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Von England nach Irland und Schottland (28): Durch die Strudel von Corryvreckan.

Die Landschaft ist, als hätte Gott hier einen seiner zahllosen Versuche gemacht, seinem Traum der großen Leere Gestalt zu geben. Kein Baum. Kein Haus. Selbst das Nichts ist abwesend. Nur massige Tundra-überzogene Felsen im großen Grau, in dem ein durchziehender Frachter wie eine flüchtige, zart anrührende Begegnung wirkt, bevor er den Blick freigibt auf die Meerenge von Corryvreckan.

Corryvreckan. Wir sind von den Hebriden süostwärts zu den schottischen Lowlands unterwegs, nach Glasgow, der Stadt am River Clyde. Mit dem Stechzirkel in gerader Linie gemessen, sind das nicht mehr als 110 Seemeilen. Doch die schottischen Berge recken sich von Norden mit drei langen Landfingern nach Südwesten. Drei große Barrieren, um die es nur ein 200 Seemeilen langes Drumherum gibt. Oder ein 110 Seemeilen langes Mittendurch – durch enge Inseldurchfahrten, durch künstliche Kanäle – und durch die Meerenge von Corryvreckan.

Das Meer hat es an dieser Stelle zu einiger Berühmtheit gebracht. Die Strudel der Corryvreckan-Straße gehören „weltweit nach den Strudelgebieten Moskentraumen und Saltstraumen zwischen den norwegischen Lofoten sowie dem Old Sow in Kanada zu den stärksten Strudeln“, schreibt Wikipedia. Und dass die Strudel laute Geräusche verursachen, „die kilometerweit gut hörbar sind“. Corryvreckan – der „Kessel des gefleckten Meeres“. Schöner als auf Gälisch kann man keine Landschaft beschreiben.

Einfach ansteuern und durch fahren? Keine gute Idee. Schon an einem harmlosen, windstillen Tag kann der Strom in der ein Kilometer breiten Enge mit acht Knoten setzen. Wie hoch müsste ich Levjes 50PS starken Motor drehen, um gegen diese Strömung anzukommen? Nein. Segeln heißt, die Kräfte der Natur auf jede trickreiche Art zu nutzen. Wie man zum Anlegen den Wind nutzt, um den Bug schneller an die Pier zu treiben als die Maschine es könnte. Oder zum Still-im-Starkwind-Liegen das Beidrehen, bei dem das eigene Kielwasser jedes Mal wieder die hohen Wellen bricht. Und zum Durchfahren einer Meerenge den Strom, um schneller durchzukommen.

Von der Insel Iona kommend, haben wir uns für die Durchfahrt den ruhigsten Moment ausgesucht. Eine Stunde vor Niedrigwasser stehen wir fünf Seemeilen entfernt, um genau im ruhigen Moment in der Meerenge zu sein, wenn die Strömung dreht.

Über Iona war am frühen Nachmittag der Himmel noch strahlend blau gewesen. Nur im Osten über Corryvreckan, da wo wir hinwollten, stand ein langes Wolkenband. Jetzt ist vom Blau nichts  geblieben bis auf ein Stück oranges Schimmerns. Und vom glatten Meer auch nichts. Levje geigt und giert in der Welle herum. Es ist windstill, doch die See ist merkwürdig. Mal glatt. Mal aufgewühlt, mit sich drehenden weißen Punkten. Als ich näher hinsehe, sind es Schaumkronen, die sich in einem Wirbel drehen wie Pusteblumen. Wie lang, wie schnell muss Meerwasser kreiseln und drehen, damit handhohe Schaumhügel entstehen?

Um 18.20 Uhr sollte fast schon Stillwasser sein, wir gleiten unter Motor auf die Meerenge zu. Tatsächlich setzt der Strom immer noch mit 2,5 Knoten gegen uns. Aber das ist wohl nichts gegen das, was hier vor einer Stunde los war. Levje torkelt und yachtert immer noch wie betrunken durch die Strudel.

In einer Viertelstunde soll der Strom in der Meerenge zur Ruhe kommen. 15 Minuten soll er verharren, sagt der REEDS NAUTICAL ALMANACH, und dann wird er uns mit großer Kraft durch die Meerenge ziehen.

Eine halbe Stunde später. Der Gegenstrom beträgt immer noch 2 bis drei 3 Knoten. Die Logge zeigt 5-6 Knoten Speed an, wir sind laut GPS kaum mit der Hälfte unterwegs. Auf unserem Track auf unserem IPad sehe ich, wie die kreiselnden Strudel Levje bis zu 60 Grad aus dem Kurs versetzen. Peile ich über den Burgkorb nach vorne, treiben wir geradewegs auf die Felswand voraus zu. Aber die Kurslinie auf dem Ipad sagt, dass wir die Meerenge genau in der Mitte passieren werden. Abdrift nennt man das. Ich starre abwechselnd aufs Ipad, dann wieder auf die Felswand.

Die Strömung in der Straße von Corryvreckan, aus dem Flugzeug fotografiert und mit freundlicher
Genehmigung zur Verfügung gestellt von Autor und Blogleser Jan Zier  www.janzier.de

Warum kommt der Strom hier nicht zur Ruhe? Irgendwo hier unter uns ragt inmitten der 200 Meter tiefen Meerenge ein Felsmassiv bis auf 30 Meter unter dem Meeresspiegel empor. Der Unterwasserberg sorgt dafür, dass das aus der Badewanne des Jura Sounds strömende Wasser an dieser Stelle so verwirbelt wird. Nur die Trottellummen, die aussehen wie putzige schwarze Entchen und immer als Pärchen auftreten, scheinen sich in der Strömung wohlzufühlen. Sind es wirklich Paare? Oder ein Elterntier mit einem halb so großen Jungvogel, die mit hektischen Bewegungen von Levje wegpaddeln? Sie nehmen die wilden Bewegungen des Meeresals gäbe es sie nicht.

Scarba, der Berg im Norden, den wir passieren, ist eine Insel. Kurz zeigt sie ihre nassen Hänge, ihre tiefgrünen Runzeln, ihre vor Nässe speckig glänzenden Felsen, ihre graue Pelzmütze oben auf dem Gipfel,  aus der wenige Augenblicke später zarter Niesel fällt. Eben noch wünschte ich, ich könnte wieder einmal die Runen und Riefen verstehen, in denen die Erdgeschichte geschrieben steht. Doch dann ist der Berg, der eben noch leuchtete, nur noch ein grauer Schatten, im Grau sind nur noch Levjes Konturen an Deck scharf und lesbare Zeichen.

19.15. Wir sind mittendrin. Einen Augenblick ist der Strom wie abgestellt. Logge und GPS-Anzeige stimmen ausnahmsweise überein. Nur wenn ich das Teleobjektiv der Kamera ganz ausfahre und die

1.000 Meter lange Strecke vor mir verdichte, zeigt sich das Muster der sich drehenden Wirbel auf dem Wasser. Keine zwanzig Minuten währt der „slack“, das Niedrigwasser, dann zieht der Strom uns auch schon wieder mit einem Knoten aus der Meerenge heraus. Fünf Minuten später zeigt die Logge gemütliche 5 Knoten Fahrt, während das GPS 7,5 Knoten über Grund anzeigt.

Zwei Stunden später, vor der Einfahrt in den Kanal von Crinan. Ein feiner Wolkenschleier spannt sich in 50 Meter Höhe über dem Meer. Mit einem Mal ist es, als würde das Wolkenband die Welt trennen. Als gäbe es ein Oben und ein Unten in der Welt, bevor der Regen einsetzt und wir den Anker fallen lassen und uns schnell ins Innere Levjes verkriechen, um die nassen Sachen abstreifen. Ein Unten, in dem die Yachten vor Crinan vor der Einfahrt in den gleichnamigen Kanal warten. Ein Oben, in dem Gott ein weiteres Mal träumt: Seinen Traum von der großen Leere. 

Inseltour auf Makatea

Mo., 26.Aug.19, Franz.Polyn./Insel Makatea/Westseite, Tag 1912, 18.515 sm von HH

Makatea ist in den Tuamotu als einzige Insel ein ‚gehobenes‘ Atoll. Die ursprüngliche Lagune wird hierbei durch das Aufleben vulkanischer oder tektonischer Aktivität über den Meeresspiegel angehoben. Im Fall von Makatea auf 60 bis 100 Meter. Nach der Hebung des Atolls ist die ehemalige Lagune trocken gefallen und Pflanzen haben sich angesiedelt.
Wie viele gehobene Atolle weist auch Makatea ein hohes Phosphat-Aufkommen auf.
Dieses Phosphat wurde von 1906 bis 1966 auf der Insel abgebaut. Zurück geblieben sind ein alter Hafen, tausende von Löchern und eine Menge Altmetall im Dschungel.

Die Steilküste von Makatea lag mal auf dem Meeresgrund

Tapu holt uns um 9:00 Uhr zur Besichtigung seiner Insel ab. Bereits seit Großvater lebte auf Makatea und war im Phosphat-Geschäft beteiligt. Heute wohnen noch 60 Menschen auf der Insel. Mit von der Partie sind Kim und David, das amerikanische Pärchen, was gestern das Rennen auf die letzte Mooring gewonnen hat. Die beiden entpuppen sich allerdings von Angesicht als ausgesprochen nett. ;-)

Eine Verladebrücken, die damals über den Hafen als beeindruckende Konstruktion errichtet war, hat man aus Sicherheitsgründen in die Luft gesprengt. Heute stehen nur noch die Stützpfeiler der Brücke auf der Riffkante. Das Eisen der Brücke rostet am Meeresgrund. Im Hafen liegen noch verstreut Deichseln, alte Loren und dutzende Eisenräder herum. Makatea ist die einzige Insel in Polynesien, die Schienen hat. Die Lokomotive, die Generatoren, Werkzeuge, die überdimensionalen Bohrer und Drehbänke wurden erst kürzlich von Tapu und seinen Kumpels vom Dschungel freigelegt.

Dampflok im Dschungel von Makatea

Hafen von Makatea – Verladestation für Phosphat

Dutzende Loren-Räder

 

Der Generator damals

Im Rathaus von Makatea gibt es eine kleine Ausstellung mit alten Fotos aus der Zeit der Phosphat-Gewinnung. Tapu ist gerade dabei noch weitere Fotos aufzutreiben. Überhaupt ist der junge Mann sehr umtriebig. Er möchte mehr Besucher auf die Insel holen. Als passionierter Kletterer macht er Werbung für Free-Climbing-Touren an den Klippen.

Die Buddelei nach dem Phosphat hat die Inseloberfläche komplett verändert. Loch an Loch an Loch. Soweit das Auge reicht, sieht Makatea wie ein Schweizer Käse aus. Mit der Schaufel haben Arbeiter aus China, Japan, Frankreich und Polynesien das weiche Phosphat aus dem harten Gestein gebuddelt. Zwischen drei und sechszehn Meter tief sind die Löcher. Auf wackeligen Brettern, die man über die Löcher legte, wurde mit Schubkarren das Phosphat zu Sammelstellen gekarrt. Eine unvorstellbare Knüppelarbeit. Bis zu zweitausend Menschen haben an der Umgestaltung der Insel mitgearbeitet.

Die Oberfläche von Makatea

Arbeiter buddeln abertausende Löcher in die Insel

Es gibt eine australische Firma, die die Phosphat-Gewinnung wieder aufleben lassen will. Weltweit gehen die Vorräte von Phosphat, was nicht mit Schwermetallen verunreinigt ist, dem Ende entgegen. Im Augenblick scheitern diese Pläne an einer Idee, wie man die Insel für schweres Gerät befahrbar machen könnte. Zur Zeit existiert nur eine Auto-Piste, für die man mühsam die Löcher mit Sand und Korallenschütt befüllte. Für Landwirtschaft ist die Insel ebenfalls ungeeignet, trotz guter Wüchsigkeit der Pflanzen. „Phosphor haben wir ja genug“, witzelt Tapu, „hier wächst alles. Aber es existieren keine Pläne und noch weniger Geld, um die Insel zu planieren.“

Die Moorings von Makatea

So., 25.Aug.19, Franz.Polyn./Insel Makatea/Westseite, Tag 1911, 18.699 sm von HH
Die Mooring, die wir erwischen, ist nichts fuer schwache Nerven. Keine siebzig Meter vom Riff entfernt. Der Meeresgrund steigt von dreitausend Meter auf null auf einer Laenge von nur hundert Metern an. Am Bug haben wir fuenfzehn Meter unter Atanga, am Heck sechzig Meter. Die Duenung bricht sich donnernd am Riff. Ein leiser Ankerplatz ist das nicht. Im Cockpit muessen wir tatsaechlich die Stimmen erheben. Wenn die Welle sich nach dem Brechen zurueck zieht, das Riff freilegt und bevor eine neuer Brecher sich formiert, bildet sich eine Kante, ja, ein Schlund, ein Vorhof zur Hoelle. „Wo wir haengen, kann sich das Wasser nicht brechen … wo wir haengen, kann sich das Wasser nicht brechen … zu tief … wo wir haengen …“ Wir versuchen uns mit Kuechen-Meeres-Physik den Platz schoen zu reden. :mrgreen: Mit schaurigem Grausen beobachten wir das Schauspiel der brechenden Wellen. Dass vor uns am Riff einige Betonpfeiler stehen (ein Relikt aus vergangenen Zeiten als hier ein Verladeplatz fuer abgebautes Phosphat existierte) und an denen die Gischt zehn Meter hoch spritz, macht den Anblick nicht besser. Aber wir bleiben. Die Mooring ist in einem guten Zustand, der Wind ablandig. Fuer kein Geld der Welt wuerden wir hier bei auflandigem Wind bleiben. Das Heck von Atanga laege direkt ueber dem Schlund. Das waere dann doch zu viel. Waehrend wir noch so ueberlegen, was alles an der Mooring passieren kann, kommt ein junger Mann auf einem SUP-Bord auf uns. Frueher wuerde man mit dem Kanu begruesst, wir haben halt moderne Zeiten. Tapu begruesst uns strahlend: „Die Moorings sind sicher, keine Sorge, nur bei Westwind, huijuijui, dann muesst ihr hier weg. In den Hafen zu kommen, funktioniert wohl mit dem Dinghy, aber man kann es nicht gut fest binden. Zuviel Schwell. Deswegen nehmen wir unser Fischerboot jeden Tag aus dem Wasser. Am besten, ihr kommt mit euren Kajaks.“ Er bietet uns gleich fuer den naechsten Tag eine gefuehrte Tour auf der Insel an. Durch den Phosphat-Abbau gaebe es etliche Industrie-Relikte zu besichtigen, eine Grotte mit christallklarem Suesswasser, wir koennen seinen Vater, den Buergermeister kennen lernen und den Strand auf der anderen Seite sehen. Wir schlagen ein, Morgen um 9:00 Uhr zur Inseltour. Jetzt bleibt uns nur noch zu ueberlegen, wie wir durch die Duenung vor der Hafeneinfahrt kommen koennen.

Segeln nach Makatea

So., 25.Aug.19, Franz.Polyn./Insel Makatea/Westseite, Tag 1911, 18.515 sm von HH
Segeln? Das war wohl ein Schuss in den Ofen. Frueh morgens gehen wir Anker auf und geraten hinter der Abdeckung von Tahiti Iti in den Windschatten der Berge – das war zu erwarten. Wir wollen Tahiti im Sueden umrunden, damit unser Segel-Winkel Richtung Norden etwas besser ist. Der Schwell kommt uns hart entgegen, ein echter Kotzkurs. Es ist so arg, dass Achim das erste Mal seit fuenf Jahren unter Deck keine Brote zum Fruehstueck schmieren mag. Mir geht es gut, ich hab ja eine Pille genommen. Nach vier Stunden ist der Spuck vorbei, hinter der Abdeckung kommt der Wind. Seicht, aber bei einem Kurs hoch am Wind ist uns das ebenso Recht. Genau drei Stunden koennen wir wunderbar segeln, dann schlaeft der Wind komplett ein. Nicht mal ein Hauch bleibt ueber. Wir sind ja hart im nehmen und duempeln auch noch mit zwei Knoten zufrieden umher, aber heute geht gar nichts. Wir starten die Maschine. Was Greta an Co2 gespart hat, blasen wir jetzt in die Atmosphaere. :mrgreen:
Am naechsten Mittag, nach 160 Motormeilen erreichen wir Makatea. Diese Insel hat keinen Pass und keine Lagune. Man kann dort nicht ankern, unmoeglich, aber es soll direkt am Aussenriff drei Moorings geben. Durch das Fernglas sehen wir, dass bereits zwei Moorings belegt sind. Bleibt noch eine uebrig! Da ploetzlich ein AIS Signal auf dem Plotter. Aus Norden naehert sich mit grosser Geschwindigkeit ein Katamaran. Das Rennen auf die letze Mooring hat begonnen. Aber wir sind chancenlos. Fuenf Minuten vor uns erreicht der Feind die letze Mooring. Wir machen lange traurige Gesichter, da sehen wir, dass sich eines der anderen Boote in Bewegung setzt. Hurra, da haben wir ja mal richtig Glueck. Zwischen uns und dem Riff kommt ein Wal vorbei. Ja, was ist denn heute los? Haben wir in einen Hundhaufen getreten oder woher kommt auf einmal dieser Segen? Zufrieden binden wir Atanga an der Mooring fest. Und Greta erzaehlen wir nichts von den 75 Liter verbrannten Diesel.

Von England nach Irland und Schottland (27): Iona. Die vergessene Insel.

 Von den Äußeren Hebriden sind wir vor wenigen Tagen südostwärts zur Insel Iona gesegelt.
Ein Tag auf der Insel.

Einen kurzen Moment leuchtet der helle Sandstrand am Morgen durchs graue Zwielicht. Hinter dem einzigen Berg der Insel ziehen graue Regenfahnen heran – genau dahin, wo wir gerade sind. Zum Strand südöstlich des Klosters, vor dem wir ankern wollen. Es ist kühl, grau und alles andere als angenehm. Iona, die vergessene Insel, hat keinen Hafen, keinen Steg, nur einen Fähranleger. Wer hierher will auf dem eigenen Boot, muss sich seinen Platz selber suchen. Und wer als Landreisender nach Iona will, erreicht es nur als Inselhopper per Fähre von der Insel Mull aus.

Dann verschwindet der Strand auch schon hinter einer Regenwand, während der Anker fällt. Bei fast 3 Meter Tidenhub eine geeignete Stelle zu finden, ist keine leichte Übung, zumal an einem verregnten Morgen. Denn erstens soll der Anker halten, zweitens darfs des fallenden Wassers wegen nicht zu knapp über dem felsigen Grund sein. Und drittens solls nicht zu weit zum Strand zu rudern sein. Man kann nicht übers Wasser laufen, und über schartige Felsen auch nicht wirklich. Erst will der Anker nicht greifen, er kratzt nur Büschel des langblättrigen Kelp vom Grund herauf. Als er endlich hält, rauscht der Regen, wir verkriechen uns schnell für eine halbe Stunde unter Deck.

Der schottische Regen hat ein Gutes: Im Vergleich zum Landregen im Voralpenland ist er nie von langer Dauer. Wo vor den Alpen ein Regenguss schon mal drei triste Tage bescheren kann, ist über den Inseln nach einer halben Stunde das Ärgste vorüber. Nicht genug: Die Sonne zeigt sich sofort wieder – als wäre nichts gewesen. „Unbeständig“ nennen Meteorologen so ein Wetter. Als läge allein in der Beständigkeit des Landregens bei uns etwas Positives.

Wir rudern zum Strand hinüber. Im hellen Sand liegen die Felsen wie eine Zeichnung der Insel Iona im Meer. Iona ist der große Stein in der Mitte des Fotos, am rechten Bildrand  umfangen von der Insel Mull vor dem schottischen Festland, deren Klippen im Norden hoch aufragen. Ganz links oben der Stein markiert die Äußeren Hebriden, während der Blasentang die unbewohnten Inseln Tiree und Coll gut wiedergibt, über die ich im letzten Post schrieb.

Fehlt nur noch das Wichtigste auf meiner „Sandkarte“ oben. Jene Insel, der Iona eigentlich ihre Berühmtheit verdankt. Irland. Es läge ganz links außen etwa auf Höhe dieser Zeilen. Denn berühmt ist Iona, die Insel im Meer. Wer weiß denn schon, dass diese winzige Insel vor der schottischen Küste meine Landschaft vor den Alpen kulturell tiefgreifender geprägt hat als Coca Cola, MacDonalds,  Facebook, Google und Netflix das zusammen je zustande brächten?

Alles begann mit einem Boot. Einem Boot, das an einem regenverhangenen Morgen wie diesem unter Segeln den schmalen Sund an der Ostseite der Insel ansteuerte und in einem Regenschauer versuchte, nahe genug der Insel zu ankern. Die Szene mag ähnlich gewesen sein. Nur waren auf dem Boot nicht bloß drei Menschen wie auf LEVJE, sondern das Boot war voller Menschen. Sie kamen aus Irland. Und sie waren auf der Flucht.

Boote kamen in jenen Jahren ständig von Irland herüber mit Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Leben und einer besseren Zukunft waren. Es war die Zeit, in der die von den Römern errichteten Mauern und Grenzen nicht mehr hielten. Die Menschen, die aus Irland kamen, nannten sich Scoten, nach dem keltischen Stamm, zu dem sie gehörten, und sie schwappten von Irland herüber an die Irland gegenüberliegende Küste, die sie vom Norden ihrer Insel als Schemen im Dunst Tag für Tag vor Augen hatten. Dem Land gaben die Einwanderer nicht nur den neuen Namen. Scotland – das Land der Scoten. An Bord ihrer Boote, verborgen zwischen ein paar mageren Ziegen, schwindsüchtigen Säcken mit Saatgut und rostigen Werkzeugen, segelte von Irland auch eine neue Religion mit herüber, die den in den Highlands heimischen Pikten-Stämme kaum etwas sagte. Die Neuankömmlinge beteten einen Mann an, der an ein Kreuz genagelt war, und nachdem sie sich Christen nannten.

Die eifrigsten unter ihnen waren Habenichtse mit nichts in ihrem Besitz als ein paar groben Kutten, Bündeln heimlich abgeschriebener Schriftrollen und wirrem Gerede darüber, wie das Zusammenleben zwischen den Menschen besser funktionieren könnte. Einer von ihnen hieß Columban und hatte nichts besseres zu tun, als sich auf der Insel mit seinen Gefährten niederzulassen, in einer Felsspalte zu fasten und Manuskripte abzuschreiben. Und daneben eine kleine Kirche zu bauen. 

Mönche nannten sie sich. Von Iona aus besuchten sie erst die verstreut auf den Nachbarinseln lebenden keltischen Bauern. Erzählten ihnen Geschichten von ihrer an ein grobes Holzkreuz genagelten Gottheit, die mehr Kraft besitze als alle piktischen Gottheiten. Und davon, dass man einander nicht die Schädel einschlagen müsse, nur um zu überleben. Dass es ein Miteinander gäbe.


Es brauchte Jahrzehnte. Aber die Idee leuchtete ein. Aus der kleinen Kirche neben der Felsspalte, in der der Mann seine ersten Jahre gelebt hatte, wurde langsam ein Kloster. Je größer das Klöster wurde, desto weiter getrauten sich die Mönche herum. Erst hinüber zur westschottischen Festlandsküste.  Dann gründeten sie vor der Ostküste Schottlands auf der Insel Lindisfarne ein weiteres Kloster, groß wie Iona. Weil das immer noch nicht reichte, segelten die iroschottischen Mönche die Küsten entlang in die Normandie. Wanderten. Und missionierten. Kamen auf ihren Wanderungen immer weiter nach Südosten, gründeten Kirchen und missionierten in den germanischen Gebieten. Ein Winfried in Fulda, ein Kilian in Würzburg, ein Virgil in Salzburg: Sie alle waren Söhne von Iren oder Schotten von diesen Inseln, die immer weiter herumzogen und immer neue Miniaturklöster gründeten, um die herum Städte wuchsen wie Würzburg, Fulda, Eichstätt, Freising, Salzburg.

Alles begann mit einem Boot, das irgendwann in einem Regenschauer vor einem Sandstrand der Insel Iona anlegte. Und einem Mann, der durch Büschel langblättrigen Kelps ans Ufer watete und beschloss, sich auf Iona dort niederzulassen, wo man zur Insel Mull hinübersehen konnte.

Von den Dingen, die damals von Iona ausgingen, ist heute nur noch wenig zu sehen. Doch Iona ist ein besuchenswertes Eiland mit gepflegten Gärten, einem Dorfladen. Es hat sich ein bisschen was von der Spiritualität, die einst auf der Insel beheimatet war, zurückgeholt.

Ein paar Ruinen sind von damals noch da. Und eine Küste, vor der Levje schaukelt und zwischen groben Felsen immer noch hell die Sandstrände leuchten. Wenn nicht gerade der nächste Regenschauer niedergeht. 

Jetzt neu! Jetzt reinhören: millemari.’s 27. Produkt:
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Von England nach Irland und Schottland (27): Iona. Die vergessene Insel.

 Von den Äußeren Hebriden sind wir vor wenigen Tagen südostwärts zur Insel Iona gesegelt.
Ein Tag auf der Insel.

Einen kurzen Moment leuchtet der helle Sandstrand am Morgen durchs graue Zwielicht. Hinter dem einzigen Berg der Insel ziehen graue Regenfahnen heran – genau dahin, wo wir gerade sind. Zum Strand südöstlich des Klosters, vor dem wir ankern wollen. Es ist kühl, grau und alles andere als angenehm. Iona, die vergessene Insel, hat keinen Hafen, keinen Steg, nur einen Fähranleger. Wer hierher will auf dem eigenen Boot, muss sich seinen Platz selber suchen. Und wer als Landreisender nach Iona will, erreicht es nur als Inselhopper per Fähre von der Insel Mull aus.

Dann verschwindet der Strand auch schon hinter einer Regenwand, während der Anker fällt. Bei fast 3 Meter Tidenhub eine geeignete Stelle zu finden, ist keine leichte Übung, zumal an einem verregnten Morgen. Denn erstens soll der Anker halten, zweitens darfs des fallenden Wassers wegen nicht zu knapp über dem felsigen Grund sein. Und drittens solls nicht zu weit zum Strand zu rudern sein. Man kann nicht übers Wasser laufen, und über schartige Felsen auch nicht wirklich. Erst will der Anker nicht greifen, er kratzt nur Büschel des langblättrigen Kelp vom Grund herauf. Als er endlich hält, rauscht der Regen, wir verkriechen uns schnell für eine halbe Stunde unter Deck.

Der schottische Regen hat ein Gutes: Im Vergleich zum Landregen im Voralpenland ist er nie von langer Dauer. Wo vor den Alpen ein Regenguss schon mal drei triste Tage bescheren kann, ist über den Inseln nach einer halben Stunde das Ärgste vorüber. Nicht genug: Die Sonne zeigt sich sofort wieder – als wäre nichts gewesen. „Unbeständig“ nennen Meteorologen so ein Wetter. Als läge allein in der Beständigkeit des Landregens bei uns etwas Positives.

Wir rudern zum Strand hinüber. Im hellen Sand liegen die Felsen wie eine Zeichnung der Insel Iona im Meer. Iona ist der große Stein in der Mitte des Fotos, am rechten Bildrand  umfangen von der Insel Mull vor dem schottischen Festland, deren Klippen im Norden hoch aufragen. Ganz links oben der Stein markiert die Äußeren Hebriden, während der Blasentang die unbewohnten Inseln Tiree und Coll gut wiedergibt, über die ich im letzten Post schrieb.

Fehlt nur noch das Wichtigste auf meiner „Sandkarte“ oben. Jene Insel, der Iona eigentlich ihre Berühmtheit verdankt. Irland. Es läge ganz links außen etwa auf Höhe dieser Zeilen. Denn berühmt ist Iona, die Insel im Meer. Wer weiß denn schon, dass diese winzige Insel vor der schottischen Küste meine Landschaft vor den Alpen kulturell tiefgreifender geprägt hat als Coca Cola, MacDonalds,  Facebook, Google und Netflix das zusammen je zustande brächten?

Alles begann mit einem Boot. Einem Boot, das an einem regenverhangenen Morgen wie diesem unter Segeln den schmalen Sund an der Ostseite der Insel ansteuerte und in einem Regenschauer versuchte, nahe genug der Insel zu ankern. Die Szene mag ähnlich gewesen sein. Nur waren auf dem Boot nicht bloß drei Menschen wie auf LEVJE, sondern das Boot war voller Menschen. Sie kamen aus Irland. Und sie waren auf der Flucht.

Boote kamen in jenen Jahren ständig von Irland herüber mit Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Leben und einer besseren Zukunft waren. Es war die Zeit, in der die von den Römern errichteten Mauern und Grenzen nicht mehr hielten. Die Menschen, die aus Irland kamen, nannten sich Scoten, nach dem keltischen Stamm, zu dem sie gehörten, und sie schwappten von Irland herüber an die Irland gegenüberliegende Küste, die sie vom Norden ihrer Insel als Schemen im Dunst Tag für Tag vor Augen hatten. Dem Land gaben die Einwanderer nicht nur den neuen Namen. Scotland – das Land der Scoten. An Bord ihrer Boote, verborgen zwischen ein paar mageren Ziegen, schwindsüchtigen Säcken mit Saatgut und rostigen Werkzeugen, segelte von Irland auch eine neue Religion mit herüber, die den in den Highlands heimischen Pikten-Stämme kaum etwas sagte. Die Neuankömmlinge beteten einen Mann an, der an ein Kreuz genagelt war, und nachdem sie sich Christen nannten.

Die eifrigsten unter ihnen waren Habenichtse mit nichts in ihrem Besitz als ein paar groben Kutten, Bündeln heimlich abgeschriebener Schriftrollen und wirrem Gerede darüber, wie das Zusammenleben zwischen den Menschen besser funktionieren könnte. Einer von ihnen hieß Columban und hatte nichts besseres zu tun, als sich auf der Insel mit seinen Gefährten niederzulassen, in einer Felsspalte zu fasten und Manuskripte abzuschreiben. Und daneben eine kleine Kirche zu bauen. 

Mönche nannten sie sich. Von Iona aus besuchten sie erst die verstreut auf den Nachbarinseln lebenden keltischen Bauern. Erzählten ihnen Geschichten von ihrer an ein grobes Holzkreuz genagelten Gottheit, die mehr Kraft besitze als alle piktischen Gottheiten. Und davon, dass man einander nicht die Schädel einschlagen müsse, nur um zu überleben. Dass es ein Miteinander gäbe.


Es brauchte Jahrzehnte. Aber die Idee leuchtete ein. Aus der kleinen Kirche neben der Felsspalte, in der der Mann seine ersten Jahre gelebt hatte, wurde langsam ein Kloster. Je größer das Klöster wurde, desto weiter getrauten sich die Mönche herum. Erst hinüber zur westschottischen Festlandsküste.  Dann gründeten sie vor der Ostküste Schottlands auf der Insel Lindisfarne ein weiteres Kloster, groß wie Iona. Weil das immer noch nicht reichte, segelten die iroschottischen Mönche die Küsten entlang in die Normandie. Wanderten. Und missionierten. Kamen auf ihren Wanderungen immer weiter nach Südosten, gründeten Kirchen und missionierten in den germanischen Gebieten. Ein Winfried in Fulda, ein Kilian in Würzburg, ein Virgil in Salzburg: Sie alle waren Söhne von Iren oder Schotten von diesen Inseln, die immer weiter herumzogen und immer neue Miniaturklöster gründeten, um die herum Städte wuchsen wie Würzburg, Fulda, Eichstätt, Freising, Salzburg.

Alles begann mit einem Boot, das irgendwann in einem Regenschauer vor einem Sandstrand der Insel Iona anlegte. Und einem Mann, der durch Büschel langblättrigen Kelps ans Ufer watete und beschloss, sich auf Iona dort niederzulassen, wo man zur Insel Mull hinübersehen konnte.

Von den Dingen, die damals von Iona ausgingen, ist heute nur noch wenig zu sehen. Doch Iona ist ein besuchenswertes Eiland mit gepflegten Gärten, einem Dorfladen. Es hat sich ein bisschen was von der Spiritualität, die einst auf der Insel beheimatet war, zurückgeholt.

Ein paar Ruinen sind von damals noch da. Und eine Küste, vor der Levje schaukelt und zwischen groben Felsen immer noch hell die Sandstrände leuchten. Wenn nicht gerade der nächste Regenschauer niedergeht. 

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Wie ist die Versorgungslage auf Tahiti

Do., 22.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1908, 18.355 sm von HH

Wirklich hart trifft es die Drogenbeschaffung!
Zigaretten kosten 10 bis 13 USD die Packung. Okay, interessiert an Bord ja keinen mehr. :-)
Schokolade kostet 3,50 USD für 90 Gramm Milka. Wer richtige Schokolade will, muss 6 bis 8 Dollar hinblättern.
Alkohol kostet ein Vermögen! Eine Flasche Wein beginnt bei 16,00 USD. Das Zeug darunter ist untrinkbar. Wir haben es mit 12 Dollar Wein versucht, der sich als süße Plörre entpuppte.
Der Preis für Bier ist günstig, zumindest gefühlt. Aber nur, weil Französisch Polynesien ganz geschickt vorgeht: Vor Tahiti erreicht man von allen Seiten erst die kleinen Inseln. Dort kostet eine Flasche Bier 3,00 bis 3,50 USD, da tun die 2,20 Dollar auf Tahiti plötzlich gar nicht mehr weh.

Der Rest ist preislich akzeptabel. Mein Preisindex, den ich seit Kap Verden führe, sagt, dass Tahiti ist nur 66 Prozent teurer als Deutschland. Da hatten wir in der Karibik schon ganz andere Werte. Es finden sich immer mal wieder Schnäppchen. Neben der subventionierten Grundnahrungsmitteln scheint Frankreich seinen Untertanen in Übersee ein Recht auf getrocknete Tomaten in Öl einzuräumen. Ein gutes Glas ist sensationell günstig mit 2,20 USD. Noch nie eingefrorenes Fleisch kommt aus Neuseeland und liegt zwischen 12,00 und 20,00 USD fürs Kilo. Thunfisch im Supermarkt kostet 20,00 USD, auf dem Markt in Papeete nur die Hälfte.

Preisindex Französisch Polynesien

Bei Noonfood sieht es schlechter aus. Grade billige China-Plastik-Ware ist am teuersten. Ein Schneidbrett kostet 22,00 USD, eine wackelige Klobürste 8,00 USD. Wasser- und Benzinkanister sind doppelt so teuer wie überall anders. ‚Cilit Bang‘ Putzmittel haut mit 9,00 USD rein.
Essen gehen ist ebenfalls teuer. Der Preis für ein Big Mac Menü hat seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. ‚Wo du gern bist, weil man gut isst‘, will 10 USD für das olle Pappbrötchen haben. Ein Bier im Restaurant kostet 8,00 USD und selbst in kleinen Mittags-Lokalen verlangt man 20,00 USD und mehr für ein schnelles Essen.

Was es vor allem teuer auf Tahiti macht, ist, dass es alles (!) gibt. Zehn Sorten Emmentaler, Leerdamer, diverse Bries, Frischkäse, Schimmelkäse, Schafskäse, Ziegenkäse. Luftgetrockneter Schinken liegt neben Chorizo und zehn Sorten Französischer Salami.
Ein Einkaufsparadies.

Wer lieber regional einkauft, kann das allerdings nur beim Gemüse: Pok Choi, Kohl, Rettich, Bananen, Mangos. Der Rest wird eingeflogen. Entweder aus Frankreich oder Neuseeland. Dieses Flug-Gemüse hat seinen Preis. Im Schnitt ist der Kilopreis doppelt so hoch wie für die lokalen Produkte.

Wie geht es jetzt bei uns weiter?

Atangas Schränke sind wieder voll. Alles mit dem Fahrrad aus dem relativ nahen ‚Carrefour‘ heran gekarrt. Kaum, dass man fünfzehn Mal fährt, ist das Schiff wieder beladen. ;-)
Jetzt nur noch vorkochen und alles verstauen, denn am Samstag geht es weiter.
In das Herz der Tuamotus – nach Osten – wollen wir nicht noch einmal zurück. Das ist uns zu weit genau gegen den Wind. Aber im Norden gibt es noch zwei Atolle, die mit unter 200 Seemeilen ’schnell‘ zu erreichen sind. Wenn es gut läuft, kommt uns der Wind nicht auf die Nase. Danach kommen wir wieder runter, besuchen noch Moorea, die schöne Schwester Tahitis, um dann noch einmal in Tahiti zu stoppen.
Spätestens am 15. Oktober wollen wir dann Richtung Süden auf die Austral-Inseln und aus der Zyklon-Region heraus.

Ab in den Norden nach Tikehau

Papeete Stadtausflug

Di., 20.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1906, 18.355 sm von HH

„Seelenlose Stadt“, „im Verkehr erstickender Beton-Klotz“, „keine besonderen Sehenswürdigkeiten“, die Beschreibungen Papeetes sind einseitig und eindeutig.
Zwei Drittel aller Einwohner Französisch Polynesiens leben in der Hauptstadt.
Dem Drehkreuz für die Verteilung von Mensch und Ware auf die kleinen Inseln und Inselchen. Jeder Bleistift, jedes Kilo Mehl, der gesamte Diesel und jedes Stück Käse kommt über Papeete rein.
Unser Besuch soll ein Mix aus Sightseeing und Einkaufstour werden. Aber als erstes statten wir dem Stadthafen einen Besuch ab. Wir müssen noch einen Platz finden, wo ich im nächsten Jahr Achim unterbringen kann, wenn ich nach Hause fliege. In der Marina treffen wir Inga und Norbert. Die beiden kennen wir schon ein paar Jahre aus dem Internet, getroffen haben wir uns noch nie. sy-marisol Analog sind die beiden genauso nett wie digital. Natürlich sind sie nett, denn unsere Wege werden sich wahrscheinlich nicht wieder überschneiden.

Inga und Norbert

Danach schleppt Achim mich zum Schiffsausrüster. Ein nerviger Weg durchs Industriegebiet. Papeete zeigt sich von seiner beschriebenen Seite: Autos parken die Fußwege voll, LKWs donnern an uns vorbei. Es wird gehupt und überholt. Hao mit seinen zwanzig Autos war da entspannter. Wir sind im Zweifel, ob wir Großstadt je wieder mögen können.

Aber es gibt im Stadtkern auch ein paar ruhige Ecken. Eine wohltuende Oase ist der Markt mit Obst und Gemüse für die Einheimischen und Souvenirs für die Touristen. Alles nett dekoriert mit Stoffen im typischen polynesischem Blumendruck. Man findet auf den Straßen fliegende Händlern, die an bunten Ständen Obst, Muschelketten und natürlich Perlen verkaufen. Perlen. Perlen wohin das Auge sieht. Billig aufgezogen auf Leder-Imitat-Bänder oder exklusiv in den Schaufenstern der Juweliere präsentiert. Perlen, Perlen, Perlen.

Hübsche Ecken in Papeete

Papeete Markt

Ananas-Verkauf auf der Straße

Die Krönung ist das Perlenmuseum von Robert Wan. Der König unter den Perlen-Machern unterhält einen hübsch gemachten Show-Room in dem man alles über die Austern und die Entstehung einer Perle sehen kann. Robert Wan hat als armer Einwanderer aus China sein Geld als Autoverkäufer und Gelegenheitsarbeiter verdient. Bis er 1974 einen Enkel von Kichimatsu Mikimoto kennen lernte. Mikimoto gelang es vor über 100 Jahren die Methode zu entwickeln mit der eine Perle gezüchtet werden kann. Robert Wan investierte alles in die Perlenzucht und wurde reich. Sehr reich. Er gründete das Imperium ‚Tahiti Perle‘ und ist Besitzer der größten runden Perle, die bislang gezüchtet wurde: Durchmesser 22,93 Millimeter.

Perlenvorhang – der Anteil an Ausschuss Perlen ist riesig

Natürlich kann man neben dem Museum auch Robert Wan Perlen kaufen. Hätten wir nicht gerade die Ankerkette gekauft, so wäre sicherlich für mich ein Kettchen drin gewesen. :mrgreen: So haben wir heute mindestens 90.000 USD gespart.

Größte Perle zum Kauf im Museum – nicht schön, aber teuer 125.000 EUR

Schottland (26): Unter Segeln. Von den Hebriden zur Insel Iona.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Von den Äußeren Hebriden geht es nun zurück Richtung Festland.

Am Morgen vor dem Ablegen war noch alles klar. „Wind mit 18 Knoten aus Südwest. Regen ganztags.“ Na dann los – mit halbem Wind nach Südosten Richtung schottisches Festland.

Ganz einfach hatte das geklungen. Jetzt ist alles anders. Der Wind kommt fast von vorn, aus Südsüdwest. Ich hätte es mir denken können. Er bläst stabil mit über 20 Knoten – wenn gerade keine schwarze Wolke anschleicht und  den Windsack noch weiter aufmacht. Vor dem Regenschauer fauchen dann Böen, die LEVJE auf die Seite legten. Ida, Svens Tochter, ist seit dem Ablegen schlecht, doch sie hält sich tapfer, sagt kein Wort, ist ganz auf ihre Musik oder den Horizont konzentriert, während die Wellen unter Levje hindurch rollen.

Es ist eine unwirtliche Welt, durch die wir uns an diesem Morgen bewegen. Und trotzdem ist dies alles herrlich. Die Wellen, die gischtend unter Levje durchrollen. Die Sturmvögel, die  mit lässigem Flügelschlag zehn Zentimeter vom Want entfernt mitschweben im kräftigen Wind, als wollten sie bei uns an Deck nach dem rechten schauen, um dann locker abzudrehen. Sie bewegen sich, als wären 28 Knoten Wind nur ein Hauch. Was für eine fremdartige, was für faszinierend andere Welt, durch die wir uns bewegen.

 Ich denke an Blaise Pascal. „Es ist herrlich, im Sturm unterwegs zu sein, solange man weiß, dass das Schiff ankommt“. Aber weiß man das immer? Gerade hier? Gerade jetzt? Nichts zum Festhalten. Der Gang unter Deck ist ein Abenteuer. Doch ich fühle mich sicher. Warum nur fühle ich mich hier draußen nur immer wieder so geborgen im Unwirtlichen und dort wo es doch unwirtlicher nicht sein kann?  

Die nächste Regenwolke schleicht sich an, während wir uns den Inseln Tiree und Coll nähern. Zwei langgezogene Inseln, die  vor uns xwie langgezogene Riegel den Weg versperren. Aber zwischen den Inseln gibt es eine enge Durchfahrt, doch ist sie flach und der Wind weht auflandig. Als wir näherkommen, sieht die südlich liegende Insel Tiree fast unbewohnt aus. Ein Strand mit hellem Sand, ein verlassenes Haus darauf. Glatte Felsen, Strandgras. Mehr nicht. Der Wind frischt kurz auf 30 Knoten auf, die Wellen nehmen zu. Das hatte ich mir anders vorgestellt heute Morgen, als ich den Kurs zwischen den Inseln hindurch in die Seekarte eingab. Die flache Passage liegt in der Abschattung des Windes, dachte ich, also kommen wir bei ruhiger See durch die flache Passage. Kann man natürlich vergessen – auch das hätte ich mir denken können, dass der Wind der langen Inselküste folgt und nicht dem Wetterbericht.  Zudem setzt starker Strom nach Norden und in die Einfahrt. Jetzt umkehren? Gaaaanz blöde Idee. Und nicht nur, weil das ein Umweg von mehreren Stunden um jede der 12 Seemeilen langen Inseln wäre.

Mir sinkt das Herz in die Hose. Da mag die Seekarte mich noch so sehr mit den angegeben Tiefen beruhigen, dass hier keine Gefahr besteht, aufzusetzen. Wenn der Grund auf kurze Distanz von 100 auf 10 Meter ansteigt, weiß man nie, was auflandiger Wind und Welle dort anstellen. „Ich halte ganz südlich auf das einsame Haus am Strand zu“, sage ich Sven, der vor dem Ipad mit der Seekarte sitzt und mich durch die Engstelle lotsen wird. So machen wir das immer. Einer fährt. Der andere liefert die Ansteuerungspunkte. „Halt weiter drauf zu.“, sagt Sven, „wenn die grüne Tonne in Deckpeilung mit der kleinen Insel dahinter ist, dann halte genau auf die Tonne zu und fahr über sie drüber“. Das geht natürlich nicht. Die Tonne ist eine Stahlbombe von der Größe eines Kleinwagens, die da in den Wellen fest verankert ist. „Über sie drüber“ heißt, so nah wie möglich dran vorbei. „Auf dem Kurs ist das Wasser am tiefsten“, sagt Sven noch. Dann lege ich Ruder.

Einen Moment lang fegt noch eine Böe. Dann während wir Kurs auf die Tonne halten, ist das Wasser plötzlich still. Der Wind ist weg. Das Tosen ist vorbei. Keine Wellen mehr. Levje gleitet wie auf einem Dorfteich. Ächzend fällt das Großsegel zusammen, als wäre es wahrhaft erlöst von der dauernden Anspannung. Ich starte den Motor und steuere Levje durch die Engstelle. Den Motor brauche ich nicht, um vorwärtszukommen. Das macht die Strömung, sie schiebt uns durch die Engstelle hindurch. Der Motor hilft uns nur, den Kurs zu halten. Hätten wir ihn nicht, müssten wir jetzt rudern in der fast windlosen See. Der Strom trägt uns an der Tonne vorbei, dann sind wir durch. Die See weitet sich. Frieden und glattes Wasser und langsames Gleiten für einen Moment.

Zwei Stunden später, gegen 16 Uhr. Schreiben fällt mir schwer. Die Wellen liefern ein wirres Muster ab, sie werfen Levje wie einen Tischtennisball hin- und her. Dabei hat es guten Wind hinter Tiree und Coll, wir laufen wir mit 7 Knoten Geschwindigkeit auf eigentlich angenehmsten Kurs, auf Halbwind. Aber angenehm ist hier gerade nichts. Ein Regenschauer geht nieder, während ich fotografiere, meine Kamera wird triefnass vom Regen, von der spritzenden Gischt. Ich bin zu fasziniert von all dem, was ich da sehe.

Eigentlich sollte der Regen die Wellen plattdreschen. Aber Regen ist in Schottland meist ein 10 Minuten Schauer von feiner Gischt, ein Spray, der für Luftfeuchtigkeit 95% sorgt. Und unter Deck für klamme Kleidung und Bettdecken.

Die Wogenkämme kommen aus dem Süden. Das ist wahrscheinlich das einzige, was Schottland mit Sizilien gemeinsam hat: Regen kommt von Süden. Weil das Meer nach Südwesten offen ist, rollen die Wogen von dort als brechende Berge an, die uns mit Gischt überweht, während wir uns über die Tasse mit Brühe hermachen, die Sven heldenhaft unter Deck für uns zubereitet hat. Wo er sich vor dem Herd nur eingespreizt hat, wo selbst an Deck einen geraden Schritt zu machen gerade nicht möglich ist, selbst im kurzen Cockpit nicht. Einen günstigen Moment abpassen, losrennen – und dann vor allem festhalten. Der nächste Ausheber, eine Woge aus Süden, die an Levjes Bordwand bricht, als würde sie detonieren. Ausheber nenne ich sie, denn so eine Welle könnte Dich einfach aus dem Cockpit bis zum Seezaun raushebeln. Also: Sitzenbleiben. Nicht bewegen. Und jedes dringende Bedürfnis einfach vergessen.

Auch Sven kuckt gerade nicht glücklich aus der Wäsche. Am Horizont im Norden eine Insel, die aussieht wie ein Sombrero auf dem Wasser. Eine flache Krempe, mit einer Beule für den 

Kopf in der Mitte. „Dutchmans Cap“ heißt die Insel, des Holländers Mütze, und sie ist genauso leer und unbewohnt wie die übrigen sieben Treshnish-Inseln, zu denen „Dutchmans Cap“ gehört.

17.30. An Wildheit ist der Anblick nicht zu überbieten. Im Norden ragen die Klippen der Insel Mull in die Höhe, überragt von einer grandiosen Wolkenwalze. Wasserfälle schießen von oben herunter.  Davor erkenne ich Staffa, die Insel der aufragenden Basaltkegel. Im Südwesten liegt Iona, die lange Insel. Ein felsiges Eiland mit langem Sandstrand im Nordwesten. Ein bisschen sieht Iona aus wie Robert Louis Stevensons Schatzinsel. Eine flache Insel mit einem Berg in der Mitte, der in der imaginären Schatzkarte Robert Louis Stevenson mit „Fernrohr“ eingetragen ist. Stevenson war Schotte, ganz sicher hat er Iona gekannt. Ob ihm Iona für seine Schatzinsel Vorbild war? Immer wieder verschwindet die Insel hinter den anrollenden Hügelkämmen. 

Wir versuchen im Iona Sound zwischen der Insel und Mull zu ankern. Aber bei diesem Süd, der durch den Sound pfeift, ist an Ankern nicht mal zu denken. Verwegen und müde, wie wir gerade sind, wagen wir uns in eine schmale Felsgasse hinein, an deren Ende ein anderer Segler liegt. Ein Rattenloch, eine Mausefalle als Ankerplatz. Gefangen bei Niedrigwasser zwischen den Felsen? Nein, es fühlt sich nicht gut an. Wir tasten uns durch die Felsen zurück, segeln weiter, ostwärts, finden eine geschützte Bucht nach Norden, mit glattem Wasser und unberührt bis auf ein paar im Wasser liegenden Booten. Keine Menschenseele. Nur eine Seerobbe, die kurz auftaucht. Sich schneuzt. Und gleich wieder verschwunden ist.

Es ist herrlich, im Sturm zu Segeln. Aber noch herrlicher ist es, die Wildheit eines Tages hinter sich zu haben. Den tiefen Frieden eines Hafens, einer sicheren Bucht zu spüren: Das erfüllt mich jedes Mal mehr als das draußen in den Elementen sein. 

Vielleicht kann es ja ohne Wildheit keinen Frieden geben.

Schottland (26): Unter Segeln. Von den Hebriden zur Insel Iona.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Von den Äußeren Hebriden geht es nun zurück Richtung Festland.

Am Morgen vor dem Ablegen war noch alles klar. „Wind mit 18 Knoten aus Südwest. Regen ganztags.“ Na dann los – mit halbem Wind nach Südosten Richtung schottisches Festland.

Ganz einfach hatte das geklungen. Jetzt ist alles anders. Der Wind kommt fast von vorn, aus Südsüdwest. Ich hätte es mir denken können. Er bläst stabil mit über 20 Knoten – wenn gerade keine schwarze Wolke anschleicht und  den Windsack noch weiter aufmacht. Vor dem Regenschauer fauchen dann Böen, die LEVJE auf die Seite legten. Ida, Svens Tochter, ist seit dem Ablegen schlecht, doch sie hält sich tapfer, sagt kein Wort, ist ganz auf ihre Musik oder den Horizont konzentriert, während die Wellen unter Levje hindurch rollen.

Es ist eine unwirtliche Welt, durch die wir uns an diesem Morgen bewegen. Und trotzdem ist dies alles herrlich. Die Wellen, die gischtend unter Levje durchrollen. Die Sturmvögel, die  mit lässigem Flügelschlag zehn Zentimeter vom Want entfernt mitschweben im kräftigen Wind, als wollten sie bei uns an Deck nach dem rechten schauen, um dann locker abzudrehen. Sie bewegen sich, als wären 28 Knoten Wind nur ein Hauch. Was für eine fremdartige, was für faszinierend andere Welt, durch die wir uns bewegen.

 Ich denke an Blaise Pascal. „Es ist herrlich, im Sturm unterwegs zu sein, solange man weiß, dass das Schiff ankommt“. Aber weiß man das immer? Gerade hier? Gerade jetzt? Nichts zum Festhalten. Der Gang unter Deck ist ein Abenteuer. Doch ich fühle mich sicher. Warum nur fühle ich mich hier draußen nur immer wieder so geborgen im Unwirtlichen und dort wo es doch unwirtlicher nicht sein kann?  

Die nächste Regenwolke schleicht sich an, während wir uns den Inseln Tiree und Coll nähern. Zwei langgezogene Inseln, die  vor uns xwie langgezogene Riegel den Weg versperren. Aber zwischen den Inseln gibt es eine enge Durchfahrt, doch ist sie flach und der Wind weht auflandig. Als wir näherkommen, sieht die südlich liegende Insel Tiree fast unbewohnt aus. Ein Strand mit hellem Sand, ein verlassenes Haus darauf. Glatte Felsen, Strandgras. Mehr nicht. Der Wind frischt kurz auf 30 Knoten auf, die Wellen nehmen zu. Das hatte ich mir anders vorgestellt heute Morgen, als ich den Kurs zwischen den Inseln hindurch in die Seekarte eingab. Die flache Passage liegt in der Abschattung des Windes, dachte ich, also kommen wir bei ruhiger See durch die flache Passage. Kann man natürlich vergessen – auch das hätte ich mir denken können, dass der Wind der langen Inselküste folgt und nicht dem Wetterbericht.  Zudem setzt starker Strom nach Norden und in die Einfahrt. Jetzt umkehren? Gaaaanz blöde Idee. Und nicht nur, weil das ein Umweg von mehreren Stunden um jede der 12 Seemeilen langen Inseln wäre.

Mir sinkt das Herz in die Hose. Da mag die Seekarte mich noch so sehr mit den angegeben Tiefen beruhigen, dass hier keine Gefahr besteht, aufzusetzen. Wenn der Grund auf kurze Distanz von 100 auf 10 Meter ansteigt, weiß man nie, was auflandiger Wind und Welle dort anstellen. „Ich halte ganz südlich auf das einsame Haus am Strand zu“, sage ich Sven, der vor dem Ipad mit der Seekarte sitzt und mich durch die Engstelle lotsen wird. So machen wir das immer. Einer fährt. Der andere liefert die Ansteuerungspunkte. „Halt weiter drauf zu.“, sagt Sven, „wenn die grüne Tonne in Deckpeilung mit der kleinen Insel dahinter ist, dann halte genau auf die Tonne zu und fahr über sie drüber“. Das geht natürlich nicht. Die Tonne ist eine Stahlbombe von der Größe eines Kleinwagens, die da in den Wellen fest verankert ist. „Über sie drüber“ heißt, so nah wie möglich dran vorbei. „Auf dem Kurs ist das Wasser am tiefsten“, sagt Sven noch. Dann lege ich Ruder.

Einen Moment lang fegt noch eine Böe. Dann während wir Kurs auf die Tonne halten, ist das Wasser plötzlich still. Der Wind ist weg. Das Tosen ist vorbei. Keine Wellen mehr. Levje gleitet wie auf einem Dorfteich. Ächzend fällt das Großsegel zusammen, als wäre es wahrhaft erlöst von der dauernden Anspannung. Ich starte den Motor und steuere Levje durch die Engstelle. Den Motor brauche ich nicht, um vorwärtszukommen. Das macht die Strömung, sie schiebt uns durch die Engstelle hindurch. Der Motor hilft uns nur, den Kurs zu halten. Hätten wir ihn nicht, müssten wir jetzt rudern in der fast windlosen See. Der Strom trägt uns an der Tonne vorbei, dann sind wir durch. Die See weitet sich. Frieden und glattes Wasser und langsames Gleiten für einen Moment.

Zwei Stunden später, gegen 16 Uhr. Schreiben fällt mir schwer. Die Wellen liefern ein wirres Muster ab, sie werfen Levje wie einen Tischtennisball hin- und her. Dabei hat es guten Wind hinter Tiree und Coll, wir laufen wir mit 7 Knoten Geschwindigkeit auf eigentlich angenehmsten Kurs, auf Halbwind. Aber angenehm ist hier gerade nichts. Ein Regenschauer geht nieder, während ich fotografiere, meine Kamera wird triefnass vom Regen, von der spritzenden Gischt. Ich bin zu fasziniert von all dem, was ich da sehe.

Eigentlich sollte der Regen die Wellen plattdreschen. Aber Regen ist in Schottland meist ein 10 Minuten Schauer von feiner Gischt, ein Spray, der für Luftfeuchtigkeit 95% sorgt. Und unter Deck für klamme Kleidung und Bettdecken.

Die Wogenkämme kommen aus dem Süden. Das ist wahrscheinlich das einzige, was Schottland mit Sizilien gemeinsam hat: Regen kommt von Süden. Weil das Meer nach Südwesten offen ist, rollen die Wogen von dort als brechende Berge an, die uns mit Gischt überweht, während wir uns über die Tasse mit Brühe hermachen, die Sven heldenhaft unter Deck für uns zubereitet hat. Wo er sich vor dem Herd nur eingespreizt hat, wo selbst an Deck einen geraden Schritt zu machen gerade nicht möglich ist, selbst im kurzen Cockpit nicht. Einen günstigen Moment abpassen, losrennen – und dann vor allem festhalten. Der nächste Ausheber, eine Woge aus Süden, die an Levjes Bordwand bricht, als würde sie detonieren. Ausheber nenne ich sie, denn so eine Welle könnte Dich einfach aus dem Cockpit bis zum Seezaun raushebeln. Also: Sitzenbleiben. Nicht bewegen. Und jedes dringende Bedürfnis einfach vergessen.

Auch Sven kuckt gerade nicht glücklich aus der Wäsche. Am Horizont im Norden eine Insel, die aussieht wie ein Sombrero auf dem Wasser. Eine flache Krempe, mit einer Beule für den 

Kopf in der Mitte. „Dutchmans Cap“ heißt die Insel, des Holländers Mütze, und sie ist genauso leer und unbewohnt wie die übrigen sieben Treshnish-Inseln, zu denen „Dutchmans Cap“ gehört.

17.30. An Wildheit ist der Anblick nicht zu überbieten. Im Norden ragen die Klippen der Insel Mull in die Höhe, überragt von einer grandiosen Wolkenwalze. Wasserfälle schießen von oben herunter.  Davor erkenne ich Staffa, die Insel der aufragenden Basaltkegel. Im Südwesten liegt Iona, die lange Insel. Ein felsiges Eiland mit langem Sandstrand im Nordwesten. Ein bisschen sieht Iona aus wie Robert Louis Stevensons Schatzinsel. Eine flache Insel mit einem Berg in der Mitte, der in der imaginären Schatzkarte Robert Louis Stevenson mit „Fernrohr“ eingetragen ist. Stevenson war Schotte, ganz sicher hat er Iona gekannt. Ob ihm Iona für seine Schatzinsel Vorbild war? Immer wieder verschwindet die Insel hinter den anrollenden Hügelkämmen. 

Wir versuchen im Iona Sound zwischen der Insel und Mull zu ankern. Aber bei diesem Süd, der durch den Sound pfeift, ist an Ankern nicht mal zu denken. Verwegen und müde, wie wir gerade sind, wagen wir uns in eine schmale Felsgasse hinein, an deren Ende ein anderer Segler liegt. Ein Rattenloch, eine Mausefalle als Ankerplatz. Gefangen bei Niedrigwasser zwischen den Felsen? Nein, es fühlt sich nicht gut an. Wir tasten uns durch die Felsen zurück, segeln weiter, ostwärts, finden eine geschützte Bucht nach Norden, mit glattem Wasser und unberührt bis auf ein paar im Wasser liegenden Booten. Keine Menschenseele. Nur eine Seerobbe, die kurz auftaucht. Sich schneuzt. Und gleich wieder verschwunden ist.

Es ist herrlich, im Sturm zu Segeln. Aber noch herrlicher ist es, die Wildheit eines Tages hinter sich zu haben. Den tiefen Frieden eines Hafens, einer sicheren Bucht zu spüren: Das erfüllt mich jedes Mal mehr als das draußen in den Elementen sein. 

Vielleicht kann es ja ohne Wildheit keinen Frieden geben.

Rund Tahiti

Mo., 12.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1898, 18.355 sm von HH

Bereits um 7:00 Uhr stehen wir an der Autovermietung und nehmen den reservierten Hyundai in Empfang. Ich ziehe beim ‚Streichholz ziehen‘ den Kürzeren und muss fahren. Aber das viel beschriebene Auto-Chaos um Papeete hält sich in Grenzen. Wir kommen besser durch als erwartet, schon vor 9:00 Uhr erreichen wir die ‚Taina Marina‘ (eine große Marina vor den Toren Papeetes). Dabei haben wir erst in zwei Stunden einen Termin mit Mat, der unsere Wanten fertig gestellt hat. Wir gehen Mat in der weitläufigen Marina suchen und werden fündig. Er freut sich, dass wir so früh da sind, das kommt ihm terminlich sehr entgegen. Prima, so freuen sich alle. Unsere „Pflicht“ ist erfüllt und wir haben das Auto.

Taina Marina

Die teure ‚Taina Marina‘ mit einem großen Anker- und Mooringfeld davor. Wir überlegen, ob dieser Platz für uns geeignet ist, wenn wir wieder nach Tahiti zurück kommen.

Die Bucht Matavai

 

Eine geschichtsträchtige Bucht: Die Segelprominenz des 18. Jahrhunderts hat sich in dieser Bucht die Ankerkette in die Hand gegeben. James Cook landete hier mit seiner ‚Endeavour‘ und ein paar Jahre später die ‚Bounty‘, bevor die berühmte Meuterei begann.
James Cook kam 1769 nach Tahiti, weil er als ein Teil einer internationalen Mess-Kampagne den Venus-Transit beobachten sollte. Diese Kampagne diente der Bestimmung der Entfernung Sonne-Erde und der Abstände der anderen Planeten unseres Sonnensystems. 77 Mess-Stationen weltweit lieferten 1769 verlässliche Daten die zur Abstandsberechnung heran gezogen werden konnten.
Beim Venustransit stehen Sonne, Erde und Venus in einer Linie. Wäre die Venus nicht so weit entfernt, würde diese Konstellation zu einer Sonnenfinsternis führen, so sieht man beim Transit die Venus nur als schwarzen Fleck vor der Sonne. Wer diese Phänomen beobachten möchte, muss sich allerdings noch bis 2117 gedulden. Nur viermal in 243 Jahren kommt es zum Venustransit.
Zwanzig Jahre später landeten in der Bucht die Missionare, die im Namen Gottes den christlichen Glauben verbreiteten und den Einheimischen ihre Identität nahmen. Die Kirchenmänner leisteten ganze Arbeit. Keine einhundert Jahre nach den ersten Missionaren, fanden sich Europäer, die ihr Glück in der Südsee suchten, betrogen. „Die glücklichen Bewohner eines unbeachteten Paradieses in Ozeanien kennen vom Leben nichts anderes als seine Süße“, hoffte Gauguin 1890 in einem Brief an einen Malerkollegen, bevor ihn 1891 auf Tahiti die Realität einholte. Die viel beschriebene Leichtigkeit der einheimischen Bevölkerung war aus seiner Sicht bereits verschwunden.

Die wenigen Sträde, die es gibt, sind pechschwarz

Wir lassen Papeete links liegen, die Stadt können wir besser per Bus besuchen. Also einmal rund Tahiti bitte. Im Prinzip gibt es nur eine Straße auf Tahiti Nui – dem großen Tahiti. Einmal ringsum an der Küste entlang – 120 Kilometer. Es gibt zwei Orte, den Moloch Papeete, der den Ruf einer hässlichen Stadt genießt, und Taravo, der Ort am Ende der Bucht, wo wir vor Anker liegen. Diese Städte sind durch ein endloses Straßendorf miteinander verbunden. Haus an Haus reiht sich neben der gut ausgebauten Straße aneinander. Gleich hinter den Häusern wachsen die Berge steil in die Luft. Die wahre Schönheit Tahitis liegt im unbewohnten Inselinneren. Das ist nur über geführte Wanderungen von mehreren Tagen zu erreichen.

Stichstraßen, die ins Inselinnere führen, gibt es so gut wie keine. Nur ein hübscher Wasserfall ist per Auto zu erreichen. Die Küste ist wild an der Windseite. An der steilen Lavaküste gibt es Blow-Holes, die von der Dünung pfeifend mit Wasser gefüllt werden und ihre Fontänen meterhoch in den Himmel schießen. Die Westseite ist brav und etwas langweilig. Strand gibt es nur selten, man kommt nicht ans Wasser, alles ist zu gebaut.

Blow-Holes im Norden von Tahiti

Perfekte Wasserfall-Dusche – heute ist hier Baden verboten

Von weitem geht es mit den Haaren ;-)

Noch ein technischer Nachtrag:
Der Wassermacher läuft wieder. Das Einlassventil war verklemmt. Mit ein paar Handgriffen war das Problem schnell gelöst. Den Wasserhahn hat Achim auch gefunden :lol: , die Tanks sind voll und wir wieder unabhängig. Es kann also bald weiter gehen. Noch einmal mit dem Bus nach Papeete, noch etwas einkaufen und wir sind startklar.

"Gleich gibts was auf die Ohren!" Die 26. und 27. Neuerscheinung bei millemari.

Soeben bei millemari. erschienen: 
Die Hörbücher AM BERG und STURM.
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Kaum jemand segelt freiwillig raus bei Windstärke 8 oder 9 Beaufort. Hier berichten ganz normale Segler, die genau das erlebten, über ihre dramatischsten Stunden auf dem Meer. In Ostsee, Nordsee, Ijsselmeer und Mittelmeer. Über das, was sie richtig oder falsch gemacht haben. Und darüber, was in ihnen vorging, als sie unbeabsichtigt ihre Extremsituation zu meistern hatten. 
Mit diesem Hörbuch schrumpft die lange Fahrt am Morgen zum Boot beträchtlich!

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„Spannender als viele Romane!“. 
„Packender als so mancher Thriller“.

Die Bergretter sehen ihr Leben und das, was sie in den Bergen erleben, naturgemäß anders. „Ich hab eigentlich nichts zu erzählen“, antworten sie bescheiden, wenn man sie nach ihren Erlebnissen in den Bergen fragt. Aber schon nach wenigen Minuten ist klar, dass sie Geschichten erlebten, die das Leben dieser Männer und Frauen und der Geretteten für immer prägten. Hier kommt eine Sammlung ihrer spannendsten Geschichten – als Begleiter auf der Fahrt in die Berge. Oder als Gute-Nacht-Geschichte. Aber das müssen Sie selber rausfinden, wie gut Sie danach einschlafen. 

Als Buch.
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PS: We care! Bergretter bezahlen ihre Ausrüstung, mit der sie auf Einsatz gehen, 
ausschließlich aus der eigenen Tasche. 
Mit dem Hörbuch unterstützen wir die Bergretter genauso wie mit dem Buch: 
Wir überweisen vom Nettoverlagserlös 25% an die Bergretter.