber der Tümpel nicht so gut geeignet, ich hoffe, dass meine Filme gut gelungen sind.

nur zwei Kilometer hinter den brodelnden Kratern eine andere Welt: hier sieht Neuseeland so aus, wie man es erwartet – grüne Hügel, gespickt mit Schafen

Aber Rotorua hat noch mehr zu bieten. 1901 brachten Nutzholz-Wirtschafter Kalifornische Redwoods (Sequoia sepmvervirens) nach Neuseeland. Auf 5600 Hektar wurde ein Wald aus Küsten-Mammutbäumen gepflanzt. Der Bedarf an Nutzholz wuchs zu dieser Zeit rasant und man wollte sehen, wie die Redwoods mit ähnlichen klimatischen Bedingungen wie in Kalifornien klar kommen.
In den letzten 120 Jahren sind die Bäume bis auf 70 Meter gewachsen und sollen in Neuseeland dreißig Prozent schneller wachsen als in ihrer Heimat. Bis zur Ernte – bei ungefähr 115 Metern – steht Rotorua jetzt ein wunderbarer Wald zur Verfügung. 160 Kilometer Mountain-Bike Strecke wurden angelegt und Wanderer haben die Wahl von vier verschiedenen Stecken. Wir machen zwei und sind schon wieder begeistert.
Der Teil mit den Redwoods ist erstaunlich – tolle Bäume

Dicke und noch schlanke Redwoods bilden einen coolen Nadelwald

Grenzüberschreitender Baumtransport verträgt sich mit einheimischen Baumfarn

Trotz super Touristen-Spot treffen wir kaum jemanden unterwegs

Rotorua ist eine sehr touristische Stadt. Dreißig Millionen Besucher kommen angeblich jährlich hierher. Noch sind die aber nicht da. ;-) Wieder macht sich die Vorsaison angenehm bemerkbar. Auf dem Campingplatz können wir abends nach Herzenslust kochen und grillen. Ein Beet mit Schnittlauch und anderen Kräutern entdecke ich auch noch. Der Regen ist verschwunden und mit ihm die niedrigen Temperaturen in der Nacht, allerbestes Wetter jetzt in Rotorua. Aus geplanten vier Nächten werden sechs in Rotorua, eine mehr, weil der eine Tag komplett verregnet war und einen, weil Rotorua einfach so himmlisch duftet.

Blue Lake bei Sonne – schon gleich viel besser


7

Stress-Test für Zelt und Campinggemeinschaft

29./30.Okt.22, Neuseeland/Rotorua/Lake Tikitapu, Tag 3073-74, 24.688 sm von HH

Es prasselt aufs Zeltdach. Es klingt, als ob jemand kleine Kieselsteine nach unserem kleinen Zelt wirft. Morgens um 7:00 Uhr, die Blase drückt. Und nun? Irgendwann geht es nicht mehr, wir müssen raus. Schlauerweise liegen die Regenjacken im Auto. Der Schirm auch. Es geht doch nichts über gute Planung. Dabei hat der Wetterbericht es schon gestern Abend gewusst, dass heute die Welt unter gehen wird.
Schnell schnappen wir uns unsere Zahnbürste, Regenjacken und Frühstücks-Zeug. Im Dauerlauf retten wir uns in den Gemeinschaftsraum neben der Küche. Dort ist es trocken und dank Gas-Heizpilz auch noch warm. Unser zweiter Campingplatz ist der pure Luxus. Und wir haben alles für uns alleine. Es gibt drei Küchen-Grill-Bereiche auf dem riesigen Campingplatz, aber im Bereich der Plätze ohne Stromanschluss herrsch Leere. Das einzige weitere Zelt wird gerade bei strömendem Regen abgebaut.
Irgendetwas unternehmen zu wollen, ist zwecklos. Über Mittag fallen 30 mm Regen – pro Stunde. Wir flüchten uns von unserem Gemeinschaftsraum in den eine Etage tiefer zu den Wohnmobil-Campern. Dort gibt es die bessern Stühle und Steckdosen zum Laden von Handy und Co. Nur mit Gummihose und Regenjacke schaffen wir die 150 Meter.

In Vollgummizeug plus Regenschirm schafft man es grade so über den Campingplatz – es gießt unglaublich

Camping ist spontan doof. Wir beobachten die Wohnmobil-Besitzer. Neid grün im Gesicht. Aber sooo viel besser als wir haben die es auch nicht. :roll: Auch sie schlagen die Zeit tot. Auch sie warten auf ein Wetterfenster, um auf die Toilette zu gehen. Je nach Größe des Campers in den eigenen vier Wänden oder am Nachbartisch bei uns. Auch sie wissen nicht, wohin sie die nassen Regenklamotten hängen sollen.
Allerdings brauchen sie sich keine Gedanken ums Absaufen machen. Ist unser Zelt wirklich dicht? Regen hat es noch keinen gesehen. Oder liegen wir heute Nacht in nassen Schlafsäcken?
Als die schlimmste Phase vorüber ist, geht Achim nachschauen. Puh! Alles trocken. Die Wasserlachen auf dem Rasen sind bedenklich, aber alles geht gut aus.

Die Wiese steht gefährlich unter Wasser

Um 20:00 Uhr krabbeln wir ins Zelt. Diesen Tag kann man getrost vergessen! Aber das Zelt hat den Stresstest bestanden und die Atanga Campinggemeinschaft denkt gar nicht daran aufzugeben. Morgen schein die Sonne, sagt die Vorhersage. :-)

Am nächsten Morgen dann tatsächlich Sonne – die Regenjacken liegen schon zum Trocknen

Am Vortag ging es schon los – Nieselregen am Blue Lake – aber da konnte man noch spazieren gehen und das Zelt haben wir auch trocken aufgebaut bekommen :-)


18

Coromandel

25./28.Okt.22, Neuseeland/Coromandel, Tag 3068-72, 24.688 sm von HH

Unsere Anti-Regentänze haben was genützt – bei strahlendem Sonnenschein laufen wir unseren ersten Campingplatz an. Wir landen in Coromandel, auf einer Halbinsel östlich von Auckland. Ein Ferienwohnungs-Paradies für die Großstadt geplagten Aucklander. Unsere Wahl wählt auf einen Campingplatz im Norden von Coromandel Town – etwas außerhalb gelegen. Nur ein paar verstreute Wohnhäuser stehen im Umfeld. Eine kleine Bucht direkt vor der Haustür in der man bei Ebbe prima wattwandern kann.

Shally Beach – verstreute Inseln und Inselchen am Horizont

Wattwanderung durch unzählige Muschelreste

Da wir noch unsicher sind, wie lange wir bleiben wollen, bezahlen wir unseren Platz erstmal für zwei Nächte. Achim fragt die Dame an der Rezeption, ob es wohl problemlos möglich wäre, um eine weitere Nacht zu verlängern. Die Frau lacht immer noch. Wir auch. Der Campingplatz ist leer. Drei Wohnmobile stehen verstreut herum und eine Cabin scheint belegt zu sein. Absolute Vorsaison.
Wir sind die einzigen mit Zelt. Das gibt uns schon zu denken, aber tapfer schlagen wir die Heringe in den Rasen. Und wir haben aufgerüstet: zusätzlich zu unserem bewährten Drei-Mann-Zelt von der letzten Tour im Hochsommer haben wir uns einen Pavillon gegönnt. Standardmäßig wird der Pavillon mit einem abknöpfbaren Windschutz-Seitenteil geliefert und wir haben uns noch ein zweites Seitenteil extra dazu gekauft.

Shally Beach Campsite – fast leer bis auf ein paar Verrückte

Dann beim Aufbau die Enttäuschung. Der Pavillon hat zwei große Öffnungen und die beiden schließbaren Seiten liegen sich gegenüber. Wer denkt sich denn sowas aus? Wir wollten uns schön winddicht über Eck abschotten und nun dies. Am Abend stellen wir dann fest, dass das Dach trotzdem einen guten Schutz vor herabfallender Kälte bringt. Wir können immerhin bis 20:00 Uhr draußen sitzen. :mrgreen:

Unser Pavillon – mit Windschutz auf gegenüber liegenden Seiten – Nonsens

Dann zieht es an. Schnell ab ins Zelt und in den Schlafsack schlüpfen. Zwei zusätzliche Wolldecken und unsere selbst aufblasenden Isomatten (tolle Teile) sollen uns vor dem Erfrierungstod bewahren. Elf Grad werden vorhergesagt. Achim setzt gleich auf lange Unterwäsche, ich wähle einen normalen Schlafanzug mit T-Shirt-Oberteil. In der Nacht wache ich auf, weil mein Kopfkissen von der Matte gerutscht ist. Achim hat in der Zwischenzeit beide Decken über sich gezogen und ist nicht mehr zu erkennen. Mich wärmt der 80er Jahre, mal für ein Festival gekaufte, Schlafsack grade eben gut genug. Aber in Nacht zwei wechsle ich ebenfalls auf komplett lange Unterwäsche (endlich kommt der High-Tec-Segel-Musto-Funktionskram mal zum Einsatz) da nur noch 10 Grad Nachttemperatur versprochen werden. Wir überleben also die ersten drei kalten Nächte in Coromandel und werden für unsere Tapferkeit tagsüber mit viel Sonne belohnt.

Da wir fast alleine sind – nutzen wir ganz bequem Grill und Küche – erspart uns das gebückte Kochen auf der Erde

Camping-Idylle – mit steigenden Temperaturen steigende Idylle

Wir besuchen auf der Ostseite berühmte Felsformationen, die nur bei Ebbe zu erreichen sind. Bizarre Felsen und ein Bogen wurden vom Meer ausgewaschen und bilden tolle Motive vor türkis Wasser und weißem Strand. Ein hübscher Ort, leider etwas überlaufen, trotz Nebensaison. Die Felsen ohne Handy-Stick vor die Linse zu bekommen, bedarf etwas Geduld.

Hübsche Blicke durch einen Bogen

Ausgewaschene Felsen geben einen tollen Anblick vor weißem Strand

Cathedral Cove in Coromandel

Am nächsten Tag entscheiden wir uns für mehr Abgeschiedenheit und suchen uns einen Wanderweg im Coromandel-Forrest-Park mit schöner Aussicht am Ende. Eine etwas rutschige Strecke, wenig gegangen und vom DOC (Naturschutz-Park-Verwaltung) kaum gewartet, wie umgestürzte Bäume auf dem Weg anzeigen. Das Wetter ist bombastisch. Tolle Sonne, aber nicht zu heiß. Groß-ar-tig!

Wanderung komplett abseits vom Hauptstrom – wir treffen Niemanden

Immer wieder stoßen wir auf ehemalige Stollen – eigentlich überall auf Coromandel

Coromandel Town – hoch im Norden der Halbinsel

Den dritten Tag – wir können es kaum glauben – scheint weiterhin die Sonne. Bereits um 8:00 zum Frühstück steigt die Temperatur auf 20 Grad. Das ist neu, normalerweise dauert das bis mittags. Groß-ar-tig!
Heute fällt die Wahl auf einen etwas bekannteren Track. Einen historischen Goldtrack. Auf Coromandel wurde vor 160 Jahren Gold gefunden. Und zwar Gold in großen Mengen. Eine Mine, die heute noch in Betrieb ist, galt in den 1920er Jahren als eine der erträglichsten der Welt. Überall wurde gebuddelt und gegraben. An der Schlucht Karangahake stehen noch ein paar Überreste aus alten Goldgräber-Tagen. Mit großem industriellen Aufwand an Loren, Schienen, Mechanik und Chemie wurde das Gold aus dem Berg getrieben. Zum ersten Mal in Neuseeland kam hier Zyanid und Quecksilber bei der Goldwäsche zum Einsatz. Das Erz wurde vor der ersten Verarbeitung geröstet, um es leichter weiter verarbeiten zu können. Der Methode fielen alle Bäume im kilometerweiten Umfeld zum Opfer. Umweltschäden in großem Maßstab wurden in der Schlucht angerichtet. Heute ist die Schlucht ein Idyll, welches langsam alle Überreste vom Goldrausch unter sich begräbt. Leider ist die Hälfte des Tracks gesperrt, so dass uns nur die kurze Strecke durch einen ehemaligen Eisenbahntunnel zur Verfügung steht.

Schon fast großindustriell wurde damals nach Gold gebuddelt

Ein paar Überreste der alten Anlagen sind noch vorhanden

Schienen und Loren aus vergangenen Zeiten

Der Wanderweg führt durch einen 600 Meter langen Eisenbahntunnel

Bereits seit fast hundert Jahren wird hier nicht mehr nach Gold gesucht


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Fertig für eine Nordinsel-Tour

Mo.,24.Okt. 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3067, 24.696 sm von HH

Das Lackprojekt ist abgeschlossen und von der Crew für gut befunden worden. Die drei Wochen bei Dina und Andries im Haus haben grade eben so ausgereicht. Wir lieben es, wenn ein Plan gelingt. ;-)
Im Salon- und Pantrybereich sind jetzt tatsächlich die meisten Flächen frisch lackiert. Nur dort wo nie jemand angrabbelt und nie die Sonne hin scheint, war der Lack noch in Ordnung. Dort ist er so geblieben. Es war zum Teil allerhöchste Zeit. An einigen Stellen hatte das Furnier schon fast einen irreparablen Schaden.

Im Salon und der Pantry sind jetzt ungefähr 80 Prozent aller Oberflächen neu lackiert

Alle Kanten und schrabbeligen Flächen sehen fast aus wie neu

Heute kommen unsere Gastgeber wieder und wir haben uns für die letzte Nacht etwas frech bei ihnen eingenistet. Wir haben sie etwas überrumpelt und vor vollendete Tatsachen per whats app gestellt: „Wir holen Euch um 17:00 Uhr vom Flughafen ab und verlassen am nächsten Morgen um dann das Haus.“
An Bord stinkt es nach Lack und so richtig schlagfest sind Tische und Kanten auch noch nicht. Außerdem sind ja auch viele unserer Klamotten und Waschzeug gar nicht an Bord. Da lohnt ein Umzug für eine Nacht nun wirklich nicht. :mrgreen:

Morgen früh geht es also los. Einmal rund um die Nordinsel herum. Zum überwiegenden Teil wollen wir zelten, außer in hohen Lagen nicht. Da mieten wir uns eine Cabin. Was im Sommer gut geklappt hat, treibt uns jetzt etwas die Sorgenfalten ins Gesicht. Nachts gehen die Temperaturen noch auf zehn Grad runter und es regnet auch noch häufig. Ob zelten dann so die tolle Idee ist?

Das Auto ist jedenfalls gepackt. Im Tetris-System haben wir alles in Kartons gebackt und so lange hin und her geschoben bis es passte. Letztes Mal hatten wir einen Koffer für unsere Kleidung mit. Darin herrschte bereits nach drei Tagen das Chaos – meine Unterwäsche begraben unter Achims Hosen. Nichts war wieder zu finden. Und ständig hat was auf dem Deckel gelegen. Diesmal also Kartons. Sehr rustikal, um es vorsichtig auszudrücken.

Fünf Wochen Rundreise sind geplant. In der Zeit kann der Lack aushärten und der Polsterer unsere Salon-Polster neu beziehen. Die haben wir vor zwei Wochen zu ihm gebracht und er hat versprochen, dass sie fertig sein werden.
Wir halten es noch einmal mit dem A-Team und lieben es, wenn ein Plan gelingt.

Rundreise Nordinsel – geplant ist die Tour im Uhrzeigersinn


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Von Tahiti nach Neuseeland – das Video

So.,16.Okt. 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3060, 24.696 sm von HH

Heute vor genau einem Jahr sind wir in Tahiti gestartet, um nach Neuseeland zu segeln.
Ein Jahr, um ein Video zu erstellen :roll: unglaublich lange – aber gute Dinge wollen eben Weile haben.
Und ich glaube, das Warten hat sich gelohnt. Deswegen ist er auch etwas länger geworden.

Mit dem Video schneiden, kam die die Erinnerung zurück, wie heftig der Törn wirklich gewesen ist. Das Vergessen hatte schon Sand darüber gestreut. Wir hatten „hochhaushohe“ Wellen und die Hälfte der Tage sechs Windstärken oder mehr.
Wir haben auf dem Törn ein wenig den Hintern versohlt bekommen, würde ich sagen.

Viel Spaß beim Schauen und bitte nicht seekrank werden. ;-)

#26 Rauer Törn von Tahiti nach Neuseeland – 2423 Meilen mit bis 39 Knoten Wind

 

Für alle, die damals nicht dabei gewesen sind, hier exemplarisch der Text von Tag 16 der Überfahrt:

Chronik einer Reise:
20:00 Uhr – Wind NNO, 16 Knoten, Kurs 270°, Zielkurs 229°, blöd, aber wir müssen erst noch eine Insel umfahren. Seit 500 Meilen liegt sie immer wieder auf unserer Kurslinie, egal wie der Wind auch weht. Mit dem letzten Büchsenlicht hat der Skipper eine Eingebung und besteht auf das dritte Reff im Groß zur Nacht. Ich haue mich aufs Ohr.

22:00 Uhr – Wind NNO, 14 Knoten – meine Nachtwache beginnt. Durch das eine Reff zu viel im Großsegel kommen wir nur langsam voran.

24:00 Uhr – Wind NNO, 22 bis 25 Knoten – der Skipper steht auf und fragt, ob alles okay sei, er könne nicht schlafen, es wackelt zu sehr. Er kriecht zurück in die Koje.

03:00 Uhr – Wind NNO, 24 bis 27 Knoten – Achims Nachtwache beginnt. Ich habe ihm eine Extra-Stunde Schlaf gegönnt – mein Buch ist gerade so spannend.

04:00 Uhr – Wind NNO 26 bis 30 Knoten – Ich stehe wieder auf. Es wackelt unglaublich hinten in der Koje. Ich kann nicht einschlafen. Das, final doch nicht weg geklappte, Bimini (wird schon nicht so schlimm werden) flattert Nerv tötend im Wind. Wir machen es uns gemeinsam „gemütlich“ im Salon.

4:15 Uhr – das Bimini wird provisorisch mit einem Tampen „ruhig gestellt“.

4:30 Uhr – Wind NNO 28 bis 32 Knoten, Kurs 270° – Achim geht raus. Atanga luvt jetzt häufig stark an. Wir wollen aber an der Insel vorbei. Jemand muss die Windsteueranlage händisch unterstützen. Ich halte ihn mit dollen Geschichten bei Laune.

5:00 Uhr – Wind NNO dauerhaft über 30 Knoten – es ist schwärzeste Nacht. Gnädig bleibt die Wellenhöhe verborgen. Ab und an sieht man eine Schaumkrone in Augenhöhe vorbei rauschen. Schön, dass wir das überflüssige Reff im Groß haben.

5:30 Uhr – ich löse Achim im Cockpit ab. Er hält mich mit dollen Geschichten bei Laune. „Wir können von Glück reden, dass es nicht auch noch regnet“, posaune ich in die Nacht.

6:05 Uhr – es fängt an zu nieseln 6:15 Uhr – Regen 6:25 Uhr – es gallert, prasselt, pisst aus allen Rohren. Segelstiefel wären jetzt schön. Mangels wasserdichter Schuhe sitze ich mit nassen Socken im Cockpit

6:30 Uhr – Wind NNO Böen bis 37 Knoten, wir sind an der Insel vorbei und können abfallen so weit es geht – Das Schott zum Niedergang ist zugezogen. Achim hockt im Trockenen. ab und an bekomme ich ein ‚tapfer‘ durchs Seitenfenster zugerufen. Es ist nicht mein Lieblingswetter :mrgreen: und sehr viiiiel Wind. Die Systeme sind beherrschbar, was mich freut. Angst, nein, aber es ist gruselig. Ich passe einen Augenblick nicht auf, wir luven hart an. Dann ein Fahrfehler, statt abzufallen, luve ich noch weiter an, eklig, aber überlebbar. Es dämmert.

7:00 Uhr – Wind NNO dauerhaft über 30 Knoten – Achim löst mich ab. Wellenberge rollen hinter uns her.

7:30 Uhr – Wind NNO 25 bis 28 Knoten – es erscheint uns wie ein laues Lüftchen. Es gallert weiterhin wie aus Eimern

8:00 Uhr – Wind Nord 20 Knoten

8:20 Uhr – Wind West 15 Knoten – Wind steht gegen Welle. Das Meer sieht aus, wie mit übergroßen Pickelhauben überzogen. Atanga wird zum Rodeo Pferd. Wir bocken, wackeln und schaukeln von einer Seite zur anderen. Gegenstände fliegen durch den Salon, die eigentlich gut verlascht gewesen sind.

8:45 Uhr – Wind Süd-West 12 Knoten – hallo, genau da wollen wir hin. Dem Skipper muss man den Mund mit Seife auswaschen. Es fällt jetzt häufig das böse F-Wort.

9:30 Uhr Wind Süd-West 5 Knoten – Maschine an. Kurs Opua. Müdigkeit macht sich breit. Werden wir alt? Vor 30 Jahren konnte man doch auch locker eine Nacht durchmachen.

12:00 Uhr – Wind NNO 10 Knoten, Regen, Regen, Regen 12:05 Uhr – 15 Knoten, 12:10 Uhr – 20 Knoten – Maschine aus, Kurs Opua 12:20 Uhr – 28 Knoten, Atanga läuft stabil, Schotten dicht, wir gehen nach unten und das Wetter kann uns mal.

 

der Skipper kann sich kaum halten


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Das Lackier-Projekt

Mo.,10.Okt. 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3054, 24.696 sm von HH

Als wir im Juli bei Dina und Andries als Air B&B Gäste übernachtet haben, kam Dina plötzlich mit einem Vorschlag auf uns zu: sie würden im Oktober für drei Wochen in den Urlaub fahren. Ob wir nicht Lust hätten das Haus zu bewohnen, damit es nicht leer steht die ganze Zeit.
Sofort fing es an zu rattern. Wir haben doch noch das Projekt ‚schöner wohnen‘, sprich im Schiff muss noch alles lackiert werden, was nicht ausgebaut werden kann. Im Oktober ist bereits Frühling, es sollte dann wärmer sein und somit dürfte der Lack über Nacht gut trocknen. Und keine fünf Minuten Fahrweg. Und dann das schöne große Haus …
Wir haben keine Viertelstunde gebraucht und zugesagt.

Haus mit Aussicht und kurzer Weg zu Atanga – die könnte man vom Fenster aus sehen – wäre der Baum in der Mitte nicht im Weg

Zwei Tage vor dem vereinbarten Termin gab es eine Nachricht von Dina. Ob wir es wohl einrichten könnten noch einmal vorbei zu kommen? Sie würde uns gerne von Paul erzählen. Paul entpuppt sich als Air B&B Gast, der im zweiten Gastzimmer (mit eigenem Bad) untergebracht ist. Wir würden Paul gar nicht merken, versichert uns Dina. Sie hätte ihm alles gezeigt und wir hätten mit ihm nichts zu tun. Am Sonntagabend reist er an und übernachtet nur zweimal zwei Tage im Haus, da er in Whangarei einen neuen Job übernehmen würde. Pflegeleicht sei Paul. Da sind wir wohl ein wenig geleimt worden. Wir sind nicht begeistert, aber was soll’s.

Wie angekündigt trifft Paul am Sonntagabend ein. Ein großer Mann mittleren Alters. Er hält nicht lange hinter dem Berg: „Hi! How are you? Ich habe einen  125.000 Dollar Tesla. Den würde ich gerne unter dem Carport-Dach parken.“ Wir gucken verdaddert. Wie ist der denn drauf? Unter dem Dach steht bereits unser 3.900 Dollar Toyota. Und unser Fiedl steht auch gerne im Trocknen. Weiß Paul das etwa nicht? :mrgreen:
Achim und Paul begutachten den Tatort. „Du könntest den Wagen von Dina und Andries umparken“, schlägt Paul vor. Achim hat zwar die Schlüssel, weil er die beiden mit dem Auto zum Flughafen gefahren hat. Aber Achim lehnt das ab. Andries hat ihm genau gesagt, wo sein und unser Auto stehen sollen. Nach etwas hin und her parkt Paul dann seinen Tesla schräg hinter Fiedl. Thema durch.
Dachten wir. Am nächsten Tag kommt eine SMS von Dina mit der Bitte, ihre eigene Familienkutsche anderswo zu parken. Paul, die alte Petze. ;-)

Statt zwei Tage bleibt Paul dann fünf. Er verschwindet immer schnell in seinem Zimmer und stört nicht weiter unseren Hausherren-Frieden. Am Freitag packt er seine Sachen und hinterlässt einige Spuren. Verschmierte Sauce und Salatreste im Kühlschrank und die nur von ihm benutze Nespresso-Maschine mit einem verklebten Milchschäumer und Behälter. Uns wurde das Haus anvertraut, also fühlen wir uns auch verantwortlich und putzen hinter Paul her. Mit viel Einweichen werden auch die Milchschläuche der Maschine wieder sauber.
Nie, niemals könnte ich Air B&B Vermietung machen.

Großes Haus – Dolby Surround – Netflix – und Küche mit allem Zipp und Zapp

Das Lackier-Projekt läuft hervorragend. Man könnte meinen, wir hätten das so geplant. Leider kann ich nicht alles auf einmal lackieren. Die Enge im Schiff lässt das nicht zu. Zu leicht reiße ich mit dem Hintern wieder ein, was ich vorne aufgebaut habe. Somit zieht es sich. Fünf, sechs Schichten sollen es schon sein.
Aber die Hälfte ist heute fertig geworden und zwei Wochen haben wir noch.
Was für ein Glücksfall mit dem Haus, besser könnte es nicht laufen. Auch wenn Paul heute wieder kommt. Mal sehen, wie lange er diesmal bleibt. Milch ist jedenfalls keine mehr im Kühlschrank :lol: .

Lackieren – schleifen – lackieren – schleifen

Der mühsam entferne Staub nach der Halle – da ist er wieder – nützt nix – so eine Gelegenheit gibt es nie wieder

Am frühen Nachmittag bin ich fertig – am nächsten Morgen ist alles schleiftrocken


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Der Mast wird gestellt

Mo.,03.Okt. 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3047, 24.696 sm von HH

So wie der Mast runter gekommen ist, so wird er auch wieder gestellt: mit Hilfe eines mobilen Krans. Für die Mast-Legearbeiten ordert Gerry, der Boat Yard Rigger, immer einen Kranwagen direkt von der Firma nebenan. Der kleine Kran scheint heute nicht verfügbar zu sein, also rückt mal richtig schweres Gerät an. Bis 220 Tonnen kann der Kran heben. Leicht, ganz leicht überdimensioniert. ;-) Unser Mast wiegt ungefähr 200 bis 300 Kilo – so genau weiß das keiner.

Etwas überdimensioniert der Kran – die Haken sind riesig

Zuerst werden – wie üblich – die Stützfüße ausgefahren und das gesamte Eigengewicht des Krans auf diese Stützen gelegt. Alle zehn Reifen schweben in der Luft. Die Stütze vorne rechts singt ein paar Zentimeter in den Schotter ein. Am Wochenende hatte es heftig geregnet.
Das gefällt dem Kran-Fahrer nicht. Kommando zurück. Die Räder werden wieder auf den Boden gesetzt, die Füße eingefahren und der Kran um einen halben Meter umrangiert. Ein neuer Versuch. Nein, wieder nichts. Vorne rechts sinkt es dem Fahrer zu sehr ein. „Du weißt schon, dass der Mast maximal 300 Kilo wiegt?“, fragt Gerry leicht genervt. Der Fahrer zeigt sich unbeeindruckt. „Das ist der normale Prozess, egal, was ich zu heben habe.“ Also Räder zurück auf den Boden, Stützen einfahren und noch einmal rangiert er den Kran um. Viel Platz hat er nicht zwischen den Booten, aber er schafft einen weiteren Meter. Diesmal passt es. Die Fuß findet festen Untergrund.

Die Stütz-Füße werden ausgefahren

Alle zehn Reifen schweben in der Luft – das Gewicht vom Kran selber liegt jetzt komplett auf den Stützen

Der zweite Stempel von der Stütze im weichen Untergrund

Der Kran-Führer lässt seinen Haken herab. Einen Meter über dem Mast stoppt er. Warum ist schwer zu sagen. Der Fahrer sitzt in seiner Kabine und starrt auf ein Display. Nichts tut sich. „Hoffentlich liest er nicht erst jetzt die Gebrauchsanweisung“.  Alle warten ungeduldig. „Das gibt aber trotzdem nur eine normale Rechnung“, warnt Gerry den Fahrer.
Dann endlich ist das Problem behoben. Es geht weiter. Vorsichtig wird der Mast an einer Schlaufe angehoben. Alle empfindlichen Teile müssen sorgsam mitgeführt werden, damit nichts kaputt geht oder verbiegt. Zentimeter um Zentimeter wird der Mast gehoben bis er endlich senkrecht steht und vom Boden abhebt.

Der Haken mit Gewichtsbombe schwebt ein – eine falsche Bewegung am Joy-Stig und Atanga hat ein Loch im Rumpf

Einer hält den Baum in Waage – die anderen kümmern sich um die losen Teile, damit die nicht unkontrolliert um sich schlagen

Der Mast hat jetzt bereits abgehoben

Der Kran bringt den Mast über Atanga in Position und wird dort von Gerry, Lance und Achim in Empfang genommen. Es dauert einige Zeit bis alle Wanten und Stagen festgeschraubt sind. Erst dann darf der Fahrer seinen Haken ausklinken. Der Mast steht jetzt selbstständig und Atanga sieht wieder wie ein proper Segelboot aus und ein weiterer, wichtiger Schritt zurück zum normalen Bootsleben ist gemacht.

Nur noch ein paar Meter – noch ein bisschen den „Draht“ befestigen und Atanga sieht wieder aus wie ein richtiges Segelschiff


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