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In Granada. In den Gärten des Generalife.

Seit sechs Wochen bin ich nun für mein neues Buchprojekt 
auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne – einmal um die Küste Westeuropas herum. Sechs Wochen auf dem Meer – da sollte ich eigentlich Wasser genug gesehen haben. Aber ausgerechnet am Land, in einer Stadt umgeben von schneebedeckten Bergen, holt mich die Faszination fürs Wasser wieder ein.

Natürlich könne ich mein Boot bei ihm in der Marina lassen, um nach Granada zu fahren, sagt Samuele, der Marinero im Hafen von Motril. Samuele ist Mitte 30. Ein junger Papa, der Verantwortung für eine Familie übernommen hat und hier im Hafen von Motril für die Marineros. Und die 250 Schiffe der Clubmitglieder, die hier liegen. Puerto de Motril: Wieder so ein netter Hafen, und wenn ich ihn nicht vergessen werde, dann liegt das sicher an Leuten wie Samuele oder Juan, dem Wirt des Ballena Azul. Als ich am Abend den langen Strand entlangwandere, entdecke ich sein Restaurant dahinter. Es ist Fußball-Weltmeisterschaft. Der „Blaue Wal“ ist wie leergefegt. Juan ist so alt wie Samuele, er spricht gebrochen englisch, als ich ihn frage, antwortet er schüchtern, doch auf achtsame Art. „In Pueto Motril? Ist es nur voll im Juli und August.“ Während er den Salat bringt, frage ich ihn, warum niemand außer mir am Strand oder im Restaurant. „ Die meisten, die hier in Puerto Motril Wohnungen besitzen, leben eigentlich in der nahegelegenen Stadt Motril. Nur fünf Minuten Autofahrt von hier. Sie leben 10 Monate in der Stadt. Sie könnten auch hier leben. Doch jetzt, am Samstag, da ist das Fest von San Juan. Da kommen die Leute von Motril und ziehen für Juli und August ans Meer. Dann habe ich keinen Tisch mehr frei um diese Zeit.“ Ob er und die Familie denn von den zwei guten Monaten im Ballena Azul leben könne? Juan: „Das ist hart, der Juli und der August. Meine Frau und ich stehen jeden Tag ab sechs in der Küche. Und wir gehen zwei Monate lang nicht vor eins ins Bett. Aber ab Ende August, da ist es dann wieder so wie jetzt in Motril. Still und verlassen.“

Wo mir in Samuele und Juan das neue Spanien begegnet, erlebe ich mit der Busreise ins eine Stunde entfernte Granada das alte Spanien, wie ich es 1983 war. Der Bus kommt. Doch wann und wo: Das sagt er nicht. Jedenfalls nicht, wie es der Fahrplan verheißt. Es war und ist eine Art Geheimwissenschaft, wo und wie in Spanien auf dem Land der Nahverkehr funktioniert, niedergeschrieben nicht mit geheimer Tinte, sondern von Busfahrern, die sich an der kreativen Neuauslegung des Fahrplans jeden Tag ergötzen. Nach einer halben Stunde wächst in mir die Ungeduld, und in mir begegnet mir das alte Deutschland: Ich werde knurrig. Das muss doch funktionieren. Als der dritte Bus an meiner Bushaltestelle vorüberfährt, nehme ich ein Taxi, das mich in die nächste Kleinstadt zum Bus nach Granada bringt, den ich gerade noch eben mit hängender Zunge erreiche.



Über Granada zu schreiben ist müssig. Es könnte allein ein Buch werden. Und wäre der Satz nicht so abgedroschen, würde ich schreiben: Über Granada liegt ein Zauber. Eine Stadt hoch in den Bergen, wo man keines von beiden vermutet. Klare, kühle Bergluft zieht die Hänge herunter statt der feuchtwarmen Schwüle am Meer. Ein Bachlauf unter Feigenbäumen inmitten der Altstadt, ich folge dem gewundenen Lauf an seinem Ufer über das steile Kopfsteinpflaster, bis ich unterhalb der Alhambra stehe. Und rechts einem kopfsteingepflastertem Steig nach oben folge. Die Alhambra und der danebenliegende Palast des Generalife sind eigentlich keine Festung. Sondern mehrere. Nicht ein Herrschersitz, sondern mehrere Paläste aus den unterschiedlichsten Zeiten. Und nicht der kleinste von ihnen, wurde errichtet für jenen Mann, der sich als Herrscher auch die Burg in Nürnberg umbauen ließ und sich in seinem dortigen Festsaal an die Decke schreiben ließ: „Über meinem Reich geht niemals die Sonne unter.“ Denn das Reich, dessen Last dieser Mann auf seinen Schultern trug, es reichte von Prag über Deutschland, Österreich, Norditalien, Holland bis Südamerika. Europa suchte und versuchte seine Einheit wieder und wieder – und in vielerlei Formen. Doch Karl. V., musste zusehen, wie die mühsam errungene Einheit zerbrach: Die konfessionelle Einheit. Und die territoriale. Karl V. zerbrach darüber. Müde des Regierens dankte er ab. Zog sich nach Spanien zurück ins Kloster von San Juste. Und reparierte Uhren dort bis an sein Lebensende, als wollte er wenigstens im Kleinen zum Funktionieren bringen, was ihm im Großen versagt geblieben war.

Ich lasse den Palast Karls rechts liegen. Und streife links, einer Laune folgend, in die Gärten des Generalife. Ich hadere gelegentlich mit mir, weil ich mich so gut wie nie vorbereite. Auf meinen Segeltörn um Europa nicht. Und auf meine Reisen im Kleinen wie heute in den Palast des Generalife nicht. Doch diesem Unvorbereitetsein wohnt der Zauber des Anfangs und des Staunens inne. Ich weiß nichts über die Gärten des Generalife, als ich durch das üppige Grün stolpere, weiß nur, dass es Mauren waren, die Paläste und Gärten errichteten. Ich wandere durch Rosengärten, an langen Hecken entlang, wundere mich, ob ich noch in Spanien bin, weil dies hier etwas ist, was weit über unsere Vorstellung hinausgeht. Ein 



Palast, den Mauren errichteten, und der in seiner Schönheit nicht von Oberflächen, sondern von  Proportionen lebt. Als ich ihn am Nachmittag mehrmals in weitem Bogen und unten im Tal umwandere und ihn von vielen Seiten sehe, bin ich immer wieder erstaunt: Mit seiner Strenge, seiner Schönheit steht er japanischen Vorbildern in nichts nach. Doch es waren Mauren im 13. Jahrhundert, die ihn und die umliegenden Gärten so anlegten. Schon einmal,



Anfang 20, war ich fasziniert von der Kultur der Mauren, dem gelehrten Islam, der sich in diesen Bauten zeigt und dem die Bilder verwehrt sind. Aus dieser Begeisterung heraus reiste ich nach Marokko, wo mich die Begegnung mit dem damaligen Fremdenhass schnell die Flucht ergreifen ließ. 

Was mich in den Gärten immer wieder anzieht, ist das vielfache Spiel mit – Wasser. Wasser, das in Spanien so kostbar ist. Wasser, das auch den Kalifen als etwas kostbares, als Luxus galt, ettliche Jahrhunderte, bevor Absolutismus und Rokoko Wasser in seinen Gärten für die Repräsentation kunstvoll zu nutzen wusste.



In den Gärten des Generalife, ausgerechnet oben auf dem Gipfel, wo der Palast steht, sprudelt und spielt es an unzähligen Stellen. Als kleine springende Wasserbögen. Als gurgelnder Bachlauf, der in ein Treppengeländer im Garten eingebaut ist. 



Als winziger Springbrunnen im Garten unter dem Baum mit den riesigen Magnolienblüten. Als gurgelndes Gefälle in einer moosbedeckten Nische im Garten der Sultanin. 



Ich bin nun seit acht Wochen unterwegs auf dem Meer. Wasser habe ich genug gesehen, könnte man denken, doch gerade nach Wochen in der Wasserwüste erscheint mir wie einem Beduinen kühles Süsswasser als eine Kostbarkeit. Ich wandere von einem Garten in den anderen. Und bin geplättet.



„Die Abenteuer beginnen, wenn wir unser Zuhause verlassen“. Dieser Satz steht nun vier Jahre über jedem neuen Post und über diesem Blog. Ich empfinde ihn richtiger denn je. Denn wie weit musste ich reisen, wieviele Seemeilen zurücklegen, um über etwas staunen zu können, ja es als Kostbarkeit zu empfinden: Was mich zuhause jeden Tag unbegrenzt umgibt. Vielleicht ist es das, warum ich Motril, Samuele und Juan ebensowenig vergessen werde wie die Gärten des Generalife.

Ankunftstermin

Samstag, 7. Juli, 16 Uhr, Yachthafen Wesel.

Wenn der Schleusenjohnny mich bis dahin nicht geregelt hat.
Eigentlich hatte ich den ganzen Mist mit den falsch gedrückten Knöpfen schon getippt, aber mich regt das zu sehr auf. Und ich hab keine Lust mehr, mich aufzuregen.
Hoffentlich drückt er morgen die richtigen Knöpfe, dann bin ich schon zufrieden…
Jedenfalls:
Wer dabei sein möchte, wenn Nomade ihren Heimathafen erreicht, schreibt bitte eine kurze Nachricht an uns, damit wir besser planen können: Kontakt

Von Garrucha zum Cabo de Gata. Oder: Ein Boot hat keine Bremsen.

Für mein neues Buch bin ich auf Levje unterwegs von Sizilien in die Bretagne.
Und mache dabei Erfahrungen, die man nur macht, wenn man segelt.

Über das Reffen, das Verkleinern der Segelfläche, gibt es den schönen Satz: „Reffen soll man dann, wenn man zum ersten Mal dran denkt.“ Jeder Segler kennt ihn. Doch dessen tieferen Sinn, den hab ich nie verstanden. Bis vor wenigen Tagen.

Die spanische Küste ist so ganz anders, als ich es erwartet hatte. Nach den Erzählungen von Seglern hatte ich mir die 550sm als einen einzigen schnurgeraden, brettebenen Sandstrand, bedeckt von häßlichen Hochhäusern und unterbrochen von teueren Marinas ausgemalt. Nichts davon ist wahr. Jedenfalls das wenigste. Die Küste? Ist so abwechslungsreich, wie man es sich nur vom Anblick einer Küste wünschen kann. Markante Felsen wechseln mit beeindruckenden Gebirgszügen, vor denen dann auch tatsächlich kilometerlange und einsame Sandstrände in allen Farben liegen. Schnurgerade? So mag die spanische Küsten in den Atlanten aussehen. So ist sie aber gar nicht. Wie an keiner anderen Küste gibt es die großen Kaps, die mich seit Ibiza bis hierher begleiten und hinter denen man immer halbwegs gute Ankerplätze findet: Cabo Nao – mit dem Felsen von Calpe, über den ich schrieb. Cap del’Horta. Cabo de Santa Pola. Cabo de Palos. Cabo de Gata. Jedes dieser Kaps ist ein landschaftliches Highlight, an dem ich mich nicht sattsehen kann. Hochhäuser? Siehe meinen Post dazu. Überlaufene teuere Marinas? Ich bin Mitte Juni meist allein unterwegs. Die Marinas sind alles andere als überlaufen. Und teuer sind sie weder hier. Noch waren sie das auf den Balearen, wenn man nur in den PortsIB-Häfen nächtigt. Kein Vergleich zu dem, was man derzeit an Hochpreis-Küsten Costa Smeralda, Insel Ponza oder Teilen Kroatiens erlebt. Die Küste überrascht mich immer wieder mit ihrem Anblick, ihrer Verlassenheit, oder ihrer gelegentlich auch ihrer massierten Bebauung.

Ankern vor den Frachtern: Garrucha.

Auch die Häfen sind anders, als ich das aus den Erfahrungsberichten von Seglern auf der Reise gehört hatte und abwechslungsreich. Es gibt natürlich die touristischen Großorte wie Benidorm, die dann eben auch einen „Porto turistico“, wie es italienisch so schön heißt, mit dabei haben. Cartagena und Garrucha aber sind in erster Linie Industriehäfen, wo man im Vorhafen ungeniert neben der Großschiffahrt ankert. Und in Garrucha, wo mich um sieben die Förderbänder weckten, um die beiden Frachter zu beladen, begann um acht meine Reise an diesem Tag.

Der Wetterberichte hatte 20 Knoten aus Ost vorhergesagt. Genau das, was ich brauchte, um schnell nach Westen Richtung Gibraltar zu kommen und dieses Tor mit seiner Gegenströmung aus dem Atlantik gut zu passieren. Es sollte für sieben Tage beim Ostwind auf meiner Strecke so blieben, danach sollte der Wind wieder auf West drehen – und möglicherweise meine Weiterfahrt für Tage, wenn nicht mehr, durch die Straße von Gibraltar verzögern. Doch als ich am Morgen unter Segeln aus Garrucha ablegte, war vom Ostwind nichts zu spüren. Nur ein starker Schwell aus Nordost, der Levjes Baum so erbärmlich schlagen ließ, dass ich nach einer Viertelstunde  den Motor startete.

Gegen Mittag kam er langsam, der Wind. Er war lang im Bett geblieben. Spät aufgestanden. Und hatte Kräfte gesammelt. Erst 10 Knoten. Dann 12. Dann 14. Dann 18. Dann 20 Knoten. Er kam raumschots, ich konnte meine Kurslinie nicht halten, sondern steuerte mal nördlich, mal südlich davon, halste jede halbe Stunde, um mich nicht zu weit von der Kurslinie zu entfernen. Und weil alles gar so schön lief, ließ ich Vollzeug stehen.

Die Landschaft hinter den Industriehäfen von Carboneras ist menschenleer. Und einsam. Und so, als wäre ich plötzlich tief, tief in der menschenleeren Ostägäis gelandet. Kein Haus ist zu sehen. Kein Strauch. Kein Mensch. Levje rauschte die einsamen schwarzen Felsen entlang, die nur dem eine Freude sind, der die Einsamkeit sucht. Der Wind nahm zu, 22 Knoten, und meine erste Halse misslang – zuviele Dinge gleichzeitig. Das sollte bei diesen Windstärken nicht zweimal passieren. 

Einen Fehler machen im Leben ist nicht schlimm – man sollte ihn nur nicht zwei mal hintereinander machen. Ich überlegte, was ich anders machen könnte. Und wie ich die eine Winsch für Genua- und Großschot gleichzeitig einsetzen könnte. Es half ein simpler Trick: Ich betete mir einfach im Kopf die alten Manöver runter: „Klar zur Halse. Hol dicht die Großschot. Rund achtern. (Gib Stützruder). Fier auf die Großschot.“ Von außen sah das vermutlich urkomisch aus: Da war ein Mann in der Einsamkeit der schwarzen Berge auf einem Boot. Und redete wirres Zeug mit sich selber. Doch es half. Ich spielte das Mannöver vorher im Kopf durch. Probleme bereitet bei der Halse auf Levje, dass die Großschot ebenfalls über die Genuawinschen bedient werden musste. Doch mit einmal im Kopf durchdeklinieren war die rasche Folge schneller Schotwechsel auf der Winsch klar. 

24 Knoten tatsächlicher Wind. Für den, der mit dem Wind fährt, ist das ein reines Vergnügen. Ein gefühlt sanftes Windchen, das siebeneinhalb Tonnen wie durch einen Zauber in rauschende Fahrt versetzt. Ich weidete mich an dem Anblick, wie sich mein Schiff durch die Wellen bewegt. Zwischen den Felshängen kaum Welle, die unsere Fahrt aus dem Gleichgewicht bringen könnten, ließ ich Groß und Genua voll stehen. Levje stob ich durch die Wellen, wieder einmal bat ich sie still um Abbitte, weil ich sie, die von Masthöhe und Segeltragezahl leicht untertakelt ist, nach den anfänglichen ersten Schwachwind-Ausflügen auf der Nordadria enttäuscht als „Sie segelt wie eine Bratpfanne“ charakterisiert hatte. Doch für Windstärken wie vor Cabo de Gata ist Levje genau das richtige Schiff.



26 Knoten in der Spitze. Immer noch das reinste Vergnügen. Doch man vergisst zu leicht, wie schnell sich die Situation ändern kann, wenn man plötzlich nicht mehr mit dem Wind, sondern gegen ihn fährt. Die 26 Knoten fühlten sich mit meinen 7-8 Knoten rauschhafter Fahrt wie harmlose 18 Knoten an. Gegenan wären es über 30 Knoten: Statt 5 Beaufort von hinten plötzlich 7 Beaufort voll vorn. Ich vergaß das nicht. Mein Schiff lief vollkommen ruhig, zur Sicherheit setzte ich mich hinters Steuer und passte auf, dass der Autopilot, der das Schiff streng nach der Windfhne im Masttopp steuerte, nicht plötzlich den Dienst quittierte. In jedem Moment überlegte ich, was ich täte, wenn der Autopilot plötzlich fiepend ausfiele. Ich saß da. Mein Hirn rechnete wie ein Computer. Meine Seele saugte in sich auf, was ich sah. Ich wünschte wieder einmal, ich hätte eine Festplatte, damit ich alles und jedes, was ich in diesem Moment sah, in jedem kleinsten Detail in speichern könnte, damit ich es wie einen Film abrufen könnte. Jederzeit. Damit ich nicht vergesse.

Aus dem Augenwinkel nahm ich die Yacht vor mir war. Sie schien Probleme zu haben. Wendete unmittelbar vor dem Cabo de Gata. Stand mit killenden Segeln reglos im Wind. Drehte nach einer Weile ab. Um mit killenden Segeln den Weg, auf dem sie gekommen war, zurück zu motoren. Was für ein mühseliger Weg! Jetzt sah man, wie sich 6-7 Beaufort gegenan anfühlten. Das Schiff, das eben noch dahingeglitten war, war nun ein hilfloser Klotz in den Wellen, ein Stück Holz, das wehrlos auf und abgeworfen wurde in den Wellen und sich unter Motor mit 2-3 Knoten gegen die Kraft der Wellen durchboxen musste. Womöglich für Stunden.



Cabo de Gata in Sicht. Zwei rundgeschliffene riesige Felsen liegen wie Urzeit-Schildkröten versteinert rechts am Strand. Eine Radarstation in den Felsen. Sonst schwarze Felsen. Einsamkeit. Wind. Meer. 

Und die Wellen, die sich voraus noch mehr kabbelten. Ob es da am Kap vielleicht starke Strömungen gab, wie in der Straße von Messina, wo der stark ansteigende Meeresboden selbst an windstillen Tagen Zipfelmützen an der Meeresoberfläche aufwirft? Ich sah mir die Schaumkronen einen Moment an. Vor dem Kap herrschte einfach noch mehr Wind – das war die Antwort. Ich überlegte einen Moment. Ich hatte immer noch Vollzeug stehen. Jetzt wenden? Beidrehen? Und reffen? Zu eng an dieser Stelle. Zu wenig Lee. Zu ungewiss.

Blieb nur: Unter vollem Groß und voller Genua einfach weiterlaufen, was immer da vorne an Wind käme. Ich schaltete den Autopilot aus. Und übernahm das Steuer. Was immer dort auf mich zukam: Ich wollte selbst am Steuer stehen. Das Ruder bewegte sich wunderbar leicht, zu leicht, wie der YACHT-Tester damals befand, der gern mehr Ruderdruck spüren wollte. Doch ich war glücklich mit dem Rad, das ich selbst mit zwei Fingern steuern konnte.

Hättest Du bloß mal vorher gerefft!



Cabo de Gata. 28. 30 Knoten von achtern. Es war viel. Ich spürte das Prickeln in meinem Nacken. Ob noch mehr kommen würde? Jetzt bloß keinen Steuerfehler! Das Drahtstag über mir knackte. Der Mast gab kurze Geräusche. Laute, die ich noch nie gehört hatte, während Levje kurz von 9 auf 10 Knoten beschleunigte. Hoffentlich kommt da vorn nicht noch mehr Wind? Haben wir noch genug Tiefe unterm Kiel? 10 Meter sagte die Anzeige. Jetzt nur nirgends mit dem Ruder hängenbleiben, pinselte mein Hirn an die Wand. Was für eine irre Fahrt ist das denn, jubelten meine Sinne. Gottseidank keine brechenden Wellen, sie hätten uns gefährlich aus der Bahn werfen können. Und was für einer Bahn: Es war, als hätte man mein 7,5 Tonnen-Schiff in einen Wildwasser-Kanu-Kurs geworfen. Rauschend, wiegend schoß es nach vorn, ging es nach unten im Wildwasser, vorbei am Kap. Mein Schiff suchte sich selber seinen Weg, so hatte es den Anschein, zwischen Gischt und Strudeln und nahm ihn gelassen, als wäre alles nichts. Während ich klein, verloren am Steuerstand stand, vibrierend wie die Stagen über mir vor innerer Anspannung. Vor Freude. Vor Furcht. Vor Jubel über all das.

Keine 10 Minuten dauerte die rauschende Fahrt am Cabo de Gata. Dann fiel der Wind wieder auf 25 Knoten. Ob ich vorher gerefft hätte, wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet? Ich weiß es nicht. Selbst wenn die Erfahrung für mich einzigartig und neu war: Für ein Schiff sind 30 Knoten segelnd von achtern, wenn es in gutem Zustand ist, nichts Ungewöhnliches. Es erlebt zu haben, stärkte mein Vertrauen in mein Schiff ungeheuer. Ich habe für höhere Windstärken die richtige Takelage gewählt.



Ob man Vollzeug stehen lassen sollte? Darüber kann man streiten. Reffen soll man dann, wenn mans erste Mal dran denkt. WEIL MAN DANN NOCH DIE MÖGLICHKEIT DAZU HAT. Das ist der ungesagte, doch wichtigste Teil des Satzes. 

Doch ich bin froh, mein Schiff in dieser Situation erlebt zu haben. Ich habe mir die letzten Tage angewohnt, Manöver zu üben. Ablegen unter Segel ohne Motor. Ankern unter Segel ohne Motor. Ich habe gestern nach Cabo de Gata bei 25 Knoten beigedreht, um zu reffen. Und gehalst.

Am Ende bleibt: Mein Schiff und ich. Wir haben beide funktioniert in dieser Situation. Und wir hatten Glück. Das zählt.

Geschafft, ne doch nicht

Nomade vor der Scheitelhaltung.

Eigentlich sollte meine Einhandfahrt mit Nomade in Kelheim oder Umgebung zu Ende sein. Wer ab und zu mal auf unserer Facebook-Seite vorbei geschaut hat, wird mitbekommen haben, dass ich für Nomade allerdings keinen einzigen normalen Liegeplatz bekommen habe, seit ich in Deutschland bin. Die Gründe dafür waren vielfältig. Oft nachvollziehbar, weil zu flach, oder zu eng, manchmal auch nicht, bis hin zur Ablehnung von Segelbooten grundsätzlich.
Geschlafen habe ich jeweils immer ein paar Stunden an Schleusen oder Spundwänden. Auch dort war ich jedoch selten Willkommen. Ich musste viel diskutieren, wurde manchmal weggeschickt. Deggendorf war eine Ausnahme. Hier war ich beim WSA sehr Willkommen, man hat mir sogar die Gebühr für die Übernachtung erlassen. Leider war der Hafen recht flach und wegen des niedrigen Pegels hatte ich am Morgen meiner Abfahrt in Richtung Regensburg nur noch 10cm Wasser unterm Kiel.
Durch dieses vorletzte Stück Donau bin ich so gerade eben gekommen. Viel Wasser war dort nicht mehr. Am Vortag bin ich bei einer Begegnung mit einem schnellen Frachter innerhalb der Fahrrinne sogar auf Grund gelaufen, in dem Moment, als der Dicke das Wasser weggezogen hat.
Letztendlich war es mein Fehler, aus Unerfahrenheit in diesem schmalen Abschnitt. Ich hätte eben nicht gedacht, dass der Pegel während der Vorbeifahrt so drastisch sinken wird. Bei nachfolgenden Begegnungen habe ich mich deshalb mit den Frachtern manchmal abgesprochen und meinen Tiefgang durchgegeben. Dann haben sie entweder kurz gewartet, ich habe gewartet oder sie sind deutlich langsamer gefahren. Wirklich sehr rücksichtsvoll.

Die SVETI DIMITAR ist mir auch nochmal kurz begegnet. Das war eine Freude! In dem Moment wäre ich am liebsten umgedreht und mit den Jungs wieder runter nach Bulgarien gefahren.
Ja, ich bin nach den Erfahrungen in all den anderen Ländern ein wenig enttäuscht von der Gastfreundschaft auf der Donau in meinem Heimatland. Es gab Ausnahmen, keine Frage. Ich habe auch sehr nette Menschen getroffen, wie zum Beispiel Wolfgang & Evi, mit denen ich in einer Schleuse hochgefahren bin und die in Regensburg dann zu mir gekommen sind, um zu schauen ob ich etwas brauche.
Auch haben sich manche Hafenmeister wirklich bemüht. Der Wille war also so manches Mal da. Die Infrastruktur und die vielen Verbote sind allerdings von allen Ländern am Fluss hier am unangenehmsten für mich gewesen. Die Steganlagen oft filigran, manchmal in schlechtem Zustand, kaum Klampen oder Poller vorhanden, viel zu lange nicht mehr ausgebaggert, aber trotzdem wurden teilweise Preise aufgerufen, die passten eher zu Luxusmarinas in Südfrankreich oder der Türkei. Die Marina Saal im Industriegebiet von Kelheim hätte Nomade als einzige weit und breit übrigens tatsächlich für einen Monat (eher widerwillig) aufgenommen. Dafür hätte man dann gerne (Achtung, festhalten) 820 € gehabt!

Der Funkverkehr war für mich hier ebenfalls oft schwieriger als in Fremdsprachen woanders. Was da so mancher Schleusenmeister in hartem Dialekt in den Bart gemurmelt hat, war eine Katastrophe. Ich habe nix gegen Dialekte, im Gegenteil, ich mag das Bayerische sehr, aber auf UKW muss das nun wirklich nicht sein.
Die Ansagen der Revierzentrale waren ebenfalls oft unverständlich, weil man den Menschen abgeschafft und gegen eine Computerstimme ersetzt hat. Schrecklich.

Aber egal. Die Donau lasse ich mir davon nicht vermiesen!

Nomade hats geschafft! Sie ist so gut wie oben. Ich liege seit gestern Abend vor der Schleuse Bachhausen im Main-Donau-Kanal. Damit ist die Fahrt gegen den Strom beendet. Seit Tuzla liegen 1.533 Seemeilen, beziehungsweise 2.840 Kilometer über Grund im Kielwasser. Durchs Wasser waren es vermutlich 1 Drittel mehr. Werde ich vielleicht irgendwann mal ausrechnen. Wobei, was spielt das schon für eine Rolle!?
Morgen geht’s ein letztes Stück hoch. Dann fahren wir mit der Schleuse in die Scheitelhaltung, auf exakt 406 Meter über dem Meer. Dieses Stück Kanal ist der höchste Punkt in Europa, den man mit einem Schiff erreichen kann. Der Volvo atmet quasi Höhenluft!
Und Nomade hats geschafft! Hab ich schon gesagt, ich weiß.
Wir sind viel früher hier, als gedacht, viiieeel früher. Ich freue mich riesig!

Und jetzt?
Jetzt haben Sabrina und ich beschlossen, dass ich bis Wesel Einhand durchfahren werde. Alles andere macht keinen Sinn für uns. Der erste einigermaßen vernünftige Platz, um Nomade für ein paar Wochen zu parken und die Reise ab Ende Juli gemeinsam fortzusetzen, wäre fast am Ende des Kanals.
In Sabrinas Urlaub können wir dann besser woanders hin fahren…

Also auf nach Wesel!

Inspektion hab ich heute erledigt. Sieht alles gut aus. 90 Liter Diesel konnte ich ebenfalls mit dem Fahrrad von der Tanke holen und die Strecken- und Törnplanung hat ergeben: noch 815 Kilometer und 46 Schleusen bis nach Wesel.
Ich hoffe, die Strecke in etwa 2 Wochen schaffen zu können. Entscheidend wird sein, wie schnell ich durch die Schleusen auf dem Main komme, wie die Versorgung mit Diesel und Nahrung klappt…
Einen Ankunftstermin werde ich deshalb erst in zwei, drei Tagen festlegen, wenn die erste Etappe auf dem Main hinter mir liegt. Dann kann ich das besser abschätzen.

Und die Donau? Ach man, die Donau… Ich hatte kaum Zeit zu realisieren, was alles auf diesem Fluss passiert ist. So viel mehr, als ich hier erzählen konnte…
Ich vermisse die Donau. Beeindruckend, wie vielfältig sie ist, wie sich sich verändert, wie sich die Menschen am Ufer verändern, wenn man auf ihr durch den Kontinent fährt. Viele Wochen war ich fast jeden Tag unterwegs. Habe gesehen und gespürt, wie aus dem großen, breiten Strom ein schmales Flüsschen geworden ist, auf dem selbst Nomade kaum noch Wasser unterm Kiel hatte. Habe bis auf ganz wenige Ausnahmen eine Gastfreundschaft erlebt, wie selten irgendwo zuvor. In Baja (Ungarn) ist sogar ein Artikel in der dortigen Deutschen Zeitung erschienen, über die Segelyacht, die vom Schwarzen Meer kommt und die Donau hoch fährt.
Die Donau, sie war mein großes Abenteuer. Vielleicht eins der letzten Abenteuer, das man in Europa auf dem Wasser noch erleben kann.

Irgendwann will ich da wieder runter, zusammen mit Sabrina und Filou. Und dann überall etwas länger bleiben und all die lieben Menschen besuchen, die ich unterwegs getroffen habe und die mir so oft geholfen haben. Ich hoffe es gelingt eines Tages.

Folge 16 – Von Stockholm auf die Aland Inseln

Die Video-Episode

Eine neue Folge des Videologbuchs ist Online. Viel Spaß damit!
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Die Suche nach einem Platz für die Nacht. Diesmal: Ankern unterm Leuchtturm.

Anders als erwartet, ist die spanische Südküste nicht flach und brett-eben, sondern von Gebirgen geformt. Und mit großen Kaps. Etwa 200 Seemeilen vor Gibraltar liegt das Cabo de Palos.

Der Tag war lang gewesen. Ich war erst Mittags aus dem Hafen von Alicante fortgekommen, hatte mich an diesem Samstag zu lange oben auf der Festung und dann im Gewusel der winkeligen Altstadt auf der Suche nach einem Bäcker und frischem Brot herumgetrieben. Der Hafen von Alicante kann überdies Zeit kosten: Es ist eine lange Ausfahrt, vorbei an den Hunderten Seglern und Motoryachten im Real Club Nautico, wo vor einem halben Jahr eine Etappe des VOLVO OCEAN RACE startete. Vorbei an den alten Schleppern. Hindurch zwischen der modernen Fregatte CASTILLIA, die heute Tag der offenen Tür hat und vor der ein paar Leute auf der Pier stehen. Und ihrer 200 Jahre alten Vorgängerin, dem still vor sich hinrottenden Nachbau der SANTISSIMA TRINIDAD, dem alten spanischen Linienschiff, das größten Kampfschiff seiner Zeit, das in der Schlacht von Cabo de Trafalgar von den Schiffen Lord Nelsons so viele Treffer einstecken musste, dass sie einen Tag später beim Versuch der Sieger, sie als Prise zu bergen und in den britischen Heimathafen Gibraltar zu schleppen, noch an den Trossen sank. Mit 150 spanischen Verwundeten in den untersten der 11 Stockwerke an Bord.

Noch immer beeindruckend in seiner Größe, selbst mit fehlendem Bugspriet und geknicktem Fockmast:
Der verfallende Nachbau der SANTISSIMA TRINIDAD im Hafen von Alicante.

Noch im Hafen, ein paar Meter hinter der SANTISSIMA TRINIDAD, setzte ich die Segel, eine milde Brise trieb uns die Küste genau nach Süden. Keine Welle. Keine Rauschefahrt. Nur dies stille Gleiten, als wäre Levje ein Schiff in der Luft. Und ihre siebeneinhalb Tonnen wären nichts als das Gewicht einer Feder, als verlöre die Schwerkraft jede Macht über sie. Als die Küste zurücksprang, hielt ich meinen Kurs nach Süden. Der Wind nahm zu, jetzt wurde es eine Rauschefahrt. Das schwere Schiff rollte mit den Wellen, die backbord leicht von achtern kamen, sie wiegte sich einfach mit den Wellen. Beschleunigte, wenn eine Welle anrollte und unter ihr durchrollte, mitgerissen von den Wassermassen. Bremste ab, wenn die Welle vom Heck bis zum Kiel unter ihr durchgelaufen war, als wäre sie in das Kehrwasser einer Störmung geraten. Ich überließ das Schiff dem Autopiloten und beobachtete fasziniert das Spiel der Wellen und was sie mit meinem Schiff trieben. Sah zu, wie aus der glatten See zuerst Wellen wurden. Wie sich auf den Wellen die ersten weißen Katzenköpfe zeigten, Schaumkronen, die sagen, dass der Wind nun kraftvoll genug ist, ein Segelschiff schnell voranzutrieben. Ich freute mich, wie mein Schiff sich durch die Wellen bewegt, und wie die Küste langsam hinter mir am Horizont verschwand.

Als die Sonne im Westen so tief stand und das Land wie den Scherenschnitt eines thailändischen Schattenspiel erleuchtete, war ich immer noch nicht fertig mit dem Beobachten. Die Seekarte mahnte. Zeit, einen Platz für die Nacht zu suchen. Was die Seekarte zeigte, waren alles Flachwasserhäfen in und um das Mar Menor, das „Kleinere Meer, das sich irgendwo am Horizont hinter der feinen Kontur des Scherenschnitts verbarg. Kleine Häfen, allesamt nicht geeignet für Levjes 2 Meter Tiefgang. Also um Cabo Palos herum in der Dämmerung, dahinter verbarg sich eine windabgewandte Bucht, das wäre der richtige Platz zum Ankern. Doch vorsichtig navigieren. Die braunen Felsen vor dem Kap schieben ettliche flache Felsbuckel als Ausläufer ins Meer hinaus, also jetzt vorsichtig sein.

Ein Zweimaster näherte sich von links, hinter den Inseln. Er schaukelte gemächlich in der Dünung Richtung Kap und rundete es vor mir, als die Sonne hinter einer Wolkenbank verschwand. Ich folgte ihm, er nahm Kurs auf die Bucht, er war größer als LEVJE, und breiter, und nahm Kurs auf die Bucht, die ich mir für die Nacht ausgekuckt hatte.

Anders als erwartet, doch wieso oft, hatte der Wind ums Kap gedreht. Sie lag alles andere als geschützt, die Wellen liefen genau in die Bucht. An Ankern war hier nicht zu denken, es würde eine unruhige Nacht werden. Doch der Zweimaster nahm selbstbewusst Kurs auf die verwinkelte Hafeneinfahrt, die sich hinter den Felsen zeigte. Das war doch auch nur ein Flachwasserhafen? Die Seekarte sagte, dass hier maximal 2 Meter Wassertiefe wären? Der Zweimaster war größer und schwerer und breiter als Levje? Wenn der sich da hinein wagte, käme ich mit Levje da sicher auch hinein. Und hätte einen geschützten Platz für die Nacht. Schnell startete ich in der anbrechenden Dämmerung den Motor, reffte zwischen Untiefen die Segel, und folgte dem Segler, der hinter der Kaimauer verschwunden war und plötzlichen zwischen den anderen Masten wie vom Erdboden verschluckt war. Ich folgte ihm langsam in die Hafeneinfahrt. Erst acht Meter. Dann sechs. Dann 3,60 Meter. Und kaum hatte ich die Nase in der Einfahrt, zeigte der Tiefenmesser 2,0 Meter. Nein, so wurde das nichts. Ich rechnete jeden Moment damit, dass Levjes Kiel mit einem Rums gleich auf dem Felsen aufsetzen würde.

So wurde das nichts. Für dieses eine Mal hatte meine Taktik, „wo ein Dicker reinkommt, komm’ ich locker rein“ nicht funktioniert. Manche Häfen musste man eben selber kennenlernen und konnte nicht rotzfrech einfach hinterherfahren. Der Zweimaster hatte uns jedenfalls in seiner Hafeneinfahrt von seinem Rumpf abgestreift wie eine lästige Entenmuschel.

Ich stoppte Levje, und tastete mich sachte rückwärts aus dem Hafen, aus der Sicherheit wieder hinaus in die anbrandenden Wellen in der Dämmerung. Und jetzt?  

Es war halb neun geworden. Die Sonne war hinter dem Ort verschwunden. Ich drehte vor dem Hafen im Schwell ratlos meine Kreise, während von den Tavernen Licht und fröhliches Stimmengewirr herüberklang. Das würde heute nichts werden für mich. Niemand da, den ich hätte fragen können.

Weitersegeln bis zur nächsten Großstadt, nach Cartagena? Es würde Mitternacht werden. Einen anderen Ankerplatz suchen? Wer segelt, sieht Buchten mit anderen Augen. Vor dem Cap mit dem Leuchtturm hatte ich – wo eigentlich nur Schwell und Wellen sein sollten – beim Passieren in einem Winkel vor dem Strand aus dem Augenwinkel eine glatte Wasseroberfläche bemerkt, wo nach aller Logik gar keine sein konnte. Ich beschloss, die 20 Minuten in der anbrechenden Nacht zwischen den Felsbuckeln hindurch zurückzufahren und dort meinen Platz zu suchen.

Gleich unter dem Leuchtturm von Cabo Palos fand ich ihn. Ein kleiner Sandstrand. 6 Meter Wassertiefe davor. Rasch ließ ich Levjes 20-Kilo Anker vorne ins Wasser platschen. Gab 25 Meter Kette. Zog dann prüfend nach hinten unter Motor. Erst zaghaft. Dann mit Gas. Er hielt. Gab noch einmal fünf Meter Kette. Der Anker hielt. Nun konnte, selbst wenn der Wind es wollte, die Welle in die Bucht stehen. Der Anker würde so lange halten, bis ich wach war. Und ich Levje unter Motor selbst Nachts notfalls aus der Bucht steuern konnte.

Ich schaute mich um. Der kubische zweistöckige Sockel des Leuchtturms. Auf jeder Seite acht Fenster. Die meisten Leuchttürme, die ich sah, sind längst verlassen. Es gibt keine Leuchtturmwärter mehr, anders als früher werden Leuchttürme längst nicht mehr bewohnt. Elektronik regelt alles. Doch an der mir zugewandten Nordseite des Leuchtturms, im oberen Stockwerk des Kubus, gingen drei Lichter an.

Wer hier wohl lebte? Gibt es noch Leuchttürme, die nicht ihr Licht vollautomatisiert in die Nacht schicken? Existierte da noch ein alter Leuchtturmwärter, der sich ausbedungen hatte, seinen Lebensabend hier verbringen zu dürfen, weil er doch sein Leben den Leuchttürmen gewidmet hatte? Der hier mit seiner Tochter lebte? Oder konnte man sich einfach, wie es auf manchen Inseln der Fall ist, in der Wohnung des Leuchtturmwärters einmieten? Ob ein Schriftsteller hier sein Schreibdomizil hatte?

Ich weißes nicht. Niemand zeigte sich in den offenstehenden Fenstern. Es war, als würde hier, unterm Leuchtturm dauerhaft jemand leben, während oben an der Spitze des schlanken Minaretts ein gleichmässig kreisender Strahl sein Licht wie einen langen Finger kreisend in die Weite deuten ließ.

Ich schlief beruhigt ein.

Sicher mit dem Bootsanhänger unterwegs

Richtiges Beladen ist entscheidend für die Fahrstabilität

Urlaub auf dem Wasser hat einen hohen Erholungswert und bereits am Wochenende starten die ersten Bundesländer in die Sommerferien. Wer sein eigenes Boot mit in den Urlaub nehmen will, muss gut vorbereitet sein. Denn das richtige Beladen ist entscheidend für sicheres Fahren mit einem Bootsanhänger. Eine falsche Gewichtsverteilung verändert die Fahrdynamik deutlich und kann so zum Kontrollverlust und zum Schleudern des Gespanns führen.

Alle Tipps rund um die richtige Beladung bis zu Besonderheiten beim Fahren mit Gespann hat der ADAC zusammengestellt:

• Das Gepäck möglichst tief und nah an der Achse bzw. im Bereich
zwischen Achse und Deichsel im Anhänger verteilen. Schwere
Gegenstände im Bereich der Achse platzieren.

• Die zulässige Achslast sowie das Gesamtgewicht nicht überschreiten.

• Die Stützlast immer austaxieren. Den am Zugfahrzeug angegebenen
Maximalwert einhalten. Wichtig: Auch bei deutlicher Unterschreitung des
angegebenen Wertes (ca. 75 Kilo) nimmt die Fahrstabilität ab.

• Insbesondere beim Trailern von Segelbooten mit höherem Schwerpunkt ist
darauf zu achten, dass die oberen Schaps nur mit leichten
Gegenständen beladen ist. Auch hier gilt: schwere Gegenstände
möglichst tief und achsnah platzieren.

• Mit leeren Wasser- und Treibstofftanks wird das Gewicht des Boots
deutlich reduziert.

• Generell sollten Gespannfahrer immer mit erhöhter Aufmerksamkeit
fahren. Um Grenzsituationen kennenzulernen, empfiehlt sich ein
Fahrsicherheitstraining.

Weitere Informationen zu besonderen Verkehrsregelungen in Europa für Fahrten mit einem Bootsanhänger wie zum Beispiel Tempolimits, Abmessungen, Sondergenehmigungen oder Mautgebühren finden Skipper unter www.skipper.adac.de.

Benidorm: Ankern zwischen Hochhäusern. Oder: Die Zukunft unserer Städte. Wie wollen wir leben?

Auf dem Weg von Sizilien in die Bretagne erreichte ich 
das spanische Festland. Mein zweiter Ankerplatz dort nach dem beeindruckenden Felsen von Calpe: Benidorm. Wo der moderne Hoteltourismus geboren wurde.

Das Meer ist stahlblau. Keine Welle kräuselt seine polierte Oberfläche. 

Sie stehen im Morgenlicht, als wären sie übrig geblieben. Ein Relikt aus einer anderen Zeit, die Zukunft hieß. Als wären sie Kulisse eines Films gewesen, der in einer nahen Zukunft spielt. Kuben. Hochkant aufgestellte Quader. Säuberlich entlang des Küstensaums aufgestellte Bauklötze – ihre Gesichter allesamt dem Meer zugewandt. Als würden sie den Betrachter, der sich an diesem Morgen allein auf dem Meer befindet, unverwandt anblicken. Kein Mensch weit und breit.

Wer das Glück hat, Benidorm an einem Sommermorgen vom windstillen Meer aus zu sehen, kann nicht anders, als erst einmal begeistert zu sein. Bei diesem Anblick schwinden alle Vorurteile über den Massentourismus. Ja, auch Hochhausarchitektur kann Ästhetik besitzen, das wissen wir nicht erst seit Mies van der Rohe’s Seagram Building in New York, einem Meilenstein der Hochhaus-Architektur der 50er Jahre, der heute vor dem, was danach um ihn herum entstand, ganz unscheinbar wirkt. Doch das Gebäude war epochal neu in seiner Ästhetik, es nahm vorweg, was danach kam, und wurde darum überholt von allem, was sich genau an seiner wohlproportionierten Schönheit orientierte und genau diese  ab den Siebzigern einfach auf drei bis siebenfache Höhe hochrechnete.

Ankern vor den Hochhäusern Benidorms: Vor den Bauten auf dem Punta del Pinet findet man in der Cala Xio Timo einen ungewöhnlichen Ankerplatz vor dem Sandstrand.

Besteht unsere Zukunft darin, dass das, was uns heute normal erscheint, einfach ins drei bis siebenfache hochgerechnet wird, denke ich an diesem Morgen? Gut möglich. Als ich auf die Welt kam, brauchte man von München nach Benidorm noch unaussprechlich lang unterwegs. Heute geht das entschieden schneller. Als ich geboren wurde, 1960, lebten 3,0 Milliarden Menschen auf der Erde. Heute sind es 7,5 Milliarden. München, Anfang der Sechziger stadtplanerisch gefangen zwischen Kriegsschäden-Beseitigung und hastiger Wohnraumschaffung, hatte gerade die Millionenmarke bei den Einwohnern überspungen. Es kratzt heute an der 1,5 Millionen Einwohner-Marke. Wer sich heute auf YOUTUBE, dem „alte-Leute-Netflix“, verflossene München-Serien aus den Siebzigern ansieht, kann nur staunen, wie sehr deutsche Großstädte wie München überwiegend aus desolatem Altbau bestand.

Benidorm war vor 1960 ein einfaches Fischernest an der Küste. Es gab einen aktiven Bürgermeister, Pedro Zaragoza Orts, der kurz zuvor begonnen hatte, die schlammigen Gassen des kleinen Fischerortes teeren zu lassen, wie es auch im fernen Deutschland in den Dörfern auf dem flachen Land geschah. Und wie sie Wasserleitungen und Abwasserkanäle zu den Häusern graben ließ. Und der sich Gedanken über die Zukunft seines kleinen Dorfes machte. Fischerei? Schon gut. Aber der Erfolg steckte doch im sichtbar aufblühenden Tourismus. Pedro Zaragossa Orts ließ in Benidorm, um die Touristen unterzubringen, die ersten Hotelhochhäuser in Spanien überhaupt errichten. Er störte sich nicht daran, dass Spanien unter Franco noch immer eine faschistische Diktatur war. Er störte sich aber daran, dass in diesem Land Touristen das Tragen von Bikinis per Gesetz verboten war und erklärte stattdessen Benidorms Strände zur Bikini-Zone. Was gerne genutzt wurde von fortschrittlichen Spanierinnen ebenso wie von Touristinnen. Bis die GUARDIA CIVIL, Spaniens Carabiniere-Truppe, die ersten Damen wegen des Gesetzesverstoßes „Tragens eines Bikinis“ vom Strand weg verhaftete – „BILD berichtete“.

Der Bikini hat sich, wie wir wissen, heute durchgesetzt. Oder ist schon wieder out. Die Geschichte hat mal wieder „weitergerechnet“ und die vorhandenen Sommer-Stofffetzchen bis 2018 einfach weiter verkleinert.

Doch ist es nur damit getan, einfach alles hochzurechnen? Auch München stieg Ende der Sechziger in die architektonische Zukunft ein – wie Pedro Zaragoza Orts in Benidorm ein paar Jahre früher. Das ARABELLA-Hochhaus war ein Meilenstein. Von den einen verachtet als ein das Stadtbild entstellender Klotz. Geliebt von den anderen, für die das Leben in dieser Communuty aus Künstlern, Eigenbrödlern noch heute ein Stück extravaganter Teilhabe an der Zukunft ist. Wie die meisten seiner Bewohner ist auch das ARABELLA-Haus jetzt in die Jahre gekommen. Sanierungen stehen an, nicht nur an der Fassade, sondern tief an der Baustubstanz. Der Geschäftsführer des Betreibers rechnet vor, dass Abriß und Neuerrichtung dieser Immobilie weit günstiger käme als eine anstehende Kernsanierung, bei der das Gebäude für die Dauer der Arbeiten ohnehin geräumt und leerstehen müsse. Für mindestens mehrere Jahre. Was man in den Sechzigern in aller Euphorie übersah, wie gut doch alles einst werden würde, wär es nur schon da: Wie alle Gebäude benötigen auch Hochhäuser Zuwendung. Er heißt bei bei ihnen Instandhaltungsaufwand. Doch anders als ein ererbtes schlichtes Zwei-Familienhaus besitzen Hochhäuser offensichtlich ein Verfalldatum – das sich wieder einmal aus der Rechnerei ergibt.. 



Denn für die Hochhäuser werden Summen fällig, die nur eine Gemeinschaft starker Kapitalgeber stemmen kann. Man nennt sie „Investoren“, ein Wort, das mittlerweile einen bitteren Beigeschmack hat, weil man es häufig mit „Heuschrecken“ gleichsetzt. Doch selbst wenn man die Dinge einfach nur finanzmathematisch nüchtern betrachtet, ist klar, dass auch das einfache „Hochrechnen“ der Finanzierung gesellschaftlich Folgen haben wird, Gesellschaften verändern wird. Nicht mehr wer Menschen, sondern wer Geld für sich arbeiten lassen kann, hat den Schlüssel in der Hand, um zu den Gewinnern der Zukunft zu gehören. 


Doch nun brummt mir der Schädel an diesem Morgen von all der Rechnerei. Sagen wir einfach: Die Hochhäuser von Benidorm sehen an diesem windstillen Morgen vom Meer betrachtet wunderschön aus. Ob der Fischer, der auf seinem alten Kahn in aller Frühe seinem altehrwürdigen Handwerk nachgeht, das auch findet? Ich würde ihn gerne fragen, was er über die Zukunft denkt. Doch es ist nicht der rechte Ort und nicht die rechte Stunde dafür. Verschieben wir es also einstweilen.

Neues „Forum Sportschifffahrt“ gegründet

ADAC intensiviert Zusammenarbeit mit dem Deutschen Segler-Verband e.V. und dem Deutschen Motoryachtverband e.V.

Der ADAC e. V. und die beiden Spitzenverbände im Bereich Sportschifffahrt, Deutscher Segler-Verband e. V. (DSV) und Deutscher Motoryachtverband e. V. (DMYV), intensivieren ihre Zusammenarbeit und gründen das „Forum Sportschifffahrt“. Das gaben die drei Organisationen auf einer Pressekonferenz anlässlich der diesjährigen „Kieler Woche“ bekannt.

Forum Wassersport: ADAC, DMYV und DSV intensivieren ihre Zusammenarbeit

Das neue „Forum Sportschifffahrt“ hat drei relevante Schwerpunktthemen definiert, die die Verbände gemeinsam bearbeiten werden:
• Nachhaltige Steigerung der Attraktivität des Bootssports und des Bootstourismus
• Stetige Weiterentwicklung des Zugangs zum Bootssport sowie
• Nachhaltigkeit und Effizienz in der Vertretung der Interessen der Vereine und Bootssportler

Mona Küppers, Präsidentin des DSV: „Eines unser wichtigsten Anliegen ist es, den Seglerinnen und Seglern auch in Zukunft gute Bedingungen zur Ausübung ihres Sports zu ermöglichen. Deshalb freue ich mich, dass wir als Interessenvertretung künftig gemeinsame Synergien nutzen können.“

Kurt Heinen, Vizepräsident für Tourismus des ADAC e. V.: „Wir sind davon überzeugt, dass durch die vertiefte Zusammenarbeit mit DMYV und DSV im ‚Forum Sportschifffahrt’ die Attraktivität des Bootssports und Bootstourismus weiter gesteigert werden kann. Das gilt für das Sportboot-Führerscheinwesen ebenso wie für die Beratung der Skipper, etwa mit Hilfe digitaler Informationen.“

Winfried Röcker, Präsident des DMYV e. V. bekräftigt: „Durch die intensivere Zusammenarbeit der drei wichtigsten deutschen Organisationen für Bootssport und Bootstourismus können politische Entscheidungen noch effektiver mitgestaltet und im Sinne der Bootssportler bestmöglich umgesetzt werden.“

Einstimmig vertreten die drei Verbände die Meinung, dass es auch künftig einer qualitativ hochwertigen Ausbildung für den Sportbootführerschein bedarf. Im neu gebildeten „Forum Sportschifffahrt“ werden daher Ausbildungs- und Prüfungsstandards diskutiert und gegebenenfalls konkrete Maßnahmen mit weiteren Verbänden sowie dem Bundesverkehrsministerium abgestimmt.

Auch die Außendarstellung der Verbandstätigkeit soll optimiert werden. Attraktivität und Sichtbarkeit der Mitgliederorganisationen werden durch zeitgemäße Mitgliederleistungen und -vorteile gemeinsam weiterentwickelt.

Nicht zuletzt bekommt die Interessenvertretung in Politik und Gremien größeres Gewicht. Durch die Zusammenarbeit des ADAC, DMYV und DSV können die Interessen der Bootssportler künftig noch besser gebündelt und vertreten werden, etwa mit Blick auf den Erhalt von freizeitlich genutzten Nebenwasserstraßen.

Seit mehr als 100 Jahren betreut die ADAC Sportschifffahrt die rund zwei Millionen wassersportaffinen Mitglieder. In dieser Zeit hat sie sich zu einem kompetenten Partner mit zahlreichen Leistungen rund um den Wassersport entwickelt. Darunter das ADAC Marina-Portal, die ADAC Yachtcharter-Suche, die bootstouristischen Informationen und der Internationale Bootsschein.

Der DMYV e. V. ist der Dachverband für den motorisierten Wassersport. Er vertritt die Interessen aller deutschen Motorbootsportler und fördert den motorisierten Wassersport – vom Breiten- über den Fahrtensport bis hin zum Leistungs- und Jugendsport. Darüber hinaus ist der DMYV e. V. Träger der nationalen Sporthoheit innerhalb des motorisierten Wassersports und ist mit der Prüfung und Erteilung des Sportbootführerscheins beliehen sowie zur Ausstellung des Internationalen Bootsscheins (IBS) ermächtigt.

Der DSV ist der Dachverband der deutschen Segel-, Wind- und Kitesurf-Vereine, der Landesseglerverbände und der Klassenvereinigungen. Mit fast 1.300 Vereinen und mehr als 180.000 Vereinsmitgliedern gehört er zu den 20 größten Spitzensportverbänden Deutschlands. Der DSV hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Rahmenbedingungen für die Ausübung des Segelsports zu verbessern und seine Mitglieder in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dazu zählen u.a. der Verbraucherschutz für Seglerinnen und Segler und die Vertretung ihrer Interessen. Der DSV ist vom BMVI mit der Prüfung und Erteilung von Sportbootführerscheinen und Funkzeugnissen beliehen.

Eine Bergtour am Meer.

Auf dem Weg von Sizilien in die Bretagne erreichte ich 
das spanische Festland bei einem markanten Felsklotz, dem Penyal d’Ifac.

Wer das Meer liebt, ist ebenso gern in den Bergen. Vielleicht, weil beides Natur pur ist, ungeschminkt und rauh. Vielleicht, weil beides Erdgeschichte ist. Vielleicht, weil mich hier nichts anderes mehr ablenkt. Von mir selbst. Von dem, wo ich jetzt gerade sein will. Ich spüre mich dort am meisten, wo jede Ablenkung verschwunden ist. Nichts, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Kein Verkehr, der meine Aufmerksamkeit voll und ganz gefangen nimmt. Kein Telefonklingeln, das sie aufsaugt. Kein Geräusch, kein grellbunter Anblick, der sich meiner Gedanken unerlaubt bemächtigt, sie wegsaugt wie Radiowerbung, sie beim Schopf packt und sie willenlos hinter sich herschleift irgendwohin, wo ich gar nicht sein will. Das Meer, die Berge sind der Ort, an dem ich ich mich selber finde.

Da liegt er vor mir, der Penyal d’Ilhac, der unübersehbare Klotz, vor dem ich gestern Abend Levjes Anker fallen ließ. Ein unübersehbarer Klotz ragt der Penyal d’Ifac vor dem Ort Calpe aus dem Meer. Ein einziger Stein, 2 Kilometer lang und einen halben breit, 337 Meter hoch. Grau. Breit. Unübersehbar. Vollgesogen mit alten Geschichten. Ich lasse Levje am Morgen in der Bucht zurück rudere in meinem Dinghi hinüber und lasse es einfach an einem groben schmalen Kiesstrand zwischen zwei Felsvorsprüngen zurück wie die Häuser des Ortes, der hier endet. Eine breiter Schotterweg führt hinauf, niederes Gestrüpp, die mittelalterliche Siedlung Pobla d’Ilfac, die zu Füßen der mächtigen Steilwand liegt, muss hier irgendwo sein. Wieviel Angst um sein Leben muss, Sorge vor dem Morgen muss man haben, um sich sein Haus an einem solchen Ort zu wählen? Der Penyal d’Ilhac erinnert mich an andere Felsen, an denen ich war. Die letzte Katharerfestung in Südfrankreich, der Montsegur. Der Felsen von Monemvasia im Osten des Peloponnes. Die Klippen von Moher an der Westküste Irlands, die wiederzusehen mein heimlicher Antrieb ist, auf diese Reise um die Westküste Europas herum zu gehen.

Noch vor einem halben Jahrhundert endete vor dieser Steilwand der Weg auf den Felsen. An der senkrecht aufragenden Wand gabs kein Vorbei, kein Drüber, kein Drumherum. Vom Meer her ist der Felsen von allen Seiten unzugänglich – zu steil ragen die Klippen aus dem Meer, und so sehr sich mancher Krieger bei seinem Anblick ausgemalt haben mag, wie unbezwingbar die eigene Festung auf dem Gipfel des Penyal d’Ilhac wäre: Es gab keinen Weg, dort oben eine zu errichten. Die Felswand sperrte die Insel, die nur von kreischenden Möwen und einer Handvoll Turmfalken besiedelt wird, gegen die Welt ab.



Um 1960 herum kam man auf die Idee, für die Besucher eine Attraktion zu schaffen. Man grub an der Ostseite, wo die Steilwand am schmalsten ist, einen mannshohen knapp hundert Meter lange Höhle mit einem Ausgang auf der anderen Seite der Steilwand. Langsam klettere ich in den Tunneleingang, gewöhne meine Augen ans Licht. Der Boden ist holprig, keine Treppenstufen, doch grob gemeisselte ruppig rutschige Erhebungen im Boden. Zwei Ketten an der Wand, an der sich ein Pärchen, das mir von oben entgegenkommt, langsam über die den marmorglatten Boden in Turnschuhen zum unteren Ausgang bewegt.



Dann bin ich durch. Unter mir das Meer. Über mir die Möwen. Der Weg ist gut, ein gut ausgebauter Gebirgspfad, an Engstellen oder über Abgründen geben Ketten sicheren Halt. Auf meinen ersten Segelreisen nach Griechenland oder in Türkei habe ich mir angewöhnt, solche Touren in Flipflops zu machen. Das klingt zunächst verrückt – ist es aber nicht. Ungeeignetes Schuhwerk wie Flipflops zwingt zu einer ganz anderen Art des Gehens. Ich begann, im felsigen Gelände auf jeden meiner Schritte zu achten, nirgendwo meinen Fuß unbewusst aufzusetzen. Flipflops zwingen zur Achtsamkeit bei jedem Schritt. War ich nicht konzentriert, schlug ich mir die ersten Male ganz schnell den Zeh blutig. Das passiert mir nur die ersten Male. Danach wusste ich, dass ich meinen Fuß erst aufsetzen konnte, wenn ich genau wusste, wohin ich ihn aufsetzte. Richtig in Bergen gehen, den Boden nutzen, nicht gegen den Boden zu gehen, habe ich erst in Flipflops gelernt. Nicht in Bergschuhen, mit denen man den Fuß im sicheren Gefühl guter Ausrüstung einfach gedankenlos überall hinsetzt.



Der Penyal d’Ilhac ist gerade mal 337 Meter hoch. Keine große Sache, möchte man denken, doch der Klotz kann es in sich haben. Der Weg wurde nun schwieriger. Glattgeschliffene rutschige Buckel mit tiefen Furchen darin, es war ein ums andere Mal schwierig, für den Fuß den richtigen Ort zu finden. Diesmal war ich froh um die Zustiegsschuhe, die ich mir vor wenigen Wochen für Touren wie diese geleistet hatte. Doch selbst mit fester Sohle war es nicht einfach, guten Tritt zu finden, selbst wenn das ganze nur ein ansteigender Weg und keinesfalls Kletterei war. Die meisten der Pärchen, denen ich begegnete, trugen einfache Sniker oder Ausgeh-Sandalen. Mit Bergschuhen oder Zustiegsschuhen waren die wenigsten unterwegs.

Gegen Mittag gabelte sich der Weg geradeaus ging es weiter zum südlichen Aussichtspunkt. Nach rechts zum Gipfel, wo die Möwen kreischten. Jetzt war ich schon soweit oben – die halbe Stunde schaffe ich jetzt auch noch da hoch. Ein Schild warnte: „Muy peligro“ – so schwierig kann das doch nicht werden. Doch der Weg verschwand. Er war jetzt nur noch eine gedachte Linie roter Punkte, die in den steil abfallenden Karen über zerfurchte Felsplatten, glatt geschliffene Buckel, senkrecht aufstehende Felsklingen führte. Das war nicht ohne – eben nicht klettern. Aber ein Weg, der den Namen nicht unbedingt verdiente, mühsam war. Wege: Noch vor dreihundert Jahren waren selbst in unseren Breiten Wege anders als heute nicht gepflegt, sondern ungewartet. Und ohne Nutzung.

Das tückische an solchen Wegen ist: Hoch kommt man meistens. Der Abstieg ist bei solchen Wegen die Schwierigkeit. Ich bin nie geklettert. Doch die wenigen Male, die ich es versucht hatte, hatte sich mir tief eingeprägt: Hoch kommt man immer – weil man die Schwieirgkeit, den richtigen Tritt, den Halt zu finden, auf Augenhöhe vor sich hat. Der Abstieg ist stets das Schwierigere, weil man das Problem nicht mehr auf Augenhöhe hat.

Dann der Gipfel. Ganz oben auf dem Berg. Ein Plateau. Ein weiter Blick in die Ferne. Möwengeschrei. Klippeneinsamkeit.  

Levje in der Bucht vor dem Strand von Calpe.

Als ich von meiner Bergwanderung zurückkomme, steht der Wind in die Ostbucht, Levje hängt unter vollen Zug an ihrem Anker und wippt in den Wellen. Zeit, loszurudern. Ich habe Mühe, in „Peanuts“, meinem kleinen 1,60m großen Dinghi zu Levje gegen den Wind zurückzurudern. Immer wieder vertreibt mich der Wind, schwappen Wellen ins Dinghi. Ich muss kraftvoll rudern. Und überhöre fast das Knattern eines Rettungshubschraubers, der über dem Penyal d’Ifac steht. Kurz oben am Grat niedergeht. Und lange 10 Minuten braucht, um zwei Menschen am Drahtseil abzubergen.

Er kann es in sich haben. Der Penyal d’Ifac.

Von Ibiza zurück zum spanischen Festland. Ein unvergesslicher Morgen.

Auf meiner ersten Etappe für mein neues Buchprojekt 
bin ich auf Levje nach Menorca und Mallorca nun auf der westlichsten Balearen-Insel Ibiza angekommen. Und breche zurück zum spanischen Festland auf.

Anders als viele andere Gegenstände des täglichen Lebens kennt man sein Schiff auf vielerlei Arten. An seinem Äußeren, weil man sich bestimmte Stellen am Rumpf gemerkt hat, an denen der Lack weg ist. An den Geräuschen, die ein Schiff beim Segeln produziert, die einen nerven, wenn sie da sind. Oder besorgt dreinblicken lassen, wenn sie einmal nicht da sind. Ich kenne mein Schiff an seinem Mast, ertappe mich dabei, wenn ich irgendwo in der Stadt unterwegs war und mich dem Hafen wieder nähere, unwillkürlich nach dem einen Mast Ausschau halte, den ich unter hundert anderen im Hafen kenne. Levje II hat wie ihre Vorgängerin ein 7/8-Rigg, bei dem das Vorstag nicht im Masttopp, sondern 1/8 darunter angeschlagen ist.

Sein Schiff kennen heißt aber auch, die Signale zu kennen, die mein Schiff mir gibt, wenn ich in den Wellen zuviel gerefft habe und sie plötzlich zu stark zu geigen anfängt. Das Geklapper im Rigg zu deuten. Und auszureffen. Oder zu wissen, wenn ich ihm zuviel zugemutet habe.

Um halb sieben schlich ich mich auf leisen Sohlen aus dem Hafen von Sant Antoni de Portmany im Nordwesten Ibizas. Leise, weil alle meine Nachbarn noch schliefen und nur die Fischer auf der Pier gegenüber vor ihrer kleinen Hafenbar beim Auslaufen lärmten. Es war ein prächtiger Morgen. Tiefblauer Himmel. Absolute Windstille. Nur einmal die Ahnung einer Böe aus Nordwest, leicht, doch unmissverständlich. Sonst störte nichts die Schönheit und Majestät dieses Morgens auf dem Meer. Ich legte leise ab. Und sank hin beim leisen Tuckern von Levjes Motor und dem majestätischen Vorbeigleiten an den verschlafenen Hafenliegern nach dem Gröhlen und Lärmen in der Nacht.

Hätt ich nur mal ein bisschen die Augen aufgemacht. Wär ich nur aufmerksamer gewesen. Denn kaum hatte ich die Hafenmole hinter mir, kam uns arger Schwell aus Nordwest entgegen. Mein Schiff war nicht seeklar, ich hatte nichts aufgeräumt: Alle Fender noch draußen. Alle Leinen lagen an Deck, wie ich sie losgeworfen hatte. Unter Deck stand das Frühstücksgeschirr und die Thermoskanne noch neben der Spüle. Wenn mich etwas aus der Fassung bringt, dann sind es Leute, die ihr Schiff aus dem Hafen steuern, wenn es noch nicht seeklar ist.



Während ich überlegte, ob umdrehen und im Schutz der Hafenmole erstmal aufräumen nicht die bessere Lösung wäre, kam schon die unmissverständliche Antwort von unten. Das erste Poltern von Dingen, die nichts mehr an ihrem Platz hält und sich freudig über den Boden ergießen. Ein dumpfes Wumms als Abschluß. „Lieber Gott, lass es die Bücher sein. Und nicht die Kamera. Oder das Macbook. Oder die Thermoskanne.,“ denke ich, während ich die Fender am Seezaun staue. Levje jachtert schlimm in den Wellen, im Nu habe ich 17, 20 Knoten Wind auf dem Windmesser. 
„Jetzt mach aber fix, dass Du Deine Segel endlich hochkriegst.“ Starkwind, Böen, das Auf und Ab in den Wellen in der Bucht von Sant Antoni: Das ist alles so gar nichts für eine Ausfahrt unter Motor. Es ist mal wieder der Moment, wo man wie der hinduistische Gott Schiwa gerne viele Arme gleichzeitig hätte, um alles zu regeln und meine Welt im Gleichgewicht zu halten. 



Endlich stehen die Segel. Jetzt abfallen auf den richtigen Kurs, den die elektronische Seekarte vorgibt. Doch dann sehe ich, dass unser Kurs, den ich eingab, zwischen den westlich vorgelagerten Inseln hindurchführt. Ibiza ist anders als ihre Schwestern, die Insel der überspülten Riffe und Felsen, man findet viele hier, die man nur bei Wind erkennt, weil sich dann die Wellen daran brechen. Wo wir durch sollen, ist es gerade mal eine zwei Fußballfelder breite und nur 4 Meter tiefe Passage zwischen den Untiefen. Bei diesem Seegang und unseren 2 Metern Tiefgang scheint mir das ein unkalkulierbares Risiko – noch dazu, wo ich die Passage nicht kenne und selbst bei ruhigem Wetter noch durch bin. Also in den sauren Apfel beißen und die 4 Seemeilen Umweg um die Insel machen: Hoch an Wind, der Windmesser geht über 20 Knoten, und auch gleichzeitig das Vorsegel mit aller Kraft dicht ranholen und das Groß reffen. Shiva, der vielarmige Gott der Glückverheißung möchte ich gerade jetzt sein. Bei Windstille nehme ich mir vor, nachzulesen, wofür er sonst noch alles steht. 

Zwei Wenden, die mir so gotteslästerlich schlecht geraten, dass selbst die Riesen-Motoryacht, die wegen der Wellenhöhe ganz demütig nahe an meinem Bug verbeischleicht, irritiert dreinschaut. Naja, wir sind wohl nach zwei Hafentagen auf Ibiza etwas aus der Form. Doch dann haben wir die Nordumfahrung der Felsen von Sa Conillera erreicht. Ich halte gut Abstand – NAVIONICS sagt, dass eine halbe Seemeile vor den Felsen die Wassertiefe nur sieben Meter beträgt. Vorsichtshalber fahr ich also einen ganz großen Bogen. Kaum vorbei, muss ich feststellen, dass mein Tiefenmesser unverändert 79 Meter anzeigt und NAVIONICS halt von der Zahl „79“ mal eben die „9“ wegließ und nur die „7“ übrigblieb.



Mich darüber zu wundern, bleibt wenig Zeit. Mein Segeltrimm stimmt nicht. Ich rutsche im starken Seegang auf meinem Lieblingssitzplatz hinter dem Steuer einmal die Schiffsbreite entlang auf die andere Seite, wo die vorstehende Schotklemme mich schmerzhaft stoppt und mich an meine morgendliche Dämlichkeitkeit erinnert. 

Doch irgendwann sitzt alles. Die 20 Knoten Wind werden bei 8 Knoten zu purer Lust. Der Anblick der unbewohnten Felseninsel hinter den Wellenkämmen, das Schweben der Möwen über den Inseln: Meine Welt ist wieder in Ordnung. Ich bin wieder da, wo heute morgen alles begann: Was für ein schöner Morgen.

Wenn da nicht das Gefühl bliebe, die Dinge mal wieder alles andere als souverän angepackt zu haben. Ich denke in solchen Momenten oft an Gudrun Caligaro, die Einhandsegelerin, die mit Mitte 40 die Welt auf einem 8-Meter-Schiff umrundete und auf der ganzen Strecke nur sieben Mal anlegte, weils gar so schön war da draußen. In Ihrem Buch mag ich die Stellen, in denen sie streng mit sich ins Gericht geht und sinngemäß schreibt: „Nicht mein Schiff ist irgendwie unzulänglich. Oder das Meer. Ich allein bin es, dessen Unzulänglichkeit mir und meinem Schiff hier draußen immer wieder Probleme schafft.“

Sechs Stunden später. Es ist halb eins. Seit fast drei Stunden sehe ich das spanische Festland halbrechts vor mir. Ich habe jetzt die Hälfte der 68 Seemeilen bis nach Calpe geschafft. Nicht nur ich überlege, einzuschlafen, der Wind hat gerade die gleiche Idee. Mit einem kurzen Nickerchen wirds deshalb nichts, weil ich zur Sicherheit das Radar mit eingestelltem Alarm mitlaufen lasse. Alle zwei Minuten ertönt jetzt „Kolisionsalarm“, wenn ein Schiff in meine vor mir definierte „2-Meilenzone“ eindringt. Die Technik ist sinnreich und funktioniert. Doch sie ist nervig, wenn wie jetzt vor dem Festland der Schiffsverkehr deutlich zunimmt. Tatsächlich ist hier viel los. Segler, Fähren, Motoryachten – und Containerschiffe. Denn die Balearen-Inseln sind nur zum allerkleinsten Teil „Selbstversorgerer“. Jede Tüte Spaghetti, jede Tube Zahnpasta, jeder Kochtopf, jede Steckdose, jede Radmutter: Alles und jedes wurde und wird für die 875.000 Mallorquiner, die 95.000 Menorquiner, die 140.000 Ibithenk und 12.000 Formenteros  auf Containerschiffen. Und für die fast 14 Millionen jährlichen Besucher der Balearen auch. Die Inseln hängen am Tropf, was ihre Versorgung angeht, sind sie ausgesprochen fragile Existenzen. Oder maßlose Verschwender wertvoller Ressourcen – je nachdem. So wie wir alle.



So geht Levje die zweite Hälfte der Tagesetappe jämmerlich klappernd im alten Mistral-Schwell an. Meinem müdes Hirn malt erst eine Glühlampe, das Zeichen für „Idee“, und dann das große gelbe Blisterteil an die Innenwand seines Gehäuses. Aber Lust auf einen erneuten unfreiwilligen Tauchgang wegen „Schot-im-Propeller“ hab ich heute keine. Ich lasse das. Und freue mich lieber am Anblick des markanten, großartigen Felsens von Calpe, der am späten Nachmittag vor mir auftaucht und vor dem ich ankern und draußen die Nacht verbringen will. Vielleicht geh ich ja morgen da hoch? Wer weiß?

Golden Globe Race – Update

SAME PROCEDURE AS EVERY DAY?

GGR # 3