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Die Straße von Gibraltar. Einhand gegen Wind und Strom.

Seit sechs Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum. 
Die Hälfte meiner Strecke markiert die Straße von Gibraltar – doch ich ahnte vorher nicht, was für ein merkwürdiger Ort die Meerenge ist.

Es ist nicht der Segler oder sein Boot, der bestimmt, was geschieht: Das Wetter und das Meer geben den Takt vor. Dies wissen und danach handeln sind zwei paar Stiefel. Eigentlich weiß ich das. Und doch ist es eine Lektion, die ich immer wieder neu lernen muss.

Mein Plan, die Strecke von 2.000 sm von Sizilien in die Bretagne zu segeln, war einfach gestrickt:

Sizilien-Balearen: 500 sm – bis Ende Mai
Balearen – Gibraltar: 500 sm – bis Ende Juni
Gibraltar – Nordwestspanien: 500 sm – bis Ende Juli
Nordspanien – Bretagne: 500sm – bis Ende August

Segeln braucht Zeit. Doch manchmal auch Eile, selbst wenn Segeln nichts für Hastige ist. Seit zwei Wochen war konstant Ostwind durch die Straße von Gibraltar geweht. Das hätte gereicht, um Levje gegen die vom Atlantik setzende Dauerströmung durch Meerenge nach Westen zu schieben. Doch am vergangenen Sonntag Abend um 23 Uhr sollte der Wind drehen:  Auf zwei Wochen Ostwind sollte eine Woche Westwind folgen. Entweder rutsche ich da an diesem Sonntag noch durch. Oder – wenn der Westwind stärker ausfallen würde, was in der engen Düse niemals auszuschließen war – säße ich mindestens 8 Tage am Eingang der Straße fest, um auf bessere Zeiten zu warten.

Von Fuengirola hinter Malaga, wo ich das Schiff der Columbus im letzten Post beschrieben hatte, kam ich am Sonntag später los, als ich wollte.

14.30 Uhr
Ich bereite mich auf die Passage vor. Und putze erstmal ausgiebig Levjes Sprayhood-Scheiben. Wenn alles gutgeht, werden wir den Felsen von Gibraltar gegen 19 Uhr passieren. Ich plane, mit dem letzten Hauch des Ostwinds in die Straße hineinzufahren. Und dann bis Mitternacht am Ausgang der Straße vor der Insel Tarifa zu sein. Eine Nachtfahrt also. Und wenn ich schon nachts durch „eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt“ stolpere, dann will ich das wenigstens mit sauberen Scheiben tun. „Freier Blick bis zum Mittelmeer“. 

Dann nehme ich mir das Internet vor. Die Informationen über die Meerenge für Segler sind ausgesprochen rar, schreibt eine Website. Doch soviel wird klar: Die Meerenge wartet mit mindestens einer Handvoll Überraschungen und Merkwürdigkeiten auf. 

Strömung: Weil das Niveau des Mittelmeeres 1,40 Meter niedriger ist als das des Atlantik, setzt eine mächtige Strömung von West nach Ost. Pro Tag laufen hier 1 Million Kubikmeter Meerwasser von links nach rechts. Und sorgen in der Straße für 3-4 Knoten Strömung.

Tide: Seit Venedig hatte ich keinen Tidenkalender mehr studiert. Hier tue ich es. Es sind zwar nur 70 Zentimeter Tidenhub für den Abend angesagt. Aber die müssen wir nicht auch noch gegen uns haben. Haben wir aber. Niedrigwasser Gibraltar 18.39 Uhr 

Wind: In der genau West-östlich verlaufenden Meerenge gibt es entweder Westwind. Oder Ostwind. Und gewechselt wird nicht täglich, sondern eher im Wochentakt.
Zudem: Weil Berge und nicht flache Küsten die Meerenge beidseits einrahmen, können aus 4 bft schnell 6 bft. werden. 

Gegen die Strömung? Gegen die Tide? Und dann noch gegen den Wind? Das geht gar nicht.

Wetter: Weil kältere Luftströme aus dem Atlantik beständig auf feuchtwarme Mittelmeer-Luft trifft, kann sich selbst im Sommer hier Nebel bilden. Also nur mit Radar da rein.

Flüchtlinge: An der engsten Stelle ist die Straße von Gibraltar am Westende nur 16 km breit. Vor allem bei unsichtigem Wetter sind hier viele Flüchtlingsboote unterwegs. Aber das sollte ich erst am nächsten Morgen hautnah erleben.

Vorschriften: Es besteht Hörpflicht auf VHF Kanal 10 für Gibraltar und Tarifa Traffic Control. Und wegen der Flüchtlingsboote wird im Kanal gern kontrolliert. Sicher nicht lustig, nachts per starkem Scheinwerfer angehalten zu werden.

Das ist für einen lauen Sonntag Nachmittag nicht erhebend. Ich denke an den Kinofilm DAS BOOT, in dem der Kaleu seinen Männern Mut macht, die schwerbewachte Straße von Gibraltar auf einem U-Boot zu durchbrechen. „Nur Mut Männer. Könnte klappen: So nah wie möglich ranfahren. Und dann einfach durchsacken und von der Strömung durchziehen lassen.“

Ich glaub’, so mach ichs auch! Einfach durchsacken und durchziehen lassen. Wenn Strom und Tide nicht gegen uns wären.

16 Uhr
Noch 22 Seemeilen. Im Dunst am Horizont taucht ein großes Bergmassiv auf. Das muss er sein. Gibraltar. Der Felsen. Das Ende des Mittelmeers.

17.30 Uhr
Noch 15 Seemeilen bis Gibraltar. Der Wind scheint plötzlich mit jedem Meter zuzulegen. Er weht nun in Böen bis 15 Knoten aus der Öffnung, obwohl das eigentlich erst ab 23 Uhr der Fall sein sollte? Ich sehe mir noch einmal den Wetterbericht an – zum xten Mal an diesem Nachmittag. Als ob das was ändern würde. Der Wind kommt fächerförmig aus der Meerenge auf uns zu – Basta. Ich starte den Motor, belege das Groß mittschiffs – das bringt Stabilität. Und einen halben Knoten Fahrt zusätzlich.

Der Felsen von Gibraltar von der Westseite.

19.45 Uhr
Kurz vorher schlief der Wind ein. Wir erreichen den Felsen von Gibraltar. Und robben uns zwischen den Ankerliegern noch näher an das Leuchtfeuer mit der dahinter errichteten Ibrahim-al-Ibrahim-Moschee. Was für ein Klotz von Moschee – fast wie die Hagia Sophia. Die Sonne scheint. Es ist immer noch warm. Ich bin aufgeregt. Und halte weiter Kurs geradewegs auf die Meerenge.

… und Europa-Point einlaufend von Osten.

Als der Felsen hinter uns liegt, herrscht ziemlicher Verkehr. Frachter, Fähren, Freizeitfischer: Es ist ja nicht nur Gibraltar, was den Verkehr anzieht. Sondern gleich westlich davon auch das spanische Hafen-Drehkreuz Algeciras. Containerkräne links. Containerkräne rechts. Ankerlieger kreuz und quer. Einlaufende, auslaufende Großschiffahrt. Ich muss ständig Ausweichmanöver fahren. Und dann der Schwell, der aus allen Richtungen kommt und Levje von einer Seite auf die andere purzeln lässt. 

Oder hat den Schwell gar nicht der Verkehr verursacht?

Zwanzig Minuten später haben wir die Bucht von Gibraltar fast hinter uns. Noch einmal ausweichen, weil die große Katamaranfähre von Algeciras nach Tanger angeschossen kommt – dann ists gut. Jetzt haben wir uns ein bisschen Frieden verdient.

Noch immer Windstille. Levjes Baum klappert und schlägt im heftigen Schwell. Ich sehe zweihundert Meter weiter, wie das Wasser aufgewühlt ist. Sieht merkwürdig aus. Doch es sind nicht nur „Zipfelmützen“, Verwirbelungen durch Strömung, die man an den hüpfenden Wellen erkennt. Hier weht Wind. Und zwar nicht zu knapp! Ich habe immer noch Vollzeug stehen. Levje legt sich sofort über, als die erste Böe uns erwischt. Natürlich Wind genau aus West – nix Ost. Nix 23 Uhr – „this is real“! 14 Knoten zeigt der Windmesser, dann 16. Und genau aus der Richtung, in die unser Kurs am Rand des Verkehrstrennungsgebietes führen soll.

Plötzlich ist es fühlbar kälter. Die Sonne, eben noch leuchtend hoch über den Bergen im Norden,  ist hinter einer Nebenbank verschwunden. Meine Hände sind kalt. Meine Welt wird grau, als hätte sich ein rieisiger Schatten über sie gelegt. Mir ist kalt. Von Osten, gegen den Wind, beginnen plötzlich Wellen zu laufen, als wollten sie mich weiter in die Öffnung schieben. Wieso von Hinten? Da war doch eben noch Windstille?

Ein merkwürdiger Ort. 

Ich überlege einen Moment, was ich tun soll. Genau gegenan? Laufen wir unter Motor nur noch 3,5 Knoten über Grund – nichts. Und das mit wild schlagendem Großsegel, wir stehen ja im Wind.  Als ich abfalle und das Großsegel mittschiffs eng belege, füllt es sich. Es geht etwas schneller. 4 Knoten. Doch die Böen von vorn werden heftiger. Hilft nichts. Eine Weile können wir den Kurs halten. Doch da vorn kommt eine Untiefe. Ich lasse Levje unter Autopilot weiterlaufen und hole mir blitzschnell einen Pullover von unten. 

An Deck alles unverändert. Alles grau. Wir machen kaum Fahrt. Klamme Nebelluft, wo eben noch sonneniger Abend war. Da: Die Untiefentonne. Wenn ich jetzt nicht wende, laufen wir weiter drauf zu. Also los. Alles klappt. Wieder hole ich das Groß ganz eng ran. Wir halten jetzt  rechts auf die Klippen zu. Aber was ist das? Wir haben unverändert 16 Knoten Gegenwind. Doch Levje läuft auf diesem Kurs plötzlich 7 Knoten, dann zeitweise über 8. Hat die Riesenkrake, die bis vor der Wende unter Levje hing und sie bremste, es sich anders überlegt? Nicht nur die Landschaft, nicht nur das Wetter: Der Abend erscheint mir gruselig. Ich denke daran, wie es für die ersten war, die hier entlang segelten: Griechen. Phönizier. Wer immer sie waren: Was sie wohl gedacht haben mögen? Endet bei den Säulen des Herakles die Welt? Beginnt hier die Anderwelt? Kommt hier bald der große Wasserfall, über den das Meer hinabstürzt? Es dauerte vermutlich Jahrhunderte, bis die ersten es schafften, um herauszufinden: Was kommt danach? Oder sind das nur meine Gedanken, allein hier draußen, während die Sonne im Nebel bleifarben hinter den Bergen untergeht?

Das dumpfe Tuten eines Großschiffes aus dem Dunst holt mich zurück in die Gegenwart. Meint der mich? Sind wir auf Kollisionskurs?? Nein, da hupt nur ein großes Containerschiff einen langsam kriechenden Stückgutfahrer im Verkehrstrennungsgebiet. Wir laufen jedenfalls auf diesem Kurs fast mit doppelter Fahrt. Irgendeine Strömung muss hier vor den Klippen sein, die wie das Kehrwasser eines Wildbachs plötzlich genau in der anderen Richtung läuft. Ich bin froh, denn meine geschätzte Ankunftszeit ist plötzlich kurz vor 22 Uhr. Ankommen gerade noch im Hellen.

Wir sind nun den Klippen recht nah. Der Wind ist unverändert. Ich denke an die nächste Wende. Gottseidank scheinen wir die schlimmste Strömung jetzt hinter uns zu haben. Doch kaum gewendet, kriechen wir wieder mit 3,5 Knoten dahin, obwohl die Logge über 6,5 Knoten Fahrt durchs Wasser anzeigt. Was ist das bloß? Hat sich die launische Riesenkrake unter dem Schiff wieder festgesaugt? Ankunftszeit ist plötzlich weit nach Mitternacht. Das kann ja heiter werden, hier bei Dunkelheit in klammer Kälte entlangzukrauchen.

Die Instrumente belegen es: Hoch am Wind 17,8 kn. Und gegen den Strom nah am Nordufer der Straße von Gibraltar mit 6,5 kn Speed über Grund.

Eine Böe kommt jetzt mit über 17 Knoten an. Der Westwind nimmt also weiter zu. Was war das bloß, dass wir vorhin auf dem anderen Bug so schnell waren? Ich habe keine Erklärung. Aber einen Geistesblitz: Wenns einmal funktioniert hat, funktionierts ein zweites Mal!“ Los. Wenden. Zuerst nichts. Doch einige Minuten später nimmt Levje wieder Fahrt auf. Erst 4, dann 5, dann plötzlich über 7 Knoten und in Spitzen über 8. Es ist eine rasende Fahrt, die achterliche Welle schiebt uns merklich. Und alles bei 14, 16 Knoten Wind von vorn. Anscheinend habe ich für meinen neuen Kurs wieder ein Kehrwasser erwischt. Tatsächlich: Ich habe Kurs gelegt auf die Ensenada Tolmo, auf die Klippen zu. Eine gut gesonnene Strömung schiebt uns schnell voran.

Das Spiel wiederholt sich. Kaum haben wir vor den Klippen die nächste Wende hinter uns, kriechen wir wieder mit 4,5 Knoten dahin. Noch einmal probiere ich mein Glück. Wende. Und wieder funktioniert es. Wir liegen von 17 Knoten Gegenwind voll auf der Backe, aber schießen mit 6, 7, kurzzeitig 8 Knoten über Grund dahin.

Meine Hände sind kalt, von der feuchten Kälte, die hier herrscht. Ich spurte ein zweites Mal nach unten, um mir meine Wollmütze zu holen. Und noch einen Pullover. Und die Segeljacke. Und kalte Füße hab ich auch. Verrückt. Heute Mittag bin ich in der größten Hitze losgefahren, um klimatisch am Abend einen Herbstsegler hinzulegen.

Kaum ist die nebelverhangene Sonne hinter den grün bemosten Bergrücken im Norden verschwunden, taucht vor uns im Dunst die Insel Tarifa auf. Noch eine Stunde. 

Zwei weitere Male funktioniert mein Strom/Gegenstrom-Spiel: Als es dunkel zu werden beginnt, habe ich den Hafen von Tarifa erreicht und berge Levjes Groß an der langen Hafenmauer, an deren Spitze ein segnender Jesus wie ein grimmiger Wächter aus Isengart von der Mauer aus dem milchigen Weiß heruntergrüßt. Ich laufe langsam in den Hafen von Tarifa ein, er ist vor allem Fähr- und Fischereihafen. Für Segler bietet er so gut wie nichts. Keinen Steg. Kein Infos.



Ein französisches Segelboot schaukelt einsam an der mannshohen Kaimauer. Ich lege mich in der anbrechenden Dunkelheit davor, kaum weiß ich, wie ich die mannshohe Kaimauer erklettern soll, um alle Festmacher und Springs anzubringen und Levje zu sichern. Während ich noch überlege, wie ich mein Boot hier am besten sichere, hält ein Polizeiwagen oben an der Kaimauer über mir. Ich rechne mit einem harschen Ton, und einem wieder rausgeschickt werden Und während ich in magerem Spanisch noch erkläre, woher ich komme, was ich hier tue, grinsen die beiden Polizisten über mein Radebrechen. Und nehmen meine Leinen an. Im Nu ist oben über mir alles fest. Levje schaukelt im Schwell. Und ich schlafe ein den Kopf voll mit der unmöglichen Geschichte, die ich heute erlebte.

Fischer am ‚Rio‘ Chone

Fr., 29.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1490, 13.337 sm von HH

Fischer soweit das Auge reicht. Auf der Jagd nach Garnelen, Wels und Thunfisch. Wieder andere sammeln Austern und kleine, schwarze Muscheln.
Der Rio Chone ist die ersten Kilometer ein schlanker Meeresarm gefüllt mit Brackwasser. Mit Süßwasser wird er durch den echten Rio Chone gespeist, eher ein Bach als ein richtiger Fluss. Durch den Gezeitenwechsel fühlen sich sowohl Salz- als auch Süßwasserfische wohl. Das ruft die Fischer auf den Plan. Den ganzen Tag fahren sie in ihren kleinen Booten an uns vorbei.

Das Ufer vom Chone fällt bei Ebbe großflächig trocken

Das Ufer vom Chone fällt bei Ebbe großflächig trocken

Schlickrutscher

Schlickrutscher

Fischer auf dem Chone

Fischer auf dem Chone

Einen Vater mit seinem Sohn können wir von der Brücke aus beobachten. Anderthalb Fische sind ihre mickrige Ausbeute. Nicht genug, um den Sprit für den Außenborder zu finanzieren.
Auf dem Markt kostet ein Kilo Garnelen 5 EUR. Fisch sogar nur 3 EUR. Unsere Beobachtung muss ein schlechtes Beispiel gewesen sein, anders ist es nicht zu erklären.

Viel Arbeit für 2 Fische

Viel Arbeit für 2 Fische

 

In unserem Dinghy haben wir mehrfach morgens einen toten Fisch und sogar schon eine Garnele gefunden. Die Fregattvögel und Pelikane hauen sich den ganzen Tag die Bäuche mit Fisch voll. Es scheint noch genug Fisch für alle zu geben.

‚Encebollado‘ ist das typische Gericht der Küstenbewohner in Ecuador. In einem kräftigen Sud aus Maniok (oder Yucca) plus roten Zwiebeln, Tomaten und Kreuzkümmel wird Thunfisch-Filet gegart.
Abgerundet wird mit frischem Koriander und es gibt ein Beutelchen frittierte Bananen-Chips dazu.
Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein kräftiges Mittagessen. Von unserem Ankerplatz aus können wir eine der ‚Encebollado‘-Buden beobachten. Bereits um 7:00 Uhr morgens findet die Suppe reichlich Abnehmer. Mittags um 12:00 ist der Laden bereits wieder geschlossen
Ein Selbsttest zeigt, dass Fischsuppe zum Frühstück gewöhnungsbedürftig ist. Schmackhaft, aber die falsche Tageszeit.

Gut besuchte Encebollado-Bude - hier gibt es den kleinen Teller für 2 USD

Gut besuchte Encebollado-Bude – hier gibt es den kleinen Teller für 2 USD

Fischsuppe zum Frühstück

Fischsuppe zum Frühstück

Das Brackwasser des Chone und anderer Flüsse an der Küste ist die ideale Voraussetzungen für die Garnelenzucht. Rechts und links des Chone steht nur noch ein schmaler Mangrovengürtel, der Rest wurde abgeholzt, um Platz für Zuchtbecken zu schaffen. In Ecuador sind bereits Zweidrittel der Mangrovenwälder vernichtet. Die Bauern, die vorher hier Landwirtschaft betrieben, wurden umgesiedelt. Wichtige Brutstätten für Jungfisch vernichtet. Ecuador ist einer der größten Garnelen-Lieferanten weltweit.

Aber es geht ein Ruck durch das Land. Vor ein paar Jahren wurde mit feinmaschigen Netzen vor der Küste Jagd auf Garnelen-Brut gemacht. Von diesem Wildfang überlebt nur knapp 50 Prozent, um zur erntefähigen Garnele zu wachsen. Heute werden die Becken mit Zucht-Jungtieren bestückt und der Bestand im offenen Ozean geschont. Es gibt vielerorts Bemühungen die Mangroven wieder aufzuforsten und einige Zuchtfarmen verzichten bereits komplett auf den Einsatz von Antibiotika.
Die moderne Garnelen-Zucht in Ecuador setzt auf ‚Öko-Siegel‘.

Mit dem Fahrrad unterwegs: Die Reihenhäuser der Fischer - aufgebrochene Straßen durch Erdbeben

Mit dem Fahrrad unterwegs: Die Reihenhäuser der Fischer – aufgebrochene Straßen durch Erdbeben

Fuengirola. Das Schiff des Mannes, der Indien suchte. Und Amerika fand.

Seit sechs Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum. 
Im Hafen des südspanischen Fuengirola stoße ich auf ein bemerkenswertes Schiff, das Geschichte schrieb. Und eine Reise, die die Welt veränderte.

Und plötzlich liegt sie da. Herausgefallen aus der Zeit, als wäre sie eben aus einer alten Handschrift in den Hafen im südspanischen Fuengirola gepurzelt. Ein fremder Körper, so ungewohnt und ungelenk sind ihre Proportionen. Das überhohe, steil steigende Vordeck. Das Achterdeck, das sich über die Welt hinausreckt. So ungewohnt ist der Anblick der Konstruktion, dass der Betrachter sich sorgt, der nächste Windhauch könne sie einfach im Hafen umkippen und mit gewaltigem Platscher kentern lassen. So etwas kam gelegentlich vor – und nicht bloß einmal. Noch 150 Jahre nach dem Schiff, das da vor mir liegt, sank die WASA auf diese Art vor Stockholm, nach nur einer dreiviertel Meile Jungfernfahrt im ersten Windhauch der Ostsee. Und riss knapp 50 Matrosen mit sich in die Tiefe. 

Doch das Schiff vor mir liegt stabil an der Pier. Als ich näherkomme, treffe ich auf wuchtige Hardware in Holz. Kein filigranes Schiff, eher ein Rammbock. Der massive Steven hat den Durchmesser eines Autoreifens, ein Baum, der diesen Durchmesser für Steven und Kiel liefert, der musste lange gesucht und dann weiß Gott wie herangeschafft, herangeschleift werden. 

Sie sieht aus, als könne nichts sie zertrümmern. Und nichts ihr etwas anhaben in ihrer hölzernen Wucht. Der Balken, auf dem der geschmiedete Eisenanker aufliegt. Das sich nach außen wölbende Vorschiff. Die Dicke der Seitenwände. Der Bau schwerer Fahrtenschiffe um 1492 herum war vermutlich von anderen Überlegungen geprägt als mit den vorhandenen Ressourcen sparsam umzugehen. Vielleicht war sie in ihrer massigen Art auch ein Einzelstück. Die Welt des ausgehenden Mittelalters, sie war eine Welt der Einzelstücke, der Unikate. Die Welt der Massenprodukte, die unseren Blick jeden Tag vom ersten Zähneputzen bis zum letzten Flimmern aus Netflix bestimmt, die Welt der massenhaft hergestellten uniformen immergleichen Dinge, aus denen unser Leben zu einem großen Teil besteht: Diese Welt war noch nicht einmal gedacht, geschweige denn erfunden.

Der historische Nachbau von Columbus Flaggschiff SANTA MARIA ist das Projekt einer Gruppe aus dem spanischen Huelva, die sich das Ziel setzte, einen möglichst akkuraten Nachbau des Schiffes anzufertigen, auf dem Columbus einst aus Huelva ablegte. Und meinte gen Indien zu segeln und dabei in Amerika ankam – ein Irrtum, den er Zeit seines Lebens wohl nie bemerkte. Oder nicht bemerken mochte. Diesem Irrtum verdanken wir vieles: So schöne Worte wie „Indianer“ oder „Barbecue“oder „Hurrican“. Und manch andere Dinge und Zeitgenossen, mit denen Amerika uns bis in diese Tage erfreut. 

Die Zahlen des historischen Nachbaus sind schnell genannt: Sie wiegt 200 Tonnen. 45 Kubikmeter westafrikanisches Iroko Holz waren nötig, um ihren Rumpf zu bauen. Sie trägt 300 Quadratmeter Segel, die über 3 Kilometer Tauwerk gehievt, gezerrt, geborgen werden. Das einfache Ruder allein beeindruckt wie der Rumpf durch die massive Bauart. Segeln zum Ende des Mittelalters und hinaus auf den Atlantik: Das war Hardware.

Auch ihre Bauweise beeindruckt: Keine Schrauben. Kein hochfester Kleber. Sondern ein Kunstwerk aus aufeinander gefugten Planken. Man fixierte sie in Zimmermannsart mit dicken und dünnen Holzdübeln auf das Spanntengerüst. Und gab der Konstruktion allein dadurch die gewünschte Steifigkeit. Der Geruch im Schiff nach Holz, das Knarrzen der Verbindungen, wenn unter dem schweren Holzkoloss eine achterliche Welle durchläuft: Man hört es nur beim bloßen Betrachten.

Columbus war gebürtiger Genuese, nach heutigen Maßstäben also Italiener, aber das war ebensowenig erfunden wie Motor, Schotwinsch oder Bugstrahlruder. Das Rigg ist einfach: Um  segeln zu können, brauchte die SANTA MARIA immer Wind von hinten. Jedenfalls aus achterlichen Richtungen. J mehr er seitlich kam oder gar von vorn, war sie hilflos wie ein alter Waschzuber aus Eiche, der hilflos mit den Wellen dümpelt. Kursänderungen waren also nur vor dem Wind möglich.

Columbus hatte sie sich nicht bauen lassen und auch nicht ausgesucht. Ein Finanzier seines Unternehmens hatte sie mitgebracht. LA GALLEGA hieß sie, die Galizierin, was seriöse Historiker zu dem Schluß verführt, sie sei möglicherweise in Galizien gebaut. Es könnte jedoch ebenso gut der allzu enge Kontakt eines Seemanns mit einer korpulenten Galizierin gewesen sein, der dem wuchtigen Schiff zu seinem Namen und ihr zu einem unehelichen Kind verhalf. Der Schalk, der war sehr wohl ein Kind des Mittelalters. 

Für sein Unternehmen, die geplante Fahrt nach Indien, hatte Columbus drei Schiffe zur Verfügung. Das Größte, eben La Gallega, hatte er sich als Flaggschiff ausgesucht. Keine 30 Meter maß sie, mit 8 Meter Breite und 3,50 Meter Tiefgang. Wären da nicht die überhohen Aufbauten und ihr enormes Gewicht: Sie schiene mit ihren Maßen tatsächlich den Tendenzen im modernen Charterschiffbau (über 60 Fuß Länge) näher als heutigen Forschungsschiffen. Und um sich des Schutzes des Himmels und des Wohlwollens der Priester für sein Unternehmen zu versichern, verzichtete er auf den profanen Namen einer allzu irdischen Frau zugunsten der einen Überirdischen: Er taufte das Schiff auf den Namen SANTA MARIA. Für den Fall, dass der Schutz des Himmels nicht ausreichte, führte das Schiff vier Kanonen mit sich. Gebete waren gut. Pulver war besser.

Als Columbus Anfang August 1492 aus dem westlichsten spanischen Hafen Huelva Richtung Kanaren aufbrach, waren knapp 40 Mann Besatzung notwendig, um die SANTA MARIA vom Fleck zu bewegen. Allein die schwere Pinne scheint mehrere Mann zur Bedienung benötigt zu haben. Wie sie segelte, wissen wir nicht. Und wie sie sich in der Welle verhielt, schon gleich gar nicht. Zu vermuten ist, dass sie mit den hohen Aufbauten bei Welle sehr zum Geigen neigte und vor allem in den oberen Stockwerken des Vor- und Achterkastells ungewöhnlich stark schwankte. Columbus selbst war offensichtlich über die Schwerfälligkeit seines dicken Flaggschiffes nicht glücklich, er äußert sich in seinen Logbüchern entsprechend. Für Forschungsreisen sei sie nicht geeignet, vertraut er nach zwei Monaten seinem Logbuch an. Von den Kanaren weg, kam die Santa Maria mit dem Passat jedoch flott voran. Und schneller als erwartet. Doch nach vier Wochen ununterbrochen auf See wich die Stimmung der Verzweiflung – denn ununterbrochen vier Wochen auf See: Das war noch keiner der Seeleute gewesen. Die Stimmung war gefährlich nahe an Meuterei, wenn man nicht sogleich umkehrte. Doch Columbus, der die große Kajüte des Achterkastells bewohnte und von dort aus abgeschirmt regierte, kannte sich im Umgang mit kleinmütigen Mitarbeitern offensichtlich aus. Er handelte sich immer wieder einen Zeitaufschub heraus. Und bewegte sich Meile für Meile auf sein Ziel Indien zu.

Nach der ersten Oktoberwoche war die Stimmung in der Mannschaft am kritischen Punkt. Wären da nicht zufällig ein paar frische Zweige und ein bearbeiteter Holzstab am Schiff vorbeigetrieben, die der Mannschaft neuen Mut gaben: Wer weiß, wie alles geendet hätte. Wenige Tage später sichtete ein Matrose vom Bug des kleineren Begleitschiffes Pinta aus Land. Guanahani nannten die Eingeborenen ihre Insel. San Salvador taufte sie Columbus.

Und die Santa Maria? Zweieinhalb Monate später, ausgerechnet in der Weihnachtsnacht, steuerte Columbus, ihr Kapitän sie vor Hispaniola, dem heutigen Haiti und Dom Rep, auf eine Sandbank. Wir wissen nicht, ob er es war oder ein unaufmerksamer Seemann die Schuld trägt: Es war eine handfeste Grundberührung. Sie konnte sich nicht mehr freiwarpen. Columbus ließ den Großteil seiner Männer, etwa 35, mangels Transportmöglichkeit auf der Insel zurück. 
Ob die 35 gerne die Insel gegen das schwankende Schiff eintauschten? Schließlich waren sie nicht allein. Indios lebten in unmittelbarer Nachbarschaft. Man konnte Handeln. Und würde nicht verhungern. Um ihnen Hoffnung zu geben, ließ er sie aus den Trümmern der Santa Maria eine erste spanische Siedlung in der neuen Welt mit dem Namen La Navidad errichten. 
Als Columbus ein Jahr später die Niederlassung auf seiner zweiten Reise erreichte, war die Siedlung zerstört. Er fand ihre Besatzung tot. Berichte überliefern, die Indios hätten die Siedlung und alles Leben darin ausgelöscht; wobei nicht klar ist, ob die grausame Aktion nicht durch vorherige Übergriffe der Spanier auf die Indios ausgelöst worden war.

Bleibt noch zu erwähnen, dass man 2014 vor Haiti eine aufregende Entdeckung machte: Die Reste des Wracks der SANTA MARIA. Ob sie das wirklich war? Das: Ist nun wirklich eine andere Geschichte.

In Granada. In den Gärten des Generalife.

Seit sechs Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum. Sechs Wochen auf dem Meer – da sollte ich eigentlich Wasser genug gesehen haben. Aber ausgerechnet am Land, in einer Stadt umgeben von schneebedeckten Bergen, holt mich die Faszination fürs Wasser wieder ein.

Natürlich könne ich mein Boot bei ihm in der Marina lassen, um nach Granada zu fahren, sagt Samuele, der Marinero im Hafen von Motril. Samuele ist Mitte 30. Ein junger Papa, der Verantwortung für eine Familie übernommen hat und hier im Hafen von Motril für die Marineros. Und die 250 Schiffe der Clubmitglieder, die hier liegen. Puerto de Motril: Wieder so ein netter Hafen, und wenn ich ihn nicht vergessen werde, dann liegt das sicher an Leuten wie Samuele oder Juan, dem Wirt des Ballena Azul. Als ich am Abend den langen Strand entlangwandere, entdecke ich sein Restaurant dahinter. Es ist Fußball-Weltmeisterschaft. Der „Blaue Wal“ ist wie leergefegt. Juan ist so alt wie Samuele, er spricht gebrochen englisch, als ich ihn frage, antwortet er schüchtern, doch auf achtsame Art. „In Pueto Motril? Ist es nur voll im Juli und August.“ Während er den Salat bringt, frage ich ihn, warum niemand außer mir am Strand oder im Restaurant. „ Die meisten, die hier in Puerto Motril Wohnungen besitzen, leben eigentlich in der nahegelegenen Stadt Motril. Nur fünf Minuten Autofahrt von hier. Sie leben 10 Monate in der Stadt. Sie könnten auch hier leben. Doch jetzt, am Samstag, da ist das Fest von San Juan. Da kommen die Leute von Motril und ziehen für Juli und August ans Meer. Dann habe ich keinen Tisch mehr frei um diese Zeit.“ Ob er und die Familie denn von den zwei guten Monaten im Ballena Azul leben könne? Juan: „Das ist hart, der Juli und der August. Meine Frau und ich stehen jeden Tag ab sechs in der Küche. Und wir gehen zwei Monate lang nicht vor eins ins Bett. Aber ab Ende August, da ist es dann wieder so wie jetzt in Motril. Still und verlassen.“

Wo mir in Samuele und Juan das neue Spanien begegnet, erlebe ich mit der Busreise ins eine Stunde entfernte Granada das alte Spanien, wie ich es 1983 war. Der Bus kommt. Doch wann und wo: Das sagt er nicht. Jedenfalls nicht, wie es der Fahrplan verheißt. Es war und ist eine Art Geheimwissenschaft, wo und wie in Spanien auf dem Land der Nahverkehr funktioniert, niedergeschrieben nicht mit geheimer Tinte, sondern von Busfahrern, die sich an der kreativen Neuauslegung des Fahrplans jeden Tag ergötzen. Nach einer halben Stunde wächst in mir die Ungeduld, und in mir begegnet mir das alte Deutschland: Ich werde knurrig. Das muss doch funktionieren. Als der dritte Bus an meiner Bushaltestelle vorüberfährt, nehme ich ein Taxi, das mich in die nächste Kleinstadt zum Bus nach Granada bringt, den ich gerade noch eben mit hängender Zunge erreiche.



Über Granada zu schreiben ist müssig. Es könnte allein ein Buch werden. Und wäre der Satz nicht so abgedroschen, würde ich schreiben: Über Granada liegt ein Zauber. Eine Stadt hoch in den Bergen, wo man keines von beiden vermutet. Klare, kühle Bergluft zieht die Hänge herunter statt der feuchtwarmen Schwüle am Meer. Ein Bachlauf unter Feigenbäumen inmitten der Altstadt, ich folge dem gewundenen Lauf an seinem Ufer über das steile Kopfsteinpflaster, bis ich unterhalb der Alhambra stehe. Und rechts einem kopfsteingepflastertem Steig nach oben folge. Die Alhambra und der danebenliegende Palast des Generalife sind eigentlich keine Festung. Sondern mehrere. Nicht ein Herrschersitz, sondern mehrere Paläste aus den unterschiedlichsten Zeiten. Und nicht der kleinste von ihnen, wurde errichtet für jenen Mann, der sich als Herrscher auch die Burg in Nürnberg umbauen ließ und sich in seinem dortigen Festsaal an die Decke schreiben ließ: „Über meinem Reich geht niemals die Sonne unter.“ Denn das Reich, dessen Last dieser Mann auf seinen Schultern trug, es reichte von Prag über Deutschland, Österreich, Norditalien, Holland bis Südamerika. Europa suchte und versuchte seine Einheit wieder und wieder – und in vielerlei Formen. Doch Karl. V., musste zusehen, wie die mühsam errungene Einheit zerbrach: Die konfessionelle Einheit. Und die territoriale. Karl V. zerbrach darüber. Müde des Regierens dankte er ab. Zog sich nach Spanien zurück ins Kloster von San Juste. Und reparierte Uhren dort bis an sein Lebensende, als wollte er wenigstens im Kleinen zum Funktionieren bringen, was ihm im Großen versagt geblieben war.

Ich lasse den Palast Karls rechts liegen. Und streife links, einer Laune folgend, in die Gärten des Generalife. Ich hadere gelegentlich mit mir, weil ich mich so gut wie nie vorbereite. Auf meinen Segeltörn um Europa nicht. Und auf meine Reisen im Kleinen wie heute in den Palast des Generalife nicht. Doch diesem Unvorbereitetsein wohnt der Zauber des Anfangs und des Staunens inne. Ich weiß nichts über die Gärten des Generalife, als ich durch das üppige Grün stolpere, weiß nur, dass es Mauren waren, die Paläste und Gärten errichteten. Ich wandere durch Rosengärten, an langen Hecken entlang, wundere mich, ob ich noch in Spanien bin, weil dies hier etwas ist, was weit über unsere Vorstellung hinausgeht. Ein 



Palast, den Mauren errichteten, und der in seiner Schönheit nicht von Oberflächen, sondern von  Proportionen lebt. Als ich ihn am Nachmittag mehrmals in weitem Bogen und unten im Tal umwandere und ihn von vielen Seiten sehe, bin ich immer wieder erstaunt: Mit seiner Strenge, seiner Schönheit steht er japanischen Vorbildern in nichts nach. Doch es waren Mauren im 13. Jahrhundert, die ihn und die umliegenden Gärten so anlegten. Schon einmal,



Anfang 20, war ich fasziniert von der Kultur der Mauren, dem gelehrten Islam, der sich in diesen Bauten zeigt und dem die Bilder verwehrt sind. Aus dieser Begeisterung heraus reiste ich nach Marokko, wo mich die Begegnung mit dem damaligen Fremdenhass schnell die Flucht ergreifen ließ. 

Was mich in den Gärten immer wieder anzieht, ist das vielfache Spiel mit – Wasser. Wasser, das in Spanien so kostbar ist. Wasser, das auch den Kalifen als etwas kostbares, als Luxus galt, ettliche Jahrhunderte, bevor Absolutismus und Rokoko Wasser in seinen Gärten für die Repräsentation kunstvoll zu nutzen wusste.



In den Gärten des Generalife, ausgerechnet oben auf dem Gipfel, wo der Palast steht, sprudelt und spielt es an unzähligen Stellen. Als kleine springende Wasserbögen. Als gurgelnder Bachlauf, der in ein Treppengeländer im Garten eingebaut ist. 



Als winziger Springbrunnen im Garten unter dem Baum mit den riesigen Magnolienblüten. Als gurgelndes Gefälle in einer moosbedeckten Nische im Garten der Sultanin. 



Ich bin nun seit acht Wochen unterwegs auf dem Meer. Wasser habe ich genug gesehen, könnte man denken, doch gerade nach Wochen in der Wasserwüste erscheint mir wie einem Beduinen kühles Süsswasser als eine Kostbarkeit. Ich wandere von einem Garten in den anderen. Und bin geplättet.



„Die Abenteuer beginnen, wenn wir unser Zuhause verlassen“. Dieser Satz steht nun vier Jahre über jedem neuen Post und über diesem Blog. Ich empfinde ihn richtiger denn je. Denn wie weit musste ich reisen, wieviele Seemeilen zurücklegen, um über etwas staunen zu können, ja es als Kostbarkeit zu empfinden: Was mich zuhause jeden Tag unbegrenzt umgibt. Vielleicht ist es das, warum ich Motril, Samuele und Juan ebensowenig vergessen werde wie die Gärten des Generalife.

Ankunftstermin

Samstag, 7. Juli, 16 Uhr, Yachthafen Wesel.

Wenn der Schleusenjohnny mich bis dahin nicht geregelt hat.
Eigentlich hatte ich den ganzen Mist mit den falsch gedrückten Knöpfen schon getippt, aber mich regt das zu sehr auf. Und ich hab keine Lust mehr, mich aufzuregen.
Hoffentlich drückt er morgen die richtigen Knöpfe, dann bin ich schon zufrieden…
Jedenfalls:
Wer dabei sein möchte, wenn Nomade ihren Heimathafen erreicht, schreibt bitte eine kurze Nachricht an uns, damit wir besser planen können: Kontakt

Ausflug nach Canoa

Mo., 25.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1486, 13.337 sm von HH

Mit dem Bus sind es 30 Minuten zum ’schönsten Strand‘ Ecuadors. Kann man das glauben? Wirbt doch jeder Ort, dass sein Strand der Schönste sei. Mit den Crews der Breakaway und Taitonga (den letzten bewohnten Schiffen vor Ort) wollen wir uns selber überzeugen.
Südamerikanisch üblich kommt alle paar Minuten ein Bus und für kleines Geld werden wir nach Canoa geschaukelt.

Der Tourismus, hauptsächlich kommen neben den Einwohnern Quitos noch Argentinier und Chilenen zum Urlaub machen, schläft. Der Strand ist abgesehen von ein paar Fischern noch leer. Wir sind zu früh. Die Sonne steckt noch hinter fetten Wolken. Vor Mittag wird sie es nicht schaffen ein paar wärmende Strahlen zu schicken. Ecuador ist ein Ferienparadies für Langschläfer.

Morgens gehört der Strand noch den Fischern

Morgens gehört der Strand noch den Fischern

 

Den Fischern ist das egal. Die ganze Familie ist wach, um das Boot mit vereinten Kräften ins Wasser zu rollen. Geschütze Buchten, gar einen Hafen gibt es nicht. Der achtzehn Kilometer lange Strand endet in Steilküste. Wer hier fischen will, muss durch die rollende Dünung. Flach steigt der Strand bei Ebbe an. Heute sei das Meer ruhig, erzählt mir ein Junge, der Hängematten vermietet. Bei ruhiger See werden hauptsächlich Shrimps gefangen, bei rauer See überwiegend Fisch.

Wellenbretter und kleine Buden mit Liegestühlen stehen zwischen den Fischerbooten

Wellenbretter und kleine Buden mit Liegestühlen stehen zwischen den Fischerbooten

Zwei bis drei Fischer sitzen im Boot, weitere zwei Jungs werden zum Anschieben durch die Wellen benötigt. Um ins tiefere Wasser zu gelangen, wird sich zuerst mit Stangen vorwärts gestakt bis der Außenborder in Wasser gelassen werden kann. Wehe dieser springt nicht gleich an. Die nächste Welle trägt das Boot sofort ins Flache zurück. Die Schiebe-Jungs müssen aufpassen, dass sie nicht überrollt werden. Der Außenborder-Mann muss aufpassen den Außenborder rechtzeitig wieder hochzuziehen. Man mag sich den Stress nicht bei rauer See vorstellen.

Die ganze Familie hilft mit

Die ganze Familie hilft mit

 

Einige haben nur Holzstämme zum vorwärts rollen

Einige haben nur Holzstämme zum vorwärts rollen

Komfortabler geht es mit einer Achse und zwei Rädern

Komfortabler geht es mit einer Achse und zwei Rädern

Jetzt kommt der Außenborder zum Einsatz

Jetzt kommt der Außenborder zum Einsatz

Wenn der Außenborder mal läuft, wird geschickt parallel zu den Wellen Speed aufgenommen. Eine Vermeintliche Lücke in der Brandung wird genutzt, um ins offene Wasser zu gelangen.
Jetzt schon wieder aufpassen: die ersten Wellensurfer sind bereits im Wasser.

Sportlich über die Brandung

Sportlich über die Brandung

Schwimmer müssen die Köpfe einziehen

Schwimmer müssen die Köpfe einziehen

Weiter im Norden Ecuadors sind 90% der männlichen Bevölkerung wirtschaftlich anhängig vom Fischfang. Alternative Arbeitsangebote gibt es kaum. Fast die Hälfte der Einwohner lebt unter der Armutsgrenze. Canoa bietet ein paar Möglichkeiten im Tourismus: Strandbude oder Wellenbrett- und Hängemattenverleih.
Beim Erdbeben vor zwei Jahren stürzten fast alle Bretterbuden an der sandigen Uferpromenade ein. Hilfe von der Regierung gab es zunächst nicht. Man wollte damit erzwingen, dass die Menschen sicher weiter im Landesinneren ansiedeln. Jetzt scheint sich die Lage etwas entspannt zu haben. Ein Ort mit Atmosphäre. Ein kultiger Mix aus Fischerdorf und Touristen-Meile.

Schönheiten liegen am Strand

Schönheiten liegen am Strand

Canoa - sympathischer Touristenort mit uriger Gelassenheit
Sanddollar
Canoa - mit der Sonne kommen die Gäste

Von Garrucha zum Cabo de Gata. Oder: Ein Boot hat keine Bremsen.

Für mein neues Buch bin ich auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne.
Und mache dabei Erfahrungen, die man nur macht, wenn man segelt.

Über das Reffen, das Verkleinern der Segelfläche, gibt es den schönen Satz: „Reffen soll man dann, wenn man zum ersten Mal dran denkt.“ Jeder Segler kennt ihn. Doch dessen tieferen Sinn, den hab ich nie verstanden. Bis vor wenigen Tagen.

Die spanische Küste ist so ganz anders, als ich es erwartet hatte. Nach den Erzählungen von Seglern hatte ich mir die 550sm als einen einzigen schnurgeraden, brettebenen Sandstrand, bedeckt von häßlichen Hochhäusern und unterbrochen von teueren Marinas ausgemalt. Nichts davon ist wahr. Jedenfalls das wenigste. Die Küste? Ist so abwechslungsreich, wie man es sich nur vom Anblick einer Küste wünschen kann. Markante Felsen wechseln mit beeindruckenden Gebirgszügen, vor denen dann auch tatsächlich kilometerlange und einsame Sandstrände in allen Farben liegen. Schnurgerade? So mag die spanische Küsten in den Atlanten aussehen. So ist sie aber gar nicht. Wie an keiner anderen Küste gibt es die großen Kaps, die mich seit Ibiza bis hierher begleiten und hinter denen man immer halbwegs gute Ankerplätze findet: Cabo Nao – mit dem Felsen von Calpe, über den ich schrieb. Cap del’Horta. Cabo de Santa Pola. Cabo de Palos. Cabo de Gata. Jedes dieser Kaps ist ein landschaftliches Highlight, an dem ich mich nicht sattsehen kann. Hochhäuser? Siehe meinen Post dazu. Überlaufene teuere Marinas? Ich bin Mitte Juni meist allein unterwegs. Die Marinas sind alles andere als überlaufen. Und teuer sind sie weder hier. Noch waren sie das auf den Balearen, wenn man nur in den PortsIB-Häfen nächtigt. Kein Vergleich zu dem, was man derzeit an Hochpreis-Küsten Costa Smeralda, Insel Ponza oder Teilen Kroatiens erlebt. Die Küste überrascht mich immer wieder mit ihrem Anblick, ihrer Verlassenheit, oder ihrer gelegentlich auch ihrer massierten Bebauung.

Ankern vor den Frachtern: Garrucha.

Auch die Häfen sind anders, als ich das aus den Erfahrungsberichten von Seglern auf der Reise gehört hatte und abwechslungsreich. Es gibt natürlich die touristischen Großorte wie Benidorm, die dann eben auch einen „Porto turistico“, wie es italienisch so schön heißt, mit dabei haben. Cartagena und Garrucha aber sind in erster Linie Industriehäfen, wo man im Vorhafen ungeniert neben der Großschiffahrt ankert. Und in Garrucha, wo mich um sieben die Förderbänder weckten, um die beiden Frachter zu beladen, begann um acht meine Reise an diesem Tag.

Der Wetterberichte hatte 20 Knoten aus Ost vorhergesagt. Genau das, was ich brauchte, um schnell nach Westen Richtung Gibraltar zu kommen und dieses Tor mit seiner Gegenströmung aus dem Atlantik gut zu passieren. Es sollte für sieben Tage beim Ostwind auf meiner Strecke so blieben, danach sollte der Wind wieder auf West drehen – und möglicherweise meine Weiterfahrt für Tage, wenn nicht mehr, durch die Straße von Gibraltar verzögern. Doch als ich am Morgen unter Segeln aus Garrucha ablegte, war vom Ostwind nichts zu spüren. Nur ein starker Schwell aus Nordost, der Levjes Baum so erbärmlich schlagen ließ, dass ich nach einer Viertelstunde  den Motor startete.

Gegen Mittag kam er langsam, der Wind. Er war lang im Bett geblieben. Spät aufgestanden. Und hatte Kräfte gesammelt. Erst 10 Knoten. Dann 12. Dann 14. Dann 18. Dann 20 Knoten. Er kam raumschots, ich konnte meine Kurslinie nicht halten, sondern steuerte mal nördlich, mal südlich davon, halste jede halbe Stunde, um mich nicht zu weit von der Kurslinie zu entfernen. Und weil alles gar so schön lief, ließ ich Vollzeug stehen.

Die Landschaft hinter den Industriehäfen von Carboneras ist menschenleer. Und einsam. Und so, als wäre ich plötzlich tief, tief in der menschenleeren Ostägäis gelandet. Kein Haus ist zu sehen. Kein Strauch. Kein Mensch. Levje rauschte die einsamen schwarzen Felsen entlang, die nur dem eine Freude sind, der die Einsamkeit sucht. Der Wind nahm zu, 22 Knoten, und meine erste Halse misslang – zuviele Dinge gleichzeitig. Das sollte bei diesen Windstärken nicht zweimal passieren. 

Einen Fehler machen im Leben ist nicht schlimm – man sollte ihn nur nicht zwei mal hintereinander machen. Ich überlegte, was ich anders machen könnte. Und wie ich die eine Winsch für Genua- und Großschot gleichzeitig einsetzen könnte. Es half ein simpler Trick: Ich betete mir einfach im Kopf die alten Manöver runter: „Klar zur Halse. Hol dicht die Großschot. Rund achtern. (Gib Stützruder). Fier auf die Großschot.“ Von außen sah das vermutlich urkomisch aus: Da war ein Mann in der Einsamkeit der schwarzen Berge auf einem Boot. Und redete wirres Zeug mit sich selber. Doch es half. Ich spielte das Mannöver vorher im Kopf durch. Probleme bereitet bei der Halse auf Levje, dass die Großschot ebenfalls über die Genuawinschen bedient werden musste. Doch mit einmal im Kopf durchdeklinieren war die rasche Folge schneller Schotwechsel auf der Winsch klar. 

24 Knoten tatsächlicher Wind. Für den, der mit dem Wind fährt, ist das ein reines Vergnügen. Ein gefühlt sanftes Windchen, das siebeneinhalb Tonnen wie durch einen Zauber in rauschende Fahrt versetzt. Ich weidete mich an dem Anblick, wie sich mein Schiff durch die Wellen bewegt. Zwischen den Felshängen kaum Welle, die unsere Fahrt aus dem Gleichgewicht bringen könnten, ließ ich Groß und Genua voll stehen. Levje stob ich durch die Wellen, wieder einmal bat ich sie still um Abbitte, weil ich sie, die von Masthöhe und Segeltragezahl leicht untertakelt ist, nach den anfänglichen ersten Schwachwind-Ausflügen auf der Nordadria enttäuscht als „Sie segelt wie eine Bratpfanne“ charakterisiert hatte. Doch für Windstärken wie vor Cabo de Gata ist Levje genau das richtige Schiff.



26 Knoten in der Spitze. Immer noch das reinste Vergnügen. Doch man vergisst zu leicht, wie schnell sich die Situation ändern kann, wenn man plötzlich nicht mehr mit dem Wind, sondern gegen ihn fährt. Die 26 Knoten fühlten sich mit meinen 7-8 Knoten rauschhafter Fahrt wie harmlose 18 Knoten an. Gegenan wären es über 30 Knoten: Statt 5 Beaufort von hinten plötzlich 7 Beaufort voll vorn. Ich vergaß das nicht. Mein Schiff lief vollkommen ruhig, zur Sicherheit setzte ich mich hinters Steuer und passte auf, dass der Autopilot, der das Schiff streng nach der Windfhne im Masttopp steuerte, nicht plötzlich den Dienst quittierte. In jedem Moment überlegte ich, was ich täte, wenn der Autopilot plötzlich fiepend ausfiele. Ich saß da. Mein Hirn rechnete wie ein Computer. Meine Seele saugte in sich auf, was ich sah. Ich wünschte wieder einmal, ich hätte eine Festplatte, damit ich alles und jedes, was ich in diesem Moment sah, in jedem kleinsten Detail in speichern könnte, damit ich es wie einen Film abrufen könnte. Jederzeit. Damit ich nicht vergesse.

Aus dem Augenwinkel nahm ich die Yacht vor mir war. Sie schien Probleme zu haben. Wendete unmittelbar vor dem Cabo de Gata. Stand mit killenden Segeln reglos im Wind. Drehte nach einer Weile ab. Um mit killenden Segeln den Weg, auf dem sie gekommen war, zurück zu motoren. Was für ein mühseliger Weg! Jetzt sah man, wie sich 6-7 Beaufort gegenan anfühlten. Das Schiff, das eben noch dahingeglitten war, war nun ein hilfloser Klotz in den Wellen, ein Stück Holz, das wehrlos auf und abgeworfen wurde in den Wellen und sich unter Motor mit 2-3 Knoten gegen die Kraft der Wellen durchboxen musste. Womöglich für Stunden.



Cabo de Gata in Sicht. Zwei rundgeschliffene riesige Felsen liegen wie Urzeit-Schildkröten versteinert rechts am Strand. Eine Radarstation in den Felsen. Sonst schwarze Felsen. Einsamkeit. Wind. Meer. 

Und die Wellen, die sich voraus noch mehr kabbelten. Ob es da am Kap vielleicht starke Strömungen gab, wie in der Straße von Messina, wo der stark ansteigende Meeresboden selbst an windstillen Tagen Zipfelmützen an der Meeresoberfläche aufwirft? Ich sah mir die Schaumkronen einen Moment an. Vor dem Kap herrschte einfach noch mehr Wind – das war die Antwort. Ich überlegte einen Moment. Ich hatte immer noch Vollzeug stehen. Jetzt wenden? Beidrehen? Und reffen? Zu eng an dieser Stelle. Zu wenig Lee. Zu ungewiss.

Blieb nur: Unter vollem Groß und voller Genua einfach weiterlaufen, was immer da vorne an Wind käme. Ich schaltete den Autopilot aus. Und übernahm das Steuer. Was immer dort auf mich zukam: Ich wollte selbst am Steuer stehen. Das Ruder bewegte sich wunderbar leicht, zu leicht, wie der YACHT-Tester damals befand, der gern mehr Ruderdruck spüren wollte. Doch ich war glücklich mit dem Rad, das ich selbst mit zwei Fingern steuern konnte.

Hättest Du bloß mal vorher gerefft!



Cabo de Gata. 28. 30 Knoten von achtern. Es war viel. Ich spürte das Prickeln in meinem Nacken. Ob noch mehr kommen würde? Jetzt bloß keinen Steuerfehler! Das Drahtstag über mir knackte. Der Mast gab kurze Geräusche. Laute, die ich noch nie gehört hatte, während Levje kurz von 9 auf 10 Knoten beschleunigte. Hoffentlich kommt da vorn nicht noch mehr Wind? Haben wir noch genug Tiefe unterm Kiel? 10 Meter sagte die Anzeige. Jetzt nur nirgends mit dem Ruder hängenbleiben, pinselte mein Hirn an die Wand. Was für eine irre Fahrt ist das denn, jubelten meine Sinne. Gottseidank keine brechenden Wellen, sie hätten uns gefährlich aus der Bahn werfen können. Und was für einer Bahn: Es war, als hätte man mein 7,5 Tonnen-Schiff in einen Wildwasser-Kanu-Kurs geworfen. Rauschend, wiegend schoß es nach vorn, ging es nach unten im Wildwasser, vorbei am Kap. Mein Schiff suchte sich selber seinen Weg, so hatte es den Anschein, zwischen Gischt und Strudeln und nahm ihn gelassen, als wäre alles nichts. Während ich klein, verloren am Steuerstand stand, vibrierend wie die Stagen über mir vor innerer Anspannung. Vor Freude. Vor Furcht. Vor Jubel über all das.

Keine 10 Minuten dauerte die rauschende Fahrt am Cabo de Gata. Dann fiel der Wind wieder auf 25 Knoten. Ob ich vorher gerefft hätte, wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet? Ich weiß es nicht. Selbst wenn die Erfahrung für mich einzigartig und neu war: Für ein Schiff sind 30 Knoten segelnd von achtern, wenn es in gutem Zustand ist, nichts Ungewöhnliches. Es erlebt zu haben, stärkte mein Vertrauen in mein Schiff ungeheuer. Ich habe für höhere Windstärken die richtige Takelage gewählt.



Ob man Vollzeug stehen lassen sollte? Darüber kann man streiten. Reffen soll man dann, wenn mans erste Mal dran denkt. WEIL MAN DANN NOCH DIE MÖGLICHKEIT DAZU HAT. Das ist der ungesagte, doch wichtigste Teil des Satzes. 

Doch ich bin froh, mein Schiff in dieser Situation erlebt zu haben. Ich habe mir die letzten Tage angewohnt, Manöver zu üben. Ablegen unter Segel ohne Motor. Ankern unter Segel ohne Motor. Ich habe gestern nach Cabo de Gata bei 25 Knoten beigedreht, um zu reffen. Und gehalst.

Am Ende bleibt: Mein Schiff und ich. Wir haben beide funktioniert in dieser Situation. Und wir hatten Glück. Das zählt.

Geschafft, ne doch nicht

Nomade vor der Scheitelhaltung.

Eigentlich sollte meine Einhandfahrt mit Nomade in Kelheim oder Umgebung zu Ende sein. Wer ab und zu mal auf unserer Facebook-Seite vorbei geschaut hat, wird mitbekommen haben, dass ich für Nomade allerdings keinen einzigen normalen Liegeplatz bekommen habe, seit ich in Deutschland bin. Die Gründe dafür waren vielfältig. Oft nachvollziehbar, weil zu flach, oder zu eng, manchmal auch nicht, bis hin zur Ablehnung von Segelbooten grundsätzlich.
Geschlafen habe ich jeweils immer ein paar Stunden an Schleusen oder Spundwänden. Auch dort war ich jedoch selten Willkommen. Ich musste viel diskutieren, wurde manchmal weggeschickt. Deggendorf war eine Ausnahme. Hier war ich beim WSA sehr Willkommen, man hat mir sogar die Gebühr für die Übernachtung erlassen. Leider war der Hafen recht flach und wegen des niedrigen Pegels hatte ich am Morgen meiner Abfahrt in Richtung Regensburg nur noch 10cm Wasser unterm Kiel.
Durch dieses vorletzte Stück Donau bin ich so gerade eben gekommen. Viel Wasser war dort nicht mehr. Am Vortag bin ich bei einer Begegnung mit einem schnellen Frachter innerhalb der Fahrrinne sogar auf Grund gelaufen, in dem Moment, als der Dicke das Wasser weggezogen hat.
Letztendlich war es mein Fehler, aus Unerfahrenheit in diesem schmalen Abschnitt. Ich hätte eben nicht gedacht, dass der Pegel während der Vorbeifahrt so drastisch sinken wird. Bei nachfolgenden Begegnungen habe ich mich deshalb mit den Frachtern manchmal abgesprochen und meinen Tiefgang durchgegeben. Dann haben sie entweder kurz gewartet, ich habe gewartet oder sie sind deutlich langsamer gefahren. Wirklich sehr rücksichtsvoll.

Die SVETI DIMITAR ist mir auch nochmal kurz begegnet. Das war eine Freude! In dem Moment wäre ich am liebsten umgedreht und mit den Jungs wieder runter nach Bulgarien gefahren.
Ja, ich bin nach den Erfahrungen in all den anderen Ländern ein wenig enttäuscht von der Gastfreundschaft auf der Donau in meinem Heimatland. Es gab Ausnahmen, keine Frage. Ich habe auch sehr nette Menschen getroffen, wie zum Beispiel Wolfgang & Evi, mit denen ich in einer Schleuse hochgefahren bin und die in Regensburg dann zu mir gekommen sind, um zu schauen ob ich etwas brauche.
Auch haben sich manche Hafenmeister wirklich bemüht. Der Wille war also so manches Mal da. Die Infrastruktur und die vielen Verbote sind allerdings von allen Ländern am Fluss hier am unangenehmsten für mich gewesen. Die Steganlagen oft filigran, manchmal in schlechtem Zustand, kaum Klampen oder Poller vorhanden, viel zu lange nicht mehr ausgebaggert, aber trotzdem wurden teilweise Preise aufgerufen, die passten eher zu Luxusmarinas in Südfrankreich oder der Türkei. Die Marina Saal im Industriegebiet von Kelheim hätte Nomade als einzige weit und breit übrigens tatsächlich für einen Monat (eher widerwillig) aufgenommen. Dafür hätte man dann gerne (Achtung, festhalten) 820 € gehabt!

Der Funkverkehr war für mich hier ebenfalls oft schwieriger als in Fremdsprachen woanders. Was da so mancher Schleusenmeister in hartem Dialekt in den Bart gemurmelt hat, war eine Katastrophe. Ich habe nix gegen Dialekte, im Gegenteil, ich mag das Bayerische sehr, aber auf UKW muss das nun wirklich nicht sein.
Die Ansagen der Revierzentrale waren ebenfalls oft unverständlich, weil man den Menschen abgeschafft und gegen eine Computerstimme ersetzt hat. Schrecklich.

Aber egal. Die Donau lasse ich mir davon nicht vermiesen!

Nomade hats geschafft! Sie ist so gut wie oben. Ich liege seit gestern Abend vor der Schleuse Bachhausen im Main-Donau-Kanal. Damit ist die Fahrt gegen den Strom beendet. Seit Tuzla liegen 1.533 Seemeilen, beziehungsweise 2.840 Kilometer über Grund im Kielwasser. Durchs Wasser waren es vermutlich 1 Drittel mehr. Werde ich vielleicht irgendwann mal ausrechnen. Wobei, was spielt das schon für eine Rolle!?
Morgen geht’s ein letztes Stück hoch. Dann fahren wir mit der Schleuse in die Scheitelhaltung, auf exakt 406 Meter über dem Meer. Dieses Stück Kanal ist der höchste Punkt in Europa, den man mit einem Schiff erreichen kann. Der Volvo atmet quasi Höhenluft!
Und Nomade hats geschafft! Hab ich schon gesagt, ich weiß.
Wir sind viel früher hier, als gedacht, viiieeel früher. Ich freue mich riesig!

Und jetzt?
Jetzt haben Sabrina und ich beschlossen, dass ich bis Wesel Einhand durchfahren werde. Alles andere macht keinen Sinn für uns. Der erste einigermaßen vernünftige Platz, um Nomade für ein paar Wochen zu parken und die Reise ab Ende Juli gemeinsam fortzusetzen, wäre fast am Ende des Kanals.
In Sabrinas Urlaub können wir dann besser woanders hin fahren…

Also auf nach Wesel!

Inspektion hab ich heute erledigt. Sieht alles gut aus. 90 Liter Diesel konnte ich ebenfalls mit dem Fahrrad von der Tanke holen und die Strecken- und Törnplanung hat ergeben: noch 815 Kilometer und 46 Schleusen bis nach Wesel.
Ich hoffe, die Strecke in etwa 2 Wochen schaffen zu können. Entscheidend wird sein, wie schnell ich durch die Schleusen auf dem Main komme, wie die Versorgung mit Diesel und Nahrung klappt…
Einen Ankunftstermin werde ich deshalb erst in zwei, drei Tagen festlegen, wenn die erste Etappe auf dem Main hinter mir liegt. Dann kann ich das besser abschätzen.

Und die Donau? Ach man, die Donau… Ich hatte kaum Zeit zu realisieren, was alles auf diesem Fluss passiert ist. So viel mehr, als ich hier erzählen konnte…
Ich vermisse die Donau. Beeindruckend, wie vielfältig sie ist, wie sich sich verändert, wie sich die Menschen am Ufer verändern, wenn man auf ihr durch den Kontinent fährt. Viele Wochen war ich fast jeden Tag unterwegs. Habe gesehen und gespürt, wie aus dem großen, breiten Strom ein schmales Flüsschen geworden ist, auf dem selbst Nomade kaum noch Wasser unterm Kiel hatte. Habe bis auf ganz wenige Ausnahmen eine Gastfreundschaft erlebt, wie selten irgendwo zuvor. In Baja (Ungarn) ist sogar ein Artikel in der dortigen Deutschen Zeitung erschienen, über die Segelyacht, die vom Schwarzen Meer kommt und die Donau hoch fährt.
Die Donau, sie war mein großes Abenteuer. Vielleicht eins der letzten Abenteuer, das man in Europa auf dem Wasser noch erleben kann.

Irgendwann will ich da wieder runter, zusammen mit Sabrina und Filou. Und dann überall etwas länger bleiben und all die lieben Menschen besuchen, die ich unterwegs getroffen habe und die mir so oft geholfen haben. Ich hoffe es gelingt eines Tages.

Klimapumpe Humboldtstrom

So., 24.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1485, 13.337 sm von HH

Grau, grau, grau, so zeigt sich jeden Tag der Himmel. Ständig sieht es nach Regen aus, ohne dass ein Tropfen fällt. Mittags kommt mal die Sonne durch für zwei, drei Stunden. Das bedeutet nicht automatisch, dass sich blauer Himmel zeigt. Die Wolkendecke reißt nicht auf, der Himmel bleibt auch in den guten Stunden milchig grau.
Die Temperaturen steigen nicht über 25 Grad. Luft und Wasser sind identisch. Achim, die alte Frostmemme, sitzt mit seinem dicksten Faserpelz im Cockpit. Ich komme noch mit einem langärmligen Shirt aus. Der ‚eiskalte‘ Wind lässt uns schaudern. Nachts kühlt es auf 20 Grad runter, Deckenpflicht. Also bitte, wir sitzen fast auf dem Äquator. Nur im Ort ist es deutlich wärmer, dort können wir uns eine Jacke sparen.

Frostgefühl bei 25 Grad

Frostgefühl bei 25 Grad

Wo sind wir bloß gelandet? Jetzt wo man es weiß, finden sich überall Hinweise. Selbst im Reiseführer lese ich die Warnungen: „An der Küste zeigt sich manchmal über Monate nicht die Sonne.“
Die niedrigen Temperaturen stören nicht, machen sie doch das Leben beim Kochen und Schlafen um einiges leichter. Die fehlende Sonne schlägt etwas aufs Gemüt.

Und wer ist schuld? Der Humboldtstrom. Ist ja nicht so, dass wir es nicht gewusst haben.
– Der Humboldtstrom fließ parallel zur Südamerikanischen Westküste. Check.
– Er ist 7 bis 8 Grad kälter als der offene Ozean auf gleicher Breite. War bekannt.
– Die Luft wird durch die niedrige Wassertemperatur ebenfalls abgekühlt. Logisch.
– Die kühle Luft über dem Meer kann nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen. Die für die Tropen typischen Regenfälle bleiben an Land aus. Ja, kannte man, schon von gehört, die trockensten Wüsten der Welt liegen in an der Westküste Südamerikas. Für unser Wohlbefinden eher uninteressant.
– Bedingt durch den Temperaturunterschied der Luftschichten kommt es häufig zu Nebel-und Wolkenbildung an der Küste. Aha, schön drüber weg gelesen, einfach ignoriert, nicht wahrgenommen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Vor zwei Jahren in Französisch Guyana haben wir uns noch den Hintern abgeschwitzt. Nur ein paar Kilometer nördlich des Äquators. Tropische Regengüsse, üppige Natur und feuchte Nächte erfüllten alle Tropen-Klischees. Ein faszinierender Unterschied.
Alexander von Humboldt war übrigens der erste, der einen Zusammenhang zwischen dem kalten Meeresstrom und er Wüstenbildung erkannte. Daher wurde das kalte Wasser aus der Antarktis nach ihm benannt.

Jetzt hängen wir also unter unserer privaten Dauerwolke. Zu ändern ist es nicht. Gene meint, dass es bald besser werden müsste. Im Sommer gäbe es mehr Sonnentage und Sommer beginnt ab Juni.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Dauerwolke über Bahía

Dauerwolke über Bahía

Folge 16 – Von Stockholm auf die Aland Inseln

Die Video-Episode

Eine neue Folge des Videologbuchs ist Online. Viel Spaß damit!
Unterstützt von

Die Suche nach einem Platz für die Nacht. Diesmal: Ankern unterm Leuchtturm.

Anders als erwartet, ist die spanische Südküste nicht flach und brett-eben, sondern von Gebirgen geformt. Und mit großen Kaps. Etwa 200 Seemeilen vor Gibraltar liegt das Cabo de Palos.

Der Tag war lang gewesen. Ich war erst Mittags aus dem Hafen von Alicante fortgekommen, hatte mich an diesem Samstag zu lange oben auf der Festung und dann im Gewusel der winkeligen Altstadt auf der Suche nach einem Bäcker und frischem Brot herumgetrieben. Der Hafen von Alicante kann überdies Zeit kosten: Es ist eine lange Ausfahrt, vorbei an den Hunderten Seglern und Motoryachten im Real Club Nautico, wo vor einem halben Jahr eine Etappe des VOLVO OCEAN RACE startete. Vorbei an den alten Schleppern. Hindurch zwischen der modernen Fregatte CASTILLIA, die heute Tag der offenen Tür hat und vor der ein paar Leute auf der Pier stehen. Und ihrer 200 Jahre alten Vorgängerin, dem still vor sich hinrottenden Nachbau der SANTISSIMA TRINIDAD, dem alten spanischen Linienschiff, das größten Kampfschiff seiner Zeit, das in der Schlacht von Cabo de Trafalgar von den Schiffen Lord Nelsons so viele Treffer einstecken musste, dass sie einen Tag später beim Versuch der Sieger, sie als Prise zu bergen und in den britischen Heimathafen Gibraltar zu schleppen, noch an den Trossen sank. Mit 150 spanischen Verwundeten in den untersten der 11 Stockwerke an Bord.

Noch immer beeindruckend in seiner Größe, selbst mit fehlendem Bugspriet und geknicktem Fockmast:
Der verfallende Nachbau der SANTISSIMA TRINIDAD im Hafen von Alicante.

Noch im Hafen, ein paar Meter hinter der SANTISSIMA TRINIDAD, setzte ich die Segel, eine milde Brise trieb uns die Küste genau nach Süden. Keine Welle. Keine Rauschefahrt. Nur dies stille Gleiten, als wäre Levje ein Schiff in der Luft. Und ihre siebeneinhalb Tonnen wären nichts als das Gewicht einer Feder, als verlöre die Schwerkraft jede Macht über sie. Als die Küste zurücksprang, hielt ich meinen Kurs nach Süden. Der Wind nahm zu, jetzt wurde es eine Rauschefahrt. Das schwere Schiff rollte mit den Wellen, die backbord leicht von achtern kamen, sie wiegte sich einfach mit den Wellen. Beschleunigte, wenn eine Welle anrollte und unter ihr durchrollte, mitgerissen von den Wassermassen. Bremste ab, wenn die Welle vom Heck bis zum Kiel unter ihr durchgelaufen war, als wäre sie in das Kehrwasser einer Störmung geraten. Ich überließ das Schiff dem Autopiloten und beobachtete fasziniert das Spiel der Wellen und was sie mit meinem Schiff trieben. Sah zu, wie aus der glatten See zuerst Wellen wurden. Wie sich auf den Wellen die ersten weißen Katzenköpfe zeigten, Schaumkronen, die sagen, dass der Wind nun kraftvoll genug ist, ein Segelschiff schnell voranzutrieben. Ich freute mich, wie mein Schiff sich durch die Wellen bewegt, und wie die Küste langsam hinter mir am Horizont verschwand.

Als die Sonne im Westen so tief stand und das Land wie den Scherenschnitt eines thailändischen Schattenspiel erleuchtete, war ich immer noch nicht fertig mit dem Beobachten. Die Seekarte mahnte. Zeit, einen Platz für die Nacht zu suchen. Was die Seekarte zeigte, waren alles Flachwasserhäfen in und um das Mar Menor, das „Kleinere Meer, das sich irgendwo am Horizont hinter der feinen Kontur des Scherenschnitts verbarg. Kleine Häfen, allesamt nicht geeignet für Levjes 2 Meter Tiefgang. Also um Cabo Palos herum in der Dämmerung, dahinter verbarg sich eine windabgewandte Bucht, das wäre der richtige Platz zum Ankern. Doch vorsichtig navigieren. Die braunen Felsen vor dem Kap schieben ettliche flache Felsbuckel als Ausläufer ins Meer hinaus, also jetzt vorsichtig sein.

Ein Zweimaster näherte sich von links, hinter den Inseln. Er schaukelte gemächlich in der Dünung Richtung Kap und rundete es vor mir, als die Sonne hinter einer Wolkenbank verschwand. Ich folgte ihm, er nahm Kurs auf die Bucht, er war größer als LEVJE, und breiter, und nahm Kurs auf die Bucht, die ich mir für die Nacht ausgekuckt hatte.

Anders als erwartet, doch wieso oft, hatte der Wind ums Kap gedreht. Sie lag alles andere als geschützt, die Wellen liefen genau in die Bucht. An Ankern war hier nicht zu denken, es würde eine unruhige Nacht werden. Doch der Zweimaster nahm selbstbewusst Kurs auf die verwinkelte Hafeneinfahrt, die sich hinter den Felsen zeigte. Das war doch auch nur ein Flachwasserhafen? Die Seekarte sagte, dass hier maximal 2 Meter Wassertiefe wären? Der Zweimaster war größer und schwerer und breiter als Levje? Wenn der sich da hinein wagte, käme ich mit Levje da sicher auch hinein. Und hätte einen geschützten Platz für die Nacht. Schnell startete ich in der anbrechenden Dämmerung den Motor, reffte zwischen Untiefen die Segel, und folgte dem Segler, der hinter der Kaimauer verschwunden war und plötzlichen zwischen den anderen Masten wie vom Erdboden verschluckt war. Ich folgte ihm langsam in die Hafeneinfahrt. Erst acht Meter. Dann sechs. Dann 3,60 Meter. Und kaum hatte ich die Nase in der Einfahrt, zeigte der Tiefenmesser 2,0 Meter. Nein, so wurde das nichts. Ich rechnete jeden Moment damit, dass Levjes Kiel mit einem Rums gleich auf dem Felsen aufsetzen würde.

So wurde das nichts. Für dieses eine Mal hatte meine Taktik, „wo ein Dicker reinkommt, komm’ ich locker rein“ nicht funktioniert. Manche Häfen musste man eben selber kennenlernen und konnte nicht rotzfrech einfach hinterherfahren. Der Zweimaster hatte uns jedenfalls in seiner Hafeneinfahrt von seinem Rumpf abgestreift wie eine lästige Entenmuschel.

Ich stoppte Levje, und tastete mich sachte rückwärts aus dem Hafen, aus der Sicherheit wieder hinaus in die anbrandenden Wellen in der Dämmerung. Und jetzt?  

Es war halb neun geworden. Die Sonne war hinter dem Ort verschwunden. Ich drehte vor dem Hafen im Schwell ratlos meine Kreise, während von den Tavernen Licht und fröhliches Stimmengewirr herüberklang. Das würde heute nichts werden für mich. Niemand da, den ich hätte fragen können.

Weitersegeln bis zur nächsten Großstadt, nach Cartagena? Es würde Mitternacht werden. Einen anderen Ankerplatz suchen? Wer segelt, sieht Buchten mit anderen Augen. Vor dem Cap mit dem Leuchtturm hatte ich – wo eigentlich nur Schwell und Wellen sein sollten – beim Passieren in einem Winkel vor dem Strand aus dem Augenwinkel eine glatte Wasseroberfläche bemerkt, wo nach aller Logik gar keine sein konnte. Ich beschloss, die 20 Minuten in der anbrechenden Nacht zwischen den Felsbuckeln hindurch zurückzufahren und dort meinen Platz zu suchen.

Gleich unter dem Leuchtturm von Cabo Palos fand ich ihn. Ein kleiner Sandstrand. 6 Meter Wassertiefe davor. Rasch ließ ich Levjes 20-Kilo Anker vorne ins Wasser platschen. Gab 25 Meter Kette. Zog dann prüfend nach hinten unter Motor. Erst zaghaft. Dann mit Gas. Er hielt. Gab noch einmal fünf Meter Kette. Der Anker hielt. Nun konnte, selbst wenn der Wind es wollte, die Welle in die Bucht stehen. Der Anker würde so lange halten, bis ich wach war. Und ich Levje unter Motor selbst Nachts notfalls aus der Bucht steuern konnte.

Ich schaute mich um. Der kubische zweistöckige Sockel des Leuchtturms. Auf jeder Seite acht Fenster. Die meisten Leuchttürme, die ich sah, sind längst verlassen. Es gibt keine Leuchtturmwärter mehr, anders als früher werden Leuchttürme längst nicht mehr bewohnt. Elektronik regelt alles. Doch an der mir zugewandten Nordseite des Leuchtturms, im oberen Stockwerk des Kubus, gingen drei Lichter an.

Wer hier wohl lebte? Gibt es noch Leuchttürme, die nicht ihr Licht vollautomatisiert in die Nacht schicken? Existierte da noch ein alter Leuchtturmwärter, der sich ausbedungen hatte, seinen Lebensabend hier verbringen zu dürfen, weil er doch sein Leben den Leuchttürmen gewidmet hatte? Der hier mit seiner Tochter lebte? Oder konnte man sich einfach, wie es auf manchen Inseln der Fall ist, in der Wohnung des Leuchtturmwärters einmieten? Ob ein Schriftsteller hier sein Schreibdomizil hatte?

Ich weißes nicht. Niemand zeigte sich in den offenstehenden Fenstern. Es war, als würde hier, unterm Leuchtturm dauerhaft jemand leben, während oben an der Spitze des schlanken Minaretts ein gleichmässig kreisender Strahl sein Licht wie einen langen Finger kreisend in die Weite deuten ließ.

Ich schlief beruhigt ein.

Bahía de Caráquez

Do., 21.Juni 18, Ecuador/Bahía de Caráquez, Tag 1482, 13.337 sm von HH

Bahía hat, wie gesagt, keine touristischen Highlights.
Das Dollste, was man im Ort machen kann, ist auf den Hausberg zu steigen. Dort steht ein überdimensionales Kreuz mit einer Wendeltreppe im Inneren.
Die Stufen zum Aussichts-Kreuz verheißen schon nichts Gutes. Auch hier hat das Erbeben vor zwei Jahren große Schäden hinterlassen.

Treppe zum Aussichts-Kreuz

Treppe zum Aussichts-Kreuz

Viel Zutrauen entwickeln wir nicht zu dem Kreuz. Mit Gott-Vertrauen versuchen wir unser Glück, der Rundblick scheint verlockend. Auf den seitlichen Auslegern rufen wir uns ‚Verhalten im Falle eines Erdbebens‘ ins Gedächtnis. Die Risse in der gesamten Konstruktion sind alarmierend.
Beinahe täglich soll es draußen vor der Küste rumpeln, wie diese interessante Seite verrät. Meistens sind es nur kleine Stöße, die am Festland kaum mehr zu spüren sind.

Aussichts-Kreuz mit Tücken

Aussichts-Kreuz mit Tücken

Kleines Ankerfeld im Rio Chone

Kleines Ankerfeld im Rio Chone

Bahía macht trotz (oder gerade wegen) seiner Schlichtheit Spaß. Die Menschen sind ultra freundlich, rufen ihre Hunde zurück, damit die nicht so auf uns einbellen, wenn wir sie passieren. Jede der Hütten am Berg hat mindestens zwei Hunde. Manchmal sogar eine ganze Handvoll.
Die Leute grüßen und winken als wir durch ihr Viertel kommen. Die meisten sind Mestizen, eine Mischung aus Ureinwohnern und Europäern. Schwarze sieht man kaum in Bahía.

Die Kirche ist aus rosa und hellblauem Wellblech - gewagtes Design

Die Kirche ist aus rosa und hellblauem Wellblech – gewagtes Design

Nur ungefähr 70% der Einwohner Ecuadors sind katholisch

Nur ungefähr 70% der Einwohner Ecuadors sind katholisch

Der Ort ist auffällig sauber, es gibt kaum Schmuddel-Ecken und selbst der Gemüse-Markt sieht ständig frisch gefegt aus. Die Preise sind niedrig (Ein Kilo Tomaten gibt es für 50 Cent), die Auswahl ist groß: Neben Radieschen und Brokkoli liegen die Exoten wie Maracuja und Drachenfrucht. Leinsamen, Sesam und Hülsenfrüchte aller Art werden lose angeboten. Alles ist frisch und knackig. Nur fünf Minuten Fußweg und ich bin im Einkaufshimmel. Wir zahlen das gleiche wie die Einheimischen, einen Langnasen-Aufschlag gibt es nicht.
Auf der anderen Seite der Marina gibt es einen großen Supermarkt, der nicht die größte Auswahl hat, aber doch genug, um zufrieden zu sein.
Die Menschen sind närrisch nach Fotos. Sobald ich meinen Fotoapparat hebe, wird gewunken und sich in Pose geworfen. Wer zufällig vor der Kirche steht und meine Knipserei mitbekommt, bedankt sich, dass ich ein Foto von ihn (? okay, kann man so sehen) gemacht habe.

Man achte auf den sauberen Fußboden auf dem Markt. Das haben wir schon ganz anders gesehen.

Man achte auf den sauberen Fußboden auf dem Markt. Das haben wir schon ganz anders gesehen.

Erdbeeren, Bohnen, Melonen, Brokkoli, der Markt gibt alles her

Erdbeeren, Bohnen, Melonen, Brokkoli, der Markt gibt alles her

Fußball können wir in einer Sports-Bar gucken und beim Friseur war ich ebenfalls schon.
Open-Air-Buden meide ich seit Mexiko  Unvergessen: Mexiko und wähle einen richtigen Salon neben dem Supermarkt. Für 11,50 USD gibt es Waschen, Schneiden, Föhnen, wie ein Aushang verspricht. Alles sieht nach europäischem Standard aus. Trotzdem bekomme ich die Haare mit kaltem Wasser gewaschen. Mein Misstrauen wächst. Die Friseurin lacht mich an als ich meine Brille auf die Ablage lege: „Oh, meine Augen sind auch schlecht, in der Nähe sehe ich nix“. Warum trägt sie dann keine Brille als sie anfängt zu schneiden? Ich erwarte eine Katastrophe.
Zu Unrecht. Ich meine, ich habe den besten Schnitt seit Lissabon. Geht doch. Bahía, ich glaube wir werden dicke Freunde.

Der erste gute Haarschnitt in Übersee
Schöner Platz für unsere Räder in der Marina
Kindergeburtstag und sofort wird gewunken