Ein Kompass im Epoxybett – eine gewagte Reparatur
30.08.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.109, 29.265 sm von HH
Das Innenleben unseres Kompasses ist auf dem Weg von Australien kaputt gebrochen. Die Kompassrose hing auf halb acht und etliche Kleinteile klöderten unter der Glaskuppel. Ursprünglich war der Kompass mit Dämpfungsflüssigkeit gefüllt. Die ist schon seit Generationen verdunstet. Somit ist zu vermuten, dass der Kompass seit dem Stapellauf von Atanga – April 1989 – noch nie geöffnet wurde.
Alles geht kaputt auf Langfahrt. Aber doch nicht ein Kompass. Made in Germany. Ein Cassens & Plath.
Unser hat nun Schieflage. Ob man das reparieren kann?
Entsprechend verhalten sich die Schrauben. Achim rückt denen mit diversen Schmier- und Hilfsmitteln aufs Gewinde. Ohne Erfolg. Am Ende hilft nur Aufbohren. Das Deckglas bekommt dabei auch ein paar Riefen verpasst, bleibt aber heil.
Die Kompassrose, Kardanringe, Magnete und Halterungen ergeben ein hübsches Puzzle. Der innere Kunststoffring zum Halten der Rose ist in mehrere Teile zerbrochen. Das sieht nach Totalschaden aus!
Eine Mail an Cassens und Plath bringt die Erleuchtung, dass dieser Kompass nicht mehr hergestellt wird. „Aber es soll eine Firma geben, die Kompasse repariert.“
Ein Blick ins Sortiment von Cassens und Plath verdirbt einem die gute Laune. Ein neuer Kompass liegt bei knapp eintausend Euro.
Ein hübsches Puzzle – links die vier Teile vom inneren kardanischen Ring.
Obwohl Kompasse aus der Mode gekommen sind, weil Elektronik den Kurs viel präziser anzeigt, entspricht es guter Seemannschaft, einen funktionierenden Kompass an Bord zu haben. Fällt die Elektronik aus – Blitzschlag – findet man trotzdem nach Hause zurück.
Achim nimmt sich das Puzzle vor.
Der zerbrochene Kunststoffring ist das größte Problem. Ein Ring bedient die Schwingung der Rose auf der Längsachse, der andere die Querachse. Gebrochen ist der innere Ring mit nadeldünnen Stiften, die in einen zweiten Ring gehängt werden, der im Kompass-Gehäuse steckt. Die vier Kunststoff-Teile mit Klebstoff zusammenzufügen, scheitert. Die Flächen sind zu filigran, um Haftung zu erzeugen.
Damit die Ringe gut schwingen, sind sie aus gelochtem Kunststoff gefertigt, um möglichst leicht zu sein. Den Gewichtsvorteil möchte Achim nicht zerstören. Also tränkt er einen Wollfaden in Epoxy und fügt mit diesem klebrigen Faden die vier Teile des Ringes wieder zusammen. Wider Erwarten hält das gut.
Der mit einem Epoxy-Wollfaden zusammengefügte kardanische Ring.
Die Kompassrose selber – mit ihren Magneten auf der Unterseite – balanciert auf einer Spitze. Die Spitze ist nötig, damit sich die Rose möglichst reibungsfrei drehen kann. Damit die Kompassrose bei Seegang nicht von der Nadel springt, ist die Nadel von einer vierblättrigen „Rosette“ umgeben.
Zwei dieser Blätter sind ebenfalls abgebrochen. Auch die klebt Achim mit Epoxy fest. Hier ist ‚nicht überschmieren‘ wichtig. Die Kompassrose soll beim Tanzen möglichst wenig die vier Blätter berühren. Sonst würde die Rose nicht rund laufen und man navigiert besser nach Sonnenuntergang.
Die Magneten kleben wieder unter der Kompassrose.
Zwei der vier Blütenblätter waren abgebrochen – Epoxy sei Dank.
Überflüssiges Epoxy wird in der Küchenspüle mit dem Dremel abgeschliffen.
Ein erster Testlauf in der Lagune ist vielversprechend. Der Kompass macht, was er soll: Er zeigt nach Norden. Nur mit der Längsachsen-Bewegung ist Achim noch nicht ganz zufrieden. Zu träge erscheinen ihm die Schwingungen.
Er nimmt noch einmal das Deckglas ab, um die kurzen, nadelfeinen Steckverbindungen an den kardanischen Ringen etwas zu bewegen. Knack. Das, was bislang noch nicht gebrochen war, ist jetzt kaputt.
Am äußeren Ring ist eine Wand des Aufnahmelochs der nadeldünnen Aufhänger des inneren Rings abgebrochen. Ein neues Loch bastelt Achim wieder aus getränktem Epoxy-Wollfaden (was Blöderes sei ihm nicht eingefallen, sagt er). In die reparierte Stelle bohrt er ein neues, einen Millimeter starkes Loch. Noch einmal schleifen. Fertig.
Was für eine coole Reparatur. Der Bastel-Held auf Atanga. Filigranes ist nicht sein Lieblings-Spiel. Zu ungeduldig er ist. Schon zu Kinderzeiten waren, nach eigenen Angaben, seine geklebten Falla-Häuschen mit Uhu verschmiert und die unordentlichsten neben der Modelleisenbahn.
Warum der Kompass auf einer Seegangs armen Strecke so zerbrochen ist, können wir uns nicht erklären. Es scheint, dass der Kunststoff vom Kompass am Ende seiner Lebenszeit angekommen ist. Die Reparatur funktioniert zunächst einmal. Ob sie starken Seegang überlebt, muss noch bewiesen werden. Wir brauchen wohl mittelfristig einen neuen Kompass.
Hatte schon mal jemand einen ähnlichen Kompass-Verfall? Und habt Ihr ihn auch reparieren können? Und wie?
Alles läuft wieder – Atanga auf dem richtigen Kurs.