Joyeux Noël – Adventszeit in Nouméa
So., 21.12.25; Neukaledonien/Nouméa; Tag 4.222
Die Adventszeit beginnt verhalten in Nouméa. Von vorweihnachtlicher Betriebsamkeit ist nichts zu spüren. Keine Schokoweihnachtsmänner im Supermarkt, keine Lichterketten, kein Weihnachtsmarkt.
Die kleinste Weihnachts-Schokoladen-Abteilung, die wir je gesehen haben. Rechts, nicht mehr im Bild, stehen bereits Dosensuppen. Kein einziger Adventskalender.
Unser „typisches“ Weihnachten ist tatsächlich eine rein deutsche Angelegenheit.
Adventskränze mit den vier Kerzen kennt man im Grunde nur im deutschsprachigen Raum. Es ist sogar überliefert, dass es den ersten Adventskranz 1839 gegeben hat. Folgerichtig von einem Deutschen erfunden.
Hinter dem gemütlichen Kerzenschein steckt die pädagogische Lösung für ein Problem, das wohl alle Eltern kennen: „Wann ist endlich Weihnachten?!“
Johann Hinrich Wichern war ein Theologe und Gründer des ‚Rauhen Hauses‘ in Hamburg. Ein Heim für Kinder aus armen Verhältnissen. In der Vorweihnachtszeit wurde er von den Kids so sehr mit der Frage gelöchert, dass er sich einen visuellen Countdown überlegte.
Der erste Adventskranz war kein zierliches Gesteck, sondern ein echter Brummer: ein massives, altes Wagenrad. Wichern bestückte das Rad mit insgesamt 24 Kerzen. Vier dicke weiße Kerzen markierten die Sonntage, während kleine, rote Kerzen für die Werktage dazwischen standen.
Der Wichern-Kranz war zwar eine tolle Idee, aber für die meisten Wohnzimmer schlichtweg zu riesig. Im Laufe der Zeit passierten zwei Dinge. Um 1860 kam das Tannengrün als Symbol für Hoffnung dazu und aus Platzgründen (und vermutlich auch aus Brandschutzgründen) schrumpfte die Kerzenzahl auf die vier Sonntage zusammen.
Es dauerte fast 100 Jahre, bis der evangelische Brauch dann auch in katholischen Gegenden populär wurde. Heute ist er aus keinem Wohnzimmer mehr wegzudenken.
Der Adventskalender ist ebenfalls eine deutsche Erfindung. Bevor es gedruckte Kalender gab, erfanden Eltern im 19. Jahrhundert kreative Zählhilfen, um die quengeligen Fragen der Kinder zu stoppen. Angefangen hat es mit Kreidestrichen an der Tür, wovon jeden Tag einer weggewischt werden durfte.
Der Verleger Gerhard Lang gilt als Vater des modernen Kalenders. Seine Inspiration: Als Kind nähte ihm seine Mutter 24 Plätzchen auf einen Karton. 1903 bringt er den ersten gedruckten Kalender raus. 1920 gibt es die ersten Türchen zum Öffnen. Erst 1958 kam Schokolade in den Kalender.
Kränze und Kalender sucht man in Nouméa vergebens. Sicherlich dem französischen Einfluss geschuldet. In Frankreich ist Religion Privatangelegenheit. Die zur Schaustellung religiöser Symbole in Schulen und Ämtern ist verboten. Christliche Weihnachtslieder werden in staatlichen Einrichtungen nicht gesungen. Ein Balanceakt in den Kitas, welches Lied gerade noch erlaubt ist.
Man wollte 1905 den Einfluss der Kirche auf die Politik beenden. Heute ist dem Franzosen die ‚ Laïcité‘ schon fast heilig – eine Art Grundgesetz der Freiheit.
In Nouméa findet der große ‚Bang‘ am 13. Dezember statt. Schon Wochen vorher hatten wir gesehen, dass in dem hübschesten Park der Stadt, der ‚Place des Cocotiers‘ große Torbögen, Traversen und Gestelle errichtet werden. Eine Hundertschaft an Helfern umwickelt jeden einzelnen Baum mit Lichtergirlanden. Hebebühnen und Krane fahren umher. Ein Pavillon ist geheimnisvoll mit einem Sichtschutz umwickelt.
Die Installation der Lichterketten. Wochenlanges Arbeiten.
Wir sind am Eröffnungsabend der „Fête de la Lumière“ pünktlich zur Stelle. Vor die große Lichtershow haben die Veranstalter eine Tanz-Gesang- und Geigenvorstellung gelegt. Der Andrang ist groß. Die Darsteller bestehen überwiegend aus Mädchen und Frauen. Ich kann nur vier Jungs entdecken. In den Ansprachen schwingt französisches Pathos mit. „Spectacle“ und „Magnifique“ fallen häufig.
Die Geigerei war zum Glück noch schöner als die Kostüme der jungen Damen. Es wurden keine Weihnachtslieder gespielt.
Das Motto der Weihnachtstage lautet jedes Jahr Feenwelt. Krippe und Jesuskind finden nicht statt.
Die großen Mädchen haben die Feen-Kleider.
Nach einer Stunde ist die Vorstellung zu Ende. Inzwischen ist es dunkel. Alle warten gespannt. Ein Countdown ertönt. Und ich bin mir sicher, dass ab heute Abend Nouméa aus dem Weltall zu erkennen ist.
‚Klotzen, nicht kleckern‘, die Devise der Stadtväter. Ein gelungenes Lichterfest.
Mit dem letzten Gong wird feierlich der Pavillon enthüllt. Eisig in Szene gesetzt: Eisbären und Pinguine tümmeln sich Seite an Seite.
Palmendekoration
Monströse Gerüste über dem Brunnen auf dem Platz. Der Brunnen ist so schon acht Meter hoch.
Das Herzstück ist der Torbogen, gleich neben dem Brunnen.
Zum Entzücken der Kinder schneit es neben dem Brunnen. Schnee dürfte für viele Kinder (noch) unbekannt sein. Daher merkt es auch keiner, dass es sich beim Schnee um Schaum handelt.
Die Flammenbäume stehen tagsüber in roten Flammen, da sie zur Zeit in voller Blüte sind – abends gut in Szene gesetzt.
Die Bäume sind riesig – hunderte Meter Lichterketten wurden verarbeitet.
Einen kleinen Weihnachtsmarkt gibt es ebenfalls auf der Festmeile: Kerzen, selbst gemachte Konfitüre und Seife. Der übliche Weihnachtsmarkt-Dreikampf. Keine Kränze, keine Gestecke, keine Krippen.
Nette, bunte Weihnachtsmeile bei sommerlichen Temperaturen.
Bis Heiligabend finden jeden Abend einstündige Vorstellungen im beleuchteten Park statt: Clowns, Zauberkünstler oder Gesangsvorstellungen. Die sind in erster Linie auf Kinder zugeschnitten und nicht so gut besucht, wie der Eröffnungstanz. Aber, wenn es dunkel wird, flaniert halb Nouméa durch die leuchtenden Torbögen.
Heiligabend soll das Lichterfest seinen Höhepunkt erfahren. Der Weihnachtsmann wird erwartet. Seine Ankunft soll jedes Jahr auf eine andere Weise erfolgen. Mal per Boot, mal seilt er sich ab. Wir planen dabei zu sein. Heiligabend unterwegs, das ist ungewöhnlich.
Unser Weihnachtsbraten wird also auf den 1. Weihnachtstag verschoben. Der liegt seit zwei Tagen in seinem Sud aus Rotwein und Essig. Achim hat sich Sauerbraten gewünscht.
Bei 30 Grad. Plus Knödel und Rotkohl [Feed the beast, keep the peace].
Wir wünschen Euch, liebe Leser, ein wundervolles Weihnachtsfest. Vielleicht auch mal ganz anders als üblich? Die Dinge einfach auf den Kopf stellen?
Habt ein Fest voller Überraschungen. Genießt Eurer persönliches ‚spectacle‘. Seid ‚magnifique‘ und lasst es Euch gut gehen.
Frohe Weihnachten!
Frohe Weihnachten wünscht die Atanga Crew.
Mele ne halla Noël *** Ia ora na e te Noere *** Merre Kristmas
















