Monat: August 2018

Saint Nazaire. Im Bunker.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal erreichte ich  
von der Küste Nordspaniens aus die französische Atlantikküste 
und Saint Nazaire an der Mündung der Loire. 

Es ist Sonntag. Am Himmel über der Loire-Mündung zischen Jagdflugzeuge der französischen Luftwaffe im Tiefflug, drehen graziös in senkrechten Steigflug und malen als Rauchfahne die Farben der französischen Trikolore in den Himmel, bis sie im unermeßlichen Blau verschwunden sind. 50.000 Zuschauer säumen die Strände in der Bucht von Pornichet, wo ich mit Levje ankere. „Plein Vol“ heißt das Spektakel über dem Grande Plage, ein Amüsement für die ganze Familie, es beginnt am späten Nachmittag und endet kurz vor 22.00 Uhr.

Schon am frühen Morgen sind die Straßen gesperrt, Pornichet ist dicht. Männer in schwarzen Uniformen mit Maschinenpistolen bewachen jede Kreuzung. In den Hafen kommt niemand mehr rein und auch nicht raus. Die Anschläge von Paris und Nizza haben in Frankreich ihre Spuren hinterlassen.

Ich gehe schnellen Schrittes Richtung Bahnhof. Ich möchte nach Saint Nazaire zu den U-boot-Bunkern des II. Weltkriegs, mein Großvater war hier im Krieg, er hat vermutlich als einfacher Maurer an dem Bauwerk mitgearbeitet, ich möchte sehen, was er sah. Aber erstmal geht der Bus nicht. Ich lege die Strecke zum Bahnhof von Pornichet im Laufschritt zurück, für den TGV darf ich kein Ticket lösen, weil er ausverkauft ist. Ich steige dann doch ein, als ein freundlicher Kontrolleur mich trotzdem reinwinkt.

Saint Nazaire ist an diesem Sonntag wie ausgestorben. Ob französische Städte an Sonntag Vormittagen so sind? Oder fuhren die Einwohner Saint Nazaires nach Pornichet zum „Flieger kucken“. Ich irre durch die Stadt, kein Mensch weit und breit, am Hafen ein Dolmen, mit Graffiti beschmiert. 

Als ich aus der Rue des Dolmen komme, liegt der Bunker vor mir am Meer. Alt und grau und böse, wie ein an diesem Ort verendetes Reptil, das es nicht mehr geschafft hat zurück ins Meer und wenige Meter davor einfach verendete. Monströs.

Monströs ist er allemal. Über drei Fußballfelder lang und eines breit. Kirchturmhoch. Um ihn zu bauen, wurden fast 500.000 Kubikmeter Beton an Ort und Stelle gerührt und vergossen. Fast 26 Millionen prall gefüllte Mörteleimer. Zeitweise arbeiteten bis zu 4.000 Arbeiter an dem Bau: Angehörige der Organisation Todt wie mein Großvater, die im Frieden Autobahnen und im Krieg Bunker bauten. Zwangsarbeiter. Franzosen, die als Freiwillige auf der Baustelle mitarbeiteten. Sie arbeiteten rund um die Uhr in zwei 12-Stunden-Schichten, von 7 bis 7. Der Bunker wurde in nicht einmal 18 Monaten fertig. Er wurde gebaut, um U-Boote zu warten, zu reparieren. Und um sie auszurüsten, bevor sie hinausfuhren, um britische und amerikanische Schiffe zu versenken.

Ich schließe mich einer Führung durch das Gebäude an. Unser Guide heißt Sebastien, er ist Ende 20, ein blonder Mann, offenes Gesicht und leises Lächeln, er könnte Norweger sein, doch er spricht jenes wunderschöne bilderreiche Französisch, das lässt keine Zweifel aufkommen. 

Ob es denn wahr wäre, dass die Resistance dafür gesorgt hätte, das Bauwerk zu schwächen, indem man ungeeignetes Material dem Zement hinzugefügt hätte, möchte ein älterer Herr wissen. Davon sei ihm nichts bekannt, antwortet Sebastien höflich. Er spricht meist von „Les Allemands“, den Deutschen, die das beim Bau so oder so gemacht hätten. Tatsächlich komme ich angesichts von 500.000 Kubikmetern Beton und den zahllos in den Beton gelegten daumendicken Stahlarmierungen ins Grübeln, ob denn das tatsächlich alles „Les Allemands“ aus Deutschland herangekarrt und hier verbaut haben. In einem früheren Hafen in Royan las ich in einem französischen Buch, dass an den 8.119 Bunkern des Atlantikwalls über 3.000 französische Firmen mitgearbeitet hätten. Ob das stimmt? Doch gern gehört wird so etwas in Frankreich immer noch nicht. Allenthalben findet man Dokus über „La Resistance“. Doch offen über die französische Gesellschaft und deren Beteiligung am Krieg scheint man in Frankreich immer noch nicht zu sprechen, das Bild von „La Libération“, mit der ein vom Besatzern unterdrücktes Gemeinwesen „befreit“ wurde, bestimmt die Sicht. Und für die, die „Kollaborierten“, stehen Leute, die man unmittelbar nach dem Krieg dafür erschoss, öffentlich demütigte oder gerichtlich aburteilte. Erledigt also. 

Sebastien erzählt derweil. Von „Les Allemands“. Von „Les Ü-Botts“. Von „Les Torpilles“, den Torpedos, die wie die gesamte Ausrüstung mit Güterzügen direkt in die Halle und an die U-Boote herangekarrt wurden. Eine perfekte Maschinerie, in der alles untergebracht war. Von der Brotbäckerei für die U-Bootbesatzungen bis zur Krankenabteilung zur Erstversorgung Verwundeter.  

Auch Sebastien kommt nicht umhin, von dem Gigantismus der Maschinerie und der Monstrosität des Gebäudes fasziniert zu sein. Und steckt auch seine Zuhörer an. Die dreieinhalb Meter dicken Stahlbetondecken waren so stark, dass alliierte Bombardements ihnen nichts anhaben konnten. Selbst als mit den Kriegseintritt der USA plötzlich 5-Tonnen-Bomben auf das Dach abgeworfen wurden, konnten die dem Gebäude nichts anhaben. Dauerbombardements machten dem Bunker selbst nichts aus – die Stadt und ihre Zivilbevölkerung gingen im alliierten Bombenhagel unter – genauso wie in Brest, in La Rochelle, in Lorient, in Royan. In fast jedem der Orte, die ich besucht hatte.  

Die alten Poller, an denen die U-Boote vertäut waren, rosten im Beton vor sich. Als die U-Boote, die rausfuhren, nicht mehr zurückkamen, weil sie draussen versenkt wurden, als sich das Blatt wendete mit der Landung der Alliierten, wurde der Bunker zur Festung. Er war eine Kleinstadt, in der die Besatzer geschützt waren – bis zur Kapitulation, während die Zivilbevölkerung weiter unter den Angriffen litt.

Die 70 Jahre alten deutschen Inschriften verblassen. Hier und dort ein Kürzel, „3. U-Fl.“ für die 3. U-Boot-Flottilie, die hier keine 3 Jahre beheimatet war. Sebastien erzählt, wie das mit dem Bunker weiterging. Daß man nach dem Krieg versuchte, das Gebäude zu sprengen. Doch das ging nicht – wie die Bomben vorher versagte der Sprengstoff. Oder er hätte die Stadt im Wiederaufbau in Mitleidenschaft gezogen. Dass man nicht wusste, was man mit dem Gebäude anfangen sollte. Es für die eigenen U-Boote nutzen? Es als Werft, als Lager, als Fabrik einsetzen? Von allem etwas. Doch die Hauptfrage war: Welche Rolle sollte denn nach dem Wiederaufbau der Stadt das Monstrum mitten in ihrem Zentrum spielen? Saint Nazaire entschied sich in den 90igern für eine eigenwillige Lösung: Der Bunker war nun mal Bestandteil der Stadt und ihrer Geschichte. Er sollte jetzt auch sichtbar ins neue städtebauliche Konzept integriert werden. Als Ort von gleich drei Museen. Als Ausstellungsfläche. Als Kunstobjekt und Heimat für Cafes und Bistros und Events.

Ein guter Ansatz. Die Museen sind entstanden. Und zeigen Saint Nazaire in bestem Licht. Der Flughafen Berlin Tempelhof hat der Stadt symbolisch einen ausgedienten Radar-Dom geschenkt. „Le Radom“ steht heute auf dem Dach des Bunkers und ist Tempel für moderne Kunst.

Doch ganz geglückt scheint mir der schwierige Versuch der Integration ins Stadtbild nicht. Saint Nazaire ist an diesem Sonntag wie ausgestorben. Auch der Bunker liegt verlassen, bis auf die Spaziergänger, die die Aussicht vom Dach genießen – und das kleine Häuflein, das sich um den blonden jungen Mann mit Namen Sebastien schart. Es ist nun mal nicht so einfach, „alt und grau und böse“ in dieser Monstrosität im Bild einer Stadt zu integrieren.

Noch schwerer ist es, es im Gedächtnis zu halten. Als Franzose. Aber auch als Deutscher.

Aufwachen an den Ufern der Loire. Atlantiksegeln.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal erreichte ich  
von der Küste Nordspaniens aus die französische Atlantikküste, die ich
ihren Inseln folgend nach Norden segle.

Eben geht die Sonne auf. Ein leuchtend roter Punkt, der hinter dem Horizont erscheint und durch die Heckfenster meine Koje in tiefes Orange taucht. Ein leises Geplätscher vorbeifließender Wellen wie von einem Bachlauf. Ein gemächliches Klappern vom Mast her. Ein Schweben, ein Eintauchen. Ein Neigen. Wieder das leise Murmeln in Orange unter Levjes Bauch entlang.

Als ich den Kopf aus dem Niedergang stecke, sind das Festland und die Mündung der Loire nichts als ein zarter waagrechter Strich in der Weite. Die breite Mündung wirkt verloren im unendlichen Blau zwischen Wasser und Himmel. Levje wiegt sich sacht auf der spiegelglatten Fläche des Wassers.

Ich habe gestern Abend weit draußen, inmitten des an diesem Morgen in allen Schattierungen leuchtenden Blaus Levjes Anker fallen lassen. Die aufgehende Sonne sieht von hier so ganz anders als in meinem kleinen Iffeldorf, wo ich im Winter lebe. Dort scheint sie mächtig hinter den Bäumen. Hier draußen scheint mir oft alles so zerbrechlich, obwohl es doch eigentlich ich sein müsste, der sich klein fühlt in der Weite des Meeres. Zerbrechlich scheint mir der zarte Strich am Ufer, der Europa ist. Fragil erscheint mir aber auch das Meer, trotz seiner Wildheit, seiner Größe, seiner Gefährlichkeit, auf dem ich seit vier Monaten segle. Es sollte mir wegen seiner Größe, seiner Wildheit doch alles andere als fragil erscheinen, doch das tut es nicht.

Gestern bin ich von der Ile d’Yeu heraufgesegelt. Der Wetterbericht verhieß alles andere als einen idealen Segeltag. Wind aus Nord, genau von dort, wo ich hinwollte. Mit 15 bis 20 Knoten, am Spätnachmittag darüber. Bis Mittag leichter Strom ebenfalls aus Nord – beides zusammen würde meine Reise verlangsamen, sagte mein Kopf, ich würde 15 Stunden brauchen für das Stück hinauf bis zur Loire-Mündung, bis zur Insel Noirmoutier. Vielleicht doch lieber den Tag in einer der felsigen Buchten hier auf der Ile d’Yeu ankern und dort faulenzen? Es war meine bretonische Bootsnachbarin mit dem unvergleichlichen Vornamen Siseguine, die am Morgen mit ihrem Mann hinauf nach Noirmoutier wollte und sagte: „Weisst Du, hier bei uns weht immer Nordwest. Jeden Tag. Davon darfst Du Dich nicht abhalten lassen. Es ist einfach so.“ Siseguine. Sie brachte mich auf den Weg wie die weise Sigune den Parzival. Ich beschloss, die Nase aus dem Hafen zu stecken und mal zu versuchen, wie es sich anfühlte, gegen Wind und Strom nach Norden zu segeln.

Nach all den Jahren des Segelns fühle ich mich oft immer noch wie ein Anfänger. Ich wollte immer perfekt sein in dem, wie ich mein Schiff handhabe und fühle mich doch jeden Tag meilenweit davon entfernt. Das ist gut so, aus vielerlei Gründen, aber als Lebensgefühl nicht eben angenehm. Wir alle wären gern smart, souverän. Die Balance zwischen beidem zu finden, die richtige Haltung zwischen „perfekt“ und „imperfekt“: Das könnte eine lebenslange Aufgabe sein.

Ich mache jeden Tag Fehler. Ich lerne jeden Tag Neues. Das Meer überrascht mich jeden Tag neu. Noch im engen Hafenbecken kreisend, hatte ich voller Erwartung Levjes Großsegel gesetzt. Doch kaum draußen, fand ich nichts als nur wirres Wellendurcheinander und ein bisschen Wind, mal von hier, mal von da. Die Segel zogen nicht. Levje eierte wild hin und her, ich taumelte im schwankenden Cockpit. Einen kurzen Moment dachte ich daran, ob ich jetzt nicht doch lieber morgens um sechs eingeklemmt zwischen grauen Anzügen in eiskalten Ledersitzen im Businessflieger München-Hamburg säße. Nein, keine zehn Pferde brächten mich jemals dorthin zurück. Lieber hier draußen. „Jammer nicht rum. Tu was. Du siehst doch, dass Segeln hier nicht geht, weil der Grund vor der Insel ansteigt und alle möglichen Wellen erzeugt.“ Also erstmal raus aus dem Gewirr, dahin, wo der Wind ist und wo die Wellen Segeln erlauben. Zweieinhalb Meilen weiter nördlich war er da, der Wind. Aus Nord. Die Wellen nahmen ein gleichmässiges Muster an. Levjes Segel begannen zu ziehen. Ich konnte immerhin nun schon nach Westen segeln. Levje lief, das war doch schon was. Wir mussten jetzt nur noch irgendwie den richtigen Dreh nach Norden finden. Gegen den Wind.

Ich versuchte mein Glück mit einer Wende. Immerhin schon Kurs nach Nordost. Wenn ich jetzt noch die Segel richtig einstellen würde. Hier flatterte etwas. Dort war eine Beule im Tuch, wo keine sein sollte. Ich begann, an den Segeln zu zupfen. Zog hier am Vorsegel. Dort am Großsegel. Entrollte hier etwas. Nahm dort etwas enger. Levje wurde schneller und drehte gleichzeitig fast auf nördlichen Kurs. Na bitte. Geht doch. Nimm Deinen Verstand zusammen. Beobachte, was nicht stimmt. Und tu Dein Möglichstes, um das zu bessern. Das ist die Lektion, die ich jeden Tag lerne. Und die mir das Meer vermittelt.

Wir laufen jetzt auf die Ile de Noirmoutier in der Loiremündung zu und machen rasche Fahrt. Wie dankbar bin ich, jetzt hier draußen zu sein, den Hafen verlassen zu haben und zu segeln. Wieder einmal möchte ich alles in mich aufsaugen, könnte ich es doch in mir speichern, wie auf einer Festplatte, was ich alles hier sehe. Ich verlasse meinen Platz im Cockpit. Hangle mich nach vorne bis zu den Wanten, halte mich dort fest, wo ich jetzt, wo Levje stark auf der Seite liegt, den besten Überblick habe. Da liegt die große Brücke, die die flache Ile de Noirmoutier mit dem Festland verbindet. Ich sehe die Wassertürme in der Ferne. Sonst ist die Insel nur ein Strich, rechts und vor mir.

Dann die Untiefen vor der Nordwestküste. Wie so oft vor dieser Küste ziehen sich Flachstellen und Untiefen bis weit weit hinaus vor die Küste. Mit bloßem Auge sieht alles wie eine einfach zu befahrende Wasseroberfläche aus, doch die Seekarte erzählt mit den dutzendweise eingezeichneten Wracks eine andere Geschichte. Kaum habe ich hier vor der Küste eine Sandbank passiert, erreiche ich die nächste Untiefe. „Les boeufs“, „die Rinder“ heißen sie, vielleicht weil ihre unter Wasser liegenden und für mich unsichtbaren Erhebungen spitz wie Hörner aufragen? Um sie zu umfahren, folge ich ein Stück einem Kurs, der in meiner Seekarte als „Chemin des boeufs“ beschrieben ist, dem Weg der Rinder, der an ihnen entlangführt. Kein Zweifel. Hier haben sich segelnde Seeleute, die sich schon immer bei Nordwind hier durchhangeln mussten, ihre Erfahrungen mitgeteilt.

Kaum sind wir zwischen den „Boeufs“ durch, dreht der Wind wie Nachmittags üblich auf West und frischt auf. Levje schießt nun mit sieben Knoten hoch am Wind dahin, es geht nicht mit rechten Dingen zu, es ist wohl auch der Strom, der uns nun in rascher Fahrt entlang an den Felsen von Noirmoutier nach Norden zur Mündung der Loire trägt. Es ist 17 Uhr. Eigentlich könnte ich jetzt in den Hafen an der Nordspitze der Insel einlaufen. Doch die freundliche Dame sagt mir, dass der Hafen schon recht voll sei wegen des langen Wochenendes und es nur noch einen Platz im Päckchen für mich gäbe. Nein, das hatte ich gerade auf der Ile d’Yeu. Mir steht der Sinn mehr nach einer Bucht, in der ich ankern kann, und sei sie auch noch so voller Schwell und unbequem. Ich segle weiter nach Norden, da ist die Loire, ich sehe es an der Färbung des Wassers, das jetzt tiefgrün ist wie im Fluss flutender Hahnenfuß, die langen grünen Schlingpflanzen, die im Flusswasser wehen. Ein eigenartiges leuchtendes Grün, ich denke an die Augenfarbe einer Geschäftspartnerin vor vielen Jahren, deren Augenfarbe nicht nur die männlichen Kollegen ins Grübeln brachte, ob bei dieser Augenfarbe denn nun wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen wäre.

Die Mündung der Loire: Sie ist auch Weg und Liegeplatz für die Großschiffahrt. Weit draußen sehe ich Frachter liegen, während von rechts ein Tanker aus der Mündung auf uns zukommt. Der Wind ist gut, fast zu viel, ich sollte eigentlich reffen, doch nur jetzt nicht die rasche Fahrt nach Norden unterbrechen, die Sonne steht schon tief, gleich haben wir die rote Tone erreicht, die das nördliche Ende des Schiffahrtsweges markiert. Da liegt die Bucht, in der ich ankern will.

Aber auch das ist eine Lektion, die das Meer mir jeden Tag verpasst: Das Leben ist kein Ponyhof, auf Wunsch geht hier gar nichts. Der Wind frischt wie vorhergesagt am Abend auf und dreht zurück auf Nord. Ich muss aufkreuzen, mich in weitem Zickzack-Kurs gegen den Wind annähern. Und die Bucht selber ist, obwohl zum Greifen nah, wie durch eine Bojenkette durch einen Kranz von Riffen und Untiefen abgeschirmt, durch den es nur zwei markierte Einfahrten gibt. Die Ebbe ist zwar lang vorbei, aber ich möchte in dem mir unbekannten Gewässer nichts riskieren. Also noch eine Stunde mühsames Aufkreuzen vor den Untiefen, dann habe ich die mit zwei dünnen Bojen markierte Einfahrt vor mir. Ich suche mir, während die Sonne untergeht, meinen Ankerplatz, noch wirft der Wind beträchtlich Wellen in die Bucht, aber das macht nichts. Jetzt mag Levje noch wild am Anker schaukeln. Doch in zwei Stunden soll der Wind vorbei sein – aber da schlafe ich ganz sicher tief und fest.

Und Siseguine: Die hatte Recht.

Atanga …. is there anybody out there

Mo.,27.Aug.18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1549, 13.337 sm von HH

Ruhig ist es auf der unserer Seite, seitdem Bine in Deutschland weilt und sich den Annehmlichkeiten der Heimat hingibt. Mir sind Berichte von Grillgut und anderen Köstlichkeiten zu Ohren gekommen.

Das Leben an Bord kann da nicht ganz mithalten. Die Küche an Bord hat ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. Zum Frühstück meist dieses superweiche, fast klebrige Toastbrot der Marke Bimbo, dass mit absoluter Sicherheit bei Dauerkonsum neben den normalen Mangelerscheinungen auch zu Zahnausfall führt. Als Aufschnitt dient, was sie hier Mortadella nennen. Ich habe es vermieden, tiefer zu recherchieren, um die wahren Ingredienzien zu ermitteln. Als Schluckhilfe dient ein Sandwichaufstrich auf Mayonnaisenbasis. Was für ein Start in den Tag.

Mittags gibt es meist Tortillas (entweder mit Rührei, Gemüse oder Käse). Das Rührei ist mittlerweile sogar essbar. Auf einer der letzten Überfahrten habe ich Bine mit einem Rührei verwöhnt, was heute noch für Gesprächsstoff sorgt. Das man Eier derart geschmacksneutral herstellen kann, war selbst Bine neu. Wie schon gesagt, dass ist besser geworden, auch wenn es mir jetzt schon zweimal passiert ist, dass ich die geschnittenen und bereitgestellten Zwiebeln erst wieder entdeckte, nachdem die Eier schon eine Weile in der Pfanne weilten.

Abends kommt dann der Klassiker: Spaghetti (mit Kinder-Tomatensauce). Problematisch ist nur, dass die meisten Packungen hier nur 400g Nudeln enthalten. Da bleibt dann gerade etwas für einen Snack am nächsten Tag übrig. Wo sind die alten 500gr Packungen.

Abgesehen von den oben beschriebenen lebenserhaltenen Maßnahmen gab es viel Arbeit auf dem Schiff.

Es macht mir nichts aus, den ganzen Tag mit „Kabeln zu spielen“.
Wenn es aber darum geht, mit Polyester Harz, Epoxy, Sika und Polyurethan Farbe zu arbeiten, dann bin ich raus. Es dauert maximal eine Minute, dann hab ich das Zeug bis zum Ellenbogen kleben. Selbst an den Fingern finden sich mehr als nur Spuren. Und das trotz Latexhandschuhen. Wer da meint, Tunneleffekte sind eher ein quantenmechanisches Problem, der irrt. Alle klebrigen Materialien finden den Weg durch die Handschuhe direkt auf meine Hände. Immer!

Aufbau

Das Projekt am Aufbau ist weitestgehend abgeschlossen. Die Hohlräume sind wieder mit Leben (Glasfasermatte und Harz) verfüllt. Dieser Job hat viel länger gedauert, als ich dachte. An keine Stelle kam man gut heran und immer wieder musste ich einen Großteil der Masse abschleifen, weil sich eine Blase gebildet hatte oder eine Verbindung nicht gut aussah. Final war dann aber alles verfüllt und gespachelt. Jetzt fehlt nur noch die Farbe ….

fertig zum Malen

fertig zum Malen

Funk

Als Gegengewicht für unsere Kurzwellenantenne haben wir unter der Wasserlinie Kupferfolie verlegt. Schon lange wollte ich diese laminieren und das Ganze dann nett weiß streichen. Aufgrund der nicht unerheblichen Geruchsbelästigung durch Harz und Polyurethanfarbe, war das allerdings etwas, was nur während längerer Abwesenheit von Bine möglich war. Auch hinter dieses Projekt kann ich nun endlich einen Haken setzen.

Malocher auf Atanga

Malocher auf Atanga

Matten anpassen
Erster Anstrich

Undichtes Pütting

Auf der Fahrt von Mexiko nach Providencia hatten wir einen ganzen leichten Wassereinbruch an einem der Püttinge (das sind die Teile, an denen die Wanten festgetüddelt sind…). Für eine Reparatur musste also die alte Dichtmasse raus, um anschließend alles wieder neu mit Sika zu vergießen. Hab ich schon erwähnt, dass Sika problemlos durch Latexhandschuhe geht … was für ein Schweinkram. Jetzt drück ich mir die Daumen, dass es dicht ist, Test folgt – irgendwann.

Eine Woche bleibt mir jetzt noch, dass Schiff wieder aufzuklaren … wenn das mal klappt.

Atlantikinseln. Auf der Ile d’Yeu, der Insel der Dolmen.

Mitte Mai bin ich in Sizilien gestartet, um einhand
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal und Nordspanien
erreichte ich die französische Atlantikküste mit ihren Inseln. 
Eine von ihnen ist die Ile d’Yeu.

Vor La Rochelle beginnt die Kette der französischen Atlantik-Inseln, die sich wie ein Riff entlang der Nordwestküste Frankreichs reihen. Obwohl sie Inseln sind, machen sie dem Reisenden auf einem Boot das Leben nicht leicht. Die meisten besitzen keinen festen Hafen, sondern sind nur über eine Brücke vom Festland aus erreichbar. Sie sind Gezeiteninseln: Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut beträgt 4-5 Meter – was im einen Augenblick noch eine geschützte Bucht oder ein Hafen war, ist innerhalb Stunden eine trockengefallene Sandbank, auf der Wattvögel nach Schlickwürmern stochern. 

Die Ile d’Yeu ist nach der Ile d’Oleron, der Ile de Ré die dritte von ihnen. Sie ist nicht groß – wer sich im Hafen der geschäftigen Inselhauptstadt Port Joinville ein Fahrrad leiht, erreicht von dort in 20 Minuten jedes Ende der Insel. Und trotzdem ist dieses kleine, nur 

drei mal sieben Kilometer große Eiland ein Ort, an dem ich schwach werde. Nicht bloß, weil hier das Auto zuhauf herumfährt, für das ich zum ersten Mal seit Jahren in Versuchung käme, Geld auszugeben – es ist das rote im Foto oben. Oder weil dies hier der Ort ist, an dem der „Deux Cheveux“, der alte Citröen 2CV, die „Diane“ und der „R4“ noch unterwegs sind, als hätten sie alle sich hier auf dieser Insel geheimnisvoller Weise verabredet, zu überdauern und die heutigen Gesichtslosigkeiten der Autobauer einfach würdevoll zu ignorieren. Allein das ist schon eine Reise in die Vergangenheit, die den Abstecher auf die Insel allemal lohnt. Nein, die Ile d’Yeu mag klein sein an Abmessung. Aber kaum ist man eine Viertelstunde über die Sandpisten durch die duftende Macchie geradelt, ist man in ihrem Westen in einer anderen Welt. Plötzlich stehe ich inmitten der Felsküste. Ich lasse mein Fahrrad Fahrrad sein und wandere einfach ein Stück die Felsen entlang, wo nichts und niemand ist als die Möwen, deren Federn die Wiese wie verblühter Löwenzahn weiß überziehen. Die Westküste der Ile d’Yeu ist der Ort der Winde. Kein Baum, kein Strauch kann sich hier festklammern, nur Flechten und bärtige Moose überdauern auf den Felsen. Wo Schatten ist, wuchern Farne. 

Und während ich draußen auf dem Meer einen Segler beobachte, der von Westen her auf die Küste zuhält, stehe ich plötzlich vor einem dieser geheimnisvollen Gebilde, die man Dolmen nennt. Ein von Menschen geschaffenes steinernes Haus aus seitlich aufgerichteten Tragsteinen und einem Deckstein obendrauf. Dolmen: Es gibt sie erstaunlicherweise in Europa in vielen Ländern – vor allem denen an der Meeresküste. In Spanien, in Portugal, wo man sie „Anta“ nennt, in Frankreich ebenfalls in Küstennähe, in England, in Irland, in Dänemark, im Emsland, in Schweden. War hier eine erste europäische Zivilisation am Werk? Gab es vor uns schon etwas, Wissen, Können oder Glauben, was die Menschen Europas miteinander verband, was sie teilten?

Der Dolmen, vor dem ich stehe, ist jedenfalls ein kleiner. Aber trotzdem zu groß, um einfach achtlos dran vorbeizugehen. Wie schafften es die Menschen jener Zeit, den schweren Deckstein oben auf die Felsen zu legen? Auch zehn Mann könnten ihn nicht heben, selbst 20 oder dreißig nicht, sie bräuchten eine Idee und Werkzeug, mit ihren Händen könnten sie ihn niemals alle gleichzeitig richtig fassen.

Ich stehe da vor einem Rätsel. Die Dolmen der Insel d’Yeu datiert man auf etwa 4.000 Jahre vor Christus. Wir sind mitten in der Steinzeit, als am Nil und am Euphrat die Menschen die ersten Städte überhaupt gründeten und lernten, in größeren Gemeinschaften zu leben. Es gibt noch keine Schrift. Das Rad ist noch nicht da. Metall war noch lange nicht in Sicht, der Kran noch Jahrtausende entfernt, an heutiges Tauwerk vom Typ „Bruchlast 2 Tonnen“ war überhaupt nicht zu denken.

Ein paar Schritte weiter entfernt stehe ich vor diesem:

Wieder dasselbe Bild, dieselbe Technik. Ein flacher Stein, den Menschen mit ihrer Muskelkraft allein nicht heben könnten, auf zwei natürlich aus dem Boden ragende Felsen gelegt. Der Stein scheint zu schweben, er ist seines Gewichtes beraubt. Ein Kunstwerk? Ein Kultplatz?

Ich rolle auf dem Fahrrad weiter in den Norden der Insel, wo der kleine unbenutzte Flugplatz ist. An der äußersten Nordwestecke der Ile d’Yeu steht dieses Gebilde:

Der Dolmen de la Planche à Puare befindet sich direkt am Sandstrand und am Meer. Vor 6.000 Jahren lag der Meeresspiegel des Atlantik um 10 Meter tiefer. Der Dolmen stand also nicht am Meer, sondern Hundert Meter landeinwärts, aber immer noch in Sichtweite des Meeres.

Hier wurde jeder Stein von Menschenhand gesetzt – auch die seitlichen. Im Arbeitsablauf bedeutet das für eine größere Gemeinschaft gewaltige Anstrengungen – und nicht nur Körperliche, sondern vor allem planerische. Zuerst muss ein Plan existieren, wie der Dolmen aussehen soll. Dann müssen Experten geeignete Steine in der näheren Umgebung ausfindig machen. Sie mit einfachem Werkzeug aus ihrer Umgebung herausbrechen, herausschlagen. Sie vermutlich auf Baumstämmen teilweise über Kilometer heranwälzen. Die Steine aufrichten. Sie nicht einfach planlos auf dem Sandboden aufstellen, sondern so im Boden verkeilen, dass sie für Jahrtausende fest stehen und nicht einfach wie ein Kartenhaus zur Seite umfallen. Und dann das größte aller Rätsel: Die seitlichen Steine nicht bloß irgendwie verbuddeln, sondern exakt so vermessen, dass die unebene Unterseite des schweren Decksteins nicht nur auf zweien wackelnd zu liegen kommt, sondern mit seiner ungleichmässigen Unterseite auf allen Seitensteinen wie auf Hauswänden stabil ruht. Und dann den schweren Deckstein über eine eigens dafür aus Erdreich errichtete Rampen nach oben wälzen – genau in die errechnete Position. Zuletzt den Dolmen mit kleineren Findlingen einkleiden und dann mit Erdreich so bedecken, dass ein Hügel entsteht.

Allen Dolmen gemeinsam ist nicht nur ihre Nähe zu Küste, sondern auch, dass sie Grablegen waren. Noch vor 200 Jahren entdecken Hobby-Ausgräber unter den oben abgebildeten Steinen gleich drei Grabkammern. Und in ihnen die Reste einer alten Kultur: Schaber aus Feuerstein. Klingen. Stechahlen. Gewichte, um ein Fischernetz waagrecht in der Strömung einer Bucht treiben zu lassen, um Fische hineinzujagen. Die kostbaren Zähne eines Pottwals, des größten Wales, der überhaupt Zähne besitzt. Waren sie in der Lage, Wale zu jagen? Die Knochenreste eines Menschen. Hier hatte eine Gemeinschaft ihrem Verstorbenen das Beste und Wertvollste an Ausrüstung mitgegeben, was er für die lange Reise in die Anderwelt und das Leben dort benötigen würde. 

Von den alten Kulturen ist wenig geblieben, nur die Dolmen. Das ist erstaunlich. Die Dolmen überdauerten, weil den nachfolgenden Generationen die Steine zu schwer waren, um sie zu bewegen – sie hatten einfach das detaillierte Wissen wieder verlernt, riesige Steine nur mit Muskelkraft zu bewegen. Das Know-How, das vor 6.000 Jahren da war, mühsam erlernt, war mit seiner Zivilisation wieder verschwunden, verloren. Um sich Häuser zu bauen, begnügten sich nachfolgende Kulturen damit, die kleineren Findlinge aufzuklauben, mit denen die Dolmen einst verkleidet waren, und sie für ihre Behausungen zu verwenden. Übrig blieb, was den Menschen zu groß und selbst den Atlantikstürmen zu gewaltig war: Die schwebenden Steine. Und die Sagen, dass die, die sie errichtet hatten, wohl Riesen gewesen sein mussten.

Auch das ist, was Geschichte und tote Steine erzählen: Was wir einst lernten. Was wir einst konnten. Wozu wir in der Lage waren. Und was wir doch immer wieder vergaßen. Verlernten. Weil plötzlich etwas Neues kam, was das Alte ablöste. Soviel eine Gemeinschaft an Fähigkeiten neu gewinnt, soviel scheint sie im selben Moment auch wieder zu verlernen. Das war bei den Menschen der Dolmen damals vor 6.000 Jahren so wie bei uns heute. 

Als in der Dämmerung der Wind wie fast jeden Abend auf über 20 Knoten auffrischt und der Himmel schon jetzt im August sich wie ein herbstlicher Sturmhimmel färbt, streife ich mit der Kamera durch den Hafen. Ich wüsste zu gerne mehr über das Volk, das die Dolmen hier in der Bretagne schuf. Aber ich bin sicher: Ich werde hier in der Bretagne noch mehr von den alten Steinsetzungen antreffen. Und auf viele alte Steine und ihre Geschichten stoßen – nicht nur auf der Ile d’Yeu, die ich sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.

Unter Segeln zur Bretagne: Die Insel Yeu. Port Joinville. Und der Gott des Chaos.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal und Nordspanien
erreichte ich die französische Atlantikküste mit ihren Inseln. 
Eine von ihnen ist die Ile d’Yeu.

Das Wetter südlich der Bretagne hat Mitte August seine Launen. Während jetzt in Süditalien mit Feuerwerk und Volksfest jedes kleine Kaff Maria Himmelfahrt feiert und die Augusthitze über allem brütet, wache ich im Hafen Bourgenay in dichtem Nebel auf. Das Boot ist tropfnass. Fährt ein Fischer vorbei, höre ich den Schwall, der sich aus dem Bimini aufs Deck ergießt. Statt der windstillen und sonnigen Herbsttage, die ich aus der nördlichen Adria oder von Sizilien kenne, herrscht hier im einen Moment Nebel. Am Mittag Sonne. Und am Spätnachmittag 20 Knoten Wind aus Nordwest. Mein gestriges Ziel, das nur sieben Seemeilen entfernte Les Sables d’Olonne zu erreichen musste ich aufgeben, weil Wind und Strom gegen mich standen. Aufkreuzen brachte keine eineinhalb Seemeilen Strecke in der Stunde. Ich verkroch mich in den Hafen von Bourgenay.

Auch die französischen Atlantikinseln machen die Reise nicht einfach. Zu gerne hätte ich die Ile d’Oleron vor La Rochelle besucht. Oder die Ile de Ré. Doch keine bietet einen guten Ankerplatz und erst recht keinen Hafen: Mit der Tide fallen deren Häfen allesamt trocken. Zum ersten Mal bedauere ich, dass Levje kein Kimmkieler ist: Dann könnte ich einfach in eine der Buchten fahren, bei Ebbe auf einer der Sandbänke parken, könnte einfach dort stehenbleiben in der Wattlandschaft des Atlantiks, wo der Unterschied zwischen Ebbe und Flut mittlerweile bei fünf Metern ist.

Auf dem Weg nach Norden bietet als einzige die sieben Stunden entfernte Ile d’Yeu einen richtigen Hafen. Also mache ich mich gleich am Morgen auf dem Weg, um nicht wieder von der spätnachmittäglichen 20-Knoten-Brise ausgebremst zu werden und den Inselhafen Port Joinville auf der Ile d’Yeu vorher zu erreichen.

Auch vor der Ile d’Yeu liegt eine Nebelbank – trotz Wind – aus der mir plötzlich ein Kutter entgegenkommt. In der Hafeneinfahrt begegnet mir die Schnellfähre, die gerade ausläuft. „Compagnie Yeu – Continent“ steht in großen Lettern auf dem Schiff, als wäre Europa an dieser Stelle ein entlegener Kontinent. Und die Insel Yeu eben ein anderer. Und der enormen Aufgabe, diese beiden Kontinente zu verbinden, hat sich eben die „Compagnie Yeu-Continent“ verschrieben. 

Im Hafen selber geht es eng her. Es ist Feiertag, Maria Himmelfahrt ist auch in Frankreich – mit allen Begleiterscheinungen der Freizeitgesellschaft. Was Beine hat, ist in Port Jointville auf dem Boot, Gedränge, Gasgeben, Hektik schon in der Hafeneinfahrt. Ich gestehe gern, dass auch ich ein Freizeitkapitän bin, doch ebenso gern, dass ich die Feiertage in den Häfen meide: An diesen Tagen herrscht ein unguter Mix aus anpreschenden Schnellfähren, unter Segeln gemächlich einlaufenden Traditionsschiffen, kreuz- und querschießenden Schlauchbooten und wirre Kreise drehenden Anglern. Er erzeugt in der Enge der Einfahrt eine ungute Hektik, bei der man die Augen nicht eine Sekunde vom Wasser lassen kann. Ein Marinero erwartet mich im Boot vor der Einfahrt in die Marina, die zwischen den massiven hohen Steinmolen keine zehn Meter misst. Zwei Schlauchbootfahrer füllern die Einfahrt mit der lebhaften Diskussion, wer denn nun als erster an die kurze Tankpier darf, während ein Angler bei dem Versuch, sich zwischen den Diskutierenden durchzuschieben, dazwischen steckenbleibt und drei andere vorbei wollen.

Ich folge dem Schlauchboot mit dem Marinero in die Gasse – verflixt, ist das eng hier. Zweimal rechts, dann gehe ich längsseits an einer Yacht. Geschafft für heute. 

Doch mein Tag ist damit noch nicht vorbei. Yacht auf Yacht kommt in den Hafen, und die Marineros packen eine nach der andere hinein ins Päckchen – solange, bis vor Levje sieben Yachten liegen. Und dahinter sieben. Und rechts drei. Und links drei. Eine respektable Leistung der Marineros. Doch Levje steckt fest mittendrin im Pulk, während das Wasser in der Marina fällt.

Am nächsten Morgen böet es mit 17 Knoten über dem Hafen. Soweit ist alles gut. Die Schiffe liegen fest und sicher. Gottseidank sagten gestern Abend alle Nachbarlieger, keinesfalls vor Übermorgen los zu wollen.

Doch gestern war gestern. Und heute ist heute. Der Gott, der zuständig ist für Chaos und das Schiefgehen der Dinge: Er hat heute morgen beschlossen, in Port Joinville vorbeizuschauen und im Topf des Marinabeckens einmal kräftig umzurühren. Ausgerechnet die beiden innen am Steg liegenden Boote äußern den Wunsch, doch ablegen zu wollen bei dem Wind. Und das sogleich. Erst ratlose Blicke der anderen 19 Boote. Dann bläst der Gott des Chaos ins Horn. Und in die

Hirne aller Beteiligten die unterschiedlichsten Fragen: „Wie ablegen?“ „Was ist denn dann mein neuer Liegeplatz?“ „Wo soll ich denn dann hin?“ 10 Handfunkgeräte preien die Marina auf Kanal 9 an, um nach einem neuen Liegeplatz zu fragen, während sieben andere Skipper hierfür ihr Handy zücken und die einzige Marina-Angestellte mit einem Anruf beglücken. Die ersten legen ab, vergessen aber Landstromkabel oder Spring, während die ganz Innen schon mal nachdrücklich ihren Motor starten. Der Gott des Chaos lässt die Böen auf 20 Knoten ansteigen, drei Yachten treiben in der engen Gasse und wissen nicht recht, wohin mit sich und dem schönen Tag, während wieder andere loswerfen und erst mal Gas geben, „meine Droge heißt Speed“, auf die enge Gasse mit den drei anderen zu. Die Frau meines Nachbarn zur Rechten, der eigentlich nach mir ablegen müsste, weigert sich bereits jetzt abzulegen, bevor man nicht einen neuen Liegeplatz hätte. Ich bitte meinen Nachbarn, mir doch beim geordneten Ablegen zu helfen, worauf der seine versierteste Kraft an Deck, die zehnjährige Tochter an meinen Festmacher lässt, damit er selber Kopf und Hände frei hat für die verbalen Manöver seiner Frau. Die zehnjährige hält derweil den Festmacher und meine 7,5 Tonnen Levje bei 15 Knoten Seitenwind in der Hand. Ich rufe loswerfen, bevor sie sich verletzt, was sie auch folgsam tut und meine acht Meter Festmacher willig ins Wasser rutschen lässt, während mein Heck noch festhängt. Der Gott des Misslingens ist jetzt voll im Saft, ich spüre seine Blicke auf mir, wie er sagt: „Nun zeig mal, Bürschlein, was Du drauf hast.“ Ich muss erst mein Heck freibekommen und dort loswerfen. Dann Rückwärts entschieden Gas geben. Nach vorne rennen und den Festmacher reinholen, nicht auszumalen, wenn der jetzt in meinen Propeller kommt. Doch alles klappt, ein Wunder wie, ohne in der Enge ein Boot zu touchieren. Ich kann Levje in der Gasse abfangen, hart Ruder legen, um meinen Bug in den Wind zu bekommen. Doch wohin nun?

Ich laufe langsam die Gasse entlang, während links und rechts Yachten mit satter Geschwindigkeit vorbeischießen und den Ausgang aus dem Chaos suchen, koste es, was es wolle. Der Gott des Chaos reibt sich feist die Hände, als mein Nachbar samt Madame mit hoher Geschwindigkeit von hinten fast auf Levje aufläuft. Egal wo, ich nehme einfach eine der freien Boxen links, während wieder ein anderer an mir Richtung Ausgang vorbeischießt, der Gott lässt panische Fluchtgedanken in  Skipperhirnen keimen. Endlich bin ich in der Box. Doch während der Wind uns mit Kraft Richtung Steg schiebt, mühen zwei willige Helfer sich, genau dort meine Bugleinen zu belegen, wo der Wind uns hinschiebt, als wäre dies das Mittel der Wahl, Levjes Bug vom Steg abzuhalten. Ich gebe rückwärts Gas, dann eben so, die Spring muss warten. Als auch sie fest ist, mache ich Bestandsaufnahme, während hinter mir in der Gasse immer noch Yachten eilends dem Ausgang zustreben. Boot fest. Bruch vermieden. Alles gut.

Dann auf in Stadt, um mal etwas von der Ile d’Yeu zu sehen.

Windvane politics

ES WAR EINE SÜNDE WERT

Windvane politics

Windvane politics

ES WAR EINE SÜNDE WERT

Windvane politics

SV Marianne – Ben Schaschek GER

A SONG DEDICATED TO PETER FOERTHMANN

This song is dedicated to the best helmsman in the world. Thank you Peter Foerthmann from Windpilot for steering us effortlessly around the world!
Ben Schaschek
Beyond Elements first official music video release…’Vogelfisch’ written by Claudio Oster.

SV Marianne – Ben Schaschek GER

A SONG DEDICATED TO PETER FOERTHMANN

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Ben Schaschek
Beyond Elements first official music video release…’Vogelfisch’ written by Claudio Oster.

La Rochelle: Die Türme. Die Tide. Wie plötzlich das Wasser unter Levje weg war.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal erreichte ich  
von der Küste Nordspaniens aus die französische Atlantikküste. 

Die Türme der Hafeneinfahrt in den Vieux Port von La Rochelle. Sie zieren jeden Prospekt von La Rochelle, sie stehen auf fast jeder touristischen Webseite. Ich hatte das Bild der beiden Türme im Kopf, als ich mich im Mai von Sizilien aus auf die Reise machte. Ich habe sie nicht vergessen. Ich wollte dorthin, wollte zwischen dem größeren Tour St. Nicolas und dem kleineren Tour de la Chaine hindurchfahren. Bilder lösen etwas aus. Bilder motivieren.

Nun war ich dort. Auch wenn ich die beiden kleineren Leuchttürme rechts daneben im ersten Moment übersah: Es war ein guter Moment. Zufrieden drehte ich meine Runde. Und kehrte dann eine Seemeile zurück, in den Port de Minimes, die eigentliche Marina von La Rochelle, der auch ein Steg im Vieux Port untersteht.

Der Port de Minimes, zu dem ich durch den Kanal im dichten Samstagsverkehr entlang der Spundwände motorte, wartet gleich mit mehreren Superlativen auf. Erstens ist er mit 3.600 Liegeplätzen wohl der größte der Freizeithafen nicht nur in Frankreich, sondern auch in Europa. Und zweitens steht La Rochelle mit fünf Metern Tidenhub auf meiner Liste ganz an der Spitze. War jahrelang mein Rekord in Venedig und den Lagunen von Grado bei 1,70 Meter, hatten mich seit Gibraltar eigentlich immer zwei Meter Tidenhub begleitet. Doch fünf Meter sind noch einmal etwas anderes, auch wenn Royan an der Gironde, der Hafen aus dem ich gekommen war, schon der erste Hafen gewesen war, in den man nicht mehr so mir-nichts, Dir-nichts einlaufen konnte, wie ich wollte. Sondern erst die Flut abwarten musste, über die vor dem Hafen liegenden Flachs drüberzukommen.

Doch mit der Tide macht man ständig neue Erfahrungen. Als ich am nächsten Morgen am Kanal entlang spazierte und dieselben beiden Motive noch einmal aufnahm, sahen Kanal, Betonwand und die Türme in der Ferne ganz anders aus:

Von der breiten Wasserfläche war nichts anderes übrig als das schmale Rinnsal, auf dem sich nur noch ein Schlauchboot bewegte. Auch die Türme ragten nun viel höher.

Fünf Meter Höhenunterschied machten sich auch auf meinem Steg bemerkbar. Gelangte man bei Flut zu Fuß fast eben über die Brücke auf die Pier, an der Levje vertäut lag, so sah dieselbe Landschaft sechs Stunden später ganz anders aus.

Vorher:


Nachher (vom gleichen Standort aus 6 Stunden später aufgenommen):

Die Brücke war plötzlich eine steile Rampe, die sichtlich Mühe kostete und dazu zwang, Anlauf zu nehmen, wenn man ein Fahrrad hinaufschieben wollte.

Doch meine Abenteuer mit der Tide waren damit noch keineswegs zu Ende. In der Nacht am Steg weckten mich ungewöhnliche Geräusche an Bord. Ein Knacken, das aus dem Salon kam. Dann Stille. Vielleicht hatte ich mich getäuscht? Dann war das Knacken wieder da. Ich stand auf, um nachzusehen. Da war nichts. Alles ok. Ich hob die Bodenbretter an. Alles trocken. Ich wollte schon wieder zurück ins Bett, als sich das Knacken ein drittes Mal meldete. Was war da bloss los? 

Ich sah auf die Uhr. Halb zwei. Ob die Tide das war? Levje hat zwei Meter Tiefgang, den ich beim Check-In im Hafen auch angegeben hatte. 

Ich schaltete den Tiefenmesser an, sicherheitshalber. Er brauchte einen Moment. Dann erschienen drei Zahlen im Display: Die 1. Die 3. Die 0. 1,30 Meter??? Dann fehlen ja siebzig Zentimeter, wo Levje doch zwei Meter Tiefgang hat?!? Voller Grausen beugte ich mich über die Bordwand. Tatsächlich. Levjes Festmacher führten steil nach unten und hielten den kleinen Schwimmsteg nach oben. Das war doch nicht möglich?

Ich spurtete nach draußen, wie ich war. Levjes Bug ragte über dreißig Zentimeter aus dem Wasser in die Luft. Levje schwamm nicht mehr, sie stand im Wasser. Ihr Kiel hatte sich 70 Zentimeter, soweit er konnte, in den Schlick des Hafengrunds gebohrt. Nackt, wie ich war, rannte ich in der Dunkelheit unter dem Neumond zu den anderen Booten rings um mich, alles Segelyachten in Levjes Größenordnung. Mindestens zwei von ihnen ragten ebenfalls mit straff gespannten Festmachern aus dem Wasser. Hatten die Marineros mir den falschen Liegeplatz gegeben?

Als erstes taucht in einem solchen Moment reflexartig der Gedanke auf, einfach den Motor zu starten und aus dem Schlammassel rauszufahren. Blödsinn. Doch bemerkenswert, wie sich in so einer Situation Fluchtreflexe einstellen. Ich überlegte. Rief auf dem Smartphone den Tiedenkalender auf. Tatsächlich. Für 1 Uhr 26 war der Pegel tatsächlich auf Null. Nicht auf 1,20 Meter darüber wie sonst meist auch.

Des Rätsels Lösung: Der Mond war schuld. Genauer gesagt: Der Neumond. Neumond bedeutet, dass der Mond zwischen Sonne und Erde steht, was seine Anziehungskraft verstärkt genauso wie bei Vollmond, wo die Erde zwischen Sonne und Mond steht. Bei Vollmond und bei Neumond entsteht die Springtide – eine vom normalen Tidenhub stark abweichende Tide.

Da blieb nur eins. Einfach warten. Und hoffen, dass sich der Kiel nicht im Schlamm festsaugte und diesmal die Erde Levje festhielt. Ich wartete einfach. Das Knacken war nicht mehr zu hören. Das Wasser stieg wieder. Eine Stunde später war Levjes Bauch fast wieder im Wasser.

Die Tide: Ich hatte mir alle möglichen Gedanken gemacht. Aber auf den Mond zu achten: Das hatte ich nicht. 

Die Türme: Ich besuchte sie am nächsten Tag. Neben einem herrlichen Rundblick auf den Hafen und heranziehende Regenschauer kann man von ihnen vor allem eines tun: Einen Blick von oben herunter werfen. Auf die Tide.

Quer durch Frankreich

Urlaub! Endlich! Endlich mal wieder etwas gemeinsam unternehmen, nach der langen Zeit, in der Sabrina, Filou und ich getrennt waren.
Da aus der Urlaubsfahrt mit Nomade wegen des Niedrigwassers ja nichts wurde, haben wir uns kurzerhand entschieden mit den Rädern auf der Eurovelo 6 ein Stück durch Frankreich zu fahren. Die Eurovelo 6 ist ein Radwanderweg, der vom Schwarzen Meer zum Atlantik führt und einen ganz kleinen Teil davon kannte ich bereits. Vor 2 Jahren, als ich mit EOS im Rhein-Rhône-Kanal festhing, bin ich ein Stück auf diesem Weg zusammen mit Michael von der WHITE HEAVEN geradelt. Ich weiß noch genau, wie ich damals gesagt habe: „Hier würde ich gerne mal irgendwann zusammen mit Sabrina entlang fahren.“

Aus dem „irgendwann“ ist dann eben dieser Urlaub geworden. Eigentlich viel zu knapp, was die Vorbereitung angeht, zumal ich wenige Tage vorher damit begonnen hatte, ein Fahrrad aus Bambus zu bauen und parallel dazu unsere Mountainbikes wegen eines Versuchs zu E-Bikes umgebaut hatte. Allerdings war nichts richtig fertig, die Räder teilweise zerlegt, Chaos pur. Sabrina und ich hatten also ganz gut zu tun, um alles unter einen Hut zu bekommen. Aber es hat mit ein paar Nachtschichten geklappt. Die Testfahrten habe ich dann tatsächlich immer Nachts gemacht und am 29. Juli waren wir unterwegs mit Sabrinas Renault Modus. Das Auto hat einen ziemlich interessanten Fahrradträger, der ohne den „Umweg Anhängerkupplung“ direkt mit der Karosserie verbunden ist. Entsprechend angenehm ist das Fahrverhalten mit den Rädern am Heck. Kein wippen, kein rappeln…
Filou hat die knapp 600 Kilometer bis kurz vor Basel überwiegend verschlafen. Er fährt mittlerweile richtig gerne Auto. Bequem hat er es auch. Ihm steht die gesamte Rücksitzbank zur Verfügung. Die Bank selbst ist allerdings noch mit einer gepolsterten Unterkonstruktion aus Multiplex eingeebnet. So hat er erstens mehr Liegefläche und liegt zweitens nicht schräg. Auf der Fahrt nach Dänemark im letzten Jahr ist ihm nämlich durch die blöde Liegeposition mal ein Bein eingeschlafen. Danach habe ich das Auto entsprechend umgebaut. Einen Gurt braucht er nun auch nicht mehr zu tragen, dafür ist jetzt ein Fangnetz verbaut.



Filou wird immer neugieriger auf Wasser…

Schön hier.

Als wir in Lörrach, kurz vor dem Dreiländereck, ankamen waren wir entsprechend entspannt. Nur die Hitze hat uns zu schaffen gemacht. Trotz Tarp und Schatten der Bäume ging bei deutlich über 30°C nicht mehr viel. Nachdem unser Basislager stand haben wir Siesta gemacht. Filou ist als Grieche ja hohe Temperaturen gewohnt, aber man hat gemerkt, dass ihm die Hitze ebenfalls zu schaffen macht. Im Wetterbericht für die Region wurden die vorhergesagten Temperaturen der nächsten Tage noch dazu täglich nach oben korrigiert. Als am Abend für den übernächsten Tag satte 38°C gemeldet waren, haben wir den Plan, die 350 Kilometer auf der Eurovelo 6 zu radeln, gekippt. Eigentlich wollten wir das Auto in Lörrach stehenlassen und bis Chalon-sur-Saône ausschließlich radeln und auf Campingplätzen übernachten. Bei solch hohen Temperaturen wäre das für uns und vor allem für Filou aber zu riskant gewesen. Er sitzt zwar die meiste Zeit im Hundeanhänger, aber auch der heizt sich trotz Belüftung auf. Über Asphalt kann man bei so einer Hitze auch keinen Hund mehr laufen lassen…
Also haben wir nach einer heißen Nacht (nicht was ihr jetzt denkt) am frühen morgen das Zelt abgebaut und bei Eckhard & Annemarie in L’Isle-sur-le-Doubs angerufen. Den beiden gehört ein Hotel am Rhein-Rhône-Kanal und der ein oder andere erinnert sich vielleicht an die Geschichten, die ich vor 2 Jahren erzählt habe. Damals lag ich wegen des Erdrutsches fast 3 Wochen direkt vor ihrem Hotel.
Wir wollten die beiden sowieso besuchen und eine Nacht dort bleiben und so sind wir kurzerhand mit dem Auto am Kanal entlang nach Westen gefahren, haben an einigen Stationen angehalten und uns die Orte angeschaut, die ich mit EOS damals besucht hatte. Ich wollte Sabrina unbedingt die weißen Bisamratten in Kembs zeigen. Von denen war sie damals ziemlich begeistert. Gefunden haben wir sie diesmal leider nicht. Wahrscheinlich war es ihnen auch zu heiß.
Also sind wir klimatisiert weiter, bis zum Hafen in Montbeliard. Dort haben wir etwas gegessen und sind ein schattiges Stück Eurovelo entlangspaziert.






Dann wieder weiter, bis wir am frühen Nachmittag schließlich dort waren, wo ich anscheinend nur bei Extremwetter lande, in L’Isle-sur-le-Doubs! Vor 2 Jahren der nasseste Sommer seit Generationen, diesmal der heißeste Sommer seit langer Zeit. Aber ich war froh, wieder hier zu sein. In dieser Gegend habe ich mich trotz des vielen Regens damals immer wohlgefühlt. Eine spannende und auch manchmal angespannte Zeit war das, als ich mit Michael wochenlang dort festhing und niemand uns sagen konnte wann es weiter geht. Aber trotz aller Schwierigkeiten war es eine unglaublich gute Zeit!
Und nun bin ich wieder hier. Ich freue mich riesig, Eckhard und Annemarie wiederzusehen und Sabrina fühlt sich gleich wie zu Hause. Wir bekommen ein sehr gemütliches Zimmer im Hotel und sind froh, dass es hier im Haus nicht so warm ist wie draußen.
Am Abend gehen wir zur Schleuse 25 und Filou badet zum ersten Mal in seinem Leben so richtig im Wasser. Er verliert schnell seine Scheu und hat nach einer Weile richtig Spaß daran, im flachen Doubs zu planschen.






Am nächsten Tag sind wir doch noch auf der Eurovelo 6 unterwegs. Wenigstens die Strecke bis Clerval wollen wir fahren und sind deshalb früh losgeradelt. Bevor die Sonne so richtig aufdreht, liegen knapp 40 sehr schöne Kilometer entlang des Kanals und des Doubs hinter uns. Der weitere Tag ist mit Siesta und weiterer Urlaubsplanung am Smartphone ausgefüllt. Da weiterhin keine Abkühlung in Sicht ist, buchen wir kurzfristig für eine Woche ein Apartment, in der einzigen Gegend weit und breit, in der es eigentlich nie zu heiß wird. Schlappe 930 Kilometer weiter westlich, am Atlantik!
Bevor es losgeht, verbringen wir noch einen sehr gemütlichen Abend mit Eckhard und Annemarie. Wir essen gemeinsam und plaudern bis spät am Abend. Es gibt so viel zu erzählen und die Zeit ist eigentlich viel zu kurz.

Als wir am folgenden Tag auf der Autobahn unterwegs sind, ist die Vorfreude riesig. Vor allem sind wir neugierig, wie Filou aufs Meer reagiert und gespannt, ob sich Port Medoc verändert hat!? Oh und dann ist da ja auch noch der Jakobsweg…

Weiter gehts…

Filou verschläft die Fahrt wieder überwiegend und nachem wir in Le Verdon die Klamotten ins Apartment gebracht haben, im Lebensmittelmarkt um die Ecke kurz vor Ladenschluss noch schnell eingekauft haben, geht es auf dem schnellsten Weg ans Meer. An den Strand, an den wir vor ein paar Jahren fast jeden Tag vom Boot aus zu Fuß gelaufen sind. Endlich wieder am Atlantik, endlich wieder in Le Verdon sur Mer!
Ein toller Abend war das, nach der langen Zeit wieder hier zu sein, in der Gegend, in der wir fast einen ganzen Sommer verbracht haben. In Le Verdon hatten wir eine der besten Zeiten überhaupt. Hier gab es Wendepunkte, hier haben wir weitreichende Entscheidungen getroffen. Zufällig sind wir im Sommer 2015 hier mit EOS gelandet, zufällig hier über den Jakobsweg gestolpert…

Und heute Abend sind wir endlich wieder hier, laufen zusammen über die kleine Düne und hören schon von weitem die Wellen brechen bevor wir sie sehen können. Als Filou keinen Asphalt mehr, sondern feinen Sand unter den Füssen hat, ist er plötzlich wie verwandelt. Filou ist sonst die Ruhe selbst. Immer gelassen, oft tiefenentspannt und wenn er mal spielen will, dann kaum länger als eine Minute. Jetzt streckt er den Kopf nach oben, schnuppert die salzige Luft und sprintet nach vorne. Er hüpft vor Freude, tanzt regelrecht umher und trommelt mit den Vorderpfoten auf den Sand. So etwas haben wir noch nie bei ihm gesehen. Er buddelt nicht, er schlägt einfach nur freudig mit den Pfoten auf den Sand, schaut zu uns, schaut zum Meer, wedelt wie irre, hüpft, tanzt, schaut wieder zum Meer. So eine langanhaltende Freude haben wir noch nie bei ihm gesehen. Wir hatten uns ja schon die ganze Zeit gefragt, was er wohl machen wird, wenn er das Meer wieder sieht. Schließlich ist er in Kilada ja direkt am Meer groß geworden, als er noch ein Streuner war. So eine ausgelassene Freude hätten wir allerdings nicht erwartet.

Endlich wieder am Meer!

Als wir am späten Abend wieder im Hotel sind, wissen wir, es war absolut richtig wieder hier her zu kommen.
In den nächsten Tagen lassen wir Filou ganz langsam immer mehr Raum. Was an vielen anderen Orten kaum noch möglich ist, geht hier ganz einfach. Das ist es, was wir in Frankreich unter anderem so sehr lieben. Die Gelassenheit.
Kaum ein Hund an der Leine, kein Gebell, keine Kommandos, kein Stress: „Laissez-faire“

Die Hunde sind hier ganz anders drauf als ich das von vielen Hunden in Zentraleuropa kenne. Sie sind keine zu kleinen Kindern erzogenen Haustiere, die viele Befehle ihrer Herrchen oder Frauchen verstehen, jedoch die ureigene Sprache nicht mehr „sprechen“. Die Hunde hier, sie sind einfach Hunde.
Wäre ich nicht Nico, sondern Filou, hätte ich hier in Le Verdon nach langer Durststrecke wohl folgendes gedacht: „Endlich wieder normale Leute!“

Diese „normalen Leute“ und ihre „normalen Leute“ lassen es zu, dass wir Filou den Raum geben können, den er zuletzt in Kilada hatte, als er noch frei war. Nicht nur Filou freut sich darüber, auch wir sind glücklich, ihn so zu sehen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie das war, als er in Griechenland nach ein paar Tagen bei mir geblieben ist, als er zu meinem besten Freund wurde. Er hätte wieder weggehen können, aber er lag irgendwann den ganzen Tag unterm Boot auf dem kleinen Teppich, den ich dort für ihn hingelegt hatte und hat auf mich gewartet. Er war froh, dass er endlich jemanden gefunden hatte.
Und so wie er damals immer wieder zurück gekommen ist, kommt er jetzt erst recht wieder.



























Wassersport!

Schöne Tage sind das, Tage am Strand, Ausflüge mit den Fahrrädern durchs Medoc, mit der Fähre rüber nach Royan, Zeit zum relaxen, Tage auf dem Jakobsweg.
Vor allem sind die Tage hier nicht so heiß wie mitten im Kontinent. Der Wind kommt wie fast immer in der Biskaya von Westen. Saubere Luft, kaum wärmer als das Wasser und als nach vielen schönen Erlebnissen der letzte Abend angebrochen ist, da zeigt sich die Biskaya noch einmal von ihrer seltensten Seite. Sie plätschert leise vor sich hin wie der Mahnensee in Rees bei Windstärke Eins. Null Dünung, Null Windsee!
Wer an diesem Abend zum ersten Mal die Biskaya sieht, wird enttäuscht sein oder sich zumindest wundern. Aber auch so kann sie sein. Ganz ruhig und zahm, wenn auch nur an ganz wenigen Tagen im Jahr.

Als Sabrina, Filou und ich schließlich Le Verdon verlassen, wissen wir: Irgendwann kommen wir wieder hierher…

Alle Fotos bis hier sind übrigens mit Film entstanden. Ich habe diesmal ganz bewusst die GH5 Zuhause gelassen und nur meine alte Canon AE-1 Program und 5 Filme mit auf die Reise genommen. Die Schwarzweißfotos habe ich diesmal selbst entwickelt und ganz schön geschwitzt dabei. Fürs erste Mal bin ich damit zufrieden.

Jetzt zeigen wir euch noch ein paar digitale Fotos, die mit Sabrinas Canon EOS 100D und dem 24mm Pancake entstanden sind. Sabrina hat diesmal ganz bewusst nur diese Festbrennweite mitgenommen.









Letzter Sonnenuntergang.

Sicherheit an Bord – Rettungshelfer

Zur Sicherheit auf See und einer erfolgreichen Rettung aus Seenot kann jedermann an Bord beitragen. Die Ausrüstung von Schiff und Crew spielt eine wesentliche Rolle. Verschiedene Rettungsmittel helfen dabei: individuelle Rettungsmittel oder auch persönliche Schutzausrüstung, kollektive Rettungsmittel sowie Signalmittel.
Moderne Elektronik hilft Wassersportlern und Berufsschifffahrt, die Kommunikation weltweit aufrecht zu erhalten. Dabei stehen verschiedene Systeme zur Auswahl, wie z.B. EPIRBs, SART, autonome Notsender etc.
Details zu den einzelnen Systemen werden in der Rubrik Ratgeber & Service im ADAC Skipperportal erläutert.

Info-Flyer Seefunk-Notruf

Vor Antritt des Törns sollten sich alle Crew-Mitglieder mit dem an Bord vorhandenen System vertraut machen und nach Bedienungsanleitung Funktionstests durchführen.
Um Hilfe beim Seefunk-Notverkehr zu geben, hat der Fachverband Seenot-Rettungsmittel einen Info-Flyer erstellt, auf dem alle wichtigen Formulierungen vermerkt sind. Der Flyer ist wasserfest laminiert und sollte für Notfälle gut sichtbar am Funkgerät bereitliegen. Interessierte können sich so einen Flyer kostenlos zuschicken lassen. Eine kurze Mail mit den Adressdaten an [email protected] genügt.

Weitere Infos zu Seenot-Rettungsmitteln gibt es auf der Seite des Fachverbands  fsr.de.com