Kategorie: Atanga

Hoch in den Norden nach Cape Reinga

Mo., 27.Dez.21, Neuseeland/Ahipara, Tag 2767, 24.688 sm von HH

Ahipara ist der ideale Ausgangsort, um an den nördlichsten Punkt Neuseelands zu fahren. Das Cape Reinga hat für die Maori eine besondere Bedeutung. Steht hier doch ein 800 Jahre alter Pohutukawa-Baum durch dessen Wurzeln die Seelen der Toten in den Ozean gelangen und sich dann auf den Weg ins Land ihrer Urahnen machen: nach Hawaiki-A-Nui. Der alte Baum steht windgebeugt auf einer kleinen Felsennase und soll angeblich noch niemals geblüht haben. Dabei ist gerade Hauptblütezeit dieser hübschen Bäume. Daher wird der Pohutukawa auch Christmas Tree in Neuseeland genannt. Ein schöner Anblick. Örtlich sind ganze Hügel-Hänge in rote Blüten getaucht. Oder die Fußwege und Straßen sind rot gefärbt von verwelkten Blütenblättern.

Auf dem kleinen Felsen steht der Pohutukawa

Blüten vom Pohutukawa

Am Kap merken wir das erste Mal, dass Weihnachtsferien sind. Ich würde es nicht Besucherströme nennen, aber doch ist was los auf dem Weg zum Leuchtturm. Im Norden der Nordinsel wohnen die meisten Maori, deren Anteil ungefähr sechzehn Prozent  an der Bevölkerung Neuseelands ausmacht. Somit treffen wir an diesem heiligen Ort überwiegend auf Nachkommen der Ur-Bevölkerung. Viele Frauen tragen ein Tā Moko. Das ist eine traditionelle Gesichts-Tätowierung. Bei den Frauen verläuft sie über die Unterlippe und das Kinn – häufig in Spiralformen. Für uns etwas ungewohnt. Von weitem sieht es aus wie ein dunkles Kinnbärtchen. Seit Jahren gibt es eine Wiederbelebung alter Traditionen der Maori mit zunehmender Tendenz. Der Kopf gilt als der spirituelle Mittelpunkt des Körpers, daher kommt den Gesichts-Tätowierungen eine besondere Bedeutung zu. Sogar die Außenministerin Neuseelands trägt ein Tā Moko. Nanaia Mahuta – Wikipedia

Über Strandmangel kann Neuseeland sich nicht beklagen – Bucht kurz vor dem Cape Reinga

Am Kap Reinga treffen die Tasmanische See und der Pazifik aufeinander, was  sich eindrücklich am kappeligen Wasser unterhalb der Steilküste feststellen lässt. Für die Maori ist dieser Ort die Zusammenkunft von Mann und Frau und die Schaffung des Lebens. Ein schöner Ort, gesäumt von kleinen Buchten und Stränden rechts und links. Dazu steht der aus dem Jahre 1940 stammende Leuchtturm attraktiv auf der Klippe. Bis 1987 wohnte hier noch ein Leuchtturm-Wärter. Heute läuft alles automatisch und mit LED.

Der Leuchtturm vom Cape Reinga

London ist der einzige europäische Entfernungsweiser – über 18000 Kilometer – wir sind ganz schön weit weg von zu Hause

Ein paar Kilometer hinter dem Kap beginnt der 90 Mile Beach. Ein Zugang zum Strand führt an riesigen Dünen entlang. Diese sind zum Teil über 150 Meter hoch und dehnen sich sechs Kilometer ins Inland aus. Vom alten James Cook bereits als „Desert Coast“ bezeichnet, sind auch wir beeindruckt, wie sich die Sandberge das Land erobern.
Aus einem Truck heraus kann man sich Surfbretter mieten und sich die steilen Dünen herunter stürzen. Das will ich unbedingt! Aber dann sehe ich, wie sich die Surfer Kilo weise den Sand aus der Unterhose schütten und verzweifelt in einem kleinen Bach versuchen den Sand aus der Kimme zu waschen. Oh, dann doch lieber nicht. :mrgreen: Wir begnügen uns damit das staubige Treiben zu bestaunen.

Die Dünen breiten sich aus und werden bald den kleinen Bach unter sich begraben haben

Die Giant Dunes – hier muss man 150 Meter hoch kraxeln

Endloses Dünenmeer

Ein schöner Spaß – bis man mit Sand zwischen den Zähnen und in der Hose unten angekommen ist

Nicht nur sehr steil – der Sand ist glühend heiß – der Surfbrettverleih hat auch Socken im Angebot

Üblicherweise fahren die Cape-Besucher dann am Strand in den Süden zurück. Fiedl kann das nicht. Er käme nicht mal durch den Bach. Und überall sieht man wieder Warnungen und Fotos von stecken gebliebenen Autos. Wir fahren also brav auf der Straße die hundert Kilometer zurück. Eine abwechslungsreiche Landschaft. Mal Buschland, dann Weideland oder wir können einen Blick auf die zerklüftete Ostküste werfen. Das mit Sand so gesegnete Neuseeland hat angeblich auch den reinsten ‚Silica Sand‘ der Welt. Dieser wird für die Glasherstellung in Auckland verwendet und leuchtet weit – wie ein Schnee bedeckter Strand.

Im Hintergrund leuchtet der Kieselerde-Sand


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Strandvergnügen

So., 26.Dez.21, Neuseeland/Ahipara, Tag 2766, 24.688 sm von HH

Unser dritter Campingplatz (in Ahipara) liegt weit im Nord-Westen – am Anfang vom längsten Strand in Neuseeland. Wieder habe ich reserviert und wieder wäre es nicht nötig gewesen. Der Platz ist höchstens zur Hälfte belegt. Für unseren Geschmack mit über einhundert Plätzen ist er etwas zu groß, aber ganz nett in einem Misch-Kiefernwald gelegen. Wir haben Glück, es gibt sehr enge, dunkle Plätze ohne einen Sonnenstrahl, unser ist prima offen und doch mit Schatten. Es gibt auch ganz furchtbare Parzellen: in einem Bambus versammelt sich abends ein großer Schwarm Spatzen. Die Guano-Produktion riecht man noch dreißig Meter weiter. Dort könnte ich nicht campen, aber es finden sich auch hierfür Liebhaber.

Sonniges Plätzchen für unser Abendbrot

Die Kiwis lieben BBQ – bei unseren Nachbarn ist der Grill am Heck vom Wohnmobil größer als unser Zelt

Das Publikum in Ahipara ist komplett anders als in Baylyn. Hier kommen nicht die gediegenen Rentner-Ehepaare her, sondern hier tobt das Leben. Hier wird sich amüsiert. Gebucht von jüngeren Leuten. Alle wollen zum 90 Mile Beach – zum Baden (brrrr … 20 Grad) und zum Surfen, aber in erster Linie, um motorisiert am Strand entlang zu rasen. Während in Deutschland die Kinder mit dem Lastenfahrrad durch die Städte gefahren werden, lag bei den Kiwi-Kindern ein Mini-Crossbike oder ein Quad unterm Weihnachtsbaum. Vater fährt vorweg und die Lütten Vollspeed hinterher.

Die Kinder düsen mit Enduros oder Quads am Strand entlang – der Sand ist aufgewühlt von Spuren – eine Flut später ist alles wieder weg

Die Geländemaschine ist immer mit dabei – der Transport eigenwillig – in Neuseeland ist viel verboten – aber merkwürdige Dinge sind erlaubt

Wichtig in Ahipara für alle 4×4 angetriebenen Fahrzeuge

Schilder weisen drauf hin: am Strand gelten die Verkehrsregeln der Straße. Speedlimit 100 km/h. Um Rücksicht auf Spaziergänger und spielende Kinder wird gebeten. Was nach Chaos klingt, verläuft sich dann aber. Der Strand ist bei Niedrigwasser breit, und lang ist er sowieso. Genug Platz für alle da.

Genug Strand für alle da

Etwas abseits von der Zufahrt vom Strand hat man seine Ruhe

Ein wenig wie Nordsee

Ein weiteres Schild warnt davor mit normalen Pkws an den Strand zu fahren. Wir würden wohl auch gerne über den Strand donnern, aber Fiedl hat bereits etwas abgenutzte Reifen. 195er Slicks sozusagen. Fiedl ist für die Landstraße gut, auf den Highways macht er eine gute Figur. Da zieht er gut, läuft gut. Für ihn wäre auch German Autobahn das richtige. Aber durch den Mullersand durch den man an den Strand fahren kann, trauen wir uns nicht.
Wir genießen, ganz gediegenes Rentnerpaar, den Strand zu Fuß.

Richtig gut ist der Strand nur für 4×4 angetriebene Autos geeignet

Herzlich Willkommen 2022

Fr., Silvester 21, Neuseeland/Rawene, Tag 2774, 24.688 sm von HH

Bereits der achte Jahreswechsel seit wir unterwegs sind. Die ersten vier Jahre gab es noch ausschweifige Feiern mit befreundeten Crews oder Urlaub machenden Freunden.
Das fünfte Jahr waren wir auf See, auf dem Weg auf die Osterinsel. Das sechste Jahr wieder auf See, diesmal Richtung Gambier. Letztes Jahr sind wir auf den Gesellschaftsinseln (Huahine) angekommen. Bei strömenden Regen und viel Wind. Da mussten wir an Bord bleiben – wieder keine Feier.
Und dieses Jahr im Zelt! Um 21:00 Uhr wird es dunkel, die Temperaturen ziehen an, die zweite Schicht Fleece kommt zum Einsatz. Vorsorglich haben wir die Flasche Sekt schon vor zwei Stunden getrunken. Im Dorf herrscht Totenruhe. Wir kennen hier keinen Hund. Es gibt also um halb zehn keinen einzigen Grund mehr noch wach zu bleiben. Der Schlafsack ruft. Den Jahreswechsel verschlafen wir.

Wir wünsche Euch allen über die Welt verteilt ein wundervolles Jahr 2022. Bleibt optimistisch, neugierig und genießt jeden Augenblick.

PS: Ich hinke mit unseren Zelt-Berichten etwas hinter her. Ich weiß. Das liegt daran, dass wir an eine Sache beim Einpacken und Organisieren nicht gedacht haben: Strom. :roll:  Wir können zwar unsere Geräte laden über den Zigarettenanzünder im Auto, wenn wir fahren. Sogar zwei Teile auf einmal. Aber wir fahren gar nicht viel. Somit haben immer die Handys vorang an der Steckdose. Der Akku vom Laptop ist leer, der erste Akku vom Fotoapparat ebenfalls. Fotos hochladen somit nicht möglich.

Bleibt noch die Option in der Gemeinschaftsküche den Toaster aus der Steckdose zu ziehen und statt dessen den Laptop einzustecken. Aber daneben stehen und der Akkulampe beim Laden zuzuschauen? Hmmmm … gähn.
Ich glaube grundsätzlich, dass der Mensch an sich nicht schlecht ist, aber einen Laptop unbeaufsichtigt zu lassen? Nein, ich weiß nicht so recht. Wurde uns doch in Mexiko bereits beim ersten Kontakt mit einem Gemeinschafts-Kühlschrank das Bier gemoppst.
In ein paar Tagen sind wir wieder auf Atanga zurück, dort gibt es genug Strom und die Berichte über den sensationellen Norden folgen.

 

Hokianga im schönsten Silvester-Sonnenschein

Hokianga im schönsten Silvester-Sonnenschein – der Chef guckt nur brummig, in echt war er gut drauf. ;-)


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Weihnachten in Baylys

Do.,23./24.Dez.21, Neuseeland/Baylys, Tag 2766/7, 24.688 sm von HH

„Zu Weihnachten musst du einen Campingplatz reservieren“, haben sie gesagt. „Alles ausgebucht“, haben sie gesagt. Ich höre auf diese Warnungen und reserviere. Wir sind die einzigen Gäste auf dem Platz in Baylys!  ;-)
Wir verbringen Heiligabend komplett alleine. Das ist hübsch romantisch. Neben der Romantik hat es noch den Vorteil, dass wir die Küche nebst Kühlschrank für uns alleine haben. Die gesamten Einrichtungen sind schon etwas älter, aber blitzsauber. Sogar die Lappen in der Spüle und Geschirrhandtücher mag man benutzen.
Der Campingplatz ist privat geführt und gehört einem Zusammenschluss von sogenannten Holiday-Parks an. Diese sind teurer als die staatlichen DOCs und befinden sich häufig am Rand von Wohngebieten. Nicht so schön gelegen, steriler – durch organisierter, mehr typisch Campingplatz. Eine Nacht auf einem DOC kostet für zwei Personen 30 NZ$ (ca.18 Euro). In Baylys müssen wir 50 NZ$ bezahlen. Dafür sind die heißen Duschen kostenlos (immerhin 4 Dollar auf dem DOC) und wir brauchen auch kein Eis zu kaufen, da unsere Vorräte in den Kühlschrank kommen. Auch ein Gasgrill steht zur freien Benutzung und bei schlechtem Wetter gäbe es ausreichend Überdachungen mit Sitzgruppen.

Camping-Gemeinschaftsküche in Baylys

Heiligabend

Platz ohne Ende – ein Campingplatz für uns alleine

Wir haben für zwei Nächte reserviert. Baylys ist ein kleines Dorf an der Westküste. Untouristisch – hierher kommen nur Dauercamper. Der hübsche Ort hat auch nichts zu bieten,  außer Strand. Einhundert Kilometer goldener Sandstrand. Schwimmen ist gefährlich, Wellenreiten auch. Gegen die starken Unterströmungen kommen auch gute Schwimmer nicht an. Dafür kann man endlose Strandspaziergänge unternehmen. Ab und an kommt einem bei Ebbe ein Auto entgegen. Die ideale Abkürzung, um von Dort zu Dorf fahren, die am  Küstenrand verstreut zu finden sind.

Die Küste von Baylys

Einhundert Kilometer Autobahn

Auflaufendes Wasser

Steilküste hinter dem Strand

Es ist so viel Gischt in der Luft dass es nebelig wirkt – Fernsicht Fehlanzeige

Eine kleine Unterbrechung im endlosen steinlosen Sand – ein angespülter Baumstumpf

Neben den Strömungen lauert noch eine weitere Gefahr. Am fast Muschel freien Strand finden wir mehrere blaue Gasblasen der Portugiesischen Galeere. Bei den meisten Blasen sind die giftigen bereits Tentakel abgerissen. Diese haben bis zu 1000 Nesselzellen pro Quadratzentimeter und verursachen heftige Schmerzen. Sogar barfuß auf abgestorbene Tentakel zu treten, kann übel enden.

Portugiesische Galeere

 

Am zweiten Tag reisen dann doch noch drei Familien an. Alle kennen sich. Insgesamt zehn Kinder und die Schlaganfall geschädigte Oma im Rollstuhl. Halbe Hausstände werden aus großen Trucks geräumt und halbe Zeltstädte aufgebaut. Heiligabend spielt keine Rolle in Neuseelnad, typisch für anglo-orientierte Länder. Aber am 1. Weihnachtstag ist bereits morgens um sieben Uhr der Teufel los. Der eigens mitgebrachte Gasgrill arbeitet auf Hochtouren. Würstchen und Fleisch für fünfzehn Leute werden gebrutzelt und die Kinder sitzen vor einem riesigen Stapel Geschenke. Der Duft zieht über denCampungpatz.

Weihnachten mal ganz anders. Wir haben unseren Kohlegrill im Gepäck  – der ist leider verboten. Feuerschutz angeordnet in gesamt Northland. Okay, bei uns gibt es somit statt gegrilltem Lamm eine Konserve  – selbst eingekochtes Gulasch zu Weihnachten. :-)

Viel Weihnachtsdeko sieht man nicht in NZ – kein Wunder – die Tage sind lang – die Sonne geht spät unter

aber die ein oder andere Deko-Verwirrung ist dann doch zu finden – bevorzugt an den Briefkästen


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Camping

Do., 23.Dez.21, Neuseeland/Urititi, Tag 2766, 24.688 sm von HH

Unser erster Campingplatz ist ein DOC-Platz (Department of Conservation). Diese staatlich geführten Campingplätze haben den Vorteil, dass sie häufig an den schönsten Plätzen mitten in Naturschutzgebieten liegen. Idyllisch mitten im Nirgendwo. Der Nachteil der DOC’s sind weit entfernte Einkaufsmöglichkeiten und rudimentäre Ausstattung bezüglich Sanitäranlagen, Gemeinschafts-Küchen oder Grillplätzen. Wir kochen auf unserem Coleman, der sich hervorragend macht. In einer Kühlbox schwimmen drei Kilo Eis. Für vierundzwanzig Stunden bleiben Käse und Butter fest und sogar für ein kühles Bierchen ist noch Platz.

Weit schaffen wir es nicht am ersten Tag. :mrgreen: Unser DOC ist nur 60 Kilometer von Whangahrei entfernt. Der Campingplatz liegt direkt hinter Dünen, die an die Nordsee erinnern. Hinter den Dünen taucht ein schier endloser Strand auf. Im Norden kann man noch schwach die Industrie von Whangarei erkennen. Im Süden verliert sich der Strand in einer Kurve. An den Zugängen vom Campingplatz tummeln sich zwei Dutzend Leute am Wasser. Nach ein paar Schritten liegt der sprichwörtliche menschenleere Strand vor uns.
Wir laufen los. Möwen, Austernfischer und unglaublich viele Muscheln aller Art. Kulinarisch auffällig die vielen Hüllen von Jacobsmuscheln. Yummi.

Nur ein paar Dünen trennen den Campingplatz vom Wasser

Ein ganzer Strand nur für uns

Nach ein paar Kilometern stoßen wir auf einen Truck am Strand. In Neuseeland ist es überall erlaubt mit Autos ans Wasser zu fahren. Das kann man sich erlauben, wenn man eine Bevölkerungsdichte unter 20 Einwohner pro Quadratkilometer hat (DE 232 Einwohner). Der Truck entpuppt sich als Fischer-Auto. Vom Heck des Wagens verschwindet eine dicke Angelsehne im Meer. Langsam wird diese über eine elektrische Winde wieder eingeholt. Der „Angler“ erklärt uns, dass er mit einem Torpedo die Angelschnur ungefähr drei Kilometer ins Meer geschossen hat. Der Torpedo spult so lange Schnur von der Rolle, wie sein Akku hält. Danach werden die zwanzig Haken mit der Winde wieder eingeholt. Normalerweise macht er zwei Schüsse am Tag, erklärt uns der Kiwi, er habe in zehn Jahren noch nie seine Haken und auch keinen Torpedo verloren.
Heute sei aber sein letzter Angeltag bis mindestens Februar. „Die Aucklanders fallen jetzt in Northland ein“, sagt er. Bewohnen für sechs Wochen ihre Ferienhäuser und kommen auf die Campingplätze. Sie würden mit ihren Angelbooten seine Schnur durchfahren. „Die Aucklanders“, er schaut grimmig. Ein Schimpfwort, wie uns scheint.

Autos am Strand – in Neuseeland erlaubt

Angeln auf Neuseeländisch

Der Torpedo mit dem die Angelschnur aufs Meer geschossen wird

 

Die erste Nacht im Zelt ist besser als erwartet. Das Wetter ist einmalig und selbst nachts wird es nicht zu kalt. Da der Campingplatz mit vielleicht nur zehn Prozent seiner Kapazität belegt ist, gibt es keine Schlangen an der Dusche oder den Toiletten. Die Toiletten sind Plumpsklos. Hebt man den Deckel der Klobrille an, kann man – wenn man mag – fünf Meter tief in einen Schacht starren. Schemenhaft sind die Überreste menschlicher Exkremente auszumachen. Durch zwei Schornsteine wird der Schacht belüftet und wird dadurch zu einer perfekten, nahezu geruchsfreien, Anlage. Jedes Dixi-Klo bereitet mir mehr Abscheu. Damit das Belüftungssystem funktioniert, muss nur der Toilettendeckel nach Nutzung geschlossen werden, um einen Unterdruck zu erzeugen. Da der Schacht so tief ist, wird nicht an Hinweisen gespart, dass Kleinkinder zu beaufsichtigen sind. Da unten kann man Ochsen verschwinden lassen.

Camping-Romantik

Spaß beim Camping-Kochen

Frühstück am ersten Morgen

Kein Krematorium – eine geruchlose Plumpsklo-Anlage

Nach zwei Nächten in Urititi ziehen wir weiter. Wir haben wegen der merkwürdigen Corona-Ampel, die in Neuseeland installiert wurde, entschieden nicht weiter in den Süden zu fahren. Mit Lockdowns ist man hier schnell bei der Hand. Da bleiben wir lieber fern vom Distrikt Auckland, welcher die Nordinsel teilt. Alle Ampeln auf rot bedeutet auch schon mal Fahrverbot und keine Rückkehr zum Schiff.

Wir queren also auf die Westseite oberhalb von Auckland rüber. Auf halber Strecke stoppen wir im Kauri-Museum. Nach Besichtigung der lebenden Kauri-Bäume sind wir sehr interessiert. Die Beschreibung, was es zu sehen gibt, ist dünn. So recht wird gar nicht klar, was das Museum bietet. Der Eintritt ist happig. Fünfzehn Euro für ein paar alte Holzscheiben und ein paar Brocken Baumharz, so unsere Befürchtung. Wir zögern, werden dann aber von einem Angestellten überredet. Zum Glück – wir sind ganz begeistert.

Das Museum entpuppt sich als eine tolle Informationsquelle über Kauris im Besonderen, aber auch über die Entwicklung der Holzindustrie in Neuseeland. Ein altes Sägewerk ist aufgebaut, die Größe der Kauris und ihre schwere Ernte wird anschaulich demonstriert. Von uns ein klares „Ja“ zum Museum.

Die Baumfäller von früher – noch mit Handsäge und Axt am Werk

Mit 14 bis 16 Ochsenstärken wurden die zerlegten Kauristücke transportiert

Kauri-Säge


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Frohe Weihnachten 2021

Do., 23.Dez.21, Neuseeland/Baylys, Tag 2766, 24.688 sm von HH

Wir wünschen allen Lesern, unseren Freunden und der lieben Verwandtschaft wundervolle Weihnachten. Habt trotz neuer C-Variante eine wunderbare Zeit. Wir wünschen der Welt, dass dieser Wahnsinn endlich ein Ende nimmt. Vor Ort ist ebenfalls von härteren Maßnahmen die Rede. :cry:

Aber es ist schön, dass Ihr alle immer mal wieder die Zeit findet, um bei uns vorbei zu schauen. Es freut uns, dass wir etwas Abwechslung und Unterhaltung auf Eure Handys und Laptops bringen können. Geteilte Freude wiegt doppelt.

Habt ein frohes Fest und wir senden die besten Grüße direkt aus der Hundehütte.
Achim und Sabine

Frohe Weihnachten 2021


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Impfpass, Boostern und Urlaubspläne

Di., 21.Dez.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2761, 24.688 sm von HH

 

Bei unserem vorläufig ausgestellten Impfpass läuft die Frist aus, ohne dass wir eine automatische Verlängerung erhalten. Das bedeutet für uns eingeschränkte Freiheit. Abhilfe muss her. Wir gehen ins nahe gelegene Impfzentrum und fragen nach, ob die hilfsbereiten Damen uns anhand der Nummer auf dem vorläufigen Impfpass im System finden können. Es gibt ein wenig hin und her, aber mit vereinten Kräften von vier Mitarbeiterinnen gelingt das Wunder.
Sie finden uns, eine „Akte“ wurde für uns angelegt. Aber einen Impfpass können sie uns trotzdem nicht ausstellen. Bäh.
Da wir nun schon mal im Impfzentrum sind, gönnen wir uns einen Booster. Achim nimmt ihn freiwillig – ohne Impfscheu oder Zweifel. Ich lass mich überreden: von Achim, von System, vom Druck. Im Prinzip denke ich nicht, dass ich ihn brauche, aber mich frei bewegen zu dürfen, möchte ich schon.
Frisch geboostert (Pfizer wie beim der ersten Impfung – keine Nebenwirkungen außer dem üblichen Tennisarm für 48 Stunden) gehen wir noch einmal in die Apotheke. Und dann, endlich, endlich, wir bekommen „myVaccinePass“ ausgedruckt.

Auf Campingplätzen darf man nur übernachten mit myPass. Den hamma nun, einem Urlaub mit Fiedl steht also nichts mehr im Wege. Im Camper zu nächtigen fällt ja flach, daher beschenken wir uns zu Weihnachten mit einer Campingausrüstung. Mit einem (3-Mann)-Zelt und Schlafmatten der Luxusklasse. Fünf Zentimeter selbst aufblasender Hightech. Die Matten kosten beinahe so viel wie das Zelt. :roll: Wenn wir schon auf der Erde umherkriechen müssen, dann wollen wir wenigstens bequem schlafen. Obendrauf kommen zwei Campingstühle und ein wackeliger Tisch.
Schlafsäcke sind noch im Fundus. Weder verschimmelt noch muffig ziehen wir die Dinger aus den Vorschiff-Luken. Großartig. Und sogar einen Kocher haben wir bereits.  Einen Coleman-Benzinkocher. Ein Panikkauf aus dem ersten halben Jahr als wir losgesegelt sind. Da hatte Achim noch Angst, dass die Küche kalt bleiben könnte, weil wir nicht immer und überall Gas zum Kochen finden würden. Als Not-Gerät sollte dann dieser Kocher dienen. Natürlich gibt es immer und überall eine Möglichkeit an Gas zu kommen. Daher lag der Coleman sieben Jahre unbenutzt neben den Schlafsäcken. Jetzt kommt er endlich zum Einsatz.

Ein erfolgreicher Testlauf mit Coleman

Die Ladefläche von Fiedl ist umgeklappt und vollflächig mit Körben, Kisten und Zeug vollgestapelt. Gleich geht es los. Zwei Wochen sind geplant. Die Werft schließt ebenfalls bis zum 5. Januar. Das passt gut, da geschieht am Schiff sowieso nichts weiter.

Mal sehen, ob wir das mit dem Zelten noch hinbekommen. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist grandios: 25 Grad, Sonne und eine leichte Brise. Nur nachts geht es runter auf 14 Grad. Achim packt gerade noch lange Unterhosen und eine Decke extra ein. Urlaub wie vor 35 Jahren. Das kann spannend werden. Vielleicht noch das rote Tiger Balm her kramen gegen steifen Rücken?


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Ein geschältes, nacktes Schiff

Fr., 18.Dez.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2758, 24.688 sm von HH

Wenn ein Kiwi sagt, die Arbeiten beginnen nächste Woche, dann ist das auch so. Am Montagvormittag wird Peter bei uns vorstellig. Peter hat bereits letzes Jahr bei Norsand gearbeitet, war ein halbes Jahr in Fiji und hat heute wieder seinen ersten Arbeitstag. „Peter ist der Beste“, oder auch „keiner arbeitet so schnell und gut wie Peter“, wurden uns seine Leistungen schmackhaft gemacht. Wir treffen sogar jemanden, der eine Osmosebehandlung nur wegen Peter bei Norsand hat vornehmen lassen. Das klingt vielversprechend.

Als erstes schleift Peter mit der Flex ein Stück Testfläche runter bis ins GFK.  Er möchte die Feuchtigkeit unter den Antifouling-Schichten messen. Das Feuchte-Messgerät schlägt bis in den roten Bereich aus und piept aufdringlich. Über 25 Prozent Feuchtigkeit. „Gut wären 15 Prozent, besser noch weniger“, findet Peter.

 

Ausschlag bis zum roten Bereich

Er holt seinen Hobel. Ein kräftiges Gerät mit Messern, die im Kreis rotieren. Damit soll der gesamte Rumpf abgeschält werden. Im ersten Schritt schält Peter drei Millimeter ab. Zu wenig. Der Apparat piepst. Vier Millimeter. Bei viereinhalb Millimetern ist Peter zufrieden. „Wenn ich diese Dicke abschäle, nehme ich alle Osmoseblasen mit. Viel tiefer ist der Schaden noch nicht gedrungen. Ihr macht das Refit genau zur rechten Zeit.“
Achim und ich schauen uns entsetzt an. Viereinhalb Millimeter? Da bleibt doch nichts vom Rumpf übrig! Peter lacht und haut beherzt auf die dünne Stelle. „Doch, doch, diese alten Schiffe sind dick genug. Nach dem Trocknen legen wir zwei Schichten Matte nach, an kritischen Stellen vier. Kein Verlust an Stabilität, aber der Rumpf wird wie neu.“

Viereinhalb Millimeter sollen runter

Atanga wird geschält

Schwerstarbeit für Peter – von alleine macht der Hobel das nicht – dafür braucht es Kraft

 

Was können wir anderes machen als vertrauen? Wir nicken zustimmend. Peter setzt den Hobel an und legt los. Wie ein Schaf wird Atanga kahl geschoren. Quadratmeter über Quadratmeter wir sie nackig gemacht.
Der Hobel ist ein Gerät direkt aus der Hölle. An Bord ist der Lärm nicht auszuhalten. Wir flüchten vom Schiff. Achim dient Peter als Handlanger beim Aufbau des Gerüstes und dem Spannen der Staubfang- Folie. Der meiste Abrieb landet direkt per Staubsauger in einem Müllbehälter. Was daneben geht, darf Achim nach  Feierabend auffegen. Arbeiten werden hier ganz pragmatisch nach Fähigkeit verteilt.
Die Arbeit des Schälens ist ein Quadratmeterpreis (48 Quadratmeter Rumpf-Fläche hat Atanga). Die Nebenarbeiten werden per Stunde abgerechnet. Alles, was wir leisten können, läuft nicht auf die Rechnung. Prima, da helfen wir gerne.

Aufbau der Folien zum Auffangen vom Material

Die Arbeit muss zwei Tage wegen Dauerregen unterbrochen werden. Aber am Donnerstag geht es weiter. Peter rasiert und rasiert.
Ein paar Überraschungen tauchen natürlich auch noch auf. Das eine Lenzrohr vom Cockpit wurde offensichtlich an die falsche Stelle gebohrt. Statt das Loch mit Fasermatte abzudichten, hat man einfach einen Pfropfen reingesteckt und überlaminiert. :mrgreen: Fusch am Bau, nennt man das wohl.

Ernsthafte Probleme oder gar substantielle Fehler legt Peter zum Glück nicht frei. Aber man kann gut erkennen an welchen Stellen der Osmose-Fraß bereits zugeschlagen hat.
Atanga ist jetzt – geschätzt – 200 Kilo leichter. Leichter an Wasser und Material. Schlank ist unser altes Mädchen geworden. An Bord scheint durch die Ritzen vom Innenausbau jetzt Licht. Das gab es vorher nicht. Uns hinterlässt das nachdenklich.  Aber Peter lacht alle Bedenken weg: „Keine Sorge, da ist noch genug Material übrig geblieben. Und freut euch, jetzt braucht ihr keine Lampen mehr im Schrank.“ Peter arbeitet nicht nur schnell und gewissenhaft, Peter ist auch ein Quell der lustigen Sprüche.“

Wo es dunkler ist – da ist es feuchter und es handelt sich um eine Vorschädigung

Auf einmal scheint die Sonne durch Ritzen im Holz

Atanga steht jetzt nackig da. Dreimal wird sie jetzt mit einem Hochdruckreiniger abgespritzt (Achim ;-) ), um Salzwasser und Säure, die sich durch die Osmose gebildet hat, auszuwaschen. Und dann soll sie austrocknen.

Atanga – das geschorene Schaf

 

*** Das  Spannen der Folie ist irgendwie unsinnig. Auf dem Beton könnte man  viel effektiver fegen. Aber die Stadtverwaltung Whangarei schreibt diese Maßnahmen vor, und die Werft hält sich dran, weil es Kontrollen gibt. Vor den Gullis auf dem Hof ist Flies gelegt, damit bei Regen keine „Substanzen“ in die Kanalisation gelangen.
So weit, so gut. Aber jetzt wird es interessant. Sämtlicher Abrieb vom Schiff kommt in schwarze Säcke. Die Säcke landen in der normalen Mülltonne auf dem Werft-Hof. Und der gesamte Müll der Tonne auf einer Mülldeponie. Dort wird alles verbuddelt. Müllverbrennung gibt es nicht. Neuseelands grüner Ruf – da bröckelt er dahin.


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Zuwachs in der Flotte

Mo., 14.Dez.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2754, 24.688 sm von HH

Unser neues Flotten-Mitglied ist 17 Jahre alt, hat 125 PS, 188.000 Kilometer auf der Uhr und ist Japaner. Ein silberner Kombi -Toyota Corolla Fielder. Den unüblichen Zusatz Fielder hat unser Auto, weil er für den japanischen Mark gebaut wurde. Wir taufen ihn Fiedl.
Erst 2016 erfolgte der Import nach Neuseeland. Die Warnungen der Seitensensoren schimpfen uns auf Japanisch an sobald man einem Laternenpfahl zu nahe kommt. Auch der Bordcomputer zeigt entsprechende Schriftzeichen, ein fröhliches Raten, was das Auto uns wohl sagen will. Ansonsten ist mit dem Wagen aber alles okay, abgesehen vom Lenkrad auf der falschen Seite.

Eigentlich wollten wir einen Campervan kaufen. Nahezu jeder Neuseeland-Reisende kauft einen Campervan. Die ultimative Lösung, um das Land zu erkunden. Ein Fahrzeug zu kaufen, anzumelden und zu versichern ist einfach, es wieder zu verkaufen ein ebenso kleines Problem.
Vor Corona wurden die Dinger im hunderter Maßstab angeboten. Für jedes Budget war etwas dabei. Nach Schließung der Grenze haben die Kiwis die ganzen Dinger aufgekauft. Die Neuseeländer sind sowieso große Camping-Fans und Outdoor-Menschen. Jetzt, wo sie selber nicht mehr reisen können, hat sich das noch verstärkt.
Die letzten Campervans werden im Raum Auckland (Lockdown-Zone  – da dürfen wir im Augenblick nicht hin) oder auf der Südinsel angeboten. Zu doppelten Preisen wie vor zwei Jahren. Whangarei ist nicht der Nabel Neuseelands, im Umkreis von hundert Kilometern gibt es nicht mal einen Camper zu mieten. Diese Alternative müssen wir uns schnell aus dem Kopf schlagen.

Eine andere Idee muss her. Ein Auto in dem man, zumindest zur Not, schlafen kann. Wir finden Fiedl bei „trade-me“ dem neuseeländischen ebay. Der einzige Kombi. Ich schreibe den Verkäufer an, ob wir den Wagen besichtigen können. Er ist sofort bereit zu uns zu kommen und den Wagen vorzustellen. Der Typ ist komisch. Mein geheimer Tipp für ihn, eröffne keinen Gebrauchtwagen-Handel, du wirst nur wenig Kunden haben. Achim hat auch ein Gefühl. Aber Fiedl gefällt uns. Super sauber, alles funktioniert, guter Allgemeinzustand. Auch bei einer Probefahrt überzeugt die Kiste. Wir reservieren Fiedl bis zum nächsten Tag.

In Neuseeland kann man den Werdegang eines Auto für 9 Euro überprüfen lassen: Fahrgestellnummer, ob schon mal beim TÜV durchgefallen, ob er mal geklaut wurde, den Kilometerstand, Laufleistung zwischen den TÜV-Intervallen, alle ehemaligen Kennzeichen und vieles mehr.
Fiedl ist sauber.

Am nächsten Tag treffen wir uns erneut mit dem Verkäufer. Beim hiesigen ADAC, dem AA, erfolgt die Ummeldung und wir können ihn auch dort versichern. Bargeld lacht – 2.450 Euro wechseln den Besitzer und Fiedl gehört eine Stunde später uns.
Wir fahren den Verkäufer dann noch nach Hause. Er hat ja nun kein Auto mehr. Der etwas merkwürdige junge Mann wohnt auf einem Boot. Fünfzehn Kilometer im Inland, mitten auf einer Wiese. Total idyllisch. Er schnieft in sein Taschentuch: „Ich bin traurig, dass ich ihn verkauft habe, so ein schöner Wagen.“ Wie rührend. Drei Tage später kommt eine Mail: „Ich hoffe, dass Euch der Wagen gefällt und alles in Ordnung ist.“ Vielleicht sollte der Kerl doch in den Gebrauchtwagen-Handel einsteigen.

So idyllisch kann man auf einem Boot wohnen

Bleibt jetzt noch das Fahren auf der linken Seite. Fiedl hat Automatik, das erspart uns das ungewohnte Schalten mit der linken Hand. Achim, schon trainiert vom Leihwagen, gibt mir eine Fahrstunde.
Jetzt passieren zwei Dinge auf einmal. Der Chef hält sich für den bessern Fahrer und ich finde, dass ich bonforzionös fahre. Superkalifragilistisch. Der Chef bremst im Pedal freien Fußraum und hält sich so komisch  fest. Ich finde es überraschend einfach mit der falschen Seite. Der Wagen lässt sich gut fahren und nur einmal versuche ich mit dem Scheibenwischer zu blinken.  Wir düsen über die sonntäglich leere Landstraße. Achim machen meine 60 km/h schweißfeuchte Hände. Sonst lässt er sich doch auch gerne von mir durch die Lande kutschieren – da wird er sich wohl noch gewöhnen müssen. :mrgreen:

Unser kleiner Kombi – als Fahrer, da lacht Achim noch


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Leben auf der Werf und geplante Arbeiten

Di., 07.Dez.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2747, 24.688 sm von HH

Wo sind wir denn eigentlich gelandet? Das Norsand Boatyard liegt in Whangarei mitten im Industriegebiet. Wir sind umzingelt von Handwerksbetrieben und Kleinindustrie, wie die Beton-Fabrik gleich hinter dem Zaun. Keine Restaurants, keine Wohnhäuser, keine Geschäfte. Bis zum nächsten Supermarkt sind es drei, bis in die City von Whangerei vier Kilometer. Dort ist die Auswahl an Geschäften mehr als ausreichend. Alles vorhanden, was wir benötigen.

Die Betonfabrik sorgt gut für Staub – im Hintergrund der Fluss

Der Weg mit dem Fahrrad verläuft an einer viel befahrenen Ausfallstraße entlang und ist Radler unfreundlich. Gesamt Whangarei (50.000 Einwohner) ist komplett aufs Auto fahren eingestellt. Zebrastreifen und Fußgängerüberwege sind Mangelware – Fahrradwege existieren gar nicht, Fahrradständer ebenso wenig. Der Vorteil, dass man nicht auf Radler eingestellt ist, es gibt auch keine Verbote für uns. Quer durch die Fußgängerzone mit dem Rad –  erlaubt. Na, zumindest nicht verboten.

Auf der Werft gibt es gute Duschen (heißes Wasser – 0,60 Cent für 6 Minuten) und saubere Toiletten. Außerdem Waschmaschinen und Trockner für einen anständigen Preis. Wenn die Werftarbeiter Feierabend haben, dürfen wir Auf-dem-Schiff-Wohner die Pausenecke der Arbeiter benutzen – inklusive kostenlosem Gasgrill.

Grillen am Sonntag mit Carla und Alex – gleich beschlossene Sache – das machen wir jetzt jeden Sonntag

Die Leute, einschließlich der Besitzer des Boatyards, sind freundlich und der Laden ist aufgeräumt. So ordentlich, dass ich über das komplette Gelände ziehen musste, um altes Holz für die Konstruktion eines kleinen Arbeitstisches unter Atanga zu finden.

Aus Holzresten entsteht ein passabler Tisch

Farbe, Antifouling oder Abwasser auf den Grund zu leiten, ist strikt untersagt. Da wird hier – untypisch für Werften – sehr darauf geachtet. Aber jedes Boot bekommt alte Kanister, in denen Grauwasser aus der Spüle und dem Waschbecken aufgefangen werden kann. Unsere Toilette ist natürlich nicht nutzbar. „Jedes Boot an Land mit einer Crew über 50 braucht einen Pipi-Eimer für die Nacht“,  so ein Segelfreund. Wir haben jetzt auch einen. :mrgreen:
Ich bin kein Held auf der Leiter. An einem Abgrund von 1500 Metern zu turnen, ist mir egal. Ich kann auch auf den lustigen Glasfenstern mit Blick in die Tiefe in Wolkenkratzern stehen, aber der Übergang von der Badeplattform auf die Leiter – da gruselt es mich. Dann noch im Dunkeln, nein danke, ich nehme den Eimer.

An guten Tagen geht es zwanzig Mal am Tag die Leiter hoch – die hat runde Sprossen – wer baut denn so etwas?

Achim und ich haben bereits mit unseren Arbeiten angefangen. Wellendichtung getauscht, Holzrahmen zum Lackieren demontiert, Segel abgeschlagen und vieles mehr. Bislang sind wir aber die einzigen, die an Atanga arbeiten.

Zwei große Projekte sollen von Norsand übernommen werden.

1. Der Rumpf – der wird komplett von Antifouling-Resten befreit und bis auf die GFK-Fasern abgeschält. Dann muss der Rumpf trocknen, damit die Osmose-Behandlung überhaupt erfolgreich durchgeführt werden kann. Nach dem Trocknen wird der Rumpf gespachtelt und er erhält eine wasserdichte Sperre (um erneute Osmose zu vermeiden). Diese Arbeiten erfolgen in einer Halle. Spätestens ab dem Zeitpunkt dürfen wir nicht länger an Bord wohnen.
Da der Rumpf nun einmalig neu aufgebaut wird, haben wir uns entschieden nicht wieder Antifouling zu streichen, sondern Copper Coat als Schutz gegen Bewuchs auftragen zu lassen. Das soll mindestens zehn Jahre halten.

Das Schälen des Rumpfes soll noch vor Weihnachten fertig werden. :lol:

2. Das Deck – der alte Teakbelag kommt runter. Damit das passieren kann, müssen alle Beschläge, Klampen und der Mast demontiert werden.
Anschließend werden die Löcher im Deck mit denen das Teak im Augenblick noch verschraubt ist, zugespachtelt. Anschließend werden eventuell vorhandene Wasserschäden beseitigt. Der neue Belag kann aufgebracht werden. Wir haben uns gegen Holz entschieden. Es soll ein Teak-Imitat aus Kunststoff (Flexi-Teak nennt sich das Produkt) aufgeklebt werden. Dies erfolgt ebenfalls in der Halle.

Mit den Arbeiten soll im nächsten Jahr begonnen werden. :lol:

Standzeit auf dem Trockenen – drei bis vier Monate, wenn alles gut klappt.
Wenn es in dem Tempo weiter geht wie bisher … unendlich.
Ich glaube fest daran, dass sich die Kiwis bereits im Weihnachtsmodus befinden. Die Weihnachtszeit fällt in den Hochsommer und die Haupturlaubszeit. Alle Neuseeländer haben frei, treffen die Familie und fahren in die Ferien. Also, wird schon. Geduuuuld.


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Covid-19 Maßnahmen in Neuseeland

Fr., 03.Dez.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2743, 24.688 sm von HH

Ab heute gilt in Neuseeland ein Ampelsystem gegen Corona. Und das neu eingeführte Prinzip von „No-Covid“. Diese Ampel kennt allerdings nur zwei Farben. Die Südinsel ist komplett orange (orange ist das neue gelb in NZ) und die Nordinsel ist rot-orange gestreift. Northland, der Distrikt in dem wir uns befinden, wurde auf rot gesetzt. Grün wurde gar nicht vergeben. Bislang gab es ein Drei-Level-System mit diversen Unter-unterstufen und der Grundsatz „Zero-Covid“.Ob sie es nun Ampel oder Level nennen – uns egal, wir sind ja geimpft. Dachten wir.

Achim, bei uns der Mann für Formulare und Anträge, hat die leidvolle Aufgabe uns für „my-vaccine-pass“ anzumelden. Diesen Impfpass benötigt man mit Einführung der Ampel, wenn man als Geimpfter z.B. ins Restaurant oder zum Friseur gehen möchte. Pflicht-Impfung ist in Neuseeland kein Thema, hier sollen Impfunwille durch Ausschluss und Zutrittsverbote in die Knie gezwungen werden.

Im ersten Schritt wird unsere ausländische Impfung geprüft und im zweiten Schritt werden wir dann ins Gesundheitssystem aufgenommen. Die Anmeldung scheitert schon mal daran, dass wir keine Neuseeländische (oder Australische) Gesundheits-Ident-Nummer nennen können. Eine Führerscheinnummer genügt ebenfalls, haben wir aber auch nicht.
Die Internetseite hilft: „Können Sie sich nicht anmelden, dann wenden Sie sich an eine Apotheke oder Sie stellen einen schriftlichen Antrag – Bearbeitungszeit und Prüfung der ausländischen Impfung mindestens drei Wochen.
Na prima, und dann ist Weihnachten, da arbeitet doch kein Mensch. Ich bekomme eine mittelschwere Zornes-Krise. Für meine Freiheit habe ich mich impfen lassen und nun stecke ich als Geimpfte in einem Lockdown, der Ungeimpfte bestrafen soll! Ahhhrrrggh …

Wir versuchen es erst mit dem Apotheken-Tipp und steigen aufs Rad. In der ersten Apotheke kann uns die junge Dame nicht helfen. Sie kommt gar nicht ins System –auch nicht, wenn wir eine NZ-ID hätten.
Die Kiwis gelten als neugierig. Zum Glück. Die Dame in der Schlange hinter uns, die unser Gespräch mit der Apothekerin belauscht, hat das Wissen, das Ärzte ins System kommen können. Wir bräuchten nur einen Arzt aufsuchen.

In der zweiten Apotheke (mit großem Impfbereich am Eingang) kann uns der freundliche Mann ebenfalls nicht helfen. Achim versucht es mit Trick 17: „Wie wäre es, wenn wir uns Boostern lassen, bekommst du uns dann ins System eingetragen?“ Nein, er schüttelt den Kopf.  Ohne Erstimpfung und Registrierung der entsprechenden Chargen-Nummern sieht er keine Möglichkeit. Achim zieht das volle Register: „Nehmen wir an, wir wären gar nicht geimpft und würden uns jetzt an Ort und Stelle impfen lassen, was wäre dann?“ Diese Dreistigkeit macht den jungen Mann nervös. Dann ginge es, nickt er widerwillig.
Gut, soweit wollen wir nicht gehen. Es brächte uns auch nicht wirklich weiter. Mindestens drei Wochen Abstand zwischen den Impfungen plus zwei Wochen Wartezeit auf die sogenannte Vollimmunisierung, da wären fünf Wochen ins Land gezogen. Da ist ja die Antragsbearbeitung schneller.

Impfbereich in der Apotheke

Zufällig ist neben der Apotheke ein Ärztezentrum. Wir erinnern uns an den Tipp der Kundin und treten an die Rezeption. Zufällig ist die Dame hinter dem Tresen Deutsche. Sie hätten Patienten-Aufnahme-Stopp :roll: , sie kann uns leider nicht helfen. Aber sie kennt einen Arzt, zufällig Deutscher, der nimmt noch Patienten. Sie gibt uns seine Telefonnummer.

Wir rufen den Arzt an. Wendy, eine freundliche Stimme am anderen Ende hört sich unsere Sorgen an. Ja, sie hat Zugang zum System und sie ist sofort bereit uns zu helfen. Wir sollen ihr unsere Impfausweise und Pässe schicken. Sie will es versuchen. Am Abend kommt eine SMS: heute noch kein Erfolg, sie hat aber eine Anfrage an die zuständige Stelle geschrieben. Sie meldet sich morgen wieder. Parallel schicken wir nun doch den Antrag zum Gesundheits-Ministerium. Besser zwei Eisen im Feuer.

Von unseren neu eingetroffenen Schiffs-Nachbarn, Carla und Alex (Engländerin und Österreicher), die die gleichen Probleme haben, dass jeder, der bei der Einreise getestet wurde eine Gesundheits-ID angelegt wird. Die bräuchte man nur heraus bekommen. :mrgreen:

Am nächsten Morgen bekommen wir eine Mail vom Gesundheits-Ministerium. Hurra! Angehängt sind unsere vorläufigen „My-vaccine-Pässe“ – gültig bis 14.Dezember. Was danach passiert, wird nicht ausgeführt.
Ob nun unsere eigene Initiative oder die von Wendy zu diesem Erfolg geführt hat, ist nicht heraus zu bekommen. Vielleicht müssen wir noch mal die Idee von Carla und Alex aufgreifen.
Wir nehmen, was wir bekommen. Elf Tage dürfen wir uns jetzt frei bewegen. ;-)

Schon mehrfach in größeren Orten haben wir mobile Impfstationen in Campervans gesehen


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Mit dem Slipwagen aus dem Wasser

Di., 30.Nov.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2740, 24.688 sm von HH

Um 16:00 Uhr schallt ein Pfiff über den Fluss. Hochwasser. David gibt uns ein Zeichen, dass wir in die kleine Bucht mit der Slipanlage einfahren sollen. Wir gehen Anker auf und tuckern zur anderen Seite. An einer provisorischen Peer binden wir Atanga kurz fest, damit unsere Leinen gegen lange Landleinen getauscht werden können. Zwei Männer halten die Landverbindung aufrecht während Achim mit Atanga auf den Slipwagen zusteuert, der mittig vor der Rampe wartet.

Atanga fährt zwischen die Stützen über dem Gestell – der Radlader wartet schon

Zwischen vier langen Stützen kommt Atanga zum Stehen. Die Stützen sind auf ein Eisengestell montiert und können mit Hilfe von Ketten und einem Spannmechanismus an die jeweilige Schiffsbreite angepasst werden. Kevin kommt an Bord und übernimmt die Ausrichtung des Bootes. Das erfordert Feingefühl und die Ausrichtung benötigt seine Zeit. Immer wieder kurbelt er an der einen, dann an einer anderen Stange.
Der Trailer unter dem Eisengestell wird angehoben, Atanga etwas aus dem Wasser gehoben und sorgfältig ausbalanciert. Sogar Achim und ich kommen als Trimmgewichte zum Einsatz. „Stellt euch Backbord, jetzt nach vorne“, lauten die Anweisungen von Kevin. Als alles zu seiner Zufriedenheit ausgerichtet ist, holt uns David mit dem Dinghy ab. Alle müssen runter vom Schiff.

Atanga ist bereit für den Zug aus dem Wasser

Jetzt zieht ein Radlader langsam den Trailer aus dem Wasser. Atanga taucht auf. Scheckig, nur noch Reste verschiedener Antifoulings der letzten Jahre kleben am Rumpf. Stellenweise ist das Antifouling komplett abgefahren – die letzte Pinselung ist 28 Monaten her. Der Rumpf ist mit grünem Schleim überzogen, gewachsen in der überdüngten Bucht von Opua. Harter Muschelbewuchs ist nicht vorhanden. Achim hat einen guten Putz-Job in Papeete geleistet. Heute kommt die Wahrheit ans Licht.

Kevin ist nicht zufrieden. Skeptisch schaut er auf Atangas Kiel. Der liegt im letzten Drittel nicht wie gewünscht auf den Holzplanken auf. Nein, so geht das nicht, befindet er. Atanga wird zurück ins Wasser geschoben. Die Stützen werden wieder gelöst, Atanga im Gestell etwas nach vorne gezogen, Stützen erneut ausgerichtet und ein zweites Mal zieht der Radlager am Trailer. Diesmal sitzt es.
Es ist spät geworden, alle machen zufrieden Feierabend. Atanga bleibt an der Rampe stehen. Unsere erste Nacht auf dem Trockenen.

Atangas Kiel schwebt im hinteren Drittel in der Luft – das darf nicht sein

Am nächsten Morgen erfolgt eine Hochdruckreinigung. Und dann tauchen auch die Osmose-Blasen deutlich sichtbar auf. Gespannt schauen wir uns die Blasen an, die wir vor zwei Jahren aufgeschnitten und wieder gefüllt haben. Und meine Reparatur nach dem Korallen-Rampler. Die meisten haben gut gehalten. Nur zwei, drei sind erneut aufgequollen. Wir klopfen uns mal auf die Schulter – macht ja sonst keiner. Richtig gut sieht der Rumpf leider nicht aus. Unsere Osmose-Reparaturen

Ein guter Abscheider sorgt dafür dass die Reste vom Antifouling nicht in den Fluss gelangen

Osmose-Schäden

Stellenweise erkennt man einige neue Bläschen

Noch am Nachmittag schaut Lance bei uns vorbei. Lance ist der Supervisor für unsere geplanten Arbeiten. Er wird die Arbeiten koordinieren, zeitnah einen Kostenvoranschlag erstellen und die Arbeit und Arbeiter einteilen. Ein ruhiger, sympathischer Kerl. Wir hoffen, dass wir viel Freude gemeinsam haben werden. :-)

Das Gestell mit den vier Stützen bleibt solange wir an Land stehen

Ein Leben auf der Leiter hat begonnen.


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