Kategorie: Atanga

Abenteuerspielplatz Pass

Mi., 26.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Totegegie, Tag 2096, 20.243 sm von HH
Flaute! Kein Windhauch streift über den Pass. Das Wasser liegt wie ein Spiegel vor uns. Wir schweben mit unseren Kajaks über die Korallendächer und erkennen jeden Stein unter Wasser. Ab und an zerschneidet die Rückenflossen eines Hais die Wasseroberfläche. Es sind erwachsene Exemplare von einem Meter fünfzig und auch noch gerne drüber. In einer flachen Zone, einem großen Swimming Pool ähnlich, die sich bei Ebbe bildet, tummeln sich zehn Haie gleichzeitig. Wir paddeln näher heran. Aber als sie unsere Kajaks entdecken, tauchen sie ab oder schlängeln sich über das Riff-Plateau ins Tiefe. So wie wir uns verstohlen umblicken, wenn wir in ihrem Element schwimmen, so sind sie misstrauisch gegenüber dem, was von oben kommt. Wir lassen uns treiben und warten einfach ab. Und richtig, die Neugierde der Haie siegt. Zwei, drei Tiere kommen näher und umkreisen unsere Kajaks. Toll! Bei den windlosen Bedingungen ist das besser als schnorcheln – und mit deutlich weniger Adrenalin-Ausstoß verbunden. :mrgreen: Ein Adlerrochen kommt vorbei, ein Stachelrochen schwebt über einer Sandfläche. Wir könnten uns ewig hier treiben lassen.
Wie bei den großen Pässen, die befahrbar sind, muss man auch bei den falschen Pässen auf die Strömung achten und seine Schnorchelzeiten darauf einstellen. Auslaufende Strömung saugt einen in den Ozean hinaus und an der Riffkante bilden sich ähnliche Turbulenzen und stehende Wellen wie im großen Pass. Die Oberfläche ist örtlich scharf begrenzt total kabbelig und plötzlich landet man mit dem Kajak oder schwimmend in einer unsichtbaren Gegenströmungen. Ein echter Abenteuerspielplatz.
Trotz der tagelang dauernden Flaute warnt der Wetterbericht vor Schwell aus Süden – entstanden durch einen Sturm irgendwo im Südpazifik. Drei Meter lautet die Vorhersage. Das bekommt Warnstufe ‚orange‘. Das Atoll Gambier ist nach Süden offen wie ein Scheunentor, durch einen weiten Pass kommt der Schwell ungehindert ins Atoll gerollt. Zwischen uns, ganz im Norden ankernd, und dem Süden von Gambier liegen diverse Riffe, Untiefen Inseln und Motus (Mikro-Inseln) im Weg. Trotzdem erreicht uns bald das üble Geschaukel. Dreißig Stunden schaukelt Atanga wie ein Lämmerschwanz an der Ankerkette hin und her. Auf und ab und von links nach rechts. Es wird schwierig wieder an Bord zu kommen.
Die Lagune läuft voll. Das gibt am Pass noch mal ein ganz anderes Bild. Wir werden in unseren Kajaks auf langgezogenen Wellen angehoben und wieder abgesetzt. Als würden wir auf dem Brustkorb eines schlafenden Riesens treiben. Die Riffe tauchen in den Wellentälern aus dem Wasser auf. Die zu große Wassermenge läuft auf der ‚falschen‘ Seite über das Riffdach. Es kabbelt und wackelt. An diesem Tag trauen wir uns nicht über die Riffkante aufs offene Meer. Es ist uns zu unheimlich – zu viel Abenteuerspielplatz an diesem Tag. ;-)

Reif fuer die Insel

So., 23.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Totegegie, Tag 2093, 20.243 sm von HH
Noch drei Tage haelt nach dem Gewitter das norddeutsches Schiet-Wetter an: Dauerregen gepaart mit zu viel Wind und fuer die Jahreszeit zu kalt. Wir kommen nicht von Bord, es wird langweilig. So viele Filme kann man gar nicht gucken. Da kommt uns die Wettervorhersage gerade recht. Nach dem Durchzug der Wetterfront ist Flaute mit Sonnenschein vorhergesagt. Wir gehen Anker auf und fahren fuenf Meilen zur Nordseite des Atolls. Wir sind reif fuer eine Insel. :lol: Wir wollen nach Totegegie – der Flughafeninsel. Das ist eine lange, flache Insel, kaum breit genug fuer eine Landebahn. Die Insel ist unbewohnt (nicht ganz, beim Streifzug entdecken wir eine einsame Huette) und da nur alle drei Tage ein Flugzeug landet, haelt sich der Fluglaerm in Grenzen.
Der Anker faellt in einem See aus fluessigen Tuerkis. Vor uns blitzen weisse Straende von Totegegie herueber. Die Insel ist flach, wie die der Tuamotu. Bewachsen mit Palmen, Buschwerk und vor allem Nadelbaeumen. Aber hinter uns erheben sich kleine Eilande mit begruenten Huegeln. Wenig oder gar nicht bewohnt. Das Meer dazwischen schimmert in allen Blau-Toenen, die der Tuschkasten hergibt. Wir koennen uns nicht satt sehen. Zum Sonnenuntergang brennt ein Feuerwerk hinter Mangareva und den anderen Inseln. Der Himmel verfaerbt sich purpurrot, dann lila. Besser kann man es sich nicht ausdenken. Schoen, schoener, Suedseetraum.
Aber das Beste an Totegegie ist der ‚falsche‘ Pass an dem die Insel endet. Falsche Paesse nennt man Durchbrueche im Saumriff zwischen zwei Insel, die nicht oder nur mit kleinen Booten befahrbar sind. Ebbe und Flut sorgen fuer Stroemung an den Paessen. Und Stroemung ist gleichbedeutend mit Fisch. Wir packen unsere Schnorchel-Ausruestung in die Kajaks und paddeln zum Pass. Sandige Bereiche wechseln sich mit Korallenbloecken ab. Zum Teil reichend die Korallen bis zwanzig Zentimeter unter die Wasseroberflaeche. Fuer Kajaks kein Problem. Mit nur zehn Zentimeter Tiefgang gleiten wir ueber die Korallen hinweg ohne anzuecken. Flach und vorsichtig paddelnd, finden wir einen Weg durch das Labyrinth. Es schimmert und leuchtet in allen Farben. Das Wasser ist christallklar. Die ersten Rueckenflossen von Haien tauchen auf. Wir ziehen unsere Kajaks an den Strand und stuerzen uns mit Maske, Schnorchel und Flossen in den Pass. Doktorfische, Makrelen, bunte Fische, kleine Fische, Trompetenfische und dicke Fische. Alle da. Und Haie! Es handelt sich um Weissspitzen- und Schwarzspitzenriffhaie. Das sind recht kleinwuechsige Arten und man sagt ihnen nichts Boesartiges nach, aber die Anzahl macht’s. So manches Mal blicken wir uns beim Schnorcheln verstohlen um. Man weiss ja nie. ;-) Ein wunderbarer Ort zum Schnorcheln. So lange das gute Wetter anhaelt, bleiben wir hier. Kein Internet, keinen Laden, keine anderen Menschen und doch genug Unterhaltung für viele Tage.

Aktion im Ankerfeld

Sa., 15.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 2085, 20.238 sm von HH

Es ist halb fünf Uhr morgens (natürlich ist es so früh – nie passieren solche Dinge am Tag) als wir aufwachen. Es donnert und blitzt fast zeitgleich. Die Regenabdeckung über den Luken peitscht im Wind. Der Wind heult. Viel Wind. Wir springen ins Cockpit, schnell die Schwerwetter-Regenjacke über den Schlafanzug gezogen. Erst mal orientieren. Das ist nicht so einfach. Die Sicht beträgt kaum hundert Meter. Es dämmert zwar schon leicht, aber der Regen nimmt den Überblick. Sobald man hinter der Sprayhood hervorguckt, trommeln die Regentropfen wie Nadelstiche ins Gesicht.
Liegen wir noch an unserem Platz? Ja, bei uns ist alles okay. Aber was machen die anderen Boote? Die Böen fegen über den Ankerplatz, Winddreher inklusive. Alle Schiffe tanzen an ihrer Ankerkette, drehen mal hierhin, mal in die andere Richtung. Der Franzose (!), der gestern direkt vor uns den Anker geworfen hat, kommt unangenehm nah. Ist da überhaupt jemand wach? Misstrauisch äuge ich zu ihm rüber. Wir könnten fast zu ihm über steigen. Ich sehe zwar die Lichter seiner Instrumente, kann aber keinen Menschen entdecken.
„Ach, du meine Güte“, Achim entdeckt den großen Alukahn zuerst. Mit gestreckter Ankerkette pflügt er an unserer Backbordseite vorbei. Knapp vor einem kleinen Einhandsegler-Boot bekommt der französische (!) Skipper seinen Dampfer aufgestoppt. Der junge Mann wedelt mit einer Taschenlampe Alarm und wischt sich den Angstschweiß von der Stirn. Die französische Crew versucht ihr Schiff auf der Stelle zu halten und ihren gerutschten Anker einzuholen. Sobald Atanga von den Böen zur Seite gedreht wird, kommen wir uns bedrohlich nah. Achim klappt schnell das seitliche Solarpanel ein. Dann endlich! Die Mannschaft hat den Anker an Bord und sucht sich einen neuen Ankerplatz. Eine halbe Stunde später hat sich auch das Gewitter verzogen.

Unser französcher Nachbar rückt uns auf die Pelle

Zwei Schiffe werden auffällig, zweimal sind es Franzosen. Wenn das kein gefundenes Futter ist; ideal für ein gepflegtes Bashing – öffentliches Beschimpfen – wie es heute auf Neudeutsch heißt: die schlechtesten Ankerer sind und bleiben die Franzosen.
Du sieht wie jemand verhaltensauffällig in ein Ankerfeld gefahren kommt? Zum Beispiel unter Segeln bis auf fünfzehn Meter an anderen Schiffen vorbei ziehen. Es ist garantiert ein Franzose.
Eine Crew wirft ihren Anker und sitzt zehn Minuten später in ihrem Dinghy und geht (ungeachtet der Windverhältnisse) auf Landtour? Es müssen Franzosen sein.
Französische Crews fahren ihren Anker auch nicht ein. Niemals. Als ob es ein französisches Gesetz gäbe, was dies verbietet. Warum sie maximal zwanzig Meter Kette werfen, ist uns bis heute nicht klar. Haben französische Schiffe nicht mehr Kette dabei? Oder gibt es einen bösen Zauber, der sie verhext, wenn sie mehr Kette auslassen würden?
Ein Ankerplatz ist leer, es ist genug Platz für alle da und du hast trotzdem plötzlich so nah einen Nachbarn, dass du Fender raushängen möchtest? Dann ist dein Nachbar Franzose! Sie lieben es möglichst eng bei anderen Schiffen zu parken.
Haben nur wir die Vorurteile (die ja keine sind ;-) ) gegen Franzosen? Nein, wir kennen kaum ein deutsches (kennen wir überhaupt eins?) Schiff, was sich nicht am Franzosen-Bashing beteiligt. Gibt es schlicht weniger Deutsch-Französischen Freundschaft, als die Politik sich das wünscht? Nein, das ist zu einfach gedacht, auch andere Nationen ziehen mit Genuss über ‚La Grande Nation‘ her.
Unser panamaischer Advisor im Panama-Kanal: „Ich mache diesen Job seit zwanzig Jahren. Und ich mache ihn gerne. Wenn es mal Probleme gibt, dann mit Franzosen. Sie wissen einfach alles besser und sie hören nicht darauf, was man sagt.“
Der langjährige polynesische Mitarbeiter in der Marina in Papeete: „Alle Nationen sind in Ordnung. Ärger habe ich nur mit Franzosen.“
Und ein Schweizer Mitsegler erzählte uns: „Wenn du versuchst einem Franzosen zu sagen, dass er scheiße ankert und er viel zu nah an dir dran hängt, wird er auf seiner Meinung beharren und dich anpöbeln ‚Lecko mio ganz gepflegt an my asshole“.
Hat früher die Piraten-Flagge Angst und Schrecken verbreitet, so ist es heute die Trikolore im Ankerfeld. So hat jede Zeit ihre Geißel. :-)

 

Mangareva rund

Di., 11.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 2081, 20.238 sm von HH

Was wir bei unserem ersten Aufenthalt ausgelassen haben, wollen wir diesmal unbedingt nachholen: einmal rund Mangareva mit dem Rad. Die Sache hat nur den Haken mit dem Pass zur anderen Inselseite. Zwischen den beiden höchsten Bergen (knapp 400 Meter hoch) im Süden und der Hügelkette im Norden führt eine befestigte Straße zur windabgewandten Seite. Unmöglich zu radeln. Wir fügen uns in unser Schicksal und schieben die Räder den guten Kilometer den Pass hinauf.

Sieht auf dem Foto gar nicht so steil aus

Danach wird es besser. Mal Betonstraße, mal hartgestampfter Sandboden. Die Besiedelung wird dünn. Nur noch ein paar Perlenzüchter wohnen auf der Westseite. Manchmal führt der Weg am Ufer entlang, zeitweise führt er in die Berge. Das sind bissige Abschnitte, die in die Wade gehen oder ein Stück Rad schieben erfordern.

Dunkler Strand an der windabgewandten Seite von Mangareva

Super Fahrradweg einmal um die Insel

Aus dem Nichts taucht eine gut renovierte Kirche vor uns auf. Mit idyllischer Bank unter einem großen Mango-Baum. Der perfekte Picknick-Platz für unseren Nudelsalat. Angegliedert befindet sich ein winziger Friedhof. Komisch, so weit ist es in den Hauptort dann ja auch wieder nicht. Und wer nutzt diese Kirche? Der Rasen ist frisch gemäht, die Bank in einem top Zustand. Alles macht den Eindruck als käme gleich jemand vorbei, um ‚hallo‘ zu sagen. Abe die drei Häuser nebenbei stehen leer, es lässt sich niemand blicken.
Leider werden wir zum Mückenfutter, so dass wir bald fliehen müssen.
Nach zwanzig Kilometern sind wir rum. Ein absolut lohnenswerter Ausflug, der viel Gelegenheit bietet Früchte zu sammeln.

Idyllischer Picknick-Platz auf der dünn besiedelten Westseite

 

Ein Schrein mitten im Wald

Zwanzig Kilometer einmal rum um Mangareva

Kommando Arbeitsdienst

So., 09.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 2079, 20.238 sm von HH

‚Wenn du denkst, du hast keine Arbeit mehr – kommt irgendwo eine geplatzte Naht daher‘. In unserem Fall ist das Bimini aufgeplatzt. Im Prinzip über die gesamt Breite und an drei verschiedenen Stellen. Da müssen großzügige Pflaster drauf genäht werden. Der Stoff aus Kolumbien ist grade mal etwas über zwei Jahre alt, die sind Nähte morsch, der Stoff ist dünn. Es taugt einfach alles nichts.
Die (gepolsterten) Säcke für unsere Fahrräder haben ebenfalls geplatzte Nähte. Die Reparatur ist schon schwieriger, weil der Stoff aus grob gewobenem Flechtwerk besteht, der sofort an den Stellen ausfranst, wo er ausgerissen ist. Der einzige Vorteil: hier braucht die Reparatur nicht gut auszusehen – am Bimini sollte sie es schon.
Und dann brauchen wir neue Kopfkissenbezüge, eine Jeans hat eine geplatzte Naht (ah, noch eine), das Dinghy-Cover braucht einen neuen Flicken und und und. Die Nähmaschine ist tagelang im Einsatz. Ein Ausrüstungsgegenstand auf den wir nicht verzichten wollten.

Morsche und geplatzte Nähte über die gesamte Bimini-Breite

Außerdem sind uns unsere letzten drei Kilo Vollkornmehl ranzig geworden. Bäh, das Brot war ekelig. Zum Glück habe ich Körner gebunkert (ungemahlenes Getreide hält sich praktisch ‚unbegrenzt‘). Zu Glück ist das so. Vor das Brot hat der Bäcker allerdings den Schweiß gesetzt. Mit unserer manuellen Getreidemühle brauchen wir eine Stunde für ein Kilo Mehl. Im Wechsel drehen wir an der Kurbel. Man verbraucht mehr Kalorien als man einfährt. Es sieht so locker aus: „Komm, lass mich mal, kann ja nicht so schwierig sein.“ Nach fünfzehn Minuten brennen die Arme. Immerhin ist das Ganze eine gute Übung gegen das Hühner-Geschladder am Oberarm.
Und nein, man kann keine Bohrmaschine anschließen. :roll: Weil die Kurbel nicht gerade ist, sondern sofort in eine Biegung übergeht. So denn, also kurbeln wir.

Sieht easy aus – nach dreißig Minuten kann man nicht mehr Kurbel vor lauter Schweiß auf der Stirn

Frondienste auf Gambier, statt Inselhopping und Fahrradtouren.

Sonnenaufgang über Gambier

Grüne Gambier Islands

Mit dem Internet an Bord währte die Freude auch nur kurz. Beim JoJo ist dauerhaft kein Netz mehr zu bekommen. Bei der Post können wir mit unserer Prepaid-Karte surfen. Dort ist eine Nachricht allerdings schneller mit einem berittenen Boten versendet als mit der Verbindung.
Wir haben jetzt Philip gefunden. Dort kann man für 2 USD vormittags zwei Stunden Internet bekommen.

Unser Blick nach hinten – wir ankern direkt vor der Riffkante – Reaktionszeit gleich Null

Gambier – die Ankunft

Mo., 03.Feb.20, Pazifik, Tag 2073, 20.238 sm von HH
Gambier empfaengt uns mit einem traumhaften Sonnenaufgang ueber den Inseln. Morgens um halb fuenf laufen wir ein. Die Nacht haben wir vor der Kueste mit sinnlosen Kreuzschlaegen verbracht, um, die Zeit tot zu schlagen. Hinter der breiten Passeinfahrt, ohne nennenswerte Stroemung, oeffnet sich das Atoll wie ein Kessel. Am Kesselrand sitzen die vierzehn Gambier-Inseln. Der Eindruck stimmt – die Inseln sind die verbliebene Kante eines versunkenen Vulkankraters. Der Empfang troestet fuer einen Toern, den wir nicht mochten. Die Bedingungen waren moderat, aber wir haben keinen Rhythmus gefunden. Haben beide schlecht geschlafen, trotz schuettelfreiem Schlafwagen-Komfort. Der Toern fuehlte sich ‚eckig‘ an, obwohl er rund lief.
Der erste Teil der Strecke – bis nach Hao – hat uns besser gefallen, obwohl er hundert Meilen weiter war. Von Tahiti bis Gambier sind es 1.162 Seemeilen hoch am Wind gewesen. Mal wieder hoch am Wind, muss ich sagen. Wie oft sind wir jetzt schon gegen den Wind gesegelt? Viele Meilen. In Segelgruppen gibt es immer mal wieder Diskussionen, ob man einen Windgenerator an Bord benoetigt. Nicht wenige behaupten, der sei ueberfluessig, weil er nichts bringen wuerde, da man ja sowieso nur ‚down wind‘ segeln wuerde. Tja, Freunde der Sonne, so kann man sich irren. Die ‚Science-Busters‘ bringen es auf den Punkt: „Wer nichts weiss, muss alles glauben!“
Jetzt sind wir also da. Der erste Squall mit reichlich Regen in seiner Wolke ist auch schon ueber uns gerollt. Prima Sache. Das Schiff ist entsalzen und der Anker schoen eingegraben. Wir liegen vor dem ‚Magazin JoJo‘, dem besten „Supermarkt“ der Insel. JoJo hat neben Grundnahrungsmitteln und einer kleinen Snack-Bar einen Internetzugang. Das Passwort ist noch das gleiche wie vor zehn Monaten. Manche Dinge im Leben aendern sich halt nie. ;-) Somit haben wir Internet an Bord, was zumindest fuer what’s app und ’slow-surfen‘ reicht. Zum Bloggen mit Bildern reicht es leider nicht, dafuer muss man bei JoJo sitzen. Heute bleiben wir an Bord, machen das Schiff wieder schick und freuen uns auf Gambier.

Nach Gambier (part two) – Tag 5 – Gemein!

So.,02.Feb.20, Pazifik, Tag 2072, 20.170 sm von HH
Unser Wetterfenster ist zu. Gemein! Wir stehen sechzig Meilen vor der Einfahrt, da dreht der Wind auf Sued-Ost und draengt uns vom Kurs ab. Wir hatten das Bier schon kalt gestellt – geplante und errechnete Ankunft sollte Sonntagabend mit dem letzten Funzel-Licht sein. Stattdessen muessen wir einen Kreuzschlag nach Nord-Osten machen. Ausgetraeumt die Idee einer 5-Tages Reise.
Der Wind ist wechselhaft, mal schlappe drei Windstaerken – wir kriechen – , dann wieder preschen wir mit sechs Knoten voran im Boeenkragen vom Squall . Die liegen schoen in einer Reihe vor uns. Wir versuchen zwischen ihnen durchzukreuzen. Im heftigsten Squall steigt der Wind von 11 Knoten auf 30 Knoten an. Wow, was fuer eine Energie in diesen Zellen von wenigen Hundert Metern Durchmesser steckt. Und erst die Regenmengen. Schoen sind an dieser Stelle die Saetze vom Skipper: „Soll ich dir schon mal dein Regenzeug holen?“ Aus sicherer Deckung im Niedergang. Ich weiss nicht, wann es auf Atanga eingefuehrt wurde, dass ich meistens bei Squalls am Ruder stehe. Muss Achims Idee gewesen sein. :mrgreen:
Im Augenblick ist der Wind sehr schwach, so dass wir wohl nicht vor Mitternacht Gambier erreichen werden. Wir drehen dann bei und lassen uns bis Sonnenaufgang treiben. Eine Einfahrt im Dunkeln, trotz bekannten Track, in ein Atoll muessen wir nicht haben.
Tagesmeilen: 93 – Rest keine 20 Meilen.

Nach Gambier (part two) – Tag 4 – Einfach nur segeln

So.,01.Feb.20, Pazifik, Tag 2071, 20.077 sm von HH
Durften wir gestern mehr Segelmanöver als im gesamten letzten Jahr fahren, so herrscht heute wieder der pazifische Frieden an Bord. Die Meilen und Stunden plätschern so dahin. Zeit, um den verlorenen Schlaf der letzten Nacht wieder rein zu holen. Mal haben wir acht Knoten Wind, mal fünfzehn Knoten. Wir halten weiterhin nach Osten vor solange es noch geht, aber der Kurs wird bereits schlechter. Es deutet sich an, dass der Wind noch östlicher kommen wird. Zu früh! Wir würden dann westlich an Gambier vorbei schießen oder müssten gar noch einen Kreuzschlag segeln. Gott bewahre. ;-)
Wir haben noch 115 Meilen zu segeln – und dafür 28 Stunden Zeit. Bis dahin sollten wir vor der Passeinfahrt stehen, um noch im Hellen an den Ankerplatz zu kommen. Das wird eng, zumal dann, wenn wir den Kurs nicht halten können. Schau’n wir mal. Segeln ist ja wie eine Pralinenschachtel.
P.S. Wir haben heute unsere 20.000te Seemeile gesegelt (das sind schlappe 37.000 Kilometer). Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünf Knoten, macht das 4.000 Stunden (oder 166 Tage) auf See. Das bedeutet, dass wir bisher jährlich nur einen knappen Monat gesegelt sind. Eine guter Wert für die Crew, die lieber ankert als segelt. Prost!
Tagesmeilen: 116

Nach Gambier (part two) – Tag 3 – Ein Meer voller Squalls

Fr.,31.Jan.20, Pazifik, Tag 2069, 19.961 sm von HH
Squalls! Im Deutschen gibt es gar kein Wort dafuer: ‚oertlich-scharf-begrenzte-Wolke-am-strahlend-blauen-Himmel-bringt-Regen-und-Wind‘. Daher sagt alle Welt ‚Squall‘ zu diesen unangenehmen Erscheinungen. Es sind keine Mini-Wirbel, die sich drehen, aber sie schenken dem Segler trotzdem Winddreher und bis zu drei Windstaerken erhoehten Wind. Schon von weitem sieht man sie ankommen. Schwarz verhangen bis zum Horizont vom Starkregen, der aus ihnen faellt. Die Vorfont bringt den Wind, dann folgt Regen und dahinter herrscht Flaute. In der Nacht sehen die Dinger vor sternenklarem Himmel aus wie ein boesartiges Geschwuer. Ein finsterer Klingonen-Nebel auf dem Monitor von Raumschiff Enterprise.
Die pazifischen Squalls mit denen wir es zu tun haben, sind klein. Meistens dauert der Zauber nur zehn Minuten. Was wir an Tag drei geboten bekommen, haben wir so allerdings noch nicht erlebt. Wie auf die Kette gezogen kommen uns die Squalls entgegen. Bis zu sechs Stueck gleichzeitig koennen wir zaehlen. Wir sind umzingelt. Entkommen sinnlos (das nuetzt auch Wharp 7 nichts mehr). Der Wind kommt erst von vorne, der Wind kommt von hinten, dann Flaute. Die Sqalls bringen alles komplett durcheinander. Wir nehmen in der Flaute die Segel runter, machen die Maschine an. Nach einer Stunde hat sich der Wind beruhigt, wir setzten erneut die Segel. Bis zum naechsten Squall. Die ganze Nacht haelt uns das Theater auf Trapp. Fuer die Manoever sind wir beide gefragt. Die Windsteueranlage muss ein- und ausgekuppelt werden. Dafuer muss man das Cockpit verlassen und das ist auf Atanga bei Todesstrafe verboten, wenn der jeweils andere schlaeft.
Nach fuenfzehn Stunden sind wir raus aus dem Squall-Guertel und haben freie Fahrt. Knappe fuenf Windstaerken bringen uns jetzt dem Ziel entgegen. Noch immer koennen wir etwas Ost vorhalten. Das ist gut, soll doch am Sonntag der Wind auf Ost drehen.
Tagesmeilen: 90

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Kakerlaken frei seit zehn Tagen!
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Nach Gambier (part two) – Tag 2 – Squalls

Do.,30.Jan.20, Pazifik, Tag 2068, 19.871 sm von HH
Der Wind hat etwas zugelegt, die Wegstrecke ist etwas holpriger, aber die Stimmung ist trotzdem besser heute. Windrichtung weiterhin Nord-Ost, so wie vorher gesagt. Wir koennten genau Kurs Gambier anlegen, halten aber weiterhin einige Grad nach Osten vor. Abfallen koennen wir dann immer noch. Wer weiss, ob der Wind es sich nicht anders ueberlegt und auf Sued-Ost zurueck dreht.
Also segeln wir hoch am Wind. Macht aber nichts, bei vier Windstaerken ist das gut zu fahren. Atanga liegt stabil auf der Seite, nichts rappelt, nichts wackelt. Alle vier Stunden kommt ein Squall vorbei. Laestige kleine Dinger. Die bringen alles durcheinander. Eben noch 11 Knoten Wind, eine Minute blaest es mit schon mit 22 Knoten. Wir reffen dann das Vorsegel um zwei, drei Umdrehungen. Das Grosssegel bleib ungerefft stehen – fuer die fuenf Minuten lohnt sich das nicht. Einer von uns geht ans Ruder zum ‚Kneifen‘ (so hoch es geht in den Wind gehen, das nimmt den Winddruck aus den Segeln). Nach dem Wind kommt der Regen. Ebenfalls nur fuer fuenf Minuten und dann folgt die Flaute. Manchmal ist der Wind fuer eine halbe Stunde weg, manchmal fuer zwei. Wir lassen uns treiben, immerhin in die Richtige Richtung, bis der Wind zurueck kommt.

Tagesmeilen: 75 (die Windloecher nach den Squalls kosten Strecke)

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Kakerlaken frei seit neun Tagen!
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Nach Gambier (part two) – Tag 1

Mi.,29.Jan.20, Pazifik, Tag 2068, 19.796 sm von HH
Die gute Laune haelt sich in Grenzen auf Atanga. Ich muss an Herbert Groenemeyer denken: „Gesichter seh’n verbittert aus, kein Lachen, kein aehnlicher Laut … Zuege verhaermt, ungesund!“ Nun, ganz so schlimm ist es nicht, aber der erste Tag ist (wie immer) schwierig. Wir schweigen viel vor uns hin, jeder kocht sein eigenes Sueppchen. Achim droehnt im Cockpit rum und ich spiele sinnlose Kartenspiele auf dem iPad. Wir haben beide keinen Bock, zu gar nichts. Ich verzichte auf meinen Fruehstueckstee, weil es mir zu anstrengend erscheint, die Teetasse waagerecht zu halten. Ganz zu schweigen von der uebermenschlichen Leistung, den Teebeutel ueber Bord zu werfen. Immer diese ersten zwei nervigen Tage.
Wenn ich koennte, wuerde ich lieber 60 Tage am Stueck segeln, um zehn Mal die ‚ersten beiden Tage‘ zu vermeiden. Und wenn ich so nachdenke, dass uns bestimmt noch 25.000 Meilen bis ’nach Hause‘ trennen – im Idealfall also noch 250 Tage auf See (das ist ja fast ein ganzes Jahr – wer denkt denn ueber so was nach?). Somit also ungefaehr noch 45 Mal die ‚ersten beiden Tage‘. Igitt!
Dabei sind die Bedingungen gar nicht schlecht: drei bis vier Windstaerken, kaum Welle, manchmal ein Squall ohne viel Wind und Regen. Das Bett liegt fast waagerecht, aber wir koennen beide nicht schlafen. Lecker vorgekocht habe ich auch – es gibt eigentlich keinen Grund fuer schlechte Laune. Was ist denn los dieses Mal? Bei schlechteren Bedingungen, war schon mal mehr Spass mit dabei. Wir warten auf Morgen.
Tagesmeilen: 99 – das ist gut fuer den schwachen Wind. Davon 80 Meilen Richtung Ost gut gemacht. Das ist sogar sehr, sehr gut. Schliesslich ist dies unsere schwierigste Achse.

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Kakerlaken frei seit acht Tagen!
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Unsere Pläne 2020

So.,26.Jan.20, Franz.Polynesien/Tuamotu/Hao, Tag 2065, 19.574 sm von HH

Ungeplant stecken wir mitten drin im Plan für 2020. Ich bekam eine Whatsapp von einer Segelfreundin: „Denkt dran, in Neuseeland muss man rechtzeitig Plätze in der Marina reservieren“. Ach herrje, das ist doch noch so lange hin … sieht unser Terminkalender doch wie folgt aus:

Februar/März: Gambier (sicherste Ecke im Süd-Osten während der Haupt-Zyklon-Zeit)
April: Über die Tuamotu zurück nach Tahiti
Mai: Ich fliege nach Deutschland (hurra, nach fast zwei Jahren), Achim bleibt in Tahiti :cry: Die Zyklon-Saison ist vorbei.
Juni: Wir können weiter nach Westen. Zuerst die Gesellschaftsinseln (hier wollen wir nicht so viel Zeit verbringen – teuer, vielfach ist ankern verboten, Aufenthalt auf wenige Tage begrenzt usw. Klangvolle Namen wie Bora Bora lassen wir also links liegen).
Juli bis November: Cook Inseln, Samoa und Tonga (je weiter man nach Westen kommt, desto schöner wird es – so heißt es)
November: Die Zyklon-Saison beginnt erneut, also 1000 Seemeilen nach Neuseeland – wohl eine der schwierigsten Passagen der gesamten Reise, wenn man sich durch Berichte arbeitet.
ab Dezember: Neuseeland

Aber zuerst müssen wir mal Hao verlassen. Das ist nicht so einfach, die Insel hält uns fest. Ob uns nicht fad ist, wurde ich gefragt. Die klare Antwort lautet: ’nein‘! Besteht unser Tag doch nur aus Highlights ;-) .
1.) Frühstück – das erste Highlight des Tages. Manchmal mit frischem Baguette, was Achim bereits morgens um fünf Uhr mit dem Fahrrad holt. Sonst mit selbst gebackenem Brot.
2.) Abwaschen, aufräumen, kleine Reparaturen erledigen (Schraube von der Brille weg, Knopf ausgerissen, Loch im Lieblings-T-Shirt, Wackelkontakt an der Stirnlampe) – das ist jetzt alles nicht ganz so highlightig, sondern normales Leben.
3.) Mittagessen – manchmal ein Highlight, manchmal gibt es nur Reste vom Vorabend.
4.) Baden im Türkis. Eindeutig Highlight. Zwar plantscht noch immer der Gedanke an die kleinen Haie mit, die manchmal durch unsere Badewanne ihre Kreise ziehen, aber da die Mütter ihre Kinder ins Wasser lassen, kann es nicht so schlimm sein.
5.) Internet! Unser soziales Highlight des Tages. Mit dem Rad fahren wir zum Rathaus, wo man ab 16:00 Uhr kostenlos surfen kann. Auf Steinbänken unterm Baum haben wir guten Empfang. Das Netzt ist ziemlich lahm, aber wir bekommen, was wir wollen. Und hier beginnt sie, unsere Planung für Neuseeland. Verschiedene Seiten runter laden, lesen kann man es zu Hause, Was wir vergessen nachzusehen, muss bis nächsten Tag 16:00 Uhr warten.
Etwas mühsam, aber wir haben schon eine Menge Infos zusammen getragen.
Wo wir hin wollen, was wir machen wollen und wie lange wir bleiben wollen. Neuseeland, unser heimliches Traumziel! Wir sind bereits auf der Südinsel im Urlaub gewesen, grade in dem Jahr als wir Atanga gekauft hatten: „Hierher mit dem eigenen Schiff, das hätte was“, haben wir in den Sonnenuntergang geseufzt.
6.) Abendessen – frische Sachen gibt es nicht mehr. Außer Zwiebeln, Knoblauch und Kartoffeln leben wir im Augenblick von Konserven. Geht auch. Ein Highlight sind neue Kreationen mit Kokosmilch. Das Zeug kann man wahrlich fast überall dazu geben. Toll!

Surfen vor dem Rathaus

auch so ein Highlight

Ausflug zum Pass

Und schon ist ein weiterer wunderschöner Tag auf Hao zu Ende (aber am Dienstag soll es nun doch weiter gehen – fünf, sechs Tage nach Gambier liegen vor uns).
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Kakerlaken frei seit fünf Tagen!

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Crew-Zuwachs Leo, unser neuer Gecko ist total zutraulich, leider ungeeignet zum Kakerlaken jagen, weil zehnmal leichter ist