Kategorie: Atanga

Das Video unserer Rundreise in Australien

06.10.2025; Neukaledonien/Baie Papaye; Tag 4.146; 29.307 sm von HH

Wir ankern immer noch in der Lagune. Herrlich türkisene Tage.

Aber heute gibt es keine Strandfotos, sondern einen Blick zurück nach Australien.
Das Video über unsere komplette Rundreise ist fertig. Das Abenteuer im Abenteuer – die Simpson-Wüste – wurde ja bereits gewürdigt. ;-)

Vierzehn Monate in einen Film zu bringen, war eine Herausforderung. Neben einigen Video-Schnipseln hatte ich die Auswahl von 9.000 Fotos. Verteilt auf 132 Ordner.
Knapp 2.000 Fotos haben es in die engere Wahl geschafft; 400 davon in die Endfassung.
„Kill your darling“, eine gut gemeinte Video-Schneide-Regel. Aber von welchem liebgewonnenen Foto soll ich mich trennen? Das sind schwierige Entscheidungen.
Hunderte Male habe ich die Fotos verschoben und neu sortiert. Die Standzeiten wieder und wieder verändert. Zwei Sekunden oder besser nur eine?

Ein Panorama unseres großen Abenteuers. Das Ergebnis ist in sechzehn Minuten zusammengefasst. Ich glaube, dass es schöne Minuten geworden sind. Sie zeigen die tollsten Ausblicke und Momente, die wir unterwegs hatten.

Ich wünsche Euch viel Spaß damit.

#32 In 14 Monaten rund um Australien

Schlangengrube

25.–30.09.25; Neukaledonien/Îlot Larègnére, Îlot Signal; Tag 4.135-40; 29.298 sm von HH

Die Inselchen zwischen Außenriff und Hauptinsel liegen wie an einer Schnur aufgereiht. Nur ein paar Meilen auseinander.
Wir fahren rüber zur Îot Larègnére. Unbewohnt und winzig klein. Keine 250 Meter lang, das dazu gehörige Riff ist zehnmal so groß. Eine Handvoll Boote ist schon da. Gute Moorings hängen in fünf Meter tiefem Wasser. Ein Schwarzspitzenriffhai schaut zur Begrüßung vorbei. Schildkröten schnappen nach Luft.

Black Tip im Swimmingpool

Larègnére ist winzig

Wir paddeln an Land und stolpern fast über eine Schlange. Eine Seekrait oder auch Neukaledonischer Plattschwanz, eine Laticauda saintgironsi. 

Wunderschöne Tiere – grad 80 cm lang

Die Plattschwänze gehören zu den Seeschlangen. Sie kommen aber gerne und häufig an Land, um sich auszuruhen. An Land finden sie besseren Schutz vor ihren Feinden, während sie verdauen. Außerdem häuten sie sich an Land und kommen bei kaltem Wasser (aktuell noch immer kühle 23,5 Grad) zum Aufwärmen an Land.
Diese Exemplare legen ihre Eier an Land, während andere Arten lebend im Wasser gebären.

Seeschlangen haben einen schlechten Ruf. Zwei der fünf giftigsten Schlangenarten der Welt sind Seeschlangen. Allerdings ist ihnen gemeinsam, dass ein winziges Maul haben. Ihre Beute besteht aus kleinen Fischen. Sie bekommen die Klappe nicht weit genug auf, um gut in einen Menschen hinein beißen zu können. Außerdem liegen die Giftzähne weit hinten im Maul, so dass es meistens „Trockenbissen“ sind, wenn doch mal ein Mensch in die Hand gebissen wird. Der miese Ruf ist also ungerechtfertigt.

Kleiner Kopf – noch kleineres Maul. Die Größe der Sandkörner ist ein guter Größenvergleich.

Das gilt erst Recht für den Neukaledonischen Seekrait zu unseren Füssen. Im Giftigkeits-Ranking landet er weit abgeschlagen auf Platz fünfundzwanzig. Diese Schlangenart kommt nur im Süden und Südosten Neukaledoniens vor und es sind keine Unfälle mit Plattschwanz überliefert. Es gibt sogar Geschichten, dass Kinder mit ihnen am Strand spielen sollen. Das gilt allerdings als unvernünftig. :mrgreen:

Ihr Verhalten ist weder scheu noch aggressiv. Keine Fluchtreflexe, wie bei den Landschlangen in Australien. Wir können uns vorsichtig nähern. Gemütlich kriechen sie weiter am Strand entlang.  Kommen für Fotos sogar auf uns zu. Sehr kooperative Tiere.

Kein bisschen scheu … ob das gut oder schlecht ist? Es sind keine Todesfälle dokumentiert.

Ihre mechanischen Sinnesorgane sind auf Wasserbewegung und nicht auf Bodenvibration optimiert. Andere Wasserschlangen-Arten sollen da sensibler sein und höhere Fluchtreflexe zeigen. Die Gewöhnung an Menschen dürfte ebenfalls eine Rolle spielen. In fünfzehn Minuten ist die winzige Îot Larègnére umrundet. Da dreht jeder gerne noch eine zweite und dritte Runde. Und bei jeder Runde kommen alle Besucher an den gleichen Schlangen vorbei.

Wir wechseln ein Eiland weiter, auf die nächste Insel ‚Îlot Signal‘. Ebenfalls unbewohnt, nur etwas größer. Bei einer ersten Inselrunde sehen wir fünf Plattschwänze. Ohne ernsthaft zu suchen. Eine echte Schlangengrube!

Im Morgendunst zeigen sich die Berge der Mutterinsel.
Wir sind kurz nach Sonnenaufgang bereits auf Inseltour, dann hat man den Strand noch für sich alleine.

Kleine Wunder – diese Inseln in der Lagune.

Hübscher Krebs

Auf Larègnére wohnt ein Seeadler-Paar mit Jungem.

Die Haie von Neukaledonien

Di., 23.09.25, Neukaledonien/Îlot Maître, Tag 4.133, 29.269 sm von HH

Ein Vorteil von Nouméa: Bereits nach einer Stunde Fahrt erreicht man türkisene Lagunenträume. Wir entscheiden uns für ‚Îlot Maître‘, eine Hotelinsel. Auf der windabgewandten Seite stehen kostenlose – gut gewartete – Moorings zur Verfügung. Atanga schwebt in kristallklarem Wasser. Schildkröten tauchen zum Atmen auf. Herrlich.
Und ideal für die Aktion, die wir vor uns haben: eine Rumpfreinigung.

Die erste Nacht waren wir alleine – nur zum Wochenende wird es voll. Wir zählen bei bestem Wetter am Sonntag über fünfzig Boote. Da gibt es viel zu gucken.

Erstmal gehen wir an Land. Unüblich für eine Resort-Insel haben auch Nichtgäste Zutritt auf das Inselchen, grade 800 Meter lang, 200 Meter breit. Ich finde selten einen Ort komplett hässlich. Irgendwas Schönes findet sich immer. Aber das ‚Double Tree Hotel‘ ist schon fast abstoßend.
Wenige Gäste logieren zurzeit auf der Insel. Im Inselinneren stehen Bungalows eng an eng. Düster stehen sie unter einem dichten Baumdach. Fenster bis zum Boden sind mit Stores zugezogen. Erinnerungen an üble Ibis-Seminar-Hotels werden wach. Preisklasse 170 Euro die Nacht. Die Wasserbungalows kosten das Doppelte.
Ein Labyrinth an Holzwegen verbindet die Bungalows. Die Elektro-Service-Wagen, die von Bungalow zu Bungalow fahren, hören wir bis auf Atanga. Ratter, ratter, ratter – wie ein Zug auf alten Bahnschwellen.  ;-)

Unsympathische Häuser in leicht ungepflegter Umgebung

Auch die Wasserbungalows haben das gewisse Nichts. Das geht schöner.

Die Schönheit von ‚Maître‘ ist das umgebende Riff auf der Ostseite. Eine riesige Seegras-Fläche, nur einen halben Meter tief. Hier badet niemand. Zu flach, zu viel Gras. Selbst Schnorcheln ist im flachen Wasser schwierig.
Viel Seegras lockt viele Schildkröten an. Als wir mit dem Kajak über das Riff gleiten, poppen überall Köpfe vor uns auf. Dutzende Schildkröten. So viele haben wir noch nicht auf einem Haufen gesehen.                                    Schildkröten stehen bei Tiger- und Bullenhaien ganz oben auf der Speisenkarte.

Schildkröten – alle fünf Meter paddelt eine herum.

Die Südspitze zeigt bei Ebbe ein paar Baumgerippe.

Zwei Fischadler auf den Baumgerippe auf Maître

Vom Wasser betrachtet ist die Insel ein Träumchern.

Viele Schildkröten, viele Haie? Ob es da einen Zusammenhang gibt? In den letzten sechzig Jahren hat es 67 Hai-Angriffe auf Menschen in Neukaledonien gegeben. Im Vergleich zu Australien oder Florida ist das eine kleine Zahl – dort werden 15 bis 20 Angriffe jährlich (!) gemeldet. Zieht man die geringe Bevölkerung Neukaledoniens mit in die Betrachtung, steigt das Risiko eines Hai-Angriffs von 0,6 Fällen auf eine Million Einwohner in Australien, auf 3,9 Fälle in Neukaledonien an. :shock:

Anfang 2023 gab es eine Serie von vier Haiangriffen im Umkreis von Nouméa. Zwei waren tödlich. Die Stadtverwaltung sperrte Strände und eine blutrünstige Jagd auf Haie wurde eröffnet. Es wurden 127 Haie gefangen und getötet. 83 Tigerhaie und 44 Bullenhaie. Die Fänge fanden ausschließlich im näheren Umkreis der Küstenlinie von Nouméa statt. Wow! Was für eine Anzahl an Haien!
Eine Umweltorganisation reichte Klage gegen die Tötungen ein. Auch die Kanak beschwerten sich. Für sie gelten Haie als Totemtiere, Ahnengeister, die mit ihren Vorfahren verbunden sind.
Im Dezember 2023 stoppte ein Gericht diese Tötungs-Orgie und stufte sie als unverhältnismäßig ein. Im gleichen Monat errichtete die Stadtverwaltung einen Hai-Zaun am beliebtesten Strand von Nouméa. An allen Stränden, die wir besucht haben, stehen Warnhinweise.
Seitdem gab es keinen Unfall mehr in der Umgebung von Nouméa.

Hai-Fangzaun am Strand in Nouméa.

Überall an der Küste stehen Warnhinweise – etwas zu viele für unseren Geschmack.

Als wir an der Mooring von ‚Maître‘ festmachen, suche ich im Internet nach ein paar Informationen über die Insel. Gleich der erste Bericht erzählt von einem tödlichen Haiangriff 2021. Auf einen Mann, der um sein Boot herum schwamm.

So ist es um unsere Informationen bestellt, als wir unseren Bewuchs am Rumpf im klaren Wasser betrachten. Wir erkennen viel Schleim, Schwämme und ein paar korallenartige Gewächse. Zum Glück wenig hartes Zeug, wie Seepocken.
Wir sind zufrieden mit der Arbeit von unserem Coppercoat.

Dennoch. Das Zeug muss runter. Neuseeland erwartet ein sauberes Unterwasserschiff. Meistens taucht Achim alleine nach dem Rumpf. Aber die Hai-Informationen stecken ihm im Hinterkopf. „Wäre doch schön, wenn du auf mich aufpasst.“
Ich soll also in die Rolle von Ocean Ramsey übernehmen? Jener jungen Frau, die in ihren Videos zeigt, dass Haie ungefährlich sind? Dass man sich nur senkrecht ins Wasser stellen braucht? Den Hai im Visier? Und wenn er auf einen zuschwimmt, ihn mit beiden Händen freundlich umleitet? Diese Rolle bekomme ich? Prost Mahlzeit.

Ocean Ramsey mit Tigerhai – das könnte ich sein …

Achim macht unser Tauchzeug fertig. Wir haben beim Tauchen keine Angst vor Haien. Eigentlich. Trifft man doch meistens auf die harmlosen Riffhaie.
Ungeigentlich denken wir natürlich immer mal an einen neugierigen Einzelgänger. Und ein gelegentlicher Schulterblick kann ja nicht schaden. Ist auch der heiße Tipp von Ocean Ramsey. Haie immer im Auge behalten. Tiger greifen von hinten an.

Meine Rolle als Aufpasserin zerstört Achim schon an der Wasseroberfläche: „Hier sind deine Bürste und dein Abrazzo-Schwamm. Ich kümmere mich um Propeller und Welle.“
Okay. Wir tauchen ab. Unter Atanga frisst eine Schildkröte am Grund. Ein leckerer Haibissen. Aber wir sind abgelenkt. Durch die lange Standzeit sind die O-Ringe vom Jacket-Inflator eingetrocknet. Das Jacket bläst sich langsam, aber kontinuierlich wieder auf. Vernünftig tarieren: unmöglich. Dabei noch den Schleim vom Rumpf bürsten, da bleiben keine Gedanken an Haie mehr übrig.

Wir brauchen zwei Tauchdurchgänge, um den Rumpf zu säubern. Am Ende ist das Gefährlichste, dass man sich die Hand aufschneidet. Und eine kleine Seeschlange, die neben uns auftaucht, um Luft zu holen.
Zu gerne wüsste ich, ob, und wenn ja, wie nah, wie viele Haie in unserer Nähe waren. Aber vielleicht tauchen wir dann nie wieder. ;-)

Seeschlange – noch ohne eine ausgeprägte Bänderung. Erste Anzeichen vom schwarz-weißen Muster sind erkennbar. Diese haben wir in der Marina gesehen. Verwechslung mit einem Fisch ist ausgeschlossen, da sie regelmäßig zum Atmen an die Oberfläche kommt. Seeschlangen sind giftig, haben aber so ein kleines Maul, dass sie Menschen fast nicht beißen können.

Karneval – Farben und Lichter

Sa., 13.09.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.123, 29.265 sm von HH

Jawohl, in Nouméa findet Karneval im September statt!
Da die Veranstaltung als Stadtfest ins Leben gerufen wurde, ist er nicht an die christliche Fastenzeit gebunden. Politische Satire fehlt komplett. Der Fokus liegt auf Familienfest – bunt, tänzerisch, mit Masken und geschmückten Wagen. Dieses Jahr – erst zum 36. Mal – unter dem Motto ‚Farben und Lichter‘.

Wir müssen drei Kilometer auf die andere Seite von Nouméa laufen. Die Hauptstraße direkt am Wasser ist gesperrt, erste Umzugswagen stehen bereit. Aufgebaute Hüpfburgen und Rutschen sind von Kindern bereits in Beschlag genommen.

Wir erreichen noch im Hellen die Festmeile – gerade rechtzeitig für die Pressefotos.

Ein Inserat hatte uns ‚Fressbuden‘ versprochen. Darauf haben wir uns verlassen und sind ohne Abendessen losgezogen. Zum Glück sind wir früh da. Mama Angélique nebst Tochter haben ein halbes Dutzend Quiche im Angebot. Nebenan verkauft ein Mann Hamburger und Wraps. Bei erwarteten 25.000 Besuchern dürfte die Ware schnell vergriffen sein. Wir finden noch einen asiatischen Stand. Die ersten Schalen sind schon ausverkauft. Der Andrang groß. Hier müssen heute einige hungrig ins Bett.

Die Buden sind eher privater Kuchenverkauf. Die Quiche sehr lecker.

Pünktlich um 18:00 Uhr beginnt der Umzug. Miss Neukaledonien und ihre Stellvertreterin führen den Zug an. Alles ist herrlich imperfekt und einfach gehalten. Die örtlichen Sport- und Tanzgruppen, Kulturvereine und Schulen richten die Wagen aus. Politisches ist unerwünscht. Die Stadtverwaltung finanziert den Karneval. Das verbindende Element steht im Vordergrund: „ein sicherer Raum für Freude“.
Und die Freude der Gruppen an ihrem Tanz ist übergeschwappt. Auf das Publikum und auf uns. Vielleicht grade, weil es nicht vollkommen war.

Zwei Drag-Queens begleiten den Wagen der Behinderten-Gruppe.

Jugendliche und Kinder im Rollstuhl werden von Fahrrädern geschoben oder gezogen – die Gruppe bekommt den größten Beifall

Die Farben der karibischen Überseegebiete sind ebenfalls vertreten.

Das Motto – Farben und Lichter

Licht ist mit LED-Ketten leicht umzusetzen

Der aufwendigste Wagen

mit Taube auf Schildkröte

Die örtliche Pole-Dance-Gruppe: Pinky Pole MC.

Und natürlich fehlt auch eine federüberladene Samba-Schule nicht.

In Brasilen dürfen zum Karneval andere Temperaturen herrschen – wir haben trotz Kapuzenpulli und langer Hosen am Ende der Show kalte Nasen.

Samba

 

Kulturzentrum Tjibaou

Di., 09.09.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.119, 29.265 sm von HH

Die am meisten beworbene Sehenswürdigkeit in Nouméa liegt sieben Kilometer von der Marina entfernt. Wir mieten uns ein Auto. Das ist zwar teurer als Taxi fahren, hat aber den Charme, dass wir anschließend noch einkaufen fahren können.

Auf dem parkähnlichen Gelände fallen sofort zehn Pavillons ins Auge. Vor dreißig Jahren vom italienischen Architekten Renzo Piano entworfen, sollen sie die traditionelle Form der Kanak-Wohnhütten imitieren. Architektonisch ansprechend; stehen sie in einer lockeren Reihe zwischen hochgewachsenen Araukarien.

Ansprechende Architektur

Bis 28 Meter hohe Pavillons – zehn Stück

aufwendig in Material und Verarbeitung

Im Inneren der Rondelle finden wir zeitgenössische Kunst der Kanak. Erstaunlich für ein Kulturzentrum. Wir hatten Antikes erwartet.
Jean-Marie Tjibaou, der Gründer des Kulturzentrums und ehemaliger Anführer einer Unabhängigkeitsbewegung der Kanak, wollte die Kultur der Kanak in die Zukunft gerichtet sehen. Der Verzicht auf antike Kunstwerke hat noch einen praktischen Grund: Die Kanak lassen sich von Artefakten ihrer Ahnen abschrecken, da sie Angst haben, bösen Geistern auf einer Art Friedhof zu begegnen. Neben wechselnden Ausstellungen finden Konzerte und Konferenzen in den einzelnen Pavillons statt.

Viel Antikes ist nicht zu sehen in Tjibaou.

 

Zeitgenössisches hat Vorrang. Eine Künstlerin hat 12 jährige Kinder Ausstellungsstücke zeichnen lassen.

 

Zeitgenössische Kunst – witzig – eine lebensgroßes Rindvieh aus plattgewalzten Corned Beef Dosen gebaut.

 

Der Bau des Kulturzentrums Tjibaou wurde von Frankreich finanziert. War trotzdem umstritten, da die Baukosten in einem schlechten Verhältnis zu den lokalen Mitteln standen. Es gibt Schätzungen, dass der Bau zwischen 30 und 40 Millionen Euro betrug – das entspricht 85 Millionen heute.
Das Holz für die aufwendigen Konstruktionen stammt aus Afrika. Iroko-Holz, was besonders dauerhaft im tropischen Klima sein soll. Die Hüllen sind im Inneren mit steuerbaren Lüftungslamellen ausgestattet.

Die Latten der Pavillons sind aufwendig gearbeitet – das verrottbare Holz zeigt erste Ermüdungserscheinungen.

 

Wir sind fast alleine auf dem großen Gelände. Nur eine kleine Armee an Gärtnern, Putzleuten und anderem Personal ist unterwegs, um das Kulturzentrum in Schuss zu halten Die Frau an der Kasse erzählt, dass keine Touristen mehr kommen. Seit der Bus nicht mehr fährt, sind es noch weniger geworden.

Nachbau eines Wohnhaus der Kanak – im Hintergrund die Pavillons.

Hoch gebaute Hütte des Häuptlings

Eingang der Häuptlings-Hütte

Nach dem Besuch haben wir noch Zeit, mit dem Auto weiter Richtung Norden zu fahren. Der größte Supermarkt Nouméas ist unser Ziel. Der ist abgebrannt. Wir drehen um und suchen uns einen anderen Supermarkt. Immer wieder kommen wir an niedergebrannten Geschäften, Autohäusern und Lagerhallen vorbei. Während der Unruhen vor einem Jahr brannten 200 Geschäfte ab, 14 Menschen kamen ums Leben. Hintergrund der Aufstände war eine Reform des Wahlrechts. Viele nicht indigenen Bewohner hätten bei den Provinzwahlen teilnehmen dürfen. Kanaks sahen darin eine Schwächung ihrer Einflussmöglichkeiten. Die Aufstände sind nach einigen Monaten niedergelegt worden. Eine Entscheidung über das Wahlrecht wurde ausgesetzt.

„Unter dem Kessel brodelt es“, beschreibt unser französischer Liegenachbar die Situation. Noch immer sind im Umland von Nouméa Straßensperren mit Militär besetzt. Vor einem Monat kamen im Bougival-Abkommen die Vorschläge, dass Neukaledonien ein Staat innerhalb der Französischen Republik werden soll. Doppelte Staatsbürgerschaften und mehr Autonomie für die Kanak.
Die führende Unabhängigkeitsbewegung lehnt diese Vorschläge ab. Das Abkommen enthält keine Option einer Volksabstimmung über eine komplette Unabhängigkeit. Außerdem muss das Referendum in Frankreich noch verfassungsrechtliche Schritte durchlaufen. Hat Frankreich noch ein funktionierendes Parlament? Der Pleitegeier zieht seine Kreise. Frankreich dürfte aktuell andere Sorgen haben, als sich um die 260.000 Einwohner zu kümmern.

Wasserwerfer der Gendarmerie an offenen, aber besetzten Straßensperrpunkten. Wir wurden nicht kontrolliert.

Sandsäcke und schusssichere Westen machen ein komisches Gefühl.

Es bleibt angespannt in Neukaledonien. Australien hat entsprechend seine Reisewarnung für Neukaledonien angehoben auf „erhöhte Vorsicht walten lassen“. Amerikanische Segler, die wir gesprochen haben, verfolgen die Strategie, statt ‚bonjour‘ lieber ‚hello‘ zur Begrüßung zu sagen. Damit man sie nicht für Franzosen hält.

Wir fühlen uns wohl im Ort. Die Leute sind freundlich und hilfsbereit. Eine erhöhte Polizeipräsenz auf dem Markt und in der Stadt gibt Sicherheit und sorgt gleichzeitig für Bedenken. Wir haben uns gegen eine geplante, dreitägige Tour in den Norden des Landes entschieden. Nicht nur der brodelnde Kessel, sondern auch eine verrückte Preispolitik bei der Autovermietung treibt uns dazu. Bis zu 250 Euro für Reinigungskosten – innen und außen – stehen im Kleingedruckten, wenn das Auto nicht sauber ist. Was bedeutet ‚sauber‘, fragen wir nach. Schulterzucken: „Es kommt darauf an.“  :roll:

Eine Maschine in Menschengestalt

05.09.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.115, 29.265 sm von HH

Unser Dinghycover ist neun Jahre alt. Unerfahren in Näharbeiten von uns in Französisch Guyana zusammengeklöppelt. Stammleser erinnern sich. ;-)
Zwei Jahre später haben wir das Cover für ein neues Dinghy angepasst. Schöner ist es davon nicht geworden, da Aussparungen für Griffe versetzt werden mussten. Außerdem haben wir mehrfach die Nähte nachgenäht und es mit Flicken versehen. Besonders im vorderen Bereich, wo sich die Pelle an rauen Mauern aufschubbert.

Nicht ganz faltenfrei – aber seit neun Jahren sehr funktional. Ein nicht perfektes Cover ist der beste Diebstahlschutz. ;-)

Während der Standzeit in Australien waren Dinghy und Cover abgedeckt, um es vor UV-Strahlen zu schützen. Und trotzdem. Deutlich ist ein Verfall zu erkennen, hier und da kleine Risse. Geflissentlich haben wir das ignoriert, da ich vor drei Monaten noch nicht nähen konnte.

Seitdem haben wir das Dinghy wenig benutzt, dennoch sind aus kleinen Rissen große Risse geworden. Der Stoff ist dünn wie Pergament. Lohnt es sich, noch Arbeit und Stoff (davon haben wir einen guten Vorrat auf Rolle dabei) in den Schrotthaufen zu stecken?

 

 

Uns hier ein Cover nähen zu lassen, die Idee verwerfen wir bei den Puff-Preisen, die in Neukaledonien für alles aufgerufen werden. Wir könnten bis Neuseeland warten – aus Erfahrung wissen wir, dass Segelmacher und Canvas-Näher mehr als gut gebucht sind. Falls wir niemanden finden, müssen wir sowieso selber ran.
Dann können wir das Projekt auch sofort angehen.

Wir entscheiden uns dafür, das Cover noch einmal zu flicken und kein komplett neues zu nähen. Eine Entscheidung, die sich ein paar Stunden später als weise herausstellen soll.
Die Nähmaschine schnurrt wie ein Kätzchen. Ich komme gut voran. Ungefähr ein Drittel ist repariert, da passiert es. Der Antriebsriemen für den Motor reißt. Das war’s. Die Maschine macht keinen Muck mehr. Unsere gute Pfaff 260. Ein unverwüstliches Teil, mindestens fünfzig Jahre alt. Generalüberholt vor Antritt der Reise gekauft.

Altmodischer Riemen aus Gewebeband mit Metallzähnen. Gibt es so was überhaupt noch zu kaufen? Bei modernen Maschinen werden die aus Gummi gefertigt – ähnlich wie ein Zahnriemen. Ein Versuch, den Riemen zu nähen, war erfolglos.

Am nächsten Tag besuchen wir die zwei Nähmaschinen-Reparaturwerkstätten, die es in Nouméa gibt. ‚SOS machine de coudre‘ wird von einem recht betagten Chinesen betrieben. Der Herr spricht gut Englisch, schüttelt aber den Kopf. Nein, so einen Riemen habe er seit Jahren nicht gesehen. Und er kann ihn auch nicht für uns bestellen. Dann schwindelt er noch ein wenig, dass es keine weitere Werkstatt in Nouméa gebe, und wenn er so einen Riemen nicht hat, dann hat ihn keiner.

Beim Chinesen werden Maschinen repariert und Auftragsarbeiten genäht.

Wir laufen zum zweiten Laden: ‚Clinique de la machine‘. Der Herr wirft kurz einen Blick auf den Riemen in der Plastiktüte, geht zu einem Schrank und hält uns triumphierend einen Riemen unter die Nase. Ich kann unser Glück nicht fassen.
Aber Achim, die alte Spaßbremse, hat sich vorher informiert und weiß, dass in der Pfaff 260 zwei verschiedene Riemen verbaut sind. Wir brauchen einen mit 76 Zähnen. Auch in der ‚Clinique‘ wird geschwindelt. „Der Riemen passt, die sind identisch. Könnt ihr kaufen.“ Wir kaufen nicht, weil der angebotene Riemen nur 72 Zähne hat.
Schade, wir waren so nah dran.

Wir trotteln unverrichteter Dinge nach Hause. Es gäbe genau eine neue Maschine in der Clinique zu kaufen. Für Canvas geeignet, aber nur von mittelmäßiger Qualität, wie das Internet verrät. Dafür doppelt so teuer wie in Neuseeland. Hm, nein dazu können wir uns nicht durchringen, mal eben 550 Euro in etwas zu investieren, was wir nicht wollen.

Das angefangene Cover schaut uns anklagend an. Da hat Achim die Idee, dass er ja das Antriebrad drehen könnte. Der Maschine sei es egal, wie die Nadel hoch und runter bewegt wird.
Wir fangen an. Erstmal zur Probe bei einem Flicken den Saum umnähen. Schnell ist meine neue Maschine nicht. :mrgreen: Los- und Stopp-Kommandos klappen anfangs auch nicht reibungslos. Einen Flicken später – ein Meter fünfzig Nahtlänge – haben wir uns aneinander gewöhnt.
Meine Maschine in Menschengestalt schwächelt. Die Hand tut ihr weh. Sie jammert. Jetzt schmerzt auch das Handgelenk. Akzeptiert, mein neuer Antrieb ist ja noch mal zehn Jahre älter als das Original. Bohrmaschine und Kurbel-Ideen zum Antrieb kommen auf den Plan. Wegen Unmachbarkeit verwirft Achim diese Gedanken wieder. Es bleibt beim Handbetrieb.
Vier Vormittage brauchen wir, dann sind die ärgsten Stellen geflickt. Das Dinghy ist bereit für einen zweiten Einsatz in der Lagune.

Die Maschine in Menschengestalt – ein MS und genug Watt für viele Flicken.

Einen Riemen in Deutschland zu bestellen, ist gar kein Problem. Der ist bereits auf dem Weg hierher und sollte in zwei, drei Wochen ankommen.

Flickenteppich – gut zuerkennen noch die alten Aussparungen für die Griffe vom ersten Dinghy.

Ein Kompass im Epoxybett – eine gewagte Reparatur

30.08.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.109, 29.265 sm von HH

Das Innenleben unseres Kompasses ist auf dem Weg von Australien kaputt gebrochen. Die Kompassrose hing auf halb acht und etliche Kleinteile klöderten unter der Glaskuppel. Ursprünglich war der Kompass mit Dämpfungsflüssigkeit gefüllt. Die ist schon seit Generationen verdunstet. Somit ist zu vermuten, dass der Kompass seit dem Stapellauf von Atanga – April 1989 – noch nie geöffnet wurde.

Alles geht kaputt auf Langfahrt. Aber doch nicht ein Kompass. Made in Germany. Ein Cassens & Plath.
Unser hat nun Schieflage. Ob man das reparieren kann?

 

Entsprechend verhalten sich die Schrauben. Achim rückt denen mit diversen Schmier- und Hilfsmitteln aufs Gewinde. Ohne Erfolg. Am Ende hilft nur Aufbohren. Das Deckglas bekommt dabei auch ein paar Riefen verpasst, bleibt aber heil.

Die Kompassrose, Kardanringe, Magnete und Halterungen ergeben ein hübsches Puzzle. Der innere Kunststoffring zum Halten der Rose ist in mehrere Teile zerbrochen. Das sieht nach Totalschaden aus!
Eine Mail an Cassens und Plath bringt die Erleuchtung, dass dieser Kompass nicht mehr hergestellt wird. „Aber es soll eine Firma geben, die Kompasse repariert.“
Ein Blick ins Sortiment von Cassens und Plath verdirbt einem die gute Laune. Ein neuer Kompass liegt bei knapp eintausend Euro.

Ein hübsches Puzzle – links die vier Teile vom inneren kardanischen Ring.

Obwohl Kompasse aus der Mode gekommen sind, weil Elektronik den Kurs viel präziser anzeigt, entspricht es guter Seemannschaft, einen funktionierenden Kompass an Bord zu haben. Fällt die Elektronik aus – Blitzschlag  – findet man trotzdem nach Hause zurück.

Achim nimmt sich das Puzzle vor.
Der zerbrochene Kunststoffring ist das größte Problem. Ein Ring bedient die Schwingung der Rose auf der Längsachse, der andere die Querachse. Gebrochen ist der innere Ring mit nadeldünnen Stiften, die in einen zweiten Ring gehängt werden, der im Kompass-Gehäuse steckt. Die vier Kunststoff-Teile mit Klebstoff zusammenzufügen, scheitert. Die Flächen sind zu filigran, um Haftung zu erzeugen.

Damit die Ringe gut schwingen, sind sie aus gelochtem Kunststoff gefertigt, um möglichst leicht zu sein. Den Gewichtsvorteil möchte Achim nicht zerstören. Also tränkt er einen Wollfaden in Epoxy und fügt mit diesem klebrigen Faden die vier Teile des Ringes wieder zusammen. Wider Erwarten hält das gut.

Der mit einem Epoxy-Wollfaden zusammengefügte kardanische Ring.

Die Kompassrose selber – mit ihren Magneten auf der Unterseite – balanciert auf einer Spitze. Die Spitze ist nötig, damit sich die Rose möglichst reibungsfrei drehen kann. Damit die Kompassrose bei Seegang nicht von der Nadel springt, ist die Nadel von einer vierblättrigen „Rosette“ umgeben.
Zwei dieser Blätter sind ebenfalls abgebrochen. Auch die klebt Achim mit Epoxy fest. Hier ist ‚nicht überschmieren‘ wichtig. Die Kompassrose soll beim Tanzen möglichst wenig die vier Blätter berühren. Sonst würde die Rose nicht rund laufen und man navigiert besser nach Sonnenuntergang.

Die Magneten kleben wieder unter der Kompassrose.

Zwei der vier Blütenblätter waren abgebrochen – Epoxy sei Dank.

Überflüssiges Epoxy wird in der Küchenspüle mit dem Dremel abgeschliffen.

Ein erster Testlauf in der Lagune ist vielversprechend. Der Kompass macht, was er soll: Er zeigt nach Norden. Nur mit der Längsachsen-Bewegung ist Achim noch nicht ganz zufrieden. Zu träge erscheinen ihm die Schwingungen.
Er nimmt noch einmal das Deckglas ab, um die kurzen, nadelfeinen Steckverbindungen an den kardanischen Ringen etwas zu bewegen. Knack. Das, was bislang noch nicht gebrochen war, ist jetzt kaputt. :mrgreen:

Am äußeren Ring ist eine Wand des Aufnahmelochs der nadeldünnen Aufhänger des inneren Rings abgebrochen. Ein neues Loch bastelt Achim wieder aus getränktem Epoxy-Wollfaden (was Blöderes sei ihm nicht eingefallen, sagt er). In die reparierte Stelle bohrt er ein neues, einen Millimeter starkes Loch. Noch einmal schleifen. Fertig.

Was für eine coole Reparatur. Der Bastel-Held auf Atanga. Filigranes ist nicht sein Lieblings-Spiel. Zu ungeduldig er ist. Schon zu Kinderzeiten waren, nach eigenen Angaben, seine geklebten Falla-Häuschen mit Uhu verschmiert und die unordentlichsten neben der Modelleisenbahn.

Warum der Kompass auf einer Seegangs armen Strecke so zerbrochen ist, können wir uns nicht erklären. Es scheint, dass der Kunststoff vom Kompass am Ende seiner Lebenszeit angekommen ist. Die Reparatur funktioniert zunächst einmal. Ob sie starken Seegang überlebt, muss noch bewiesen werden. Wir brauchen wohl mittelfristig einen neuen Kompass.

Hatte schon mal jemand einen ähnlichen Kompass-Verfall? Und habt Ihr ihn auch reparieren können? Und wie?

Alles läuft wieder – Atanga auf dem richtigen Kurs. ;-)

Winter in Neukaledonien, wohnen und ein Besuch im Museum

14.–25.08.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.093–4.104, 29.265 sm von HH

Zum Winteranfang vor zwei Monaten wurde uns gesagt: „Für die Jahreszeit zu warm.“ Jetzt scheint sich die richtige Temperatur eingependelt zu haben. Tagsüber angenehme 21 bis 23 Grad. Genau richtig. Nachts 17 Grad, perfekt zum Schlafen. So weit, so die Situation an ausgewählten Tagen.

Tiefs, die in Australien entstehen und bis nach Neukaledonien reichen, liefern sich einen Staffellauf. Sie bringen Regen, Westwind und das Thermometer sinkt auf 19 Grad. Abendessen im Cockpit entfällt. Zu kalt. Wir haben die dicken Schlafdecken hervorgeholt.
Auch die Einheimischen haben aufgerüstet. Mützen, Tücher, dicke Jacken. Damit der Körper bei 20 Grad noch irgendwo die zu warme Kleidung weg ventilieren kann, tragen sie Flip-Flops zum Fellbesatz an der Kapuze. Wir fallen mit T-Shirts und Shorts auf wie bunte Hunde

Wolljacken und Parker zu Flip-Flops.

Typische Kleidung bei 20 Grad. Alle scheinen sich über den Winter zu freuen, endlich kommen die dicken Klamotten zum Einsatz …

Wir haben nach der Lagune gut zu tun. Der Wäscheberg von vier Wochen liegt wieder sauber im Schrank. Die leer gefutterten Schränke aufzufüllen, daran arbeiten wir noch. Bislang haben wir gut von den Lebensmitteln aus Australien gelebt. Nüsse, Öl, Konserven und unser erfolgreich geschmuggeltes Bier. Alles weg.

Selbst mit Karre und großen Rucksäcken laufen wir einige Male. Zum Supermarkt sind es 1,5 Kilometer. Alles eben, gut zu laufende Strecke. Der Supermarkt ist okay, nur nicht konstant in seinem Sortiment. Hühnchenbrust haben wir dort erst einmal bekommen. Mal gibt es Gurken, dann wieder nicht. Ein großartiger Supermarkt ist 2,5 Kilometer entfernt. Leider liegt der auf der anderen Seite der steilen Stadthügel. Für einen Großeinkauf ist das unglücklich. Wir bräuchten ein Auto oder ein Taxi.

Die rote Erde, die wir an Bord geschleppt haben, ist erfolgreich bekämpft. Schuhe, Kajak, Dinghy und Deck. Alles fein. Und wenn wir schon beim Großputz sind, muss auch der Edelstahl dran glauben. Zum Glück hat das trockene Klima in Bundaberg wenig Flugrost hinterlassen. An regenfreien Tagen kommen wir gut voran.

An Regentagen arbeitet Achim an unserem Visumsantrag für Neuseeland [ ‚pain in the ass‘, um nur einen Schimpfsatz zu nennen, den er vor sich her flucht]. Ich schneide einen neuen Film oder wir gehen zusammen ins Maritime Museum.
Wir wohnen, so nennen wir die Zeiten, in denen der normale Alltag passiert.

Ab einem Alter von 60 Jahren gewährt Neukaledonien Senioren einen Rabatt in allen Museen. Statt 8,50 Euro kostet es 6,00 Euro Eintritt. Ich bekomme somit meine erste offizielle Senioren-Ermäßigung. Auf Zuruf. Die junge Frau an der Kasse glaubt Achim aufs Wort. Ich hätte lieber meinen Ausweis zeigen wollen.  :mrgreen:

Ein hübsches, kleines Museum. Viel zum Drücken und Spielen. Ein Hauptthema ist die Besegelung des Pazifiks durch die Entdecker der alten Welt. Wir staunen über die Strecken, die im 18ten und 19ten Jahrhundert zurückgelegt wurden. Tausende Meilen, scheinbar nicht betroffen von vorherrschenden Windrichtungen. Scheinbar sorglos vor Wirbelstürmen.

Die großen Entdecker des Pazifiks – von Bilboa bis Cook. Da darf Achim nicht fehlen. ;-)

– Boussole und ihr Schwesterschiff Astrolabe verließen am 1. August 1785 Frankreich, um den Atlantik zu überqueren (Hurrikan-Saison).
– Bereits im März 1786 erreichten die beiden Schiffe die Osterinsel.
– Juni 1786, Alaska
– Januar 1787, China
– Juni 1787, Korea (Hauptsaison Taifune ab Juni)
– Dezember 1787, Australien, Botany Bay  (Zyklon-Saison)

In gut zwei Jahren haben die Schiffe ungefähr 33.000 Meilen zurückgelegt. Nebeneinander segelnd, um sich sicherer bei Stürmen und anderen Gefahren zu schützen. Sie haben sich ausschließlich aus praktischen Gründen getrennt, um in verschiedenen Häfen Proviant aufzunehmen.

Im März 1788 (immer noch Zyklon-Saison) verließ die Expedition Australien und verschwand spurlos. Erst 1827 fand man Überreste beider Schiffe auf der Insel Vanikoro auf den Salomonen. Die Schiffe gerieten in einen Sturm, liefen auf verschiedene Riffe und sanken. Im Abstand von 150 Metern. Echte Schwesternliebe.

In den letzten 200 Jahren wurden Wrackteile, Metallteile und Keramik geborgen. Das Schicksal der Seeleute bleibt ungeklärt. Einige Überlebende sollen sich in einer provisorischen Siedlung ein Boot gebaut haben. Dieses Boot wurde nie gefunden. Andere Seeleute wurden von einheimischen Bewohnern getötet.
Eine interessante Geschichte aus dem ‚Musée Maritime de Nouméa‘.

Die Etappen der Schiffe Boussole und Astrolabe – interaktiv durch zuschaltbare Glühbirnen sichtbar gemacht.

Perlen zum Tauschen mit Ureinwohnern – von den Schiffwracks geborgen.

Was macht denn eigentlich mein Armbruch?

Genau ein halbes Jahr ist seit dem Unfall vergangen. Die Schulter ist fast wieder hergestellt. Geschätzte fünf Prozent Beweglichkeit fehlen noch. Der linke Arm ist noch stärker, hat mehr Muskeln.
Ich kann seit drei Wochen wieder empört die Hände in die Hüften stemmen. Witziger Weise hat dieser Knick des Arms ewig gedauert. An ein paar Tier-Imitationen muss ich noch arbeiten: Das Huhn – die Daumen in die Achsel klemmen, die Ellenbogen nach hinten drücken, als ob ich Flügel hätte und gackern. Der Elefant – den ausgestreckten rechten Arm mit dem linken Arm eng umschlingen und mit dem Rüssel wackeln.
Noch ein paar Wochen und Übungen, dann sollte der Bruch Geschichte sein.

Vom Wind durch die Lagune getrieben

09.–13.08.25, Neukaledonien/Île Quen, Île Bailly, Baie de Sainte-Marie, Tag 4.088–92, 29.265 sm von HH

Nachdem die Zöllner uns verlassen haben, brechen wir ebenfalls auf. Kräftiger Ostwind ist vorhergesagt. In der hufeisenförmigen Bucht sitzen wir dann in der Falle.
Wir wechseln auf die Westseite der Insel. Außer einem Foto bleibt nicht viel Zeit für andere Aktivitäten. Über Nacht ändert die Windvorhersage ihre Meinung: Südwind steht an.

Von der Nautilus-Bucht rechts wechseln wir auf die Westseite von île Ouen. Ankerbuchten gibt es wahrlich genug.

Auch bei Nieselregen schön – die struppigen Inselchen.

Wir wechseln die Insel. Die ersten Vororte von Nouméa sind zu sehen. Es ist Wochenende. Die Einheimischen kommen mit kleinen Booten, um am feinen Sandstrand ihre Kinder zu bespaßen und ihre Wasserspielzeuge zu testen. Kurz vor Sonnenuntergang sind alle weg. Wir bleiben alleine zurück.

Schnell zu erreichen mit einem kleinen Boot aus Nouméa. Naherholung vom Feinsten. Im Hintergrund schon die Berge der Mutterinsel.

Bis 1:00 Uhr morgens liegen wir ruhig und geschützt. Dann dreht der Wind auf Nord. Igitt. 30er Böen zerren am Anker. Eine fiese Windsee baut sich auf. Vier schlaflose Stunden später beruhigt sich der Wind. Wir halten noch ein Nickerchen. Beim Aufwachen hat der Wind auf Nordwest gedreht. Die Vorhersage verspricht mehr West.

Wir wechseln die Insel. Suchen uns eine Bucht auf der Rückseite von Nouméa. Hier waren wir schon mal zu Fuß. Großstadtgeräusche erreichen uns. Der Anker fällt vor einem Segelklub. Kinder in Optimisten, Ruderer und Kiter. Halb Nouméa ist auf den Beinen. Wir schlafen gut. Allerdings hat der Wind über Nacht weiter auf Süd gedreht. Schwell läuft in die Bucht. Atanga nickt. Wir frühstücken. Atanga nickt mehr.

Wochenende und Ferienbeginn – alle sind unterwegs.

Liegeplatz in Stadtnähe – die Marina ist Luftlinie nur vier Kilometer entfernt.

Wir wechseln die Insel. Eine Meile gegenüber finden wir eine bessere Bucht. Dort liegen wir wie in einer Badewanne. Prima. Nach vier Tagen ohne Landgang paddeln wir mit Waka zum Sandstrand. Wir bleiben zwei Nächte.

Hübsche Insel – Uere

Uere ist problemlos in einer Stunde zu umrunden – am Außenstrand Kiesel – in der Bucht grober Sand.

Ja, da braut sich was zusammen …

… ob der Segler verschont wurde, haben wir nicht mehr gesehen.

Wir bekommen den Schauer jedenfalls voll ab.

täglicher Ankerbuchten-Wechsel – an Buchten herrscht kein Mangel

Dann ist unsere Zeit in der Lagune zu Ende. Nach gut vier Wochen Lagunenleben fahren wir in die Marina zurück. Es wird Zeit für einen Supermarkt. Frische Sachen sind lange aufgebraucht. Die letzten Tage waren dominiert von Hülsenfrüchten: Thunfischsalat mit grünen Linsen, Kartoffelsuppe mit roten Linsen und Fischcurry mit grünen Bohnen. :roll:
Der Wein ist auch alle. Es wird Zeit.

Wir bekommen problemlos einen Liegeplatz. Es sei absolut nichts los, erzählen uns die Damen aus dem Marina-Büro. Wir werden herzlich willkommen geheißen. Und ein bisschen Zuspruch über den neukaledonischen Zoll bekommen wir auch geschenkt als wir unsere Geschichte berichten. „Für einen Job beim Zoll gilt als Einstellungs-Kriterium, dass man unfreundlich ist“, lästern die Damen über ihre Landsleute ab.

Ein unfreundlicher Besuch

08.08.25, Neukaledonien/Île Quen, Port Koube, Tag 4.087, 29.243 sm von HH

Wir sind gerade mit dem Frühstück fertig, da hören wir ein Motorengeräusch. Mit schneller Fahrt nähert sich ein Schlauchboot. Ein Blaulicht geht an. „Bonjour“, ruft Achim. Sein Gruß wird erwidert und die Frage gestellt, ob wir Französisch sprechen. Ein paar lockere Sprüche von Achim über unsere schlechten Sprachkenntnisse ignoriert die Besatzung. „Wir sind vom Zoll und wollen an Bord.“
Das ist erlaubt. Fast überall auf der Welt hat der Zoll das Recht auf solche Maßnahmen. Man stelle sich aber vor, wenn vier Männer das Hotelzimmer stürmen, in dem man drei Wochen Urlaub macht (danke, Inga für diesen Vergleich). Ein Eindringen in die Privatsphäre ist immer unangenehm.

Mit eisigen Mienen und wortkarg entern die vier Herren unser Boot. Einer behält seine Sturmhaube auf. Vermummt bleibt er an der Badeleiter stehen. Die anderen drei drängen ins Cockpit. Zwei führen die Unterhaltung mit uns, einer bleibt stumm.

Sie wollen wissen, wie lange wir schon in Neukaledonien sind. Ob und wo wir einklariert hätten. Und ob wir nur zu zweit an Bord seien. Achim berichtet, dass in Nouméa ein Mann von der Biosicherheit an Bord war, dass die Marina die Zoll-Formalitäten für uns übernommen hätte und dass wir selber zur Immigration gegangen seien, um einzuklarieren. „Nein, eine schriftliche Bestätigung vom Zoll haben wir nicht von der Marina erhalten.“

Die Unterhaltung zieht sich, da das Englisch der Zöllner nicht so fließend ist. Da entdeckt einer der Herren Achims Leathermen im Gürtelhalfter. Unser Cockpit wird zur Messerverbotszone: „Bitte das Taschenmesser rausnehmen und abgeben.“ Wir bekommen runde Augen. Die vier Männer sind mit schusssicherer Weste und Pistolen ausgerüstet. Was könnte Achim da wohl für einen Angriff starten?

„Wir gehen jetzt nach unten“, verkündet der Wortführer. Ich mache Anstalten vorweg zu gehen, werde aber in meinen Sitz zurück genötigt. Die beiden steigen laut rufend den Niedergang herunter: „Hallo, Zoll Neukaledonien. Hallo, Zoll Neukaledonien. Ist jemand da?“

Sehr albern. Wir können uns ein Grinsen kaum verkneifen. Ich erwarte jeden Moment ein „gesichert, alles sauber“ zu hören. Wir bekommen mit, dass ein paar Schapps geöffnet werden. Die beiden gehen nach hinten, werfen einen Blick ins Bad und Vorschiff. „Wir möchten die Pässe sehen und die Einklarierungspapiere“, schallt es von unten. Achim geht runter und holt die gewünschten Unterlagen. Leider passiert ihm ein kleines Missgeschick. Er zieht aus Versehen seinen zweiten Pass hervor, mit dem er nicht einklariert hat.

Als alle wieder im Cockpit sitzen, fällt beim Vergleich der Unterlagen auf, dass Achim den falschen Pass erwischt hat. Er will nach unten gehen, um den richtigen Pass zu holen. Alleine darf er nicht, einer der Zöllner begleitet ihn.
Als Achim aufsteht, gibt er den Blick auf die Nautilusse frei, die wir gestern gefunden haben. Die ganze Zeit habe ich sie wegen der Grauzonen-Problematik schon im Hinterkopf. Die beiden Exemplare liegen unschuldig auf der Sitzbank und sind bislang unentdeckt geblieben. Der stumme Mann Nummer drei wird jetzt auf sie aufmerksam und nimmt sie in Gewahrsam.

Zunächst ist aber noch der doppelte Pass Stein des Anstoßes. Warum, wieso, weshalb wir den haben, wird gefragt. Achim erklärt, dass wir vielleicht durchs Rote Meer zurück nach Europa wollen und wenn wir zuerst in einem arabischen Land waren und dann nach Israel möchten, könnte es Probleme bei der Einreise geben.

Eine lebhafte Diskussion auf Französisch entbrannt. Sogar Sturmhaube quetscht sich jetzt noch ins Cockpit. Wir verstehen, dass einer der Männer die Problematik zu kennen scheint und dass er versucht, seinen Kollegen die Sachlage zu erklären.
Sturmhaube schüttelt den Kopf. Er weiß nichts davon. Achim sagt, dass es in Deutschland legal sei, zwei Pässe zu besitzen. Sturmhaube lässt das nicht gelten: „Wir sind hier in Frankreich. Hier gibt es so etwas nicht. ***  Mich interessieren die Regeln in Deutschland nicht.“
Achim hält dagegen, dass wir ja nun aber mal Deutsche seien. Er habe diesen zweiten Pass zu Recht. Harsch gebietet Sturmhaube, der sich als der Chef der Viergruppe entpuppt, Achim ruhig zu sein. Er wird den Vorfall prüfen lassen. Sich an seine Vorgesetzten wenden.
Da fallen ihm die zwei Nautilusse wieder ein. Dass wir die an Bord haben, sei auch illegal. Wo wir sie herhaben? Ob wir noch mehr haben? Oder andere verbotene Substanzen? Waffen? Drogen? Schildkröten?

Als ich ansetzte, um zu erklären, was wir mit den Nautilussen vorhaben und dass ich gelesen habe, alte Schalen dürfte man behalten, wird Sturmhaube ungehalten. „Hier wird nicht diskutiert. Basta!“

Er gibt seinen drei Männern Anweisungen, noch einmal das Schiff zu durchsuchen. Achim muss mit nach unten. Er muss die Arme heben und wird auf Waffen abgetastet (direkt neben der Magnetleiste mit den Fleischermessern; Anmerkung der Redaktion).
Vermeintlich wird jetzt gründlicher gesucht. Das ist auf einem Boot eine fast unlösbare Aufgabe. Somit öffnen sie noch einmal die gleichen Schränke. Wieder ohne auf verdächtige Gegenstände zu stoßen. Solange, bis einer auf unsere Mehrvorräte stößt. Umgefüllt in 5-Liter Wasserflaschen sieht das nun wirklich nach Drogen aus. Achim erzählt ihm, dass es sich nur um Mehl handeln würde. Auf eine Krimi typische Geschmacksprobe verzichtet der Mann vom Zoll.

Ich muss derweil bei Sturmhaube im Cockpit bleiben. Eine Leibesvisitation hält er für entbehrlich. :mrgreen: Er ignoriert mich komplett. Dafür blättert er intensiv in unseren Pässen. Vergleicht Achims Pässe akribisch. Sogar die eingeprägten Sterne auf den Außenseiten der Pässe tastet er ab.
Gedanken sind frei und meine formulieren immer häufiger das Wort ‚Spinner‘.
Dann telefoniert er zweimal. Er spricht nicht mit Mutti, so viel bekomme ich mit. Jemand erhält die Nummern der Pässe. Er macht Fotos. Viel Palaver, viel Aufregung seitens Sturmhaube.

Ich höre wie unten die Klappe vom Motorraum auf unsere Bodenbretter knallt. Das Öffnen der zweiten Motorraumklappe verhindert Achim gerade noch. Baut man vorher nicht die Leiter vom Niedergang ab, verbiegt man alle Scharniere. Das erscheint den Herren dann doch zu viel Mühe, auf das Öffnen wird verzichtet.

Endlich scheinen die drei mit ihrer Durchsuchung zufrieden. Alle nehmen wieder im Cockpit Platz. Sturmhaube steigt wortlos auf das Schlauchboot über, um dort weiter zu telefonieren.
Der vorherige Wortführer belehrt uns, dass sie die skandalöse Passangelegenheit an die Behörden in Nouméa weiterleiten. Das regt uns nicht auf, denn bei der Einreise wurden wir nicht nach dem Besitz von weiteren Pässen gefragt. Es gibt Länder wie Neuseeland, die dies abfragen und dort haben wir stets alle Pässe angegeben.

Der Besitz von Nautilussen sei verboten, belehrt uns der Wortführer weiter. Achim gibt die einzig richtige Antwort auf diesen Umstand: „Das haben wir nicht gewusst.“ Das wird mit einem wohlwollenden Nicken quittiert. Ich verzichte auf weitere Erläuterungen zur Causa Nautilus.  Zur großen Freude vom Skipper. ;-)

„Wir beschlagnahmen die Nautilusse. Sie kommen in die Asservatenkammer. Oder sie werden als abschreckendes Beispiel in den öffentlichen Büros beim Zoll ausgestellt.“
„Man könnte sie auch ins Meer zurückwerfen. Dann würden sie an den Strand gespült und blieben dort, wo sie hin gehören“, findet Achim.
„Nein, das ist nicht möglich“, entgegnet der Zollmann. Aber sie sehen davon ab uns eine Strafe zu verhängen. Und das, obwohl der Besitz von einem Nautilus – jetzt wird es unglaubwürdig – gleichzusetzten sei mit Waffen oder Drogen.
Wir rollen innerlich mit den Augen.

Es werden handschriftlich und langatmig zwei Protokolle aufgesetzt. Einer über die Kontrolle an sich und eins über die Nautilus-Schalen. Noch zweimal wird betont, dass auf eine Strafe verzichtet wird. Viel Lob von unserer Seite bekommen die Herren für ihre Großzügigkeit nicht. Unser Dank wird ihnen ewig nachschleichen müssen.

Der unfreundlichste Besuch vom Zoll, den wir bislang erlebt haben, findet nach 90 Minuten ein Ende.

 

Da dampfen sie ab. Sturmhaube und seine drei Freunde.
Leider ohne Blaulicht, aber sinnlos mit zwei Perlboot-Schalen im Gepäck.

*** Eine unrichtige Aussage, wie uns später das Internet bestätigen soll. Frankreich hat mehr oder weniger das gleiche Passrecht wie Deutschland. Sturmhaube ist also nicht nur unfreundlich, sondern auch unwissend.

Der Nautilus Strand

07.08.25, Neukaledonien/Île Quen, Port Koube; Tag 4.086; 29.243 sm von HH

Unsere Abfahrt aus den Mangroven-Flüssen verschiebt sich. Ein Tiefdruckwirbel in der Tasman-Sea erreicht Neukaledonien. Die vorhergesagten 39er Böen bleiben in der Front aus, dafür bringt uns die Rückseite kräftigen Wind mit viel Regen. Wir bleiben auf dem Schiff. Nach drei Tagen Home-Office ist das Schlimmste vorbei, wir wollen weiter. Als wir Anker aufgehen, bleibt die befürchtete Schlacht mit dem roten Schlamm aus. Kette und Anker sind blitzsauber. Das mag verstehen, wer will. Unser Cruising-Guide hält wilde Beschreibungen darüber parat.

Typisches Tief im Winter in der Tasmansee. Riesig groß wird der halbe Westpazifik mit viel Wind erfreut. Und auf der Rückseite hinterlässt er ein Chaos an Winddrehern. Plus Regen. foto credit: windy

Die Leinen für die Ankerentlastung sind stark verfärbt. Schlamm ist also unterwegs in der Mangrovenbucht.

 

Der kräftige Westwind hält an, wir brauchen eine Bucht mit Schutz. Nur dreizehn Meilen weiter finden wir das Richtige für uns. Die Einfahrt zwischen den Riffen ist schmal, aber auf die Franzosen ist Verlass. Die Navionics-Karten sind exakt.

 

Neukaledonien erscheint uns relativ arm an Riffen,  aber eng an Riffen vorbei zu fahren, fördert den Blutdruck.

Wir haben die große Bucht für uns alleine. Mit dem Kajak geht es an Land. Der Strand ist rot-braun. An den Rändern wachsen Mangroven. Bei Ebbe bietet das herrliche Matsch-Wanderungen.

Nicht klassisch schön, aber ein interessanter Strand.

Glücklicher Kapitän :-)

Der Matsch saugt so sehr, dass ich kurzfristig dachte, ich käme nicht wieder raus. :-)

 

Noch Osten offene Bucht. Nach langer Zeit finden wir wieder Müll am Strand.
Neuseeland und Australien sind, dank glücklicher Strömungen, fast Müll frei.

 

Die echten Schätzchen der Bucht finden wir am Ufersaum. Schon halb vom Sand vergraben: Perlboote. Oder auch Nautilus-Schalen. Erst eine – wir zählen uns schon zu den Glückspilzen – dann schauen wir genauer hin. Am Ende entdecken wir mehr als zwei Dutzend Stück. Alle sind stark verwittert. Die braunen Streifen ausgebleicht. Und alle haben Beschädigungen.

 

Fundstücke.
Die Färbungen sind nur so deutlich zu erkennen, weil wir die Schalen angefeuchtet haben.

 

Nautilusse oder Nautili sind erstaunliche Tiere. Sie leben tagsüber in 300 bis 500 Meter Tiefe. Nachts steigen sie bis auf 50 Meter auf und suchen hier nach Futter. Aas, Krebse und kleine Fische.
Als Kopffüßler sind sie mit Tintenfischen verwandt. Nur die Tentakeln und Augen schauen aus der Öffnung der Schale. Der gesamte Körper – eher ein Verdauungssack – steckt in der letzten Kammer Richtung Öffnung der Schale.
Bei Gefahr kann diese Kammer mit einem Horndeckel verschlossen werden. Die anderen Kammern der Schale sind mit Luft oder Wasser gefüllt und dienen dem Perlboot zur Steuerung. Ähnlich wie ein U-Boot mit Ballasttanks: Wasser rein – sinken; Wasser raus, Gas rein – steigen.

Die Schale wächst spiralförmig mit. Jede neue Kammer ist 1,25-mal größer als die vorherige. Eine perfekte logarithmische Spirale entsteht. Wenn der Nautilus zu groß für seine Wohnkammer wird, verlängert er das Ende seiner Schale. Sobald der Anbau fertig ist, zieht er um. Hinter sich fängt er an, eine Kalkwand zu errichten, die ihn von der alten Kammer trennt. Ist diese Wand fertig, wird sie zur Auftriebskammer umfunktioniert. Bis zu dreißig Mal passiert dieses Bauwunder im Leben der Nautilusse.
Fressfeinde wie Haie und Barrakudas knacken die Schalen kaputt. Kraken können den Nautilus ohne Beschädigung seiner Hülle fressen. Um ihren Bewohner beraubt, schwimmen diese Schalen auf und landen am Strand.

 

Die einzelnen Kammern. In der Mitte gut zu sehen die Tarierungs-Röhre, der Siphunkel.

Der Siphunkel zieht sich durch alle Kammern.

Querschnitt einer Nautilus-Schale.
Mit Chat-GPT erstellt – Grafik credit.

Wir suchen die zwei besten Schalen raus und nehmen sie mit an Bord. Besonders selten scheinen Perlboot-Schalen ja nicht zu sein in Neukaledonien.  Ich bin skeptisch, ob wir die Schalen behalten dürfen. Eine Recherche im Internet gibt eine halbe Entwarnung. Das Thema ist eine Grauzone.
Perlboote stehen unter Artenschutz. Das Fangen und Töten ist verboten. Frische Schalen sind ebenfalls geschützt, weil sie als Teil des Tieres gelten. Alt, verwittert und angespült wird der Besitz meistens toleriert.

Hmm, „Grauzone und meistens“, das klingt nicht vertrauenserweckend. Außerdem sind die Schalen sehr groß. Wohin damit? Und sie sind schon arg kaputt. Lohnt sich das Aufbewahren oder stauben sie nur voll?

Auf einigen Pazifikinseln glaubte man, dass die Schalen einem Ohr gleichen mit dem die Götter die Gebete der Seefahrer hören. Ein Kapitän, der ein Perlboot mitführte, sollte immer Glück auf See haben. Dieser Mythos spricht für „behalten“. Ein bisschen Aberglaube kann ja nicht schaden.

Wir legen die beiden Schalen ins Cockpit auf die Bank für ein paar Fotos am nächsten Tag. Und dann wollen wir entscheiden: behalten oder Seebestattung.
Dieser Fehler soll uns am nächsten Morgen noch in Schwierigkeiten bringen. :mrgreen:

Giftig schöne Prony-Bucht

30.7. – 02.08.25, Neukaledonien/ Baie du Prony; Baie du Carenage , Tag 4.078-81, 29.230 sm von HH

Wir verlassen den äußersten Rand der Lagune und kehren zur Mutterinsel zurück. Erneut in die große Prony Bucht. Diesmal fahren wir tief in das verschlungene Gewirr dreier Flussmündungen ein.  Stärker könnte der Kontrast zur Trauminsel Pines nicht sein. Wir ankern jetzt inmitten der Mangroven in undurchsichtigem Wasser.

Flussmündungen in der Bucht von Prony – foto credit Rocket Guide New Caledonia.

Atanga im Flussgewirr.

Tief mäandern sich mehrere Flüsse und Bäche in die Bucht hinein.

Zwei weitere Boote liegen in der Bucht, eins ist unbewohnt auf dem anderen wohnt ein junges Kanak-Pärchen.
Das glattgezogene Wasser der Flüsse ist ideal für das Kajak. Tief können wir in Nebenarme und Buchten gelangen. Die Wälder sehen von der Wasserseite undurchdringlich aus, aber ein weit verzweigtes Netz an Mountainbike-Strecken zieht sich durch die Berge. Wir können an verschiedenen Stellen aussteigen und auf guten Wegen die verwinkelten Buchten durchstreifen.

Wunderbar geschützter Ankerplatz. Meisten herrscht Flaute.

Hier war es einfach an Land zu kommen.

 

Überraschend dann schon wieder ein Selfie mit Boot. ;-)

Eine heiße Quelle. Es gibt mehrere in der Bucht. Diese ist als Touristen-Super-Spot gekennzeichnet und über Schotterpisten mit dem Auto zu erreichen. Alles ist vermodert und wenig einladend.

Auffällig ist der Mangel von Vögeln und Insekten. Nicht eine Ameise trippelt auf dem Waldboden, selten huscht eine Eidechse ins Laub. Wir können im Schatten am Mangrovensaum sitzen und werden nicht gestochen. Was ist hier los? In Nouméa wurden wir von Mücken und Sandflies (Nonos oder ähnlichen Quälgeistern) noch gefressen.

Die Bucht von Prony ist giftig. Der Erdmantel, der normalerweise in 50 bis 100 Kilometer Tiefe beginnt, ist hier an die Oberfläche getragen worden. Das rote Gestein ist voll mit Schwermetallen, wie Nickel, Chrom und Kobalt. Dafür fehlt Kalium und Phosphor. Gewächse konnten sich an diese toxischen Bedingungen erfolgreich anpassen. Viele der hier wachsenden Pflanzen sind auf metallische Böden spezialisiert. Insekten waren da weniger erfolgreich. Sie glänzen durch Abwesenheit. Keine Insekten ==> keine Vögel, keine Echsen.

Ausgerechnet hier finden wir Kannenpflanzen, die Insekten fangen, um sich mit Nährstoffen zu versorgen, was ihnen mit dem schlechten Boden nicht gelingt.
Als ob es nicht sowieso schon zu wenig Insekten hier gibt.

Die Kanak haben hier nie gesiedelt. Sie haben die schlechte Struktur des Bodens erkannt. Yams wuchsen hier nicht. Die Bucht galt mit bösen Geistern bewohnt. Vielleicht gab es hier mehr Krankheiten oder die Frauen waren weniger fruchtbar.
Wir treffen auf Gilles. Er wohnt seit 1992 hier im Wald. Seit zwölf Jahren dauerhaft. Hat sich ein kleines Paradies aufgebaut, trinkt das Flusswasser und erfreut sich bester Gesundheit. Die Schwermetalle sind nicht wasserlöslich. Somit alles bestens.

Gilles hat unser Kajak von seinem Vorgarten aus gesehen und kommt in gewagtem Outfit, um sich uns als unser Touristen-Guide vorzustellen. Er hat viel zu erzählen über die Bucht. Auf der Insel geboren.

Bereits seit 1992 wohn Gilles hier mitten im Wald. Ein Wohnhaus, dazu ein extra Gebäude als Dusche und ein kleiner Solarpark. Alles tippitoppi in Schuss. Ein netter Kerl, der uns bereitwillig sein Grundstück zeigt.

Wenn man genau hinschaut, sieht man unser Kajak quer im Fluss verankert. Ganz im Hintergrund hat Gilles sein Haus- versteckt im Wald.

Süßwasser – trotz Schwermetalle trinkbar.

Vor 150 Jahren wurden die Berge entwaldet. Das nur 60 Kilometer entferne Nouméa war hungrig nach Holz. Der Wald hat sich wieder erholt, aber der Bucht wird durch Nickel-Abbau übel zugesetzt. 25 Prozent der weltweiten Nickelvorräte sollen hier noch unter der Erde liegen. Im Tagebau wird das Metall gefördert. Im Wesentlichen für die Edelstahl-Produktion und Lithium-Batterien.

Der humusarme Boden ist von Haus aus einer starken Erosion ausgesetzt. Der Nickelabbau sorgt für zusätzlichen Stress. Immer wieder kommt es zu Erdrutschen, die Laichgebiete verschütten. Beim Nickelabbau kommt Schwefelsäure zum Einsatz. Mehrere Säureleck-Unfälle hinterließen Umweltschäden. Kanak-Gruppen und Umweltverbände fordern strengere Kontrollen. Mit lauem Erfolg.

Überall wird etwas gegen die Erosion unternommen. Bäume gesetzt und für Bewässerung gesorgt.
Wir haben Gilles nicht gefragt, vermuten aber, dass er daran beteiligt ist. Er sprach von seinem riesigen Garten, den er betreut.

Übelste Schäden an der Straße über die man die Prony-Bucht erreichen kann.

Auf der Ostseite der Prony-Bucht liegt ein Teil der Nickel verarbeitenden Industrie. Es sieht giftig aus von Weitem. Aber wir wollen ja alle Edelstahl und Batterien haben.

Erosion. Menschengemacht und natürlichen Ursprungs. Der rote Boden hält keinen Humus.

Der Kontrast zwischen den grünen Hängen und der roten Erde ist schön anzusehen. Aber der Boden stammt direkt aus der Färber-Hölle. Beim Aussteigen aus dem Kajak versinke ich bis zur Wade im weichen, roten Schlamm. Nicht nur, dass er klebt wie frisch gespuckter Haferschleim, Fußnägel und Hornhaut dürften für Wochen orange verfärbt bleiben. Unsere Crocs geben die Farbe sicher nie wieder her. Erste Spuren sind trotz Schuhtüten im Cockpit zu finden. Die spontanen Verfärbungen sind der Wahnsinn.

Da fällt uns unser Anker ein. Er dürfte dick im roten Schlamm stecken. Wenn das Zeug aufs Schiff gerät. :shock: Wir möchten kein orangenes Deck. Ein vorsichtiger Test hat ergeben, dass das Flexiteek abweisend zu sein scheint. Trotzdem arbeiten wir gerade einen Plan aus, wie wir das Problem lösen, wenn wir Morgen diese spannend-giftige Bucht verlassen.

Matschige Landung. Hier war die Croc-Welt noch in Ordnung,

Bei Niedrigwasser kann man gut erkennen wie viel Sediment in die Bucht gespült wird. Stellenweise soll die Schicht einen Meter dick sein.