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10 Jahre Sonnensegler

Im Oktober vor einem Jahrzehnt erschien der erste Beitrag auf dieser Website. Ich habe ihn mir gerade nochmal selbst durchgelesen und muss sagen, ich kann über so viel Naivität in so wenigen Zeilen heute eigentlich nur schmunzeln!
Das fühlt sich fast an, als ob diesen Text jemand anderes geschrieben hätte. Ich will fast sagen: Ich war das nicht!
Aber doch, ich war das. Ich war halt jung und hatte keine Ahnung, was dort draußen auf See überhaupt abgehen kann. Es gab aber eine große Lust auf Abenteuer und die ist zum Glück bis heute geblieben. Und das nicht nur bei mir, sondern auch bei Sabrina. Aus der fixen Idee mit der Weltumsegelung ist letztendlich eine Odyssee durch Europa geworden, übers Meer, über Flüsse und den Jakobsweg. Abenteuer mit Booten, zu Fuß, mit Rädern, Einhand oder zu Zweit und irgendwann mit einem besten Freund an unserer Seite. Aber wem erzähle ich das. Ihr kennt ja die Geschichten.

Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass diese Website mal so voll wird mit Texten und Geschichten. Ich war in der Schule, gerade in Deutsch, echt die faulste Sau!
Tja, und heute blicken wir auf exakt 450 Artikel zurück, die sich in all den Jahren hier angesammelt haben. Neben den Filmprojekten ist das mein größter Schatz, auf den ich schon ein ganz klein wenig stolz bin.
Genau 802 standardisierte Buchseiten, sogenannte Normseiten, würden die Texte aus diesen Artikeln füllen. Praktisch betrachtet ergibt das mit Absätzen eine realistische Seitenzahl von ungefähr 962.
Wer sich Sonnensegler.net also nochmal von Anfang an reinziehen möchte, sollte sich das gut überlegen!
Ich glaube, ich hätte diese Ausdauer nicht. Ich bin wirklich keine Leseratte. Ich lese ungefähr einmal im Jahr mein Lieblingsbuch „First Light“ von Richard Preston und vielleicht noch ein oder zwei neue Bücher. Mehr nicht.
Wobei, letztendlich lese ich immerhin jeden Sonnensegler.net Artikel, nachdem ich ihn geschrieben habe, mehr als einmal und verändere jedes mal Details, bevor ihn Sabrina zum Absegnen bekommt. Aber das zählt eigentlich nicht als lesen, sondern ist ja eher ein werkeln und so etwas mache ich halt gerne.

Wo wir gerade beim Thema werkeln sind: Am Trabant hat es sich vorerst ausgewerkelt!
Anfang dieser Woche habe ich einen Anruf vom TÜV bekommen. Mir wurde mitgeteilt, dass ich noch einmal zur Prüfstelle fahren muss. Aber nicht mit dem Trabant auf dem Anhänger, wie sonst immer, sondern mit einem beliebigen Verkehrsmittel, um das fertige Gutachten für den Trabant 601 E abzuholen!
Was das bedeutet, realisiere ich erst so ganz langsam.
Das Prüfverfahren ist nach fast 4 Monaten endlich abgeschlossen. Der Aufwand war enorm, sowohl für mich, aber vor allem für die Ingenieure vom TÜV Süd. Es war eine tolle Zeit und eine interessante Erfahrung. Nachbessern musste ich in all der Zeit nichts am Trabant. Er hat alle Prüfungen auf Anhieb geschafft.
Er entspricht jetzt zu 100% der StVZO und könnte nun jederzeit am Strassenverkehr teilnehmen, wenn, ja wenn da nicht noch das Strassenverkehrsamt in Wesel zwischen mir und dem Asphalt stehen würde.
Aber ich gehe ganz optimistisch davon aus, dass auch diese allerletzte Hürde eines Tages genommen werden kann.
Dieses Jahr werde ich mir das aber nicht mehr antun. Das Jahr war aufregend genug für uns.

Über vieles habe ich hier bisher noch gar nicht berichtet. Zum Beispiel, dass wir im Sommer mal für ein paar Tage am Atlantik waren. Genauer gesagt in Le Verdon Sur Mer, dort wo einst unser Segelboot Eos knapp ein Jahr ihren Liegeplatz hatte und von wo aus wir 2015 aufgebrochen sind, um auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu pilgern.
Diesmal waren wir nur zum ausruhen dort. Wir mussten ein wenig Kraft für die folgende Zeit tanken und das hat gut funktioniert.
Wir haben uns ein Motorboot gechartert und Filou hat ganz offiziell seine Biskaya Taufe erhalten. Wir sind quasi auf unseren eigenen Spuren umher motort. Noch einmal durch die Mündung der Gironde fahren, wo wir damals mitten in der Nacht bei Sauwetter mit Eos durch ziemlich ruppige See reingekommen sind. Und Sabrina hatte die Gelegenheit, die Strecke auf der Gironde in Richtung Bordeaux zu fahren, die ich 2016 mit Eos Einhand unterwegs war. Dann noch mal kurz rüber nach Royan, wo wir mit Eos eine echt gute Zeit im Hafen hatten.
Ansonsten haben wir die Tage oft am Strand verbracht. Filou konnte endlich wieder richtig lange frei laufen.
Den Trip nach Frankreich haben wir mit dem alten Twingo gemacht. Genau zu der Zeit, als es in ganz Europa so richtig „schön“ warm war und der Wald am Atlantik abgefackelt ist. Das hat uns echt traurig gemacht, was dort passiert ist.

Und wie geht es nun weiter mit Sonnensegler.net?
Für mich fühlt es sich gerade so an, als hätten wir nach den ersten 10 Jahren den Vorspann nun hinter uns und könnten so langsam etwas neues ausprobieren.
Die Reise geht also weiter, auch wenn es für euch im Moment mehr nach „Durststrecke“ aussieht. Im verborgenen werkeln wir seit einer ganzen Weile intensiv daran, dem Abenteuer eine neue Richtung und Morgenstern wieder eine echte Daseinsberechtigung zu geben.
In den letzten Monaten hat sich viel bei uns geändert, leider oft ins Negative. Hin und wieder gab es aber auch Lichtblicke. Die meiste Zeit war das Jahr 2022 nervenaufreibend für uns und unsere Familie.

Danke für eure Lesetreue in all den Jahren!

Wir wünschen euch ein Frohes Fest! Kommt gesund ins nächste Jahr!

Wir lesen uns…

2022 – ResüMix

MURMELTIERJAHR – NACHDENKLICHKEITEN – AUGENFUTTER

2022 – ResüMix

SV Chamade – Sylvie Cohen + Marc Decrey CH

VERDI – LA TRAVIATA – OVNI 365 – ET LA GRAND MER

Magnifique évocation de notre attitude aujourd’hui en cette veillée de Noël. Cela fait 21 jours que nous sommes en pleine mer et il en faudra encore de nombreux avant de retrouver la terre. Combien? Chut, une douzaine… je vous le dis à voix basse pour ne pas déranger le cavalier des steppes.

Le nôtre trône à l’arrière de Chamade: concentré, attentif, infatigable, fiable, précis… que dire de plus pour définir notre régulateur d’allure, ce pilote automatique qui tient la barre de Chamade? Si ce n’est qu’en plus il est vertueux, écologique et durable. Il ne consomme ni énergie fossile, ni électricité. Il ne fait qu’utiliser astucieusement la force du vent et de l’eau pour garder le cap et le bon. Nuit et jour, sans faiblir, insensible au froid et aux embruns, il nous décharge de la tache harassante de tenir la barre. Merci à Peter Forthmann, un Allemand, qui a conçu ce « Windpilot », le troisième cavalier de Chamade dans la steppe pacifique!
Et s’il ressemble un peu à un sapin de Noël, c’est juste de circonstance!

Frohe Weihnachten

Heiligabend 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3129, 24.696 sm von HH

Wir wünsche allen Lesern – nah und fern, persönlich bekannt oder nur virtuell – ein wundervolles Weihnachtsfest. Macht es Euch schön und gemütlich und habt eine großartige Zeit.

Das Boat Yard hat vor vier Wochen einen neuen Gas-Grill spendiert. Außerdem wurden die Tische und Bänke frisch geschliffen. Halleluja.  :-)
Das haben wir genutzt und es uns im überdachten Pausenraum so weihnachtlich wie möglich gemacht. Bei 25 Grad und ewiger Helligkeit am Abend ist das nicht so einfach. Aber endlich ist der Sommer in Neuseeland angekommen – scheußliches Regenwetter sollte nun endlich vorüber sein.

Merry Christmas – Peace in your world. Love in your home – Meri Kirihimete

Wir wünschen frohe Weihnachten hinaus in die Welt

Puhutukawa – der Weihnachtsbaum Neuseelands steht in voller Blüte – er funktioniert auch gut als Tischdeko

Der Chef am Grill

Ben – die Yard-Katze – ist auch in Stimmung

Keine Völlerei – sieht nur so aus – der Rest ist für Morgen – denn wir müssen Morgen gleich arbeiten – nur während der Weihnachtsferien steht uns die Halle zur Verfügung

Auf den Punkt – Yummi

Nachtisch geht immer


4

SV Gingko – Richard Möhlenkamp GER

SEGELN VERBINDET – EINE BINSE 

Richard Möhlenkamp

SV Lotte – Mark, Janne, Greta Scharpenack GER

FANTASIA 35 – ATLANTIK RUNDE IN 16 MONATEN
Moin Herr Foerthmann, wir haben 16 Monate gebraucht und das Boot ist seit Oktober wieder in der Halle in Grödersby auf dem alten Platz.

Unseren besten Freund „Peter“, der eiserne Steuermann, haben wir inzwischen an den nächsten Langfahrtsegler in Spee weitergegeben. Den Windpiloten haben wir erst in Portugal vor den großen Schlägen angebaut, denn es war auf dem Weg noch so viel anderes fertigzustellen…
Aber dann hat er uns bei schwach und mäßigen Winden ( bis ca.25 kn) zuverlässig und ausdauernd geholfen – darüber haben wir vor allem auf dem Rückweg meist selbst gesteuert (Max. war 50 kn und 10m Welle…) 
Und unsere  Windpilot-Pinnensteuerung mit der umgekehrten Notpinne  und einem Hydraulikshunt, der direkt am Hydraulik Zylinder angebaut war und per Baudenzug aus dem Cockpit zu bedienen war,  hat hervorragend funktioniert (falls nochmal ein Frage bzgl. Hydrauliksteuerung auftreten sollte)..
Schönen Gruss
Mark Scharpenack

SV Tuvalu – Hans Geilinger ES

45.000 SM SAILING – NO CLEANING – THE RESULT

Cleaning bevel gears

SV Moana – Wilfried Moizan FR

TRANSATLANTIC AVEC BENETEAU FIRST 30 ET FIRST 375
Bonjour Peter, I would like to thank you once again for your wind pilot, I use it in navigation and I appreciate the quality of your product every time I go sailing. I already made a trip from Martinique to Tahiti on a first 30 of 1978 with my partner; you can consult the blog realized in 2013.
Have a good day
Wilfried Moizan SV Cachalot

Breehorn 37 – 41 – 44

MANY YEARS CRUISING WITH MANY MILES BEHIND

Breehorn 37 – 41 – 44

SV HavLys – Ralf Kock GER

SILVERRUDDER 2018 – UNGLEICHE SCHWESTERN – AHGREN 30 – BALLAD 30

Silverrudder 2018 from Ralf Kock on Vimeo.

Ahgren 30 – Ballad 30

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Roadtrip zum Rand der Arktis – Teil 3

Polarlicht auf Senja.

Am späten Abend des 6. April 2022, stehen Sabrina und ich mit weit aufgerissenen Augen sprachlos vor unserer kleinen Hütte auf der Insel Senja und blicken überwältigt nach oben in den Nachthimmel. Über uns wabert das Polarlicht und liefert eine Lightshow ab, die es in sich hat.

Wenn man so etwas zum ersten Mal live erlebt, kann man sich erst vorstellen, wie überwältigt Menschen früher gewesen sein müssen, als es noch keine wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen gab.
Manche Völker haben sich vor den Polarlichtern gefürchtet, bei einigen wurden sie verehrt. Die Wikinger glaubten, dass Walküren nach einer geschlagenen Schlacht über den Himmel ritten und die Polarlichter Reflexionen ihrer schillernden Rüstungen sind.
Bei den Sami glaubte man dagegen, dass es sich bei den Leuchterscheinungen am Himmel um die Seelen der Verstorbenen handelt und man nicht über sie reden sollte. Dann nämlich bestand die Gefahr, von ihnen gepackt und in den Himmel hinaufgezogen zu werden.
Mir gefällt die Interpretation der finnischen Ureinwohner aber von allen am besten. Dort glaubte man, dass es arktische Füchse gibt, die so unglaublich schnell rennen können, dass sie Funken erzeugen, wenn sie beim rennen mit ihren Ruten gegen die Bergspitzen schlagen. Diese uralte Sage gab dem Polarlicht in Finnland seinen Namen, der bis heute geblieben ist. Man nennt das Polarlicht dort „Revontulet“, was übersetzt „Feuerfuchs“ bedeutet.

Sabrina und mich haben die Feuerfüchse am Rand der Arktis jedenfalls in ihren Bann gezogen. Das wir sie überhaupt zu sehen bekommen, daran hatten wir eigentlich nicht mehr geglaubt.
Das Magnetometer in Kiruna war seit Tagen ruhig, der KP-Wert lag bei 1 und die Vorhersage für die nächsten Tage sah schlecht aus.
Der KP-Index gibt mit einem Wert zwischen 0 und 9 die Intensität der solaren Teilchenstrahlung an und man kann mit diesem Wert eine grobe Einschätzung treffen, ob Polarlichter möglich sind.
Um in Norddeutschland Polarlichter zu sehen, braucht es schon einen geomagnetischen Sturm und einen KP-Wert von mindestens 5, besser 7, um visuell überhaupt etwas wahrnehmen zu können.
Ich selbst habe mein erstes Polarlicht im Sommer 2001 in Nordrhein-Westfalen gesehen und auch fotografiert. Der KP-Wert lag damals bei 8 und das Polarlicht war als schwach leuchtender, roter Vorhang am nördlichen Himmel sichtbar.

Auf Senja ist jedoch alles anders. Die Insel liegt auf dem 69. Breitengrad Nord, quasi direkt unter dem Polarlichtoval, in einer Region in der dieses Oval am ausgeprägtesten ist und der Teilchenstrom der Sonne die Gase in den oberen Schichten der Erdatmosphäre bereits bei geringen Dichten zum leuchten anregt.
Es gibt weltweit nur wenige leicht erreichbare Gegenden auf diesem, für Polarlichter optimalen Breitengrad, und Senja ist einer dieser idealen Orte. Hier ist es aufgrund der dünnen Besiedelung noch dazu nachts schön dunkel.
Das war mir zwar im Vorfeld dieser Reise bewusst, aber trotzdem habe ich nicht daran geglaubt, bei einem KP-Wert von quasi NIX überhaupt etwas zu sehen.
Trotzdem bin ich alle halbe Stunde nach draußen gegangen, habe einen Blick in den Himmel geworfen, ein paar Aufnahmen gemacht und gehofft…
Kurz vor Mitternacht war es schließlich soweit. Die ersten grünen Bänder tauchten auf!
Zuerst ganz schwach wahrnehmbar, dann wurden sie nach wenigen Minuten immer heller.
Sie veränderten sich schnell, verbogen sich und zerfielen wieder.
Immer wieder bauten sie sich auf, waberten vor sich hin und huschten wieder davon. Viel schneller als ich es mir immer vorgestellt hatte.
Im ersten Moment habe ich fast geschrien: „SABRINAAAAAA!!!“
„POLARLICHTER!!!“
Als wir dann beide dort oben unterm Himmel standen und die Feuerfüchse über unseren Köpfen hinwegrasten, waren wir lange Zeit ganz still. Für uns war es ein gigantisches Naturschauspiel.
Aurora Borealis! Bei einem KP-Wert von EINS!
Von so einer Sichtung habe ich mein halbes Leben lang geträumt.

Aurora Borealis!

Aber wir waren nicht nur nachts auf der Insel unterwegs, sondern haben Senja wirklich intensiv kennengelernt und mit dem Subaru erkundet. Wir waren im Osten und im Westen, haben den Süden der Insel ausgekundschaftet und auch die Nordküste und das Innere der Insel nicht ausgelassen.










Wir hatten durch eine Bekanntschaft im Vorfeld der Reise und ein Treffen auf Senja die Gelegenheit, viel über die Lebensweise der Menschen hier oben und der Norweger im allgemeinen zu erfahren, die gar nicht so abgekühlt und verschlossen sind, wie ihnen häufig nachgesagt wird.
Die meisten Norweger haben wir als ausgesprochen direkt und gelassen erlebt. Es wurde selten um den heißen Brei herumgeredet und auch nicht unnötig oder hastig gelächelt, wenn es keinen triftigen Grund dafür gab. Wir sind damit ausgesprochen gut zurechtgekommen.

Durch diese Bekannschaft haben wir auf Senja eine Jägerin kennengelernt und ein paar interessante Einblicke bekommen. Jagd in Norwegen unterscheidet sich deutlich von Jagd in Deutschland. Wir hatten uns mit dem Thema zwar schon lange vor dieser Fahrt beschäftigt, aber davon aus erster Hand etwas zu erfahren und letztendlich das Gelesene bestätigt zu bekommen, war eine tolle Erfahrung.
Jagd in Norwegen dient den Menschen nach wie vor in erster Linie dazu, ein gutes Stück Fleisch auf dem Teller zu haben. In praktisch jeder norwegischen Familie gibt es mindestens einen Jäger oder eine Jägerin. Gejagt wird überwiegend nach sehr alten, bewährten Grundsätzen. Trophäenjagd spielt kaum eine Rolle, Treibjagden ebenfalls nicht. Gejagt wird in der Regel einzeln, oder zu zweit. Hochsitze gibt es fast keine. Man begibt sich statt dessen auf die Pirsch und zieht hinaus in die Wildnis. Manchmal geht so eine Jagd über mehrere Tage. Der Jäger übernachtet dann im Wald, lässt sich auf das Leben in der Wildnis ein und versucht durch Spurenlesen und durch seine Erfahrung den Elch zu finden. Es wird lange beobachtet und ausgesucht, welches Tier geschossen wird. In der Regel ist es das schwächste erwachsene Tier einer Herde.
Das geschossene Tier wird dann vor Ort zerlegt und das Fleisch auf dem Rücken aus dem Wald transportiert.

Die Jägerin, mit der wir auf Senja übers Jagen gesprochen haben, hatte ihr Revier auf einem Berg im inneren der Insel. Wir konnten uns nur schwer vorstellen, wie anstrengend es sein muss, dort mit Ausrüstung, Gewehr und auf dem Rückweg zusätzlich mit jeder Menge Fleisch auf dem Rücken entlang zu wandern. Aber die Jägerin, sie macht es heute und seit sie denken kann. Als wir sie getroffen haben, war sie über 70 Jahre alt!

In Norwegen gibt es durch diese ausgeprägte Jagd auch weniger Viehhaltung. Und wenig Vieh bedeutet weniger Weiden. Weniger Weiden bedeutet mehr Wald. Mehr Wald bedeutet mehr Wild. Mehr Wild bedeutet weniger Viehhaltung…
Ein Kreislauf im Einklang mit der Natur, über den wir in Deutschland nicht mehr nachdenken brauchen. Dafür ist es längst zu spät.
In Norwegen funktioniert dieser Kreislauf seit eh und je. Und das nicht nur bei der Jagd. Dafür braucht es interessanterweise auch keinen politischen Zwang. Die Menschen haben das hier oben schon immer so gemacht und sich bei aller Technisierung eine gewisse Naturverbundenheit bewahrt.
Das fängt bereits im Kindergarten an und geht in der Schule weiter. Kindergartenkinder verbringen in Norwegen wesentlich mehr Zeit in der Natur als im Rest Europas. Uns ist das während dieser Reise auch aufgefallen. Wir haben öfter Kindergruppen mit ihren Erzieherinnen auf Ausflügen gesehen.
In der Schule hört dieser Umgang mit der Natur nicht auf. Schulkinder gehen, unabhängig vom Wetter, in der Regel einen Tag in der Woche zum lernen nach draußen.
Eine (solche) Prägung wirkt sich, wie wir alle wissen, natürlich auf das gesamte spätere Leben und damit auf die Grundeinstellung einer Gesellschaft aus. Ein Beispiel:
Norwegen erzeugt 100% seines Stroms aus erneuerbaren Energien und das schon seit Jahrzehnten und mit ordentlich Überschuss, den sie uns gerade übrigens abgeben, sonst würde es hier noch düsterer aussehen.
Aber lassen wir das Thema, sonst komme ich vom Schwärmen noch ins Nörgeln ab und das wollen wir ja hier nicht.

Sabrina und ich schaffen es, uns nach einigen wunderbaren Tagen vom Rand der Arktis loszueisen. Wir wären gerne länger geblieben, viel länger, aber es gab schließlich noch mehr zu entdecken.
Also bekam der Subaru einen kleinen Check und wir sind am 9. April wieder gen Süden gefahren.
Irgendwann waren wir in Narvik, haben dort noch ein paar Dinge erledigt und sind durch den Ort gecruist, den wir seit langer Zeit so oft im Livestream beobachtet haben, um übers Jahr verteilt zu schauen, wie das Wetter gerade dort ist und um unser Fernweh ein wenig zu stillen.
Jetzt waren wir hier und für einen kurzen Moment war der Subaru ein Teil dieses Livestreams. Ein witziger Moment und ein wenig surreal.

Danach ging es weiter auf der E6 nach Süden. Die Landschaft die an uns vorbei zieht kann unterschiedlicher kaum sein. Mal fahren wir durch eine Eiswüste und wenige Kilometer weiter findet man sich im relativ milden Küstenklima wieder und die Straße ist komplett schneefrei und trocken.
Gegen Mittag überqueren wir ein zweites Mal den Polarkreis, diesmal in die andere Richtung. Hier in Norwegen steht am Polarkreis das „Arctic Circle Center“. Ein ziemlich faszinierendes Gebäude mit eigener Poststelle, Souvenierladen und Cafeteria.
Aber es ist halt noch Winter und das riesige Gebäude ist bis zum Dach eingeschneit. Nur der große Wegweiser schaut noch ein Stück aus der weißen Masse heraus. Wir fahren weiter.








Am Abend kommen wir in Tosbotnet an. Der Ort liegt einige Kilometer abseits der E6 an einem Fjord. Dort hat Sabrina kurzfristig eine kleine gemütliche Hütte für uns gefunden.
Von der Umgebung bekommen wir nicht mehr viel mit. Wir sind müde und fallen recht früh ins Bett.
Mitten in der Nacht weckt uns Filou. Er bellt nicht, das macht er ja grundsätzlich nicht. Er klettert lautlos aufs Bett und stupst einen mit seiner Nase am Kopf an. Als wir wach sind, steht er neben uns und lauscht. Wir hören nichts, schauen noch aus dem Fenster, sehen aber nichts.
Filou ist noch eine ganze Weile wach und starrt ab und zu auf die Wände, als ob ein Geist dahinter wäre.
Irgendwann schlafen wir alle wieder ein.
Als wir am nächsten Morgen nach draußen gehen, sind überall um die Hütte herum Spuren im frischen Schnee. Viele kleine und eine Spur mit ziemlich großen Abdrücken. Die kleinen stammen wahrscheinlich von Rentieren, die großen sind eindeutig von einem Elch.
Die Tiere sind Nachts direkt am Schlafzimmer vorbei getrottet und Filou hat das mitbekommen.

Eine Elchspur.

Sabrina gefällt es in Tosbotnet.

Was wir sonst noch hier erleben lässt sich nur komprimiert wiedergeben, sonst artet das in exzessiver Schwärmerei aus.
Auf unseren Wanderungen im Wald jagt eine „Bob Ross Landschaft“ die andere. Einfach nur atemberaubend, durch einen völlig unmanipulierten Urwald zu gehen. Wie im Märchen und mit einem Wirtschaftswald, wie es die meisten in Zentraleuropa nun mal sind, nicht vergleichbar.

Bob Ross Landschaft.

Der Insel Vega statten wir auch einen Besuch ab. Dazu müssen wir mit einer Fähre ein paar Meilen über die offene See fahren. Filou muss während der Überfahrt im Auto bleiben. Nach etwa 30 Minuten leichter Schaukelei legt das Schiff auf Vega an. Als wir wieder runter zum Autodeck gehen und in den Subaru schauen, sehen wir wie Filou tief und fest schläft. Er war eher genervt, dass wir zurückgekommen sind und ihn beim Mittagsschlaf gestört haben.
Wir haben ihm versprochen, dass er auf dem Rückweg am Abend wieder von der Fähre in den Schlaf geschaukelt wird.
Bis es soweit war, haben wir Vega erkundet.
Die Insel war ein enormer Kontrast zum Festland. Wenige Seemeilen machen einen deutlichen Unterschied beim Klima. Um unsere Hütte in Tosbotnet ist die Landschaft weiß und alles ist tiefgefroren. An der Westseite von Vega liegt dagegen keine einzige Schneeflocke mehr. Es regnet und es pustet mit Windstärke 7. Der Wind ist nicht mal richtig kalt.







Nach 3 schönen Tagen in der Gegend um Tosbotnet verabschieden wir uns und ziehen auf der Europastraße 6 weiter nach Süden.
Es sind gerade einmal 350km, die wir am 12. April zurücklegen. Als wir gegen Mittag in Trondheim ankommen, ist das Wetter völlig anders als am Morgen.
Das faszinierende Nordland liegt nun endgültig hinter uns, wir sind jetzt in Trøndelag, in Mittelnorwegen. Hier ist es deutlich wärmer, Schnee liegt nur noch auf den Bergspitzen und in Trondheim sehen wir die ersten Leute im T-Shirt joggen. Wir sind in einer norwegischen Großstadt. Und auf den ersten Blick sind die Unterschiede zu anderen Großstädten nicht so groß. Hier gibt es halt alles was der Konsument braucht oder glaubt zu brauchen.






Wir richten uns auf einem Campingplatz für einen Tag und eine Nacht häuslich ein, bauen unser Heckzelt auf und machen es uns gemütlich. Mit Miniküche, die ich aus einer Eurobox, Alurohren, etwas Holz und ein paar Teilen aus dem 3D Drucker gebastelt habe. Das Menü ist allerdings eher rudimentär. Es gibt Ravioli aus der Dose. Macht satt.
Gleich neben dem Campingplatz liegt das Meer. Hier treffen sich abends einige Jugendliche und die ersten Leute haben am Strand den Grill angeworfen und machen ein Lagerfeuer.
Seinen eigenen Grill braucht man hier allerdings nicht mitbringen. Direkt an der Küste stehen mehrere öffentliche Edelstahl Grills mit bester Aussicht auf den Fjord.
Jeder einzelne Grill sieht besser aus als… ach, lassen wir das.
An jedem Grill ist an der Seite noch ein schicker Schürhaken an einer Kette angeschäkelt. Mich hat dieser Anblick fast schockiert, ganz ehrlich. Weil ich mir zu 100% sicher bin, dass so etwas in Deutschland, sagen wir in Frankfurt am Rheinufer, nicht eine einzige Nacht überleben würde! Der Haken wäre nur wegen des V4A Schäkels geklaut worden und der Grill spätestens nach der ersten Nacht von Samstag auf Sonntag nicht mehr an Ort und Stelle oder, wenn man ihn festbetoniert hätte, übel zugerichtet worden.
Mich hat der Anblick dieses gepflegten öffentlichen Grills wirklich traurig gemacht, weil er wie ein Mahnmal vor Augen führt, dass in unserer Gesellschaft etwas gewaltig schiefläuft.

Dieses Thema beherrscht den Abend bei uns im Heckzelt. Wir campen in einer Großstadt und fühlen uns so wohl, als würde das Zelt irgendwo auf dem Land, im Garten bester Freunde stehen.

Am nächsten Tag müssen wir Abschied nehmen. Abschied von Norwegen, Abschied vom hohen Norden.
Drei Jahre nachdem diese Reise geplant und immer wieder durch einen Virus verhindert wurde, hat es endlich geklappt.
Als wir über die Grenze nach Schweden rollen wissen wir, dass wir irgendwann wiederkommen werden. Das motiviert uns.

Dann nochmal kurz durch Schnee und Eis übers Skandinavische Gebirge, noch einmal bei Lits campen, dem Campingplatz, wo wir am Anfang dieser Reise eine Nacht kostenlos stehen durften. Diesmal gönnen wir uns eine kleine Hütte. Sehr gemütlich.



Und als letztes kleines Highlight schließlich, campen bei „Duse Udde“ am Vänern. Fast wie vor 15 Jahren. Damals waren wir mit Sabrinas blauem Twingo und Zelt hier, heute pennen wir im Auto und werden von Glampern komisch beäugt. Ist uns aber egal. Wir unterhalten uns noch eine Weile mit einem zahnlosen Althippie und sind froh, dass es auch noch normale Leute auf dem Campingplatz gibt.
Dann schlafen wir ein und träumen von Norwegen.

Am nächsten Tag: Endspurt!
Wir legen zwei Tagesetappen zu einer zusammen. Ab über die Öresundbrücke, eine letzte Fähre, ein paar Kilometer Autowahn, ähm Autobahn und zack sind wir wieder in Wesel, nach 1.200 Kilometern. Die längste Strecke, die wir bisher an einem einzigen Tag gefahren sind.
Aber es gab für uns keinen guten Grund mehr zu halten. Es gab ohnehin nur noch ein Thema bei uns beiden und da war es am besten, vorerst so schnell und so weit weg wie möglich von Norwegen zu kommen.

In Wesel liegen schließlich 6.791 Kilometer hinter uns. Wir sind ziemlich stolz auf unseren Filou und auf den Subaru. Beide haben den Roadtrip an den Rand der Arktis, über Schotterpisten, Eis und Schnee souverän gemeistert.

Zurück in Deutschland.

Norwegen, das war für uns Liebe auf den ersten Blick.
Obwohl, eigentlich war es eher so wie beim Onlinedating. Man begutachtet lange vor dem ersten Treffen nur Pixel. Man hofft, dass die Pixel im Reallife genauso süß sind, wie am Flatscreen.
Manchmal klappt das. Bei uns und Norwegen hat es geklappt.Und wie es geklappt hat! Es gab wenige Überraschungen und wenn, dann nur Positive.
Es war allerdings auch so, dass wir diesem Land seit einer gefühlten Ewigkeit einen Besuch abstatten wollten. Das erste Buch über Norwegen stand noch vor dem ersten Segelbuch im Regal und seit der Fahrt mit dem Twingo an den Vänern in Schweden hat uns der hohe Norden magisch angezogen.

Jetzt hat endlich Alles gepasst. Wir sind uns sicher, in die richtige Richtung gefahren zu sein, haben Alles ausprobiert was wir uns vorgenommen haben. Man könnte sagen: Ende gut, Alles gut!

Aber so ganz ist diese Geschichte noch nicht zu Ende.

Vielleicht fängt sie gerade erst an…

USA-Visum – alles eine Frage der Geduld

15. Dez., 22, Neuseeland/Auckland, Tag 3120, 24.696 sm von HH

Wer in die USA als Tourist einreist, braucht normalerweise kein Visum. Anders verhält es sich, wenn man mit dem Boot dort hinsegeln möchte – dann wird ein B1B2 Visum verlangt. In der Karibik und Südamerika hatten wir mehrfach die Gelegenheit an ein Visum zu gelangen, die haben wir jedoch nicht wahrgenommen. Wir sahen keinen Bedarf. In der Corona-Zeit haben wir gelernt, dass dies unseren Reise-Radius erheblich erweitert hätte, da war es aber zu spät. In Französisch Polynesien kann man das Visum nicht beantragen, weil die weder eine amerikanische Botschaft noch ein Konsulat haben. Aber jetzt haben wir die Möglichkeit in Auckland. Also auffi, packen wir’s an.

Bereits im September hat Achim die Anträge für uns fertig gemacht. Hier wird der Kuh das Kalb abgefragt: „Waren sie bereits in den USA? Wenn ja, wie lange und warum? Haben sie vor, Waffen in die USA einzuführen? Sind sie Mitglied einer terroristischen Organisation? Wollen sie Geldwäsche in den USA betreiben?“ Offensichtlich ist unser Lebenslauf lupenrein (oder zumindest die Antworten ;-) ). Wir bekommen eine Einladung zum ‚Interview‘. Bei Interview taucht vor dem geistigen Auge ein Büro mit Schreibtisch, Keksen und einer Tasse Kaffee auf.

Wir fahren also nach Auckland. Schon einen Tag vor dem Termin. Unser verregneter Besuch im Juli soll durch einen schönen Tag entschädigt werden. Kaum haben wir eingecheckt, fängt es zu nieseln an, was zum Nachmittag und Abend in Dauerregen übergeht. Bäh!
Am nächsten Vormittag dann unser Termin. Es gießt wie aus Eimern. Wir stehen etwas zu früh vor dem Konsulat. Achim schlägt vor, dass wir schon rein gehen, vielleicht kommen wir ja etwas früher dran.

Beim Eintreten verschlägt es uns die Sprache. In einem winzigen Raum stehen ein Taschen-Durchleuter und ein Metalldetektor. Und vierzig andere Menschen. Die Schlange ist so lang, dass sie in einen Nebenkorridor führt. Ungefragt stellen wir uns ans Ende der Reihe. Eine gute Entscheidung, wie sich noch herausstellt.
Es ist eng wie im Flugzeug, wenn alle Passagiere gleichzeitig aufstehen. Die Luft ist zum Schneiden. Im überhitzen Raum dampfen die regennassen Klamotten.  Ein Visums-Interview soll fünf bis zehn Minuten dauern. Die Rechnung ist einfach – im schlechtesten Fall 40 mal 10 Minuten – Wartezeit ab hier noch 6 Stunden, oder wie?
Es geht nur langsam voran. „Jesus“ oder „Oh my godness“, sind die Kommentare der Neuankömmlinge. Hinter uns wächst die Schlange weiter. Erste Leute werden wieder weg geschickt. Wer fragt, verliert. „Bitte im Erdgeschoß warten, euer Termin verfällt nicht.“ Wir tauschen uns mit den Nachbarn aus. Alle haben mit fünfzehn Minuten Versatz die gleiche Uhrzeit für ihren Termin genannt bekommen. Es geht doch nichts über gute Organisation.

US Konsulat – mit verdrehter Flagge – symbolträchtig für verdrehte Terminvergabe?

Nach einer Stunde haben wir die Durchleuchtung passiert und werden in einen Nebenraum geleitet. Erneut eine Warteschlange. Dreißig Personen jetzt vor uns. Fünf Schalter geöffnet. Die Rechnung ist wieder einfach. Im schlechtesten Fall noch eine weitere Stunde Wartezeit.
Schnell verschwindet die Phantasie vom Interview mit Schreibtisch und Keksen. An Ticket-Schaltern, ähnlich wie am Bahnhof, werden die Antragsteller abgefertigt. Dank der Lautsprecher hinter der Glasscheibe bekommen wir alles mit. Hier ein Student, der nach Kalifornien möchte, dort eine Frau, die ihre Schwester seit neun Jahren nicht gesehen hat. Das asiatische Paar, was auswandern möchte und am letzten Schalter wird es richtig indiskret. Der Antrag wird heiß diskutiert, weil der Typ schon mal Ärger an der US-Grenze hatte.

Endlich sind wir an der Reihe. Unsere Story, dass wir das Visum für die Einreise mit dem Boot benötigen, kommt bei der Sachbearbeiterin gut an. Cool findet sie, dass wir um die halbe Welt mit dem Boot gesegelt sind. „Wie groß ist das Boot? Nur Ihr zwei? Habt ihr schon mal andere Schiffe unterwegs gesehen und was macht ihr dann?“ Während sie uns ausfragt, werden die Pässe gescannt, Fotos wechseln den Besitzer und wir müssen alle zehn Fingerabdrücke abgeben. „Visa genehmigt“, lächelt sie uns an.
Die werden in unsere Pässe geklebt und uns innerhalb von zehn Tagen nach Whangarei zugeschickt (in speziellen Umschlägen, die wir vorher gekauft und mitgebracht haben). Gültigkeit: zehn Jahre, Kostenpunkt: stolze 350 Euro (inklusive Fotos, Gebühren und Anreise), Wartezeit im Konsulat: zwei Stunden. God bless America.

Als wir Auckland wieder verlassen, hört es auf zu regnen. :evil:

Lichterarme Weihnachtsdeko in Auckland – hat auch nicht so viel Sinn – der längste Tag des Jahres ist nah

Schlechtes Wetter in Auckland


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