Abenteuerspielplatz Pass
Mi., 26.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Totegegie, Tag 2096, 20.243 sm von HH
Flaute! Kein Windhauch streift über den Pass. Das Wasser liegt wie ein Spiegel vor uns. Wir schweben mit unseren Kajaks über die Korallendächer und erkennen jeden Stein unter Wasser. Ab und an zerschneidet die Rückenflossen eines Hais die Wasseroberfläche. Es sind erwachsene Exemplare von einem Meter fünfzig und auch noch gerne drüber. In einer flachen Zone, einem groÃen Swimming Pool ähnlich, die sich bei Ebbe bildet, tummeln sich zehn Haie gleichzeitig. Wir paddeln näher heran. Aber als sie unsere Kajaks entdecken, tauchen sie ab oder schlängeln sich über das Riff-Plateau ins Tiefe. So wie wir uns verstohlen umblicken, wenn wir in ihrem Element schwimmen, so sind sie misstrauisch gegenüber dem, was von oben kommt. Wir lassen uns treiben und warten einfach ab. Und richtig, die Neugierde der Haie siegt. Zwei, drei Tiere kommen näher und umkreisen unsere Kajaks. Toll! Bei den windlosen Bedingungen ist das besser als schnorcheln – und mit deutlich weniger Adrenalin-Ausstoà verbunden. Ein Adlerrochen kommt vorbei, ein Stachelrochen schwebt über einer Sandfläche. Wir könnten uns ewig hier treiben lassen.
Wie bei den groÃen Pässen, die befahrbar sind, muss man auch bei den falschen Pässen auf die Strömung achten und seine Schnorchelzeiten darauf einstellen. Auslaufende Strömung saugt einen in den Ozean hinaus und an der Riffkante bilden sich ähnliche Turbulenzen und stehende Wellen wie im groÃen Pass. Die Oberfläche ist örtlich scharf begrenzt total kabbelig und plötzlich landet man mit dem Kajak oder schwimmend in einer unsichtbaren Gegenströmungen. Ein echter Abenteuerspielplatz.
Trotz der tagelang dauernden Flaute warnt der Wetterbericht vor Schwell aus Süden – entstanden durch einen Sturm irgendwo im Südpazifik. Drei Meter lautet die Vorhersage. Das bekommt Warnstufe ‚orange‘. Das Atoll Gambier ist nach Süden offen wie ein Scheunentor, durch einen weiten Pass kommt der Schwell ungehindert ins Atoll gerollt. Zwischen uns, ganz im Norden ankernd, und dem Süden von Gambier liegen diverse Riffe, Untiefen Inseln und Motus (Mikro-Inseln) im Weg. Trotzdem erreicht uns bald das üble Geschaukel. DreiÃig Stunden schaukelt Atanga wie ein Lämmerschwanz an der Ankerkette hin und her. Auf und ab und von links nach rechts. Es wird schwierig wieder an Bord zu kommen.
Die Lagune läuft voll. Das gibt am Pass noch mal ein ganz anderes Bild. Wir werden in unseren Kajaks auf langgezogenen Wellen angehoben und wieder abgesetzt. Als würden wir auf dem Brustkorb eines schlafenden Riesens treiben. Die Riffe tauchen in den Wellentälern aus dem Wasser auf. Die zu groÃe Wassermenge läuft auf der ‚falschen‘ Seite über das Riffdach. Es kabbelt und wackelt. An diesem Tag trauen wir uns nicht über die Riffkante aufs offene Meer. Es ist uns zu unheimlich – zu viel Abenteuerspielplatz an diesem Tag.