Kategorie: Blogs

Eine Art Weihnachtsgeschichte

Das Jahr neigt sich mal wieder dem Ende zu. Sabrina und ich sitzen in diesen Tagen so oft es geht zusammen und lassen die Zeit Revue passieren. Mama und Oma versorgen uns mit selbstgemachten Plätzchen in rauen Mengen und abends sorgen Räuchermännchen für eine gemütliche Atmosphäre. Es geht uns gut nach dem letzten Abenteuer und wir genießen diese freien Tage, bevor Sabrina Anfang Januar im neuen Job durchstartet und ich Teil 2 von „Mit Wind und Sonne um die Welt“ in Angriff nehmen werde.

2015 war für uns eines der turbulentesten Jahre. Der zweite Aufbruch ins Ungewisse, viel Arbeit an Eos und ein wunderschöner Sommer in Frankreich. Nach der ersten Euphorie dann der Dämpfer in der Biskaya und die anschließende Suche nach dem richtigen Weg. Auf den Jakobsweg sind wir dabei durch Zufall gekommen. Eben weil er direkt am Hafen vorbei geführt hat und weil wir durch eine Freundin wussten, was die Jakobsmuschel am Wegesrand zu bedeuten hat. Dass wir dann kurze Zeit später Eos in Port Medoc abschließen, mit Rucksack auf dem Rücken los laufen, unterwegs zwei Mountainbikes kaufen und nach 46 Tagen tatsächlich am Kap stehen, das war mit das Beste was uns passieren konnte.
Der Camino, der Jakobsweg, er hat uns eine Menge gegeben. So viel, dass wir selbst heute noch immer wieder Momente haben, in denen wir einzelne Details erst so richtig realisieren. Einfach, weil diese 46 Tage so voll waren mit Erlebnissen, Begegnungen, Bildern und verschiedenen Gefühlen. Ein Auf und Ab, nicht nur in Gestalt unglaublich vieler Höhenmeter, nein, vor allem eine Gefühlsachterbahn, ähnlich wie beim Fahrtensegeln. Mit einem Unterschied: Segeln ist für uns in erster Linie eine Herausforderung für den Kopf und dabei leicht für den Körper, was die Anstrengung anbelangt. Pilgern empfinden wir dagegen um 180° verdreht. Federleicht für die Psyche und dabei schwer für die Physis. Beides hat seine Reize. Bei beiden Arten des Reisens gibt es Licht und Schatten. Ein Freund von uns hat dabei treffend angemerkt: „Nun, wenn das auf dem Boot umgekehrt ist, auch daran kann man ja arbeiten, genau wie der Körper sich allmählich an schwere Arbeit gewöhnt.“
Das wird eine der Aufgaben für die nächste Zeit. Wird vermutlich etwas länger dauern. Aber besser, als Eos zu verkaufen und den Traum vielleicht für immer aufzugeben. Davon sind wir zum Glück mittlerweile ziemlich endgültig wieder ab.
Also werden wir Eos 2016 erst mal nach Hause holen! Weiter aus dem Fenster lehnen möchte ich mich an dieser Stelle noch nicht. Wir planen noch…

In der Zwischenzeit hat sich noch etwas etwas ereignet. Wir haben vor einigen Tagen eine Karte nach Elguero geschickt. Wir waren uns allerdings nicht sicher, ob sie überhaupt ankommen wird, denn adressiert hatten wir sie an „unsere Freunde in Elguero“. Auf der Karte war auch ein Foto von Sabrina und mir, wie wir am Kap stehen. Wer uns also gesehen hat, konnte vielleicht etwas damit anfangen, so unsere Hoffnung.

Vorgestern hatten wir dann eine wunderbare Nachricht im E-Mail Postfach. Unsere Postkarte hat den Weg zu unseren Freunden gefunden und wir haben Weihnachtsgrüße aus Elguero bekommen, jenem Ort, an dem wir eine so unglaublich große Gastfreundschaft neben dem Jakobsweg erlebt haben. Von dort, wo wir spät abends, ohne Aussicht auf einen Schlafplatz, als Fremde aufgetaucht sind. Als Fremde, die nicht mal richtig Spanisch konnten. Man hat in diesem kleinen Dorf damals alles in Bewegung gesetzt, um uns zu helfen. Am Ende haben wir den Schlüssel für das Gemeindehaus bekommen und hatten einen sicheren Schlafplatz für die Nacht.

Frohe Weihnachten … und für alle, die nicht Weihnachten feiern, ein paar schöne freie Tage.

Viel Spaß mit dem Videoupdate #21:

Video Nummer Zwei – Ein wenig Rückreisefeeling

Drei Tage, drei Videos

Fangen wir an mit einem Rückblick auf den Botafumeiro in Santiago. Für uns war die Atmosphäre nach dem langen Weg ziemlich ergreifend.

Menschen am Meer:

Was nun folgt, mag möglicherweise für den ein oder anderen trostlos sein. Aber wie vieles im Leben ist das nur eine Frage der Perspektive.

Nehmen wir mal das Bild oben: Ich habe es aufgenommen heute Nachmittag, als gegen Viertel vor fünf die Sonne unterging, in Punta Secca, wohin ich nun fast jeden Abend streune, weil sich da die Südküste Siziliens nach Westen weitet. Und sich plötzlich der Blick auf die untergehende Sonne bietet. Punta Secca im Winter also, …

am heutigen 17. Dezember, bei Sonnenuntergang. Vier verlassene Häuser irgendwo in Südsizilien, verrammelt vor den Südstürmen, die in den kommenden Wochen unweigerlich hier fegen werden. Vier Häuser, die sich wie vier Alte in ihrer Einsamkeit aneinanderschmiegen, als wollten Sie sich Trost zusprechen. Der Winter am Meer, auf dem Boot, er kann schon ganz schön trostlos sein. Oder?

Derselbe Ort, derselbe Augenblick: Ich habe mich lediglich einmal im Halbkreis um mich selber gedreht, und schaue jetzt nach Westen, aufs Meer, statt auf die einsamen Häuser. Punta Secca, wie 

ich es nie vergessen werde. Und damit sind wir auch schon beim Thema: Warum ich im Winter so gerne am Meer bin? Warum ich im Winter gerne auf dem Boot lebe?

Aber lassen wir erst einmal ein paar andere Menschen zu Wort kommen. Menschen, die ich hier getroffen und kennengelernt habe, und die jetzt im Winter genauso wie ich auf dem Boot leben. 

1. Julia, aus Kanada, 52.
Im Hafen von Marina di Ragusa überwintern derzeit etwa 50 Langfahrtsegler. Schweden, Holländer, Kanadier, Briten. Meist Paare. Man trifft sich ein-, zweimal die Woche. Zum Beispiel vergangenen Sonntag, wo die Schweden das Lucienfest feierten. Und alle anderen einluden zu Punsch und Selbstgebackenem. Oder gestern Abend, als das Marina-Restaurant für die Segler italienische Schweinshaxe offerierte. Dabei lernte ich Julia* (Name geändert) kennen. Und über der italienischen Schweinshaxe, die im Kartoffelbett geschmort auf den Teller kam und eine Offenbarung war, ging das Gespräch zwischen Julia und mir um das Thema „Jetzt auf dem Boot“. Julia ist mit ihrem Mann Peter erst seit kurzem hier in Marina di Ragusa. Sie ist Kanadierin aus Montreal, 52. Und bis letztes Jahr hat sie dort im Management einer kanadischen Bankengruppe gearbeitet. Alles war ok – doch irgendwas fehlte im Leben. Also begann sie vor einigen Jahren, zu segeln. Machte wilde Sachen: Von Nordkanada zusammen mit Peter die Westküste hinunter nach Californien – kein Spaß in der Kälte und den Stürmen Nordkanadas. Aber es war ihrer beider Ding. 
Irgendwann hat sie im vergangenen Jahr gekündigt. Das verstand ihr Boß so gar nicht. Und ging mit Peter auf die Suche nach einem Boot. Sie hatten ein Bestimmtes im Sinn, eines, das weltweit nur 28 mal gebaut wurde – und hier in Marina di Ragusa fanden sie es. Und nun sind beide hier. Auch wenn sie noch nicht wissen, wohin ihre Reise gehen wird, wie weit. „Es ist so phantastisch schön hier“, sagt Julia, „und eigentlich genieße ich jeden Tag, bevor wir in einigen Wochen für einige Zeit zurück nach Kanada gehen“. Warum Sie längere Zeit von dort weggehen will? Julia meint, dass sie ihren Job schon sehr geliebt hat. „Ich habe viel gearbeitet. Und gerne. Aber zuhause ist das irgendwie, als wäre etwas in Dich eingraviert. ‚Sei ehrgeizig‘. ‚Sei erfolgreich‘. ‚Arbeite hart‘. Es ist wie eine Gravur, die wir nicht loswerden. Aber hier am Meer auf dem Boot: Da werde ich sie los.“

2. Juran, aus Schweden, 74. 
Mein Nachbar Juran ist Schwede. Juran ist 74 und lebt mit der quirligen Eileen hier in Marina di Ragusa auf dem Boot neben Levje. Am Samstag wird Juran zusammen mit Eileen nach Schweden reisen, für ein paar Wochen, vor allem um seine Enkel zu sehen. Warum er denn nicht in Schweden bliebe, bei Kindern und Enkeln, habe ich ihn vor ein paar Tagen gefragt. Und er erzählt mit sanfter Stimme: „Ich bin jetzt seit 22 Jahren unterwegs auf diesem Boot. Ich habe Elektronik-Entwicklung gemacht und Beratung für die Industrie, es wurde immer mehr und immer mehr. Irgendwann hatte ich genug davon, nur immer getrieben zu sein. Da bin ich mit 52 los.“ Und warum er heute mit 74 nicht nach Schweden zurückkehre, zu seinen Kindern und Enkeln? Juran denkt einen Moment nach. „Es ist gut, meine Enkel zu sehen. Aber es tut mir einfach sehr weh, zu beobachten, wie sehr meine Kinder und Enkel einfach im Rattenkäfig des Daily Life stecken und leiden. Auch wenn Schweden meine Heimat ist: Ich kann da nicht mehr zurück.“

3. Angelika Gebhard aus Deutschland.
Angelika Gebhard ist die Frau des 2013 verstorbenen Weltumseglers Rollo Gebhard, dessen acht Bücher demnächst bei millemari. in neuer Überarbeitung erscheinen werden. Mit ihrem Mann segelte Angelika Gebhard sechs Jahre um die Welt – es war ihr erster Törn überhaupt, und die Route hatte es in sich. Von Deutschland nach USA – aber nicht über die Kanaren, sondern über Island und Grönland nach New York. Von der Südsee mal einfach nach Alaska. Zurück von der Südsee nonstop nach Emden. 
Bei unserem zweiten Gespräch erzählt Angelika Gebhard über diese Jahre und zieht folgendes Resumee: „Wissen Sie: Es ist ja nicht so, dass Segeln einen Menschen wirklich verändern würde. Man bleibt doch derselbe. Was sich aber ändert, ist: Wie man manche Dinge sieht. Zum Beispiel ‚Reichtum‘. Reichtum ist nicht, was man besitzt. Reichtum ist, zu wissen, was man nicht braucht.“ 

4. Die Kartenspieler von Punta Secca.

In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden in Punta Secca. Der Leuchtturm, den ich schon im vorigen Post beschrieb, wirft sein Licht in die Nacht. Die Bar LA PICCOLA OASI darunter ist schon dunkel. Zwei, drei Grüppchen von Männern, Fischer augenscheinlich, stehen auf der Piazza herum, palavern im Dunkel. Und auch die Kartenspieler, über die ich schrieb, sitzen am selben Platz. Ich getraue mich nicht, die vier, auch sie wohl Fischer, anzusprechen, so vertieft sind sie in ihr Spiel. Aber wenn ich sie fragen würde, was um Himmels willen sie denn in einer Dezembernacht am Meer in Wollmützen draussen sein und ausgerechnet in der Kälte Kartenspielen lässt: Dann bin ich mir fast sicher, dass ihre Antwort in dürren Worten nicht so verschieden wäre von dem, was Angelika Gebhard über die Sicht auf die Welt sagte.

Belassen wir es zunächst bei diesen Antworten. Und während ich jetzt in meine Segeljacke gehüllt die nächtliche Hafenpromenade von Marina di Ragusa entlangschlendere und nur die Wellen höre, die von Malta und Afrika heranrauschen, denke ich mir: Schon gut so, wie die Welt gerade ist.
                                 __________________________________________________

Soeben bei millemari. erschienen:


Sehenswerte Bilder und Texte aus diesem Buch haben wir 
auf unserer millemari.-Bestellseite für Sie zusammengestellt. 
Klicken Sie rein.

Menschen am Meer: Warum manche Menschen im Winter gerne auf dem Boot und am Meer leben. Vier Antworten.

Was nun folgt, mag möglicherweise für den ein oder anderen trostlos sein. Aber wie vieles im Leben ist das nur eine Frage der Perspektive.

Nehmen wir mal das Bild oben: Ich habe es aufgenommen heute Nachmittag, als gegen Viertel vor fünf die Sonne unterging, in Punta Secca, wohin ich nun fast jeden Abend streune, weil sich da die Südküste Siziliens nach Westen weitet. Und sich plötzlich der Blick auf die untergehende Sonne bietet. Punta Secca im Winter also, am heutigen 17. Dezember, bei Sonnenuntergang. Vier verlassene Häuser irgendwo in Südsizilien, verrammelt vor den Südstürmen, die in den kommenden Wochen unweigerlich hier fegen werden. Vier Häuser, die sich wie vier Alte in ihrer Einsamkeit aneinanderschmiegen, als wollten Sie sich Trost zusprechen. Der Winter am Meer, auf dem Boot, er kann schon ganz schön trostlos sein. Oder?

Derselbe Ort, derselbe Augenblick: Ich habe mich lediglich einmal im Halbkreis um mich selber gedreht, und schaue jetzt nach Westen, aufs Meer, statt auf die einsamen Häuser. Punta Secca, wie 

ich es nie vergessen werde. Und damit sind wir auch schon beim Thema: Warum ich im Winter so gerne am Meer bin? Warum ich im Winter gerne auf dem Boot lebe?

Aber lassen wir erst einmal ein paar andere Menschen zu Wort kommen. Menschen, die ich hier getroffen und kennengelernt habe, und die jetzt im Winter genauso wie ich auf dem Boot leben. 

1. Julia, aus Kanada, 52.
Im Hafen von Marina di Ragusa überwintern derzeit etwa 50 Langfahrtsegler. Schweden, Holländer, Kanadier, Briten. Meist Paare. Man trifft sich ein-, zweimal die Woche. Zum Beispiel vergangenen Sonntag, wo die Schweden das Lucienfest feierten. Und alle anderen einluden zu Punsch und Selbstgebackenem. Oder gestern Abend, als das Marina-Restaurant für die Segler italienische Schweinshaxe offerierte. Dabei lernte ich Julia* (Name geändert) kennen. Und über der italienischen Schweinshaxe, die im Kartoffelbett geschmort auf den Teller kam und eine Offenbarung war, ging das Gespräch zwischen Julia und mir um das Thema „Jetzt auf dem Boot“. Julia ist mit ihrem Mann Peter erst seit kurzem hier in Marina di Ragusa. Sie ist Kanadierin aus Montreal, 52. Und bis letztes Jahr hat sie dort im Management einer kanadischen Bankengruppe gearbeitet. Alles war ok – doch irgendwas fehlte im Leben. Also begann sie vor einigen Jahren, zu segeln. Machte wilde Sachen: Von Nordkanada zusammen mit Peter die Westküste hinunter nach Californien – kein Spaß in der Kälte und den Stürmen Nordkanadas. Aber es war ihrer beider Ding. 
Irgendwann hat sie im vergangenen Jahr gekündigt. Das verstand ihr Boß so gar nicht. Und ging mit Peter auf die Suche nach einem Boot. Sie hatten ein Bestimmtes im Sinn, eines, das weltweit nur 28 mal gebaut wurde – und hier in Marina di Ragusa fanden sie es. Und nun sind beide hier. Auch wenn sie noch nicht wissen, wohin ihre Reise gehen wird, wie weit. „Es ist so phantastisch schön hier“, sagt Julia, „und eigentlich genieße ich jeden Tag, bevor wir in einigen Wochen für einige Zeit zurück nach Kanada gehen“. Warum Sie längere Zeit von dort weggehen will? Julia meint, dass sie ihren Job schon sehr geliebt hat. „Ich habe viel gearbeitet. Und gerne. Aber zuhause ist das irgendwie, als wäre etwas in Dich eingraviert. ‚Sei ehrgeizig‘. ‚Sei erfolgreich‘. ‚Arbeite hart‘. Es ist wie eine Gravur, die wir nicht loswerden. Aber hier am Meer auf dem Boot: Da werde ich sie los.“

2. Juran, aus Schweden, 74. 
Mein Nachbar Juran ist Schwede. Juran ist 74 und lebt mit der quirligen Eileen hier in Marina di Ragusa auf dem Boot neben Levje. Am Samstag wird Juran zusammen mit Eileen nach Schweden reisen, für ein paar Wochen, vor allem um seine Enkel zu sehen. Warum er denn nicht in Schweden bliebe, bei Kindern und Enkeln, habe ich ihn vor ein paar Tagen gefragt. Und er erzählt mit sanfter Stimme: „Ich bin jetzt seit 22 Jahren unterwegs auf diesem Boot. Ich habe Elektronik-Entwicklung gemacht und Beratung für die Industrie, es wurde immer mehr und immer mehr. Irgendwann hatte ich genug davon, nur immer getrieben zu sein. Da bin ich mit 52 los.“ Und warum er heute mit 74 nicht nach Schweden zurückkehre, zu seinen Kindern und Enkeln? Juran denkt einen Moment nach. „Es ist gut, meine Enkel zu sehen. Aber es tut mir einfach sehr weh, zu beobachten, wie sehr meine Kinder und Enkel einfach im Rattenkäfig des Daily Life stecken und leiden. Auch wenn Schweden meine Heimat ist: Ich kann da nicht mehr zurück.“

3. Angelika Gebhard aus Deutschland.
Angelika Gebhard ist die Frau des 2013 verstorbenen Weltumseglers Rollo Gebhard, dessen acht Bücher demnächst bei millemari. in neuer Überarbeitung erscheinen werden. Mit ihrem Mann segelte Angelika Gebhard sechs Jahre um die Welt – es war ihr erster Törn überhaupt, und die Route hatte es in sich. Von Deutschland nach USA – aber nicht über die Kanaren, sondern über Island und Grönland nach New York. Von der Südsee mal einfach nach Alaska. Zurück von der Südsee nonstop nach Emden. 
Bei unserem zweiten Gespräch erzählt Angelika Gebhard über diese Jahre und zieht folgendes Resumee: „Wissen Sie: Es ist ja nicht so, dass Segeln einen Menschen wirklich verändern würde. Man bleibt doch derselbe. Was sich aber ändert, ist: Wie man manche Dinge sieht. Zum Beispiel ‚Reichtum‘. Reichtum ist nicht, was man besitzt. Reichtum ist, zu wissen, was man nicht braucht.“ 

4. Die Kartenspieler von Punta Secca.

In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden in Punta Secca. Der Leuchtturm, den ich schon im vorigen Post beschrieb, wirft sein Licht in die Nacht. Die Bar LA PICCOLA OASI darunter ist schon dunkel. Zwei, drei Grüppchen von Männern, Fischer augenscheinlich, stehen auf der Piazza herum, palavern im Dunkel. Und auch die Kartenspieler, über die ich schrieb, sitzen am selben Platz. Ich getraue mich nicht, die vier, auch sie wohl Fischer, anzusprechen, so vertieft sind sie in ihr Spiel. Aber wenn ich sie fragen würde, was um Himmels willen sie denn in einer Dezembernacht am Meer in Wollmützen draussen sein und ausgerechnet in der Kälte Kartenspielen lässt: Dann bin ich mir fast sicher, dass ihre Antwort in dürren Worten nicht so verschieden wäre von dem, was Angelika Gebhard über die Sicht auf die Welt sagte.

Belassen wir es zunächst bei diesen Antworten. Und während ich jetzt in meine Segeljacke gehüllt die nächtliche Hafenpromenade von Marina di Ragusa entlangschlendere und nur die Wellen höre, die von Malta und Afrika heranrauschen, denke ich mir: Schon gut so, wie die Welt gerade ist.
                                 __________________________________________________

Soeben bei millemari. erschienen:


Sehenswerte Bilder und Texte aus diesem Buch haben wir 
auf unserer millemari.-Bestellseite für Sie zusammengestellt. 
Klicken Sie rein.

Betthupferl

Vor kurzem auf Eos…

In einer Nacht hab ich schlecht geschlafen. Kurz nach 0 Uhr war ich wieder wach. Rumwälzen hilft ja meistens nix, also schau doch mal nach draußen, dachte ich mir.
Bin leise aus der Koje gekrabbelt, während Sabrina tief und fest geschlummert hat. Danach noch den Niedergang geöffnet und siehe da, ein sternenklarer Himmel. Dazu kein Schwell im Hafen und absolut windstill. Könnte heute klappen, mit dem Astrofoto von Bord.
Das schwierige dabei ist, man muss lange belichten, um genug Sternenlicht auf den Chip der Kamera zu bekommen und ein Boot bewegt sich auch im Hafen eigentlich immer irgendwie. Das führt dann meistens zu verwackelten Fotos. Heute Nacht waren die Bewegungen aber sehr sehr gering und nach wenigen Fehlversuchen hatte ich einige brauchbare Fotos auf der Speicherkarte. Im ersten Bild waren es zwei mal 2 Sekunden bei ISO 12800, im zweiten Bild 5 mal 2 Sekunden, die mittels Bildbearbeitung später überlagert wurden, um das Rauschen zu verringern.
Die beiden Bilder geben recht gut den visuellen Eindruck wieder, den man an der dunklen Atlantikküste hat, wenn man von Deck aus nach oben schaut.

2015-12-11 Eos - Astrofoto Port Medoc 1

Hin und her

IMG_3753 Port MedocBevor wir Eos verlassen haben, hat sie noch eine leichte Wellness Behandlung bekommen. Die Backskistendeckel mussten nachlackiert werden und im Kleiderschrank haben wir die Aussenwand neu isoliert und eine Isotherm Matte aufgebracht.
Die Rückfahrt nach Deutschland war unspektakulär. Wir hatten Glück und mussten das vollbepackte Auto an keinem der Kontrollposten ausräumen und haben nun endlich unseren wichtigsten Krempel wieder hier. Die ganzen Sachen waren so gut es ging ins Auto eingepuzzelt, trotzdem musste die gesamte Werkstattausrüstung und ein paar unwichtige Dinge an Bord bleiben, weil einfach nicht mehr rein ging. Da merkt man erst mal, was man so alles an unnützem Kram durch die Gegend gesegelt hat.

Hauptthema während dieser Fahrt war, mal wieder, ob wir mit einem Verkauf die richtige Entscheidung getroffen haben, oder nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass euch das Thema so langsam nervt. Uns auch.
Seit Monaten ein hin und her. Mal waren wir uns sicher, dass eine Trennung von Eos das Beste für uns wäre. Ein anderes mal, dass wir sie unbedingt behalten wollen. Wir haben uns so manches mal wie kleine Kinder gefühlt, die überhaupt nicht wissen was sie eigentlich wollen. Eines der Hauptargumente gegen eine Fortsetzung der Fahrtensegelei war dabei immer wieder unsere Seekrankheit. Hätten wir die nicht, gäbe es diese ganze Diskussion vermutlich gar nicht. Dann hätten wir die ganz normalen Hochs und Tiefs, wie sie die meisten anderen Fahrtensegler auch haben. Würden manches Mal im Hafen unser Schiff verfluchen und ne Stunde später in den Himmel loben.
Aber so ist es bei uns nicht. Wir hatten dort draußen zuletzt ernsthafte Probleme. Manche kann man mit Technik in den Griff kriegen, wie zum Beispiel die Bedienung ins Cockpit legen und ein anderes, besseres Reffsystem einbauen. Manche Probleme verschwinden mit der Zeit, allein durch die Erfahrung, die uns momentan noch fehlt. Aber ob die Seekrankheit jemals verschwinden wird? Keine Ahnung.
Wenn in den letzten zwei Wochen jemand bei dem Verkaufspreis in der Anzeige zugesagt hätte, dann wäre Eos jedenfalls weg gewesen und wir hätten uns vielleicht nen Land Rover gekauft!
Vermutlich hätten wir Eos aber den Rest unseres Lebens nachgeheult.

In den letzten zwei Tagen haben wir dann nochmal lange Rat bei meinen Eltern gesucht, alles ein weiteres x-tes Mal durchgekaut, einen Teil der Ratschläge von Lesern und Freunden erneut gelesen.

Gestern Abend haben wir dann die Verkaufsanzeige gelöscht. Wir behalten unsere Eos und sind vorsichtig optimistisch, dass wir die Probleme in den Griff bekommen.

Danke an alle, die uns in den letzten Monaten versucht haben umzustimmen. Noch sind nicht alle Mails beantwortet, aber das holen wir bald nach.

Wie die Zukunft mit Eos aussieht ist noch offen. Ein drittes Mal in Folge kriegen wir einen Ressourcen zehrenden Ausstieg allerdings vorerst nicht hin. Dann wären wir nämlich ziemlich schnell blank. Es muss also 2016 anders laufen. Mit Urlaub und teilweise auch Einhand. Aber von einem konkreten Plan sind wir noch weit weg. Jetzt warten wir erst mal ab, welche Jobs sich ergeben und loten alle möglichen Richtungen aus.

Wie es uns mit dieser Entscheidung geht?
Ein wenig wie damals, als wir die Entscheidung getroffen haben, Eos zu kaufen. Eine Mischung aus Vorfreude und etwas Bammel vor der Aufgabe, die wir uns auferlegt haben. Fühlt sich jedenfalls überwiegend gut an.

Wie ist es eigentlich, den Winter auf dem Boot zu verbringen? Ein Themafür mich. Und für BILD.

Es ist immer wieder dasselbe. Und eigentlich werd‘ ich es wohl nie lernen:
Vor zwei Tagen bin ich hierher nach Sizilien, an die Südküste, nach Marina di Ragusa, wo LEVJE jetzt im Hafen liegt. Es ist Samstag, der 12. Dezember. Und mir fiel es wieder einmal unglaublich schwer, mein Zuhause zu verlassen. Es ist Weihnachtszeit: Der Schreibtisch ist voller Projekte und Arbeit, alles, alles, soll fertig werden noch vor Weihnachten. Zuhause riecht es nach frisch gebackenen Plätzchen. Es ist muckelig warm im Haus. Und einen Fuß vor die Tür zu setzen in die klammkalte Nachtlandschaft Oberbayerns kostet Überwindung. Kein Wetter, um sein Zuhause zu verlassen.

Und doch: Meine innere Stimme murmelt seit einigen Wochen, mich endlich aufzumachen. Um mich ein bisschen in der Welt herumzutreiben. Ans Meer zu fahren. Um nach LEVJE, aber auch nach dem Meer zu schauen. Wären nicht die Bilder gewesen, wie es jetzt sein könnte, am Meer, die in mir auftauchten: Nie und nimmer wäre ich losgefahren.

Und tatsächlich: Die Bilder vom Meer, sie logen nicht. Winter am Meer. Das ist wie eine Verlängerung eines langen Sommerabends. Das Licht, das sich tagsüber nie in voller Grelle entfaltet. Die Wärme, in die man morgens aus dem kalten Boot hinauskriecht, ins Sonnenlicht, wie ein endlich endlich ausgebrüteter Maikäfer. Das sich in der Sonne räkeln, bis in der Mitte des Nachmittags das Licht fahler und fahler wird. Und plötzlich die Kälte wieder da ist, wo es eben noch warm war.

Marina di Ragusa ist ein Badeort an der Südostküste Siziliens. Es ist die reichere, die wohlhabendere Ecke eines Sizilien, das für mich immer noch zwei Gesichter hat: Eben dieses wohlhabende, wo man den gepflegten Sommersitzen am Lunghomare, der Küstenstraße, einfach ruhigen Gewissens ihren Winterschlaf gönnt, sie einfach im Abendlicht vor sich hin träumen lässt. Es ist das schöne Sizilien, das gepflegte, das immer Geld hatte oder wieder zu Geld kam. Aber nur etwa 50 Kilometer von hier sieht es anders aus: Im Städtchen Piazza Armerina, eine Autostunde von hier, stehen die Menschen um eben diese Zeit mit Plastikkanistern in einer kleinen Schlange an der öffentlichen Wasserstelle. Und warten geduldig, um sich hier am Dorfbrunnen Wasser zu holen. Offensichtlich, weil viele Wohnungen dort noch ohne Anschluss sind. Es ist das Sizilien der Siebziger Jahre, der Armut, der Hoffnungslosigkeit, wo wie im pittoresken Noto an jedem zweiten Haus ein SE VENDE-Schild, „Zu verkaufen“, klebt. Doch davon an anderer Stelle mehr.

In Marina di Ragusa jedenfalls ist am späten Samstag-Nachmittag die Passegiata angesagt. Aber weil der Winter die Einwohnerzahl auf 10% seiner Sommer-Bewohner herunterschrumpft, ist nicht viel los. Einheimische, die sich bei 17 Grad Außentemperatur in ihre Anoraks kuscheln, die mich mit schreckgeweiteten Augen ansehen, wenn ich erzähle, dass der deutsche Winter oft wochenlang mit Minusgraden daherkommt. Trotzdem haben auf der Piazza die beiden Gelaterie weit geöffnet, die eine prunkt jetzt im Dezember mit 25 verschiedenen Sorten verschiedenen Eises und ist rappelvoll, also, „per favore, in conno, due gusti“, „zwei Geschmäcker in der Waffel, bitte“.

Zum winterlichen Italien gehört aber auch die kleine Bar, im Nachbarort, in Punta Secca. Sie liegt genau zu Füßen des Leuchtturms, an der dem Meer zugewandten Seite. Sie heißt BAR PICCOLA OASI, Bar der kleinen Oase. Wie das nun gemeint ist? Ein Ort, wo der Dürstende zu trinken bekommt in der Kargheit des Sommerfrische-Dörfchens Punta Secca, zu Deutsch „trockener Punkt“? Oder ein Ort, wo man einfach fünf Minuten seine Ruhe hat über einem Espresso, einem Cornett, und Telefonläuten für einen Moment Telefonläuten sein lässt. 
Als der Leuchtturm in der Abenddämmerung beginnt, oben sein Licht auszusenden für die Schiffe, die von Malta herüberkommen, geht auch unten in der Bar das Licht an. Vielleicht ist es ja ein Signal an die Männer auf der Piazza davor, der Piazza del Faro, dem Platz des Leuchtturms, die sich um den Tisch mit den vier Kartenspielern drängen und ihnen zusehen in der heraufziehenden Kühle der Abenddämmerung, als ginge es hier im kleinen Nest Punta Secca gerade um den ganz großen Preis. Ein Signal an sie, das große Kartenspiel von der Piazza nun endgültig ins Innere der Bar zu verlegen. Aber so etwas tun Süditaliener nicht. Man geht nicht in die Bar zum Zocken. Dafür ist eine Bar dann doch zu sehr Oase – ein Ort, irgendwie abseits der Leidenschaften des Alltags.

Nein. Die Bilder in mir: Sie trogen nicht. Und während ich den Wellen zusehe, wie sie im Dämmer leise heranrauschen, denke ich mir: Warum ist das nur so, dass es für mich nicht nur einen Ort gibt, an dem das Leben behaglich ist? Sondern deren viele. 

                                 __________________________________________________

Soeben bei millemari. erschienen:


Sehenswerte Bilder und Texte aus diesem Buch haben wir 
auf unserer millemari.-Bestellseite für Sie zusammengestellt. 
Klicken Sie rein.

PS: Soeben hat mir Holger Peterson geschrieben, dass 
BILD Bremen in der heutigen Ausgabe über ihn und das Buch berichtet:

Zum BILD-Artikel: Hier klicken.

Wie ist es eigentlich, den Winter auf dem Boot zu verbringen? Ein Thema für mich. Und für BILD.

Es ist immer wieder dasselbe. Und eigentlich werd‘ ich es wohl nie lernen:
Vor zwei Tagen bin ich hierher nach Sizilien, an die Südküste, nach Marina di Ragusa, wo LEVJE jetzt im Hafen liegt. Es ist Samstag, der 12. Dezember. Und mir fiel es wieder einmal unglaublich schwer, mein Zuhause zu verlassen. Es ist Weihnachtszeit: Der Schreibtisch ist voller Projekte und Arbeit, alles, alles, soll fertig werden noch vor Weihnachten. Zuhause riecht es nach frisch gebackenen Plätzchen. Es ist muckelig warm im Haus Und einen Fuß vor die Tür zu setzen in die klammkalte Nachtlandschaft Oberbayerns kostet Überwindung. Kein Wetter, um sein Zuhause zu verlassen.

Und doch: Meine innere Stimme murmelt seit einigen Wochen, mich endlich aufzumachen. Um mich ein bisschen in der Welt herumzutreiben. Ans Meer zu fahren. Um nach LEVJE, aber auch nach dem Meer zu schauen. Wären nicht die Bilder gewesen, wie es jetzt sein könnte, am Meer, die in mir auftauchten: Nie und nimmer wäre ich losgefahren.

Und tatsächlich: Die Bilder vom Meer, sie logen nicht. Winter am Meer. Das ist wie eine Verlängerung eines langen Sommerabends. Das Licht, das tagsüber sich tagsüber nie in voller Grelle entfaltet. Die Wärme, in die man morgens aus dem kalten Boot hinauskriecht, ins Sonnenlicht, wie ein endlich endlich ausgebrüteter Maikäfer. Das sich in der Sonne räkeln, bis in der Mitte des Nachmittags das Licht fahler und fahler wird. Und plötzlich die Kälte wieder da ist, wo es eben noch warm war.

Marina di Ragusa ist ein Badeort an der Südostküste Siziliens. Es ist die reichere, die wohlhabendere Ecke eines Sizilien, das für mich immer noch zwei Gesichter hat: Eben dieses wohlhabende, wo man den gepflegten Sommersitzen am Lunghomare, der Küstenstraße, einfach ruhigen Gewissens ihren Winterschlaf gönnt, sie einfach im Abendlicht vor sich hin träumen lässt. Es ist das schöne Sizilien, das gepflegte, das immer Geld hatte oder wieder zu Geld kam. Aber nur etwa 50 Kilometer von hier sieht es anders aus: Im Städtchen Piazza Armerina, eine Autostunde von hier, stehen die Menschen um eben diese Zeit mit Plastikkanistern in einer kleinen Schlange an der öffentlichen Wasserstelle. Und warten geduldig, um sich hier am Dorfbrunnen Wasser zu holen. Offensichtlich, weil viele Wohnungen dort noch ohne Anschluss sind. Es ist das Sizilien der Siebziger Jahre, der Armut, der Hoffnungslosigkeit, wo wie im pittoresken Noto an jedem zweiten Haus ein SE VENDE-Schild, „Zu verkaufen“, klebt. Doch davon an anderer Stelle mehr.

In Marina di Ragusa jedenfalls ist am späten Samstag-Nachmittag die Passegiata angesagt. Aber weil der Winter die Einwohnerzahl auf 10% seiner Sommer-Bewohner herunterschrumpft, ist nicht viel los. Einheimische, die sich bei 17 Grad Außentemperatur in ihre Anoraks kuscheln, die mich mit schreckgeweiteten Augen ansehen, wenn ich erzähle, dass der deutsche Winter oft wochenlang mit Minusgraden daherkommt. Trotzdem haben auf der Piazza die beiden Gelaterie weit geöffnet, die eine prunkt jetzt im Dezember mit 25 verschiedenen Sorten verschiedenen Eises und ist rappelvoll, also, „per favore, in conno, due gusti“, „zwei Geschmäcker in der Waffel, bitte“.

Zum winterlichen Italien gehört aber auch die kleine Bar, im Nachbarort, in Punta Secca. Sie liegt genau zu Füßen des Leuchtturms, an der dem Meer zugewandten Seite. Sie heißt BAR PICCOLA OASI, Bar der kleinen Oase. Wie das nun gemeint ist? Ein Ort, wo der Dürstende zu trinken bekommt in der Kargheit des Sommerfrische-Dörfchens Punta Secca, zu Deutsch „trockener Punkt“? Oder ein Ort, wo man einfach fünf Minuten seine Ruhe hat über einem Espresso, einem Cornett, und Telefonläuten für einen Moment Telefonläuten sein lässt. 
Als der Leuchtturm in der Abenddämmerung beginnt, oben sein Licht auszusenden für die Schiffe, die von Malta herüberkommen, geht auch unten in der Bar das Licht an. Vielleicht ist es ja ein Signal an die Männer auf der Piazza davor, der Piazza del Faro, dem Platz des Leuchtturms, die sich um den Tisch mit den vier Kartenspielern drängen und ihnen zusehen in der heraufziehenden Kühle der Abenddämmerung, als ginge es hier im kleinen Nest Punta Secca gerade um den ganz großen Preis. Ein Signal an sie, das große Kartenspiel von der Piazza nun endgültig ins Innere der Bar zu verlegen. Aber so etwas tun Süditaliener nicht. Man geht nicht in die Bar zum Zocken. Dafür ist eine Bar dann doch zu sehr Oase – ein Ort, irgendwie abseits der Leidenschaften des Alltags.

Nein. Die Bilder in mir: Sie trogen nicht. Und während ich den Wellen zusehe, wie sie im Dämmer leise heranrauschen, denke ich mir: Warum ist das nur so, dass es für mich nicht nur einen Ort gibt, an dem das Leben behaglich ist? Sondern deren viele. 

                                 __________________________________________________

Soeben bei millemari. erschienen:


Sehenswerte Bilder und Texte aus diesem Buch haben wir 
auf unserer millemari.-Bestellseite für Sie zusammengestellt. 
Klicken Sie rein.

PS: Soeben hat mir Holger Peterson geschrieben, dass 
BILD Bremen in der heutigen Ausgabe über ihn und das Buch berichtet:

Zum BILD-Artikel: Hier klicken.

Wenn Fischerboote reden könnten. Ein Spaziergang durch den Hafen von Catania.

Es ist halb neun Uhr morgens im Hafen von Catania. Einer nach dem anderen kommen die Fischer herein, die die Nacht über draußen waren. Und laden aus, was sie über Nacht gefangen haben. Auf dem Achterdeck eines Fischers stapeln sich Kisten an Kisten: Obststeigen voller Heuschreckenkrebse. Styroporkisten mit Rotbarben, Drachenköpfen, Meeräschen, Meeraalen, alles bunt durcheinander. Blaue Bottiche voller Meerwasser, in denen Seespinnen die Fühler ausstrecken. Es riecht nach Tang und frischem Seegras, zwei Männer in knallorangen Latzhosen spülen mit  dickbauchigem Schlauch immer wieder den Inhalt der Kisten kräftig durch. Männer auf der Pier, die den Fang der Nacht kritisch beäugen, fachmännische Kommentare abgeben. Einer, der das Kommando hat auf der Pier, vielleicht der Großhändler, der mit dicken Bündeln Scheinen wedelt und dabei ständig „Luigi“, „Pepe“ ruft und die Männer hin und verscheucht, bis Steigen, Kisten und Bottiche endlich verladen sind auf ein kleines Dreirad, eine APE. So vollgepackt ist sie, dass ihre Hecktüren sich nicht schließen lassen. Zwei Männer bändseln endlich die Türen zu mit einem abgerissenen Strick, bis sich die APE qualmend, ruckelnd, spuckend aus dem Hafen bewegt, Richtung Kochtöpfe.

Die Fischer stecken sich eine Zigarette in den Mundwinkel, die wievielte dies Nacht. Die Männer auf der Pier verlaufen sich, die Arbeit ist getan. Zurück bleiben an diesem Morgen die Boote der Fischer, die im Schwippschwapp des Hafens behäbig schaukeln. Und darauf warten, dass die Fischer wiederkommen in ein, zwei Tagen, irgendwann am Abend, und in der Dämmerung wieder rausfahren, mit gespannten Mienen. Ohne die Männer an Deck und auf sich selbst gestellt, sind sie nun kleine Persönlichkeiten. Gesichter, die mir im Hafen begegnen.

Nehmen wir einmal PAOLA und NUNZIELLA. Wie Schwestern schaukeln die beiden einträchtig nebeneinander. Als kennten sie sich schon ein Leben lang. PAOLA jedenfalls, die ihr Besitzer wie die meisten hier in leidenschaftlichem Rot innen gestrichen hat, hat schon einiges erlebt, das sieht man den Kisten und Verschlägen auf dem Verdeck an. Aber sei es, um nur ja nicht zuviel preiszugeben; sei es, um die kostbare Inneneinrichtung zu schonen, hat PAOLA’s Eigentümer die Vorhänge hinter den beiden Fenstern geschlossen, über die er mit ungelenker Hand und dickem Faserstift die fünf Buchstaben mittig hingepinselt hat.

Etwas einladender geht es auf dem nächsten Fischkutter zu. Die Tür zum Inneren steht einladend offen. Ein Stuhl vom Campingplatz kündet davon, dass der Fischer auch noch Andres kennt als „Giro d’Affari“, das italienische Wort für Umsatz. Er scheint ein Freund der Gemächlichkeit zu sein, körperliche Arbeit? Die kann man doch im Sitzen erledigen. Während sein Schiff etwas verkniffen aus drei verhangenen Augen in die Welt schaut. Irgendeine Unzufriedenheit, die darüber lagert. Den Luftfilter im Motor zulange nicht ausgeklopft? Die Bilge länger nicht leergepumpt? Jedenfalls sagt das Gesicht mit verdrießlicher Miene: Es liegt was quer.

Setzen wir unseren Spaziergang auf der Mole an diesem Morgen weiter fort. Die Kleine da, mit dem hellblauen Hut. Sieht sie nicht gleichmütig aus, mit dem zusammengekniffenen Mund? Natürlich sind auch bei ihr die Vorhänge rammeldicht zugezogen, mit etwas Wehmut denke ich mich nach Holland, wo anders als in katholischen Gefilden immer alles offen steht an Fenstern. Wo jedermann sehen darf, dass es in diesem Haus rechtschaffen und gottesfürchtig zugeht. Aber dies ist nun mal Sizilien, Italien überhaupt: Ich kenne kein Land, in dem das private Leben so abgeschottet hinter den eigenen vier Wänden stattfindet wie Italien.

Endlich offenherzig zeigt sich dieses Fischerboot. Und siehe da: Im Inneren gibt es nichts Spektakuläres zu sehen. Ein Gashebel, ein Steuerrad, ein wenig Elektronik, die man so braucht. Funke, GPS, ein paar Schalter für die Lichter. Eine Gefriertruhe mit rostigem Deckel an Deck. Der Laderaum dürftig verschalkt, von einer Kette zusammengehalten. Vielleicht stimmt ja der Satz: „Reich ist nicht, alles zu haben. Reich ist, wer weiß, was er alles nicht braucht.“

Weiter links wieder ein Geschwisterpaar. Der Besitzer scheint die Farbe rot zu mögen, selbst ins Blau des Deckshauses ist kräftig Rot gemischt. Etwas streng sieht es mich an, das blaurote Gefährt, als ich so vor ihm stehe und versuche, ihm tief in die weit auseinandersetzenden, rotverhangenen Augen zu sehen. Nicht unser Tag heute. Man kann nicht jeden Tag ein Lächeln im Gesicht tragen. Warum eigentlich nicht?

Ach ja. ROSARIA. Da ist nun jemand wirklich stolz auf sein Schiff. Nein, schiere Größe zählt gar nicht. Nur das Glück. Und so prangt nicht nur der schöne Name auffällig über allem, nein: Sogar mit Sternchen versehen ist er, eins links, eins rechts. So, als wollte der Besitzer sagen: „Das ist nun die siebzehnte – aber so glücklich wie mit ROSARIA war ich mit keiner zuvor!“ Es bleibt nun uns überlassen, darüber zum mutmaßen, ob nicht noch andere Liebe im Spiel ist als nur die zu einem Boot. Und bei er Namensgebung nicht noch ein Jubel im Spiel war, endlich, endlich das richtige Du gefunden zu haben.

SANTA LUCIA hingegen blickt in verschiedenen Richtungen in die Welt: Nach links. Nach vorn. Nach rechts. Verhangen ist auch ihr Blick aus dem etwas breiten Gesicht, das ihr einen Hauch Würde verleiht. Da ist natürlich der Name nicht unschuldig. Santa Lucia, die Patronin aus dem wenige Seemeilen entfernten Siracusa: Ein eifersüchtiger Bräutigam, ein ungnädiger Richter, der sie während der diokletianischen Christenverfolgung in Siracusa ob ihrer christlichen Tugend und Standhaftigkeit zur öffentlichen Schändung ins Bordell verurteilte. Weder tausend Männer noch ein Ochsengespann (sic!!) waren in der Lage, so fortzuschaffen, sie blieb im Gerichtssaal wie angewurzelt. Nicht Pech, nicht Schwefel, nicht Feuer konnte ihr etwas anhaben. Bis sich einer erbarmte. Und ihr endlich ein Schwert in den Hals stieß. Dass derlei Geschichten bei der Namenswahl des Bootes eine Rolle spielten, darf bezweifelt werden. Santa Lucia ist einfach die Lokalheilige, und ihr Fest wird jetzt im Dezember in Siracusa ganz sicher gebührend gefeiert. Wie auch im bayerischen Fürstenfeldbruck die Kinder an diesem Tag das Lucienfest feiern. Und kleine selbstgebastelte Häuschen mit einer Kerze in der Dämmerung auf der Amper aussetzen. So weit ist Siracusa ja nun auch nicht weg.

Vo anderer Denkungsart ist der Besitzer dieses Fischkutters: Der freie Geist! Da ist jemand mal von der Ethik-Seite gekommen, hat sich freigeschwommen und hat das jahrtausendealte Handwerk des Fischers ergriffen. SPIRITO? Ja sicher, Geist immer! Aber nicht SPIRITO SANTO, den heiligen Geist. Sondern SPIRITO LIBERO, den freien Geist, der über allem thront. Zu so einem Namen gehört Mut. Und Ausdauer. Und die Überzeugung, dass man das auch ein Leben lang durchhalten kann, mit dem freien Geist. Nicht verknöchert, nicht verspießert, zwar immer ordentlich die Holzkisten links aufs gewienerte Vordeck sortiert, aber doch ein freier Kopf bleibt, bis ans Ende seiner Tage.

Beenden wir nun unseren morgendlichen Spaziergang durch den Hafen von Catania. Noch schnell ab in die BAR DEL PORTO, über die ich im letzten Post schrieb, wo nun der eine oder andere Fischer zusammen mit den Hafenarbeitern am Tresen steht, für einen kurzen Moment, eine Espresso-Länge. Verabschieden wir uns von der molligen Schwester des Barbesitzers und verlassen wir diesen schönen Ort. Und bewahren wir uns zumindest für den heutigen Tag den Blick für die netten kleinen Geschichten, die am Wegrand liegen.

Im nächsten Post: Wie ist das eigentlich, in Sizilien und seinen Häfen: Warum Siracusa nicht nur eine Reise wert ist.

Noch mehr gute Geschichten vom Autor von Mare Piu?
1:05 Stunden echte Ferien vom Alltag mit diesem Film: 


                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.

Mehr erfahren. Filmtrailer ansehen. Bestellen. Hier.

Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, mehr zu sehen. 
Einmal München – Antalya, bitte. 
Das Buch: Mehr erfahren: Hier.

___________________________________

Und wenn Ihnen dieser Post gefällt, dann freue ich mich, wenn Sie ihn unten mit Häckchen bei TOLLE GESCHICHTE. MEHR DAVON“liken“.
Bitte registrieren Sie sich rechts außen bei „Neue Artikel bekommen“, 
wenn Sie keinen Post versäumen wollen.

Unter Segeln von Korfu nach Sizilien: Tag 8: Ganz weit oben – Auf demÄtna.

Nicht weit unter dem Krater, auf etwa 2.600 Metern: Rauchwolken aus dem Krater zeigen, dass der Ätna niemals schlaft. Der letzte größere Ausbruch liegt gerade zwei Jahre zurück.

Zu den besonderen Eindrücken als Segelreisender gehört es, wenn unmittelbar Meer auf Gebirge trifft und sich ein Berg von 0 Meter auf weit über 2.000 Meter erhebt. Im Süden der Türkei war es so, am Tahtali Dag nicht weit von Antalya entfernt. Und hier in Sizilien, unmittelbar vor Catania, steigt L’Etna vom Meer aus auf satte 3.320 Meter hoch. Er überragt damit die Zugspitze um deutliche 10% – aber so genau kann das wiederum niemand sagen, der Berg verändert seine Höhe durch Ausbrüche oder Erosion der staubig-bröseligen Masse ständig.

Der Ätna: Für einen Vulkan, der sich das Prädikat „Europas höchster und aktivster Vulkan“ dadurch verdient, dass er alle naselang Lava-Fontänen bis 600 Meter hoch in den Himmel schleudert – zuletzt eben vor zwei Jahren – ist die Landschaft erstaunlich dicht besiedelt und der Berg touristisch fünf-Sterne-mäßig erschlossen. Mit einer Bimmelbahn kann drumherum fahren, allein die Strecke ist über 100 Kilometer lang. Mit dem Auto kann man fast ganz hinauffahren, von 0 bis auf 2.000 Meter und dabei dem Thermometer im Auto bei der Arbeit zusehen, wie es alle 100 Höhenmeter um fast ein Dreiviertel Grad Celsius fällt. Oder man schaut aus dem fahrenden Auto auf Hausdächer, die festgebacken vom letzten Ausbruch mahnend aus erstarrter Lava ragen. Oder schaut den netten Wirtsleuten im Städtchen Nicolosi, den Kratern nächstgelegen auf halber Höhe, tief in die Augen und überlegt sich dabei, wie gut man denn im eigenen Bett schliefe, wenn das gerade mal eine Handvoll Kilometer weg ist vom Höllenschlund, der alle Jahre verrückt spielt.

Nur wenig beruhigend ist daran ist die Tatsache, dass es ja nicht bloß ein Schlund, sondern gleich mehrere sind. Der Ätna steht im Ruf, nicht einer zu sein, dem einfach „der Hut hochgeht“, vulgo: der Gipfel explodiert, nein:  Seine Eruptionen passieren, indem sich urplötzlich Spalten an den Flanken, meist im oberen Drittel des Berges, öffnen. Und der Berg dann das, was ihn an glühender Lava drückt, einfach von oben herunterlaufen lässt. Und es ist keineswegs so, dass davon nichts Menschliches berührt wäre: Entweder es trifft mal wieder die Seilbahn, die von knapp 2.000 Meter noch einmal etwa 600, 700 Meter weiter hinaufführt und die im Lauf ihrer Existenz bestimmt schon fünfmal wiederaufgebaut werden musste. Aus erstarrter Lava ragende Seilbahn-Stützen belegen das. 

Oder die Lava – sie ist fatalerweise hier am Ätna von besonders dünnflüssiger, fließfreudiger Konsistenz – demoliert an der Talstation der Gondel die unschuldige Hütte des Skiverleihers. Oder sie läuft weiter Richtung Nicolosi oder andere Ortschaften und kann erst ein paar Meter vor den ersten Häusern gestoppt werden, indem Menschen sich was Schlaues einfallen lassen: 
Mit Baggern Gräben ausheben (hat bei der Hütte des Skiverleihers nicht funktioniert!). 
Mit Sprengstoff der Lava einfach eine neue Rinne bauen (hat schon mal geklappt, brachte aber Ärger mit Umweltschützern!). 
Lava mit Lava bekämpfen, indem man außen am Lavastrom mit einem Wasserschlauch steht. Und die Lavahaut abkühlt, bis sie sich einen anderen Weg sucht (ziemlich schlau – scheint funktioniert zu haben.)

Wie dem auch sei: Wer auf dem Ätna unterwegs ist, der macht sich seine Gedanken, wie es sich so lebt, unter den Füßen einen Vulkan. Eigentlich machten die Menschen in Nicolosi einen recht gelassenen Eindruck, bei ihrer Passegiata am späten Sonntag Nachmittag im Zentrum des Städtchens.   
Und vielleicht kann man ja genau da von den Einwohnern von Nicolosi etwas lernen: Einfach ______________________________________________________________

40 Situationen, in denen niemand mehr locker bleibt.
40 Geschichten, wie es ist, im Gewitter zu Segeln:

40 Segler berichten ihre Erfahrungen.

In 8 Revieren.

Auf 272 Seiten.

Mit über 100 Fotos.

Mit mehr als 100 Learnings über richtiges Verhalten im Gewitter.

Mehr erfahren? Bestellen und gleich lesen: Hier!

____________________________________________________________

lockerlassen. Und nicht panisch werden bei dem Gedanken, dass die paar Quadratmeter, auf denen man sein Hab und Gut versammelt hat, eh morgen weg sein könnten, samt allem. Sie scheinen sich jedenfalls irgendwie mit dem Ungetüm vor ihrer Haustüre arrangiert zu haben, die Menschen. So wie auch die kargen Pflanzen, die im staubigen Gebrösel ebenfalls ihre Heimat gefunden haben – an den Hängen des Ätna, die seit Ende Oktober nun vollends begraben sind. Unter Schnee, zur Freude der Skiverleiher auf dem Ätna. 
Aber wem sag‘ ich das!

                                    Sie möchten jeden neuen Artikel von Mare Più gleich bei Erscheinen erhalten?    
                                    So geht’s : 

                                    1. Einfach E-Mail-Adresse oben rechts bei „News & neue Artikel… eintragen“. 
                                    2. Bestätigungsmail von FEEDBURNER abwarten.

                                    3. Den Link im FEEDBURNER-Mail einfach anklicken.

Unter Segeln von Korfu nach Sizilien: Tag 8: Ganz weit oben – Auf demÄtna.

Nicht weit unter dem Krater, auf etwa 2.600 Metern: Rauchwolken aus dem Krater zeigen, dass der Ätna niemals schlaft. Der letzte größere Ausbruch liegt gerade zwei Jahre zurück.

Zu den besonderen Eindrücken als Segreisender gehört es, wenn unmittelbar Meer auf Gebirge trifft und sich ein Berg von 0 Meter auf weit über 2.000 Meter erhebt. Im Süden der Türkei war es so, am Tahtali Dag nicht weit von Antalya entfernt. Und hier in Sizilien, unmittelbar vor Catania, steigt L’Etna vom Meer aus auf satte 3.320 Meter hoch. Er überragt damit die Zugspitze um deutliche 10% – aber so genau kann das wiederum niemand sagen, der Berg verändert seine Höhe durch Ausbrüche oder Erosion der staubig-bröseligen Masse ständig.

Der Ätna: Für einen Vulkan, der sich das Prädikat „Europas höchster und aktivster Vulkan“ dadurch verdient, dass er alle naselang Lava-Fontänen bis 600 Meter hoch in den Himmel schleudert – zuletzt eben vor zwei Jahren – ist die Landschaft erstaunlich dicht besiedelt und der Berg touristisch fünf-Sterne-mäßig erschlossen. Mit einer Bimmelbahn kann drumherum fahren, allein die Strecke ist über 100 Kilometer lang. Mit dem Auto kann man fast ganz hinauffahren, von 0 bis auf 2.000 Meter und dabei dem Thermometer im Auto bei der Arbeit zusehen, wie es alle 100 Höhenmeter um fast ein Dreiviertel Grad Celsius fällt. Oder man schaut aus dem fahrenden Auto auf Hausdächer, die festgebacken vom letzten Ausbruch mahnend aus erstarrter Lava ragen. Oder schaut den netten Wirtsleuten im Städtchen Nicolosi, den Kratern nächstgelegen auf halber Höhe, tief in die Augen und überlegt sich dabei, wie gut man denn im eigenen Bett schliefe, wenn das gerade mal eine Handvoll Kilometer weg ist vom Höllenschlund, der alle Jahre verrückt spielt.

Nur wenig beruhigend ist daran ist die Tatsache, dass es ja nicht bloß ein Schlund, sondern gleich mehrere sind. Der Ätna steht im Ruf, nicht einer zu sein, dem einfach „der Hut hochgeht“, vulgo: der Gipfel explodiert, nein:  Seine Eruptionen passieren, indem sich urplötzlich Spalten an den Flanken, meist im oberen Drittel des Berges, öffnen. Und der Berg dann das, was ihn an glühender Lava drückt, einfach von oben herunterlaufen lässt. Und es ist keineswegs so, dass davon nichts Menschliches berührt wäre: Entweder es trifft mal wieder die Seilbahn, die von knapp 2.000 Meter noch einmal etwa 600, 700 Meter weiter hinaufführt und die im Lauf ihrer Existenz bestimmt schon fünfmal wiederaufgebaut werden musste. Aus erstarrter Lava ragende Seilbahn-Stützen belegen das.

Oder die Lava – sie ist fatalerweise hier am Ätna von besonders dünnflüssiger, fließfreudiger Konsistenz – demoliert an der Talstation der Gondel die unschuldige Hütte des Skiverleihers. Oder sie läuft weiter Richtung Nicolosi oder andere Ortschaften und kann erst ein paar Meter vor den ersten Häusern gestoppt werden, indem Menschen sich was Schlaues einfallen lassen:
Mit Baggern Gräben ausheben (hat bei der Hütte des Skiverleihers nicht funktioniert!).
Mit Sprengstoff der Lava einfach eine neue Rinne bauen (hat schon mal geklappt, brachte aber Ärger mit Umweltschützern!).
Lava mit Lava bekämpfen, indem man außen am Lavastrom mit einem Wasserschlauch steht. Und die Lavahaut abkühlt, bis sie sich einen anderen Weg sucht (ziemlich schlau – scheint funktioniert zu haben.)

Wie dem auch sei: Wer auf dem Ätna unterwegs ist, der macht sich seine Gedanken, wie es sich so lebt, unter den Füßen einen Vulkan. Eigentlich machten die Menschen in Nicolosi einen recht gelassenen Eindruck, bei ihrer Passegiata am späten Sonntag Nachmittag im Zentrum des Städtchens.
Und vielleicht kann man ja genau da von den Einwohnern von Nicolosi etwas lernen: Einfach ______________________________________________________________

40 Situationen, in denen niemand mehr locker bleibt.
40 Geschichten, wie es ist, im Gewitter zu Segeln:

40 Segler berichten ihre Erfahrungen.

In 8 Revieren.

Auf 272 Seiten.

Mit über 100 Fotos.

Mit mehr als 100 Learnings über richtiges Verhalten im Gewitter.

 

Mehr erfahren? Bestellen und gleich lesen: Hier!

____________________________________________________________

lockerlassen. Und nicht panisch werden bei dem Gedanken, dass die paar Quadratmeter, auf denen man sein Hab und Gut versammelt hat, eh morgen weg sein könnten, samt allem. Sie scheinen sich jedenfalls irgendwie mit dem Ungetüm vor ihrer Haustüre arrangiert zu haben, die Menschen. So wie auch die kargen Pflanzen, die im staubigen Gebrösel ebenfalls ihre Heimat gefunden haben – an den Hängen des Ätna, die seit Ende Oktober nun vollends begraben sind. Unter Schnee, zur Freude der Skiverleiher auf dem Ätna.
Aber wem sag‘ ich das!