Kategorie: Atanga

Krantermin? Was für ein Kran?

Mi., 24.Jul.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1879, 18.355 sm von HH

Wir sind erfolgreich in der kleinen Werft und Marina. Genau genommen haben wir sogar mächtig Schwein: wir bekommen den einzigen Krantermin, der die nächsten zehn Tage frei ist. Aber halt! Kran? Wo ist der Kran? Es gibt keinen Kran. Hier werden die Schiffe mit einem Trecker an Land gezogen. :shock:
Man hat ja schon davon gehört und die Stories mit grausigem Schauer gelesen. Was muten wir unserem Schiffchen denn noch alles zu? Die rostige Spundwand an der man festmacht, um aus dem Wasser gezerrt zu werden, sieht abenteuerlich aus. Aber der Italiener, der gerade wieder ins Wasser gelassen wurde, versichert uns wortreicht, dass alles ‚bello‘ sei. Hier gäbe es keine Probleme, sein Schiff sei hier schon häufiger aus dem Wasser genommen worden. Wir haben Termin Morgen früh um 7:00 Uhr.

 

 

An dieser Spundwand macht man fest

Dieser Anhänger wird ins Wasser gelassen

Hier macht er noch gute Laune

Das wahre Gesicht des Skippers

Wir sind glücklich über den Termin, aber preislich hat man hier mal grad gar keine Hemmungen, die Hand aufzuhalten. Puffpreise sind das: Atanga aus dem Wasser nehmen und eine Woche Standzeit, da sind schlappe tausend Dollar fällig (üblich ist die Hälfte).
Der Chef ist nächste Woche nicht da, also können wir erst Montag in einer Woche zurück ins Wasser. Zehn Tage an Land, soviel Zeit werden wir nicht brauchen, aber besser als am Anker zu warten. Jetzt wird es fair: zehn Tage stehen, sieben Tage bezahlen, macht uns Cheffe das Angebot. Theoretisch gibt es auch Internet auf dem Gelände, aber jetzt wird es geizig: der Chef rückt nur den Zugang für ein Gerät pro Schiff raus. Wir wählen den gemeinsamen Laptop. Bedeutet für uns beide kein whats app. Na, ob wir das überleben?

Marina Phaeton

P.S. 1: Es gab ein paar Beschwerden über den Cliffhanger, über die Auflösung, warum wir so schnell nach Tahiti aufbrechen mussten. :lol:
Der Grund ist einfach: „Willst du über unseren Bommy-Knutscher im Blog schreiben?“, fragt Achim mich als wir uns etwas beruhigt haben?“ „Bist du verrückt? Muss ja nicht jeder wissen, dass wir total trottelig sind!“ „Na, dann bin ich ja mal gespannt, wie du unseren Aufbruch erklären willst“, freut Achim sich. Ich habe die stille Hoffnung, dass mir über Nacht eine gute Ausrede einfällt. Ist aber leider nicht. So, jetzt wisst ihrs, dass wir trottelig sind. Macht nix. Ist wie eine Beule im Auto, da hofft man auch, dass die am nächsten Tag von alleine verheilt ist und niemand sie sieht.

P.S. 2 Ich hab ein paar Bilder von unterwegs nachgetragen. Siehe Berichte unten.

 

 

Von Hamburg nach Tahiti

Di., 23.Jul.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1878, 18.355 sm von HH
Nach zwei weiteren schnellen Tagen erreichen wir Tahiti mitten in der Nacht. Wir haben erfolglos versucht zu bremsen, daher drehen wir mit gesundem Abstand von Tahiti für ein paar Stunden bei und passieren bei Sonnenaufgang die Südspitze Tahitis. Vier angenehme Segeltage ohne Stress liegen hinter uns. Und das wichtigste: die Bilgepumpe schweigt, Atanga ist dicht!
Tahiti besteht im Prinzip aus zwei kreisrunden Einzel-Inseln, die an einer schmalen Landenge zusammengewachsen sind. An dieser flachen Landzunge befindet sich eine von zwei Werften, wo wir Atanga aus dem Wasser nehmen lassen können. Der kleine Teil von Tahiti – Tahiti Iti – taucht steil im Morgendunst vor uns auf. Vulkane bis 2.200 Meter bilden eine wild zerklüftete Landschaft, üppig grün bis zu den Gipfeln bewachsen. Ein schmales Saumriff umgibt die Insel, fünfzig bis hundert Meter vom steilen Ufer entfernt. Am Riff bricht sich donnernd die Dünung. Die Gischt schießt meterhoch. Ein Anlanden scheint von weitem unmöglich. Und doch, auf der Seekarte zeigen sich schmale Durchbrüche, gut betonnt, an diesen Stellen gelangt man hinters Riff. Wir motoren im Windschatten der Berge an Tahiti Iti vorbei. Imposant, anders kann ich die Landschaft nicht nennen. Eine ungebändigte Berglandschaft ohne Straßen und Bewohner. Die Hauptstadt – Papeete, die Menschen und Arbeit findet man auf Tahiti Nui, dem großen Tahiti.
Zwischen brechenden Wellen rechts und links vom Passeingang kommen wir ohne Strömung hinter das Riff. Hinter dem Pass verlängert sich das befahrbare Wasser fjordartig. Im Zickzack werden wir von einem Tonnenstrich etliche Kilometer weiter geleitet. Hinter den Tonnen sind die Untiefen gut erkennbar. Türkis: noch befahrbar; graugrün: hier wachsen die Korallen bis an die Oberfläche. Die Unruhe fährt mit. Gibt es auch hier Bommies im „Fahrwasser“? Nach einer Stunde erreichen wir den Scheitel des ‚Fjords‘, der Anker fällt in schlammigem Sandgrund genau vor der Marina und Werft. Morgen werden wir erfahren, ob man bald einen Krantermin und einen Platz an Land für uns hat.

Tag 2 nach Tahiti

So., 21.Jul.19, Pazifik, Tag 1876, 18.343 sm von HH
Atanga kommt mir vor wie ein Pferd, dass nach langen Wintermonaten im Stall auf die Weide entlassen wird. Der Kahn legt sich in die Riemen und zieht. Raus aus den Tuamotus, so schnell es geht. Wäre man abergläubisch, könnte man glauben, das Schiff hat einen eigenen Willen. ;-) Wir kommen gut voran und haben bereits nach 48 Stunden bereits 270 Seemeilen von der Strecke nach Tahiti hinter uns. Im Halbkreis umschiffen wir die Atolle, die wir eigentlich besuchen wollten. Hier im Norden liegen die Inseln dichter beieinander. Nur fünfzig bis achtzig Meilen liegen zwischen den Atollen.
Der Wind bläst mit perfekten 4 bis 5 Windstärken, mal halb, mal achterlich. Trotz gerefftem Groß für die Nacht machen wir sechs, zeitweise sieben Knoten Fahrt. Atanga zieht wie ein Pferd. Noch 156 Meilen direkter Weg.

Ankunft auf Raroia

Fr., 19.Jul.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Raroia/Ngarumaoa, Tag 1874, 18.073 sm von HH
Der Pass von Hao hat die erwartete ausgehende Strömung, als wir um 12:00 Uhr dort ankommen. Perfekt. So langsam glaube ich, dass unsere Berechnungen Kopf und Hut haben. Mit milden zwei Knoten Strömung und harmlosen Kabbelwasser spuckt uns die Lagune aus. Wir haben jetzt 27 Stunden Zeit noch bei vernünftigem Tageslicht in Raroia anzukommen. Bei 160 Seemeilen wird das eng. Und richtig, in der Nacht lässt der Wind nach, der anfängliche Schnitt von sechs Knoten geht runter auf fünf. Schnell ist klar, das bedeutet eine zweite Nacht auf See.
Die Bedingungen sind nicht schlecht; Wind schräg von hinten, nicht zu viel Schwell; könnte schlimmer sein. Um Mitternacht in Nacht zwei erreichen wir bereits Raroia. Im Windschatten- bzw. Schwellschatten des Atolls machen wir es uns gemütlich und liegen bei. Unsere Lieblingsmethode seit Pitcairn, um Zeit zu schinden. Fast bewegungslos treiben wir bis zum Morgengrauen vor dem Passeingang. Dann heißt es rein in den Pass, Hebel auf den Tisch, Augen zu und durch. Das nächste Stillwasser soll erst um 13:00 Uhr sein, so lange wollen wir nicht warten. Fünf Knoten blasen uns entgegen. Das Wasser sieht schauerlich aus: Handballfeld große Flächen sind spiegelglatt gezogen; daneben kocht und brodelt wie im Zaubertrank-Topf. Dazwischen gibt es Strudel, die aussehen als wollten sie uns in die Tiefe ziehen. Wasser wirbelt durcheinander, wir erreichen den Bereich der stehenden Wellen. Atanga müht sich langsam vorwärts. Ich gebe mehr Schub, sonst fahren wir rückwärts. Quälend langsam kommen wir voran und dann, zack, wie abgeschnitten, reißt die Strömung ab. Wir sind im Atoll.
Wir tuckern gemütlich vor den Ort, keine fünf Meilen weiter. Es ist noch früh, nicht mal 8:00 Uhr. Der Weg dorthin ist gut betonnt. Der Anker fällt auf zwölf Meter. Tiefe Plätze sind die Regel auf den Tuamotu, nicht die Ausnahme. Hier wollen wir bleiben bis der Wind etwas nachgelassen hat und die Sonne höher steht. Dann wollen auf die unbewohnte Seite des Atolls.
Aber der Mensch plant und Gott sitz auf seiner Wolke und haut sich vor Lachen die Hände auf die Schenkel: bereits um 9:00 Uhr steht fest, wir brechen auf, direkter Weg Tahiti. Ankunft in vier Tagen. Warum? Was ist passiert? Die Geschichte gibt es Morgen. ;-)

Abschied von Hao

Mo., 15.Jul.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1870, 17.889 sm von HH

Es geht weiter. Am Mittwoch brechen wir nach Raroia auf, ein kleineres Atoll, nur 150 sm entfernt. Das ist eine schlecht zu kalkulierende Distanz. Je nach Wind kann das einen oder zwei Tage dauern. Wir brechen am Nachmittag auf, zum vermeintlichen Stillwasser. Die Lagune ist im Augenblick recht leer, der Wasserstand niedrig. Der Wind weht seit Tagen schwach, so dass wir wenig Strömung am Passausgang erwarten.

Nach dem Sturm wurden wir noch mit zwei Tagen Dauerregen belohnt. Unbeachtet davon geht das Heiva-Festival auch schlechtem Wetter weiter. Der Wettbewerb ‚tanzende Mütter‘ wird einfach unter die Überdachung des Rathauses verlegt. Dort ist es etwas eng für die properen Damen, aber die Tanzfreude ist ungebrochen. Südsee-Hüftschwung vom Feinsten. Die Frauen führen beim Tanz ihre Fingerspitzen an den Mund, an die Augen und dann in die Ferne. In diesen Tänzen liegen alle Versprechen dieser Welt.
Es ist „lausig kalt“ – die Zuschauer erscheinen mit fellbesetzen Kapuzen auf dem Kopf. Der einzige Moderator von Hao, wir nennen ihn Günther Jauch, der beim Kirchenfest, im College und jetzt beim Haiva den Ton angibt, trägt Socken in seinen üblen Altherren-Schlappen zu kurzer Hose. Günther ist ein echter Pausenclown und hält das Publikum mit schlüpfrigen Anmerkungen bei Laune. Über die Schlüpfrigkeit ist jeder Zweifel ausgeschlossen – seine Gesten sind eindeutig und das Publikum hält sich die Hand vor den Mund beim Lachen.

Exotik und Erotik

Schöne Frauen wollen Miss Heiva werden

Schöne Frauen, schöne Kostüme

Das Heiva ist ein bunter Mix aus Kirmes, Bundesjugendspielen, Bastel-Wettbewerben mit Muscheln oder Blüten und Sport-Wettkämpfen: Schwimmen, Fahrradfahren oder Kokosnuss-Weitwurf . Oder es muss mit einem Speer eine Kokosnuss in zehn Meter Höhe getroffen werden. Statt mit Bananen, wie auf der Osterinsel, werden auf Hao mit zehn Kilo (Damen) oder dreißig Kilo (Herren) Kokosnüssen auf der Schulter Staffelläufe abgehalten. Außerdem gibt es die Wahl zu Miss Haiva und Mister Haiva – moderiert von Günther.

Ein Treffer von fünfzig Speeren – als Feind ist man sicher auf Hao

 

Immer gute Laune die Polynesier

Mit dem Speer eine Kokosnuss treffen – Wettkampf der Frauen

 

Speere einsammeln für die nächste Runde

Ein besonderes Spektakel für uns ist das Kokosnuss-Wettschlachten. Die Herren knacken 50 Nüsse in knapp zwanzig Minuten. Wer so reinhaut, dem steht der Schweiß auf der Stirn. Das, bei Achim übliche, Abpellen der zähen Bastschicht von der inneren Nuss entfällt. Mit einer Axt werden die Nüsse mit einem Schlag gespalten. Eine sehr effektive Methode, die auch auf Atanga Einzug erhalten wird. Die Kopra wird mit einem gebogenem Messer aus den Nusshälften gebrochen. Die Zuschauer werden mit Flatterband davon abgehalten in den Gefahrenbereich der Äxte zu laufen, während die Nussknacker sogar auf Sicherheits-Flip-Flops verzichten. Da mag man gar nicht hinschauen.

Mit der Axt wird barfuss auf die Nüsse eingedroschen

Kokosnuss-Wett-Knacken

Nussknacker

 

Der Sieger am Ende

Das Schul-Boot hat inzwischen die College-Kinder angeholt, mit bitteren fünf Tagen Verspätung. Der Transport wäre genau das Richtige für deutsche Helikopter-Eltern :mrgreen: . Der klapprige Katamaran hat den Sturm auf See abgewettert und ist nicht nach Tahiti umgedreht. In den acht Meter (Angaben der Crew) hohen Wellen ist ihnen eines ihrer Rettungsboot abgerissen. Das konnten sie zwar retten, aber es ist unbrauchbar. Als die Kinder endlich an Bord sind, nachfünf Monaten geht es endlich nach Hause, streikt eine der Maschinen vom Katamaran. Bei geringer Fahrt fährt der Kat im Kreis und kommt nicht aus dem kleinen Hafen. Wir Segler geben mit den Dinghies Schlepphilfe (an diese Stelle gehört der Affe, der sich die Augen zuhält). Hat der Kahn mal Fahrt im Schiff, so kann er auch geradeaus fahren. Goodbye, liebe Kinder… kommt heil an.

Der Schulkatamaran braucht Schlepphilfe

 

Die Oma, die bislang unsere Wäsche gewaschen hat, kommt mit einer schlechten Nachricht vorbei: die Trommel ihrer Maschine dreht nicht mehr. Sie steht mit einem bedauernden Gesicht und unseren Säcken Dreckwäsche vor dem Schiff. Bislang konnte ich mich gut vor großer Handwäsche drücken. Irgendwo gab es immer eine Wäscherei oder einen Waschsalon. Und wenn ich durch die halbe Stadt mit dem Rad fahren musste.
Aber jetzt bin ich fällig. Zum Glück sind letzte Woche Bettwäsche und Handtücher in dem Gerät gelaufen. Die Wassertanks sind vom Regen prall gefüllt, so dass der Skipper nicht jeden Liter Wasser skeptisch beäugt. Aber zwei Maschinen Dreckwäsche machen einen krummen Rücken und Hände einer Wasserleiche. Am Ende habe ich kaum Kraft mehr zum Wringen. Zehn Dollar kostet eine Maschinenladung bei Oma, das ist guuuut angelegtes Geld, wie ich finde.

Am 14. Juli feiert Hao die Befreiung der Bastille. Wir sind halt in Frankreich. Die wichtigen Dorfgrößen, die frischgekürten Miss and Mister Heiva und Vertreter des öffentlichen Dienstes treten zum Apell an. Bei der französischen Hymne singt das Publikum verhalten mit, bei der polynesischen sind alle textsicher und schmettern mit.

Die bunte Welt der frisch gekrönten Häupter

 

Und so ist jeden Tag etwas los auf Hao. Das Haiva wird noch zwei Wochen weiter gehen, ohne uns. Wir müssen weiter, wollen wir noch weitere Inseln in den Tuamotu sehen. Spätestens Anfang September möchten wir auf Tahiti sein. Dort wartet Arbeit am Schiff auf uns und einige Ersatzteile sind zu besorgen.
Maururu, Hoa, es war toll mit dir.

Unser abendlicher Blick von der Terrasse

Dieses verflixte Französisch

Mi., 10.Jul.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1865, 17.889 sm von HH

Die Französisch-Stunden sind beendet. Vanessa muss nach Tahiti zurück.
Es ist unglaublich, wie viel Mühe sie sich mit uns gemacht hat. Zum Abschluss gab es sogar einen Test. Schriftlich und mündlich. :shock: Individuell auf uns zugeschnitten.
Natürlich hat Achim mit 85 Punkten um 10 Punkte besser abgeschnitten als ich. Erstens ist er ein elender Streber und zweitens wittere ich Schiebung bei der Bewertung des mündlichen Teils. Zwischen Achim und Vanessa passt kein Blatt Papier. Wir hatten die beste Lehrerin, die wir uns wünschen konnten und haben eine Freundin gewonnen. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen in Tahiti.
Übrigens würde sie auch anderen Seglern Unterricht geben. Wer Interesse hat, seine Französisch während einen Aufenthalts auf Tahiti aufzupolieren, soll sich bei uns melden und wir stellen dann den Kontakt her.

Und haben wir auch was gelernt? Ja, schon. Es hilft beim Lesen von Aushängen und dem ausführlichen Wetterbericht. Wir erkennen jetzt ein Verb und verstehen die lustigen Liaisons, die geschrieben verwirrend aussehen. Aber im Prinzip ist die Sprache unlernbar. Einen vernünftigen Satz raus zu bringen, fällt uns beiden schwer. Zu viele nicht gesprochene Buchstaben, zu viele Ausnahmen, zu viele Nasal-Laute.

Die Einheimischen haben ebenso ihr Probleme: „Ich hasse Französisch“, kommt ja nicht von ungefähr. Ihre Aussprache und Grammatik sei recht fehlerhaft, erzählt uns Vanessa.
Die Franzosen in ihrer Selbstverliebtheit in die eigene Sprache, haben den Polynesiern Französisch als einzige Amtssprache aufs Auge gedrückt. Mit der Folge, dass einige der Polynesischen Sprachen vom Aussterben bedroht sind. Alles zielt darauf ab, die Frankophonie zu fördern. 70 % der über 15-jährigen sprechen zu Hause Französisch.
Auf Hao dreht sich die Welt noch etwas langsamer. Hier hört man die Einheimischen untereinander nur Tahitianisch sprechen.

Französisch, eine Sprache, die altmodisch und gestelzt rüber kommt. Selbst der Wetterbericht malt Blumenbilder, statt mit Fakten aufzuwarten: „Der Himmel zeigt sich grau in grau, wie ein Gemälde im ‚Grisaille‘-Stil“. „Zwischen den Wolken blitzen, schelmisch gar, einige Sonnenstrahlen hervor“. Da kann man schon mal mit den Augen rollen. Und doch würden wir sie gerne sprechen können.

Eine Sprache, die keine Wörter für 70, 80 und 90 kennt. Stattdessen sagt man 60 plus 10; 4 mal 20; und ganz schlimm, 4 mal 20 plus 10. Die Belgier und französischen Schweizer machen diesen Blödsinn nicht mit und haben Wörter für diese Zahlen erfunden. Praktisch!

„Eine Sprache, die so schwer ist, dass für andere Sprachen die Gehirnkapazität nicht mehr ausreicht“, um einen Schweizer zu zitieren.

Wir haben eine Menge gelernt, aber am Ende bleibt das Fazit: In Französisch sind wir gut, nur mit der Sprache hapert es. :mrgreen:

Und wie ist die Versorgungslage?

So., 07.Jul.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1862, 17.889 sm von HH

Die Lage wird ernster, ist aber noch immer nicht hoffnungslos. :mrgreen:
Es gibt drei Minimärkte auf Hao. Im Prinzip haben sie alle das gleiche und doch nicht viel: ein paar Konserven wie Erbsen, Bohnen und rote Beete; Reis, Mehl, Milchpulver und einige andere Grundnahrungsmittel; seit fünf Monaten abgelaufene Wraps und in bescheidener Auswahl gefrorenes Fleisch. Aber es gibt richtigen Käse (teuer), vier (warum?) Sorten Butter, fünf Sorten Margarine (noch ein größeres warum?), darunter zwei Sorten mit Olivenöl.
Die Preise sind weiterhin hoch, aber ein bisschen günstiger als in Gambier. Ein Glas Gewürzgurken ist für 7 USD zu haben, eine Minipackung Rosinen kostet 4,50 USD.
Wir haben in der Zwischenzeit das Geheimnis der roten Preisaufkleber entdeckt. Alles mit roten Preisen ist subventionierte Ware: Butter, Waschmittel, Kaffee, getrocknete Bohnen und ab und zu ist auch mal ein Leckerli darunter. Da macht Frankreich die Spendierhosen auf und ein Liter Milch ist fast so günstig wie in Deutschland. Die subventionierten Artikel kosten auf allen Inseln Französisch Polynesiens das gleiche.
Neben Emmentaler und Camembert haben die Franzosen auch das Baguette auf den Inseln eingeführt. Ebenfalls subventioniert. Wer morgens um 6:00 Uhr beim Becker ist, bekommt eine knusprige Stange für 70 Cent.

Obst und Gemüse sind Mangelware. Okay, stimmt nicht ganz. Man kann einen Beutel Brokkoli für 9 USD tiefgefroren bekommen. Neulich habe ich Bananen ergattert (5 USD/Kilo) und grüne Paprika (15 USD/Kilo). Wenn das Versorgungs-Schiff da war, gibt es für kurze Zeit Kartoffeln, Kohl, Zwiebeln und Möhren. Überlagerte Ware, viel zu feucht transportiert, die nach kurzer Zeit verdirbt. Kartoffeln und Zwiebeln müssen einen Tag in der Sonne trocknen. Tomaten und Äpfel kaufe ich schon gar nicht mehr, da hat man keine Freude daran.
Wir haben noch vier Pampelmusen übrig aus Gambier, dann ist auch das zu Ende.

Kochen ist irgendwie schwierig und die Kochexperimente in der Atanga-Küche sind nicht immer ein Hochgenuss: Achtung, Kohl geht nicht gut zu Spaghetti :lol: .
Aber angebratener Speck mit Kartoffeln und einigen Kichererbsen funktioniert wunderbar mit Kokosmilch. Die machen wir selber aus gesammelten Nüssen. Dafür muss man ein gutes Stück mit dem Rad fahren, in unbewohntes Gebiet. Die Einheimischen sammeln vor der Tür selber jede Nuss. Ein wichtiger Bestandteil ihrer Nahrung.

Wichtige Nahrungsquelle – Hybrid-Nuss mit unglaublichem Ertrag

Die gute Nachricht: es gibt kein Ciguatera auf Hao. Alle Fische können gegessen werden. Gerald geht regelmäßig harpunieren und hat uns schon Fisch zum Grillen mitgebracht.
Beim lokalen Fischer gibt es Thunfisch. Frisch gefangen am Pass am Außenriff. Auf meine Frage, was er kosten soll, sagt er 10 USD/Kilo. Das kommt mir etwas teuer vor, der Preis in Gambier beträgt die Hälfte. Aber ich handel nicht, da ich nicht jeden Cent aus den Einheimischen raus quetschen will. Zum Glück mache ich es nicht. Das Stück, was er mir aus dem Fisch schneidet, wiegt über drei Pfund und ich bekomme die gleiche Menge gefroren obendrauf geschenkt. Alles für 10 USD! Ein Festschmaus.

Die Läden leeren sich, wenn das Versorgungs-Schiff lange nicht da gewesen ist. Es gibt dann keine Milch, keinen Käse oder Kartoffeln mehr. Ich muss dann mehr an die eingekochten Vorräte ran. Zusehend werden die Schränke leerer. Sogar die letzte Dose Würstchen aus Deutschland ist gegessen. Abgelaufen 2016. :-) Ich habe es tatsächlich geschafft eine der heiligen Dosen in die Südsee zu retten.

Wir warten jetzt nur noch auf das nächste Schiff zum Nachbunkern. Das soll in ein paar Tagen kommen und dann geht es weiter.

 

 

Mara’amu Warnung

Sa., 06.Jul.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1861, 17.889 sm von HH

Mara’amu wird stürmischer Wind aus Süd-Ost genannt, der zwei Stunden, zwei Tage oder zwei Wochen anhalten kann. Wir haben gerade einen Acht-Tage-Mara’amu hinter uns. Mit Böen von über 40 Knoten, das ist Windstärke 9.
Die Lagune hat sich in einen Hexenkessel verwandelt. Der Wind hat kann Anlauf von über 50 Kilometer nehmen und mischt die schützende Lagune ordentlich auf. Die Wellen brechen sich an der Hafenmauer und steigen zum Teil sogar über. Im Prinzip liegen wir in unserem Hafenbecken gut geschützt und brauchen uns keine großen Sorgen machen.
Wäre da nicht das Volllaufen der Lagune.
Über die Riffkante schaufeln von außen vier Meter hohe Wellen die Lagune voll. Der schmale Pass im Norden ist hoffnungslos überfordert, das Wasser fließt nicht schnell genug wieder ab. Der Pegel steigt. Innerhalb von Stunden liegen wir bereits einen Meter höher an unserer rauen Betonwand. Zum Glück werden wir von der Pier weg gedrückt.

Wir liegen sicher hinter der Mauer

Nach drei Tagen beginnt die Lagune zu atmen. Das Wasser steigt und sinkt – alle dreißig Minuten um zwanzig Zentimeter. Man kann dabei zuschauen, wie die Kaimauer verschwindet und wieder auftaucht. Total gruselig. Wir machen uns ernsthafte Sorgen. Wie hoch steigt das Wasser noch? Wir haben keine Ahnung. Die Einheimischen geben Entwarnung: es sei noch nie vorgekommen, dass der Wasserstand höher als die Pier gestiegen ist. Allerdings sei das heftige Ansteigen und Fallen des Wassers ungewöhnlich.

Nach ein paar Tagen dreht der Mara’amu und drückt nun uns jetzt gegen die Betonmauer. Betonmauer-Stummel ist besser. Ein großer Teil der Wand liegt ja bereits unter Wasser. Unsere Fender schwimmen auf und drohen wirkungslos zu werden, wenn der Pegel weiter steigt. Wir brauchen etwas, was nicht schwimmt und Atanga trotzdem vor der Mauer schützt. Achim findet zwei Autoreifen. Besser schwarze Streifen auf weißem Schiff als hässliche Schrammen. Not kennt kein Gebot.
Dann bringen wir noch den Zweitanker aus. Mittschiffs und im rechten Winkel zu Atanga soll er uns von der Mauer fernhalten. Das funktioniert ganz gut. Die letzte Nacht mit Mara’amu überstehen wir ebenfalls unbeschadet.

Die vier schlimmsten Nächte haben wir schlecht geschlafen, aber jetzt ist alles überstanden. Der Wind hat sich abgeschwächt, der Regen ist vorbei. Die Einheimischen sind ebenfalls betroffen. Die Wellen sind auf Höhe der Grundschüle über die komplette Insel gerollt. Die Schule steht unter Wasser, die Straße ist gesperrt. Palmenwedel liegen auf den Wegen, Äste sind abgebrochen, lose Wellbleche klappern. Und Internet gab es auch kein.
Besonders übel trifft es die Kinder aus dem College. Die Ferien haben begonnen und die Internatsschüler sollten bereits Donnerstag abgeholt werden, um auf ihre Atolle gebracht zu werden. Aber der Katamaran ist wieder umgedreht und nach Tahiti zurück gefahren. Keine Ferien zu Hause für die Kinder. Die wurden auf Familien auf Hao verteilt und hoffen nun, dass ihr Schulbus bald kommt und sie nach Hause bringt. Ein zwei-Stunden-Mara’amu wäre allen lieber gewesen.

Wilde Tage liegen hinter uns

 

 

Heiva auf Hao

Fr., 28.Jun.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1853, 17.889 sm von HH

Seit vier Wochen beobachten wir, dass auf dem Platz zwischen Versorgungs-Schiff-Anleger und Rathaus Wellblechhütten zusammen gezimmert werden. Unansehnliche Buden – der Platz gleicht schnell einer Geisterstadt. Aber plötzlich werden tonnenweise Palmenwedel angeschleppt. Tagelang sitzen die Frauen beieinander und flechten wunderschöne Verkleidungen für die Hütten.

vorher

nachher

Heiva bedeutet ‚Zusammenkunft auf einem öffentlichen Platz‘ und findet im Juli auf fast allen polynesischen Inseln statt. Berühmt ist das Heiva auf Tahiti. Perfekte Tanzshows mit perfekten Kostümen an perfekten Körpern werden dort vor zahlungskräftigem Publikum gezeigt.
Auf Hao dient das Heiva zur Unterhaltung der Einheimischen und gleicht einer Kirmes aus den 70er Jahren. Es fehlt nur das Kinderkarussell. Der Bürgermeister spricht ein paar Eröffnungsworte mit Blumenkranz um den Hals. In den Buden stehen Fußballkicker, Billardtische und ein Basketballkorb, der elektronisch die Treffer zählt. Die Teenager-Jungs sind begeistert. Jeder, der sich traut, wird von einer Traube Schaulustiger umzingelt.
Der „Schießstand“ zum Luftgewehr schießen ist herrlich. Im Wind wackeln die Zielscheiben, die mit Wäscheklammern vor Palmenkulisse aufgehängt wurden. Fünf Schuss kosten 2 USD – Treffer unmöglich. :lol: Die Kinder, die den ganzen Tag mit Schnur und Angelhacken an der Mole stehen können, versuchen sich beim fröhlichen Entenangeln. Zu gewinnen gibt es, wie überall auf der Welt, billigen Plastik-Schrott.

Billard statt Autoscooter

 

Entenangeln

 

Schießstand in Polynesien

Einige der Hütten wurden zu Restaurants eingerichtet, aber am Eröffnungsabend sind alle Tische reserviert. Allerdings sitzt kaum jemand an den Tischen. Das System erklärt sich uns nicht. Dort wo es Pizza geben soll, liegen vertrocknete Stücke in einer Vitrine. Wenig verlockend, vielleicht sind die vom Probebacken am Nachmittag übrig geblieben. Auf Nachfragen wird eifrig genickt: Jawohl, es gibt Pizza. Typischer Pizzaduft fehlt allerdings und wir sehen niemanden Pizza essen oder nach Hause schleppen. Etwas frustriert geben wir auf. Hier bekommen wir heute nichts zu essen.

Nette Restaurants – innen mit Tüchern dekoriert

ohne Kunden

 

Alkohol wird übrigens auch nicht verkauft und der Konsum im Heiva Dorf ist strikt verboten. Auf Mangareva wurde während des Festivals sogar der Alkohol-Verkauf im Supermarkt untersagt. Dort waren alle Flaschen in der Zeit weggeräumt.

Neben dem Rummelplatz werden Wettkämpfe in traditionellen und modernen Disziplinen ausgetragen: Singen, Volleyball, Blumen flechten und Biathlon (Fahrradfahrern und Laufen statt irgendwas mit Schnee). Vier Wochen dauert die ‚Heiva‘ auf Hao. Jeden Tag gibt es nur einen kleinen Happen zu sehen. Die Attraktionen, wie Tanzen, leider erst ganz zum Schluss. Solange wollen wir dann doch nicht mehr bleiben. Warum man die Veranstaltung so in die Länge zieht, ist uns unklar. Der Rummelplatz und die Restaurants sollen jeden Tag geöffnet haben. Der Gesangswettbewerb am zweiten Abend findet bereits vor leeren Stühlen satt. Nicht ganz zu unrecht. :mrgreen: Es singe, wem Gesang gegeben.

Der Gesangswettbewerb stößt auf wenig Interesse

Leben auf Hao

Mi., 26.Jun.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1851, 17.889 sm von HH

Das Wetter ist weniger ‚Südsee‘ als erwartet. Häufig haben wir Starkwindtage mit dicker Wolkendecke. Allerdings ist selten Regen dabei. Das Wasser schimmert grau und ins Nicht-Türkis zum Duschen zu springen kostet einiges an Überwindung bei einer Wassertemperatur, die auf unter 25 Grad gesunken ist. Der Wind-Chill ist nicht ohne. Er kommt vorwiegend aus Süd-Ost, direkt aus der Antarktis. Winter in der Südsee.
Dazwischen gibt es liebliche Abschnitte. Die nutzen wir zum Tauchen oder fahren mit dem Rad in den Süden der Insel. Kilometerlang führt eine Straße den 200 Meter breiten Inselschlauch entlang. Mal haben wir den Blick auf die Lagune, mal auf den offenen Pazifik.
Viele Häuser Richtung Süden stehen leer, die Menschen wollen im Dorfkern wohnen oder in Tahiti. Die Einwohnerzahlen schrumpfen auf fast allen Inseln in Französisch Polynesien.
Die Straße wird zum Feldweg, der Feldweg zur Huppelstrecke. Bis zum Ende der Insel schaffen wir es nicht, der Weg hört irgendwann auf. Die Perlenfarm am Ende von Hao wurde aufgegeben und Kokosnüsse für die Kopra-Produktion werden hier ebenfalls nicht mehr geerntet.

Mein eigener Nuss-Erntehelfer ist immer dabei



An einem andern Tag gibt es ein Grillfest für die Segler-Gemeinschaft und unsere einheimischen Nachbarn. Organisiert von Franzosen, die die notwendige Geheimsprache beherrschen. Es gibt zwei Vorurteile über segelnde Franzosen: 1. Sie rotten sich gerne untereinander zusammen und unternehmen ungern etwas mit anderen Nationen und 2. sie sind die schlechtesten Ankerer der Welt (wobei es sich bei Punkt zwei nicht um ein Vorurteil handelt :mrgreen: ).
„Unsere“ Franzosen sind anders. Sie organisieren einen Grill, halbe Hähnchen und tonnenweise Würstchen. Die Polynesier bringen einen Tisch und Bänke mit. Sie schleppen in großen Schüsseln ‚Poisson Cru‘ an – das Nationalgericht in Polynesien: roher Fisch mit Zitronensaft gebeizt und Kokosmilch übergossen. Je nach Verfügbarkeit kommen Tomaten, Gurken, Zwiebeln und Paprika dazu. Die Crews bringen Kuchen und Salate mit. Ein bunter Mix aus Essen und Sprache. Es wird Boile gespielt, die Kinder plantschen im Wasser, die Hunde bekommen die Knochen und zur Dämmerung wird Ukulele gespielt. Wir Segler bekommen den Text der Lieder beigebracht und unter viel Gelächter wird gemeinsam (falsch) gesungen. Wer mag, darf sich an der Ukulele versuchen, während eine andere Gruppe in vier Sprachen Schimpfwörter übt. Ein wunderbarer Nachmittag.

Ana, unsere Nachbarin auf Zeit



 

Das Leben ist schön

Die Tage mit schlechtem Wetter nutzen wir für den alltäglichen Wahnsinn auf einem Segelschiff. Die Nähmaschine wird raus geholt, sich leerende Schränke müssen umorganisiert werden und die großen Winschen brauchen eine Reinigung.

1000 Teile Puzzle- jetzt nur wieder richtig zusammenbauen

Und abends? Was macht man abends? Nichts. Es gibt keine Restaurants, keine Kneipe und mangels Touristen nicht mal eine öde Hotelbar. Abends schauen wir einen Film oder, noch lieber, zwei Folgen einer Serie: Desperate Housewives, Dr. House und Jack Bauer besuchen uns am Abend und bereits um neun Uhr fallen uns die Augen zu. Noch ein paar Zeilen lesen und dann ein aufregender Tag zu Ende. Zur gottlosen Zeit um 5:00 Uhr morgens erwacht das Schiff zum Leben und Achim holt uns frisches Baguette zum Frühstück. Wer um 6:00 Uhr beim Becker erscheint, schaut häufig in leere Körbe.
Leben auf Hao.

Verstimmung im Paradies

Fr., 21.Jun.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1846, 17.889 sm von HH

„Sie haben ihn gegessen“, Gerald spricht es als erster aus. Gerald ist unser französischer Nachbar der ersten Stunde auf Hao. Er hat noch immer das Gaumen-Problem und spricht nur ein paar Brocken Englisch, ist aber ansonsten sehr nett und hat vor allem viel Kontakt zu den Einheimischen. Gerald macht eine Essbewegung, um seine Annahme zu unterstreichen.

Die Rede ist von Halbohr. Den Namen haben wir dem kleinen Mischlings-Hund gegeben, der den ganzen Tag auf der Mole umher ströpert. Ein richtiges Zuhause scheint Halbohr nicht zu haben, da er auch nachts bei den Booten bleibt. Abwechselnd schläft er bei Gerald oder bei uns vor der Tür. Diese Treue ist durch ein paar Knochen- oder Reisreste schnell erkauft.

R.I.P Halbohr

Halbohr fehlt die Hälfte eines seiner übergroßen Fledermausohren. Ein sauberer Schnitt durch ein Messer oder eine Machete. Wir vermuten eine Teil-Amputation nach einem Unfall.
Die Einheimischen mögen ihn nicht. Er heißt bei ihnen Crétin – Idiot. Und die Kinder werfen schon mal einen Knüppel nach ihm, wenn sie zum Angeln auf die Mole kommen. Sie bringen ihre eigenen Hunde mit und wollen ihn nicht dabei haben.
Wir mögen Halbohr. Ein unaufdringlicher Kerl, der sich über jede freundliche Geste freut. Er ist noch sehr jung und hat gerade angefangen ‚Stöckchen holen‘ zu lernen. Und nun ist Halbohr verschwunden. Von einem Tag auf den anderen. Spurlos.

Hundefleisch-Verzehr ist durchaus (noch) verbreitet: In vielen asiatischen Ländern, Mexiko, in zwei Kantonen in der Schweiz und eben auch in Polynesien. Auf Hawaii gab es die Zucht des ‚Hawaiian Poi Dog‘ ausschließlich zum Verzehr.
Mitte des 19. Jahrhunderts galt in Deutschland Hundefleisch als Delikatesse zu bestimmten Anlässen und Wilhelm Busch verarbeite das Schlachten eines Hundes literarisch. Im 20. Jahrhundert unterlag Hundefleisch der gesetzlichen Fleischbeschau und ein Verbot von Hund zur Fleischgewinnung erfolgte erst 1986.

Im Internet finden sich Rezepte für Hundegulasch und geräucherten Hund. Wobei Kenner eindrücklich darauf hinweisen, nur junge Tiere zu schlachten, da Hundefleisch im Alter zäh werden soll. In Deutschland gibt es die ‚Bürgerinitiative pro Hundefleisch‘, deren Argumente zum Verzehr von Hund ‚Schutz vor Vogelgrippe‘ und das Fehlen vor Gammelfleisch-Skandalen sind. :shock:
Solche Befürworter sind eher die Ausnahme, gesellschaftlich verbreitet sich weltweit ein Trend zum Hundefleisch-Tabu.
Allerdings müssen sich europäische Tierschützer, die den Verzehr von Hund in Asien anprangern, den Vorwurf des Snobismus und Rassismus gefallen lassen: wer seid ihr, dass ihr uns vorschreibt, was wir essen dürfen.

Unser Halbohr ist nun weg und wir sind traurig. Die einzig logische Erklärung für sein Verschwinden ist tatsächlich, dass er zum Braten wurde. Wir hoffen, dass er sein Ohr nicht als Geschmacksprobe hergeben musste.

Bleiben oder weiterfahren?

Mi., 19.Jun. 19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Hao/d’Otepa, Tag 1844, 17.889 sm von HH

Bevor wir in den Tuamotus angekommen sind, hatte ich heimlich die Befürchtungen, dass es auf diesen kleinen Inselchen etwas langweilig werden könnte.
Was für ein Irrtum. Wir sind jetzt seit über fünf Wochen hier und haben es bisher nicht mal geschafft in den Süden von Hao zu radeln. Es gibt jeden Tag was zu tun.
Zum einen hält uns der Französisch-Unterricht auf Trapp. Über die Lernkurve schweige ich mich diskret aus, aber wir wirken zumindest geschäftig.

Zum anderen liegt auf der anderen Seite der Pier unser Hausriff. Ein paar Schritte und wir haben einen einfachen Tauchplatz vor der Maske, der ohne Guide betauchbar ist. Genau das richtige, um die Ausrüstung zu checken und uns warm zu tauchen. Ungeduldig warten wir auf Alexi, dass er uns zum Tauchen am Pass mitnimmt. Alexi betreibt einen Tauch-„Verein“ auf Hao und nach seiner Auskunft warten am Pass zehntausende Fische und so viele Haie, dass einem das Adrenalin aus den Ohren läuft.
Als das Wetter noch ruhig war, ist Alexi auf Tahiti gewesen und jetzt verlässt er bald die Insel, da die Lehrer- auslaufen werden. Ein paar Tage bleiben noch, wir hoffen weiterhin.

Oktopus am Hausriff – kein Unterwasserfoto

 

 

Die Lagune bei ruhigem Wetter – leider seit 14 Tagen vorbei

Außerdem ist schon wieder ein Fest in Vorbereitungen. An der Hauptpier, wo das Versorgungsschiff fest macht, werden seit drei Wochen Hütten aufgebaut. Dort soll es etwas zu essen geben und angeblich werden Billiard-Tische aufgebaut.
Allabendlich hört man Trommeln schlagen. Direkt in unserer kleinen Marina trifft sich eine Tanzgruppe und übt ihre Choreografie ein. Zunächst wurde mit Musik vom Band trainiert, aber jetzt rücken kurz vor Sonnenuntergang auch die Trommler und Ukulelen-Spieler an.
Unter den knappen Anweisungen einer strengen Tanzlehrerin wird fleißig geübt bis es dunkel ist.

 

Tanz-Training vor der Haustür

Die Kombo kommt auch jeden Abend zum Üben

 

Das sieht schon alles ganz vielversprechend aus

Die Tage zerrinnen wie Sand in den Händen. Verpassen wir andere Inseln, wenn wir zu lange auf Hao bleiben? Sollen wir bleiben oder sollen wir fahren? Wir hören von anderen Atollen: „so beautyful – amazing – such a lovely place – breath taking – ein-musst-du gesehen-haben-Ort“.
Wir diskutieren, wir wiegen ab und – wir bleiben. :-) Es gefällt uns auf Hao. Wir haben unser Paradies gefunden. Eine atemraubende Schönheit ist es nicht, aber wir genießen es, jederzeit an Land zu können. Erwin ist weg und die schlimmsten Sünder im Hafen ebenfalls oder sie haben umgeparkt. Wir fahren bis zu dreimal täglich mit dem Rad in den Ort. Wir kennen unsere einheimischen Nachbarn. Halten mit Dorothea und ihrem Bruder ein Schwätzchen in einem Drei-Sprachen-Kauderwelsch und die Oma des Hauses wäscht unsere Wäsche.
Und man kennt uns. Kinder, die am Hafen mit uns ihre Englisch-Kenntnisse ausprobiert haben, rufen meinen Namen, wenn ich an ihnen vorbei fahre. Und über Achim, den langen Kerl auf seinem knallroten Mini-Velo, lachen sie sich kaputt.
Und ein wenig hoffen wir das Gleiche, wie Tanja Blixen in ‚Jenseits von Afrika‘: „[…] zittert die Luft über der Steppe jemals in einer Farbe, die ich an mir hatte, spielen die Kinder ein Spiel, in dem mein Name vorkommt, wirft der Vollmond einen Schatten, der dem meinen gleicht […]?“
Wir hatten keine Farm in Afrika, aber wir hatten ein Boot auf Hao.
Wird der Vollmond einen Schatten werfen, der dem langen Lulatsch auf seinem Fahrrad gleicht? :lol: