Monat: Juli 2018

SV El Toro – Christian Schiester + Daniela Bärnthaler AT

WAS IM LEBEN WIRKLICH ZÄHLT

Christian Schiester

SV Squatina – Joergen Holmbo DK

NACH 20 JAHREN HAT DER WINDPILOT SICH DAS BEIN GEBROCHEN

Wann immer ich eine BOWMAN 46 CC sehe, frage ich mich, warum solche Schätze nur noch Hand verlesen vorhanden sind, denn die Linien sind Wohltat und Honig zugleich für Augen und Seele. Leider kann man in derartige Schiffe keine Ikea Möbel oder Einbauküchen montieren, weil Schönheit aussen, drinnen ihre Konsequenzen hat.

Joergen hatte mich von Horta auf den Azoren angerufen, er wollte nach vielen Jahren der Bequemlichkeit unter Windpilot, keinen Meter mehr selber am Ruder stehen. Aber sein Windpilot war krank, hatte sich das Bein gebrochen. Es sollte schnell gehen – GANZ SCHNELL. Das haben mit Hilfe portugiesischer Flugmaschinen fast über Nacht geschafft. Rudermontage ging flott, der Anker wurde zeitgleich an Deck geholt … und Joergen ist zwischenzeitlich in der Heimat eingetroffen … aber die Fotos von seinem schönen Schiff brennen mir immer noch in den Augen.

SV El Toro – Christian Schiester + Daniela Bärnthaler AT

WAS IM LEBEN WIRKLICH ZÄHLT

Christian Schiester

Der Himmel über Peniche.

Seit Mitte Mai folge ich nun einhand segelnd für mein neues Buch den Küsten und Inseln West-Europas. Von Sizilien zu den Balearen. 
Über Südspanien durch die Straße von Gibraltar nach Portugal. 
Und entdecke immer wieder Orte, von denen ich nie zuvor etwas hörte. 
Doch vielleicht ist gerade das das Geheimnis.

Es mag weiß Gott schönere Städte geben in Portugal als Peniche. Das wehrhafte Obidos, ein paar Kilometer landeinwärts. Coimbra. Doch mir gefiel Peniche von der ersten Sekunde an. Ich fühlte mich zuhause. Es war, als wäre ich hier in der Bretagne angekommen. Der kleine Flusslauf mit seinen Schleusen vor der Stadtmauer. Die einfachen Bistros und Cafes entlang der kopfsteingepflasterten Hauptstraße. Der rauhbeinige Charme des Fischereihafens östlich der Marina, über dem werktags  eine Sirene heult, ganz wie über der Ziegelei in dem kleinen Ort im Schwäbischen, wo ich als Kind meine Ferien verbracht hatte. Das Schreien der Möwen, die endgültig hier an diesem Ort anders lärmten als noch ihre schmächtigeren Vettern drüben im Mittelmeer. Ein Geschrei, das mir unmissverständlich sagte, dass ich angekommen war im Atlantik. 

Vor allem aber hatte es mir gleich nach meiner Ankunft der Himmel über Peniche angetan. Duftige Wolken, die gleich Landschaften über dem Ort im blauen Leuchten des Abendhimmels über dem Kastell schwebten, um sich dann irgendwo in der Weite des Blau zu verlieren. Sobald die Leinen fest waren, nahm ich meine Kamera. Und ging auf die Jagd, ohne zu wissen, wohin sie mich führen würde.

Kaum, dass ich das rostige Gitter des Hafens hinter mir gelassen hatte, stand ich auf der Pier und schaute auf den Ort. Ein fast bretonisches Gewirr kleiner Häuschen, die sich in Reih und Glied den schmalen Hügel bis zum wuchtigen Kirchturm hinaufzogen. Einfache Restaurants und Tavernen, die alles andere versprachen als ein 5 Sterne Menü. Ein alter Fischer, der an der Festungsmauer lehnte

und blaue Handzettel für ein Restaurant mit dem Namen eines Fisches verteilte, während ich den Hügel hinauf strebte, um nur ja den besten Punkt, den günstigsten Moment zu erwischen, in dem der Himmel besonders Blau und die Wolken besonders mächtig waren.

Warum bewegt uns ein Anblick, ein Bild? Welche Zahnräder, welche Säfte setzt unser Hirn beim Anblick des tiefen Blau und der Weite in Bewegung, dass das aufkommt, was wir „Begeisterung“ nennen und „Staunen“, zwei der wertvollsten Gefühle, die ich kenne und die man nur allzu leicht im Geschiebe und Getriebe immergleicher Tage verlernt?

Zum Zauber des Reisens gehört die Gabe der Begeisterung. Und ein Stück Nicht-Wissen. Nicht zu wissen, was Dich erwartet, wenn Du eine Stadt betrittst, als wärest Du ein Entdecker aus einer anderen Welt. 

Als ich ankam, wusste ich nichts über Peniche – außer dass mir der Klang dieses Namens gefiel. Peniche, das man weich mit kurzem e und dafür mit endlos langem i aussprach: P’nie:sch. Ich wusste nicht, dass der Fluss mit den Schleusen vor der Stadtmauer kein Fluss war, sondern der Rest eines Meeresarms, der davon erzählte, dass Peniche noch vor ein paar hundert Jahren eine Insel gewesen war. Dass Peniche im Grunde ein Anhängsel der vor der Stadt liegenden Inseln der Berlenguas war. Ich hatte keine Ahnung, dass die Stadt einst wie heute vom Sardinenfang lebt und die zweitgrößte Sardinenflotte Portugals im Hafen liegen hatte. Scheinbar verlassen und vergessen, wie der alte Ort am Abend vor mir lag, hatte ich noch nicht begriffen, dass Peniche von zwei Arten Schwärmen lebt: Den Sardinen- und den Besucherschwärmen, letztere kamen der Sanddünen wegen hierher und 

wohnten in den großen Hotels am langen Sandstrand südlich der Stadt. Ich hatte keine Ahnung, dass die verlassen daliegenden kleinen Häuschen in respektvollem Abstand zur Festung die einstigen Behausungen der Fischer waren, die in diesem ärmlicheren Viertel der Stadt gelebt hatten. Wer mit dem Boot in einer Stadt ankommt, hat stets das Glück des Ahnungslosen, der seine Bekanntschaft mit der schönsten Seite eines Orts macht. Oft ist wie bei der ersten Begegnung der Anflug des Verliebens, der Moment, in dem man nicht mal mehr bemerkt, dass man sein Gegenüber aufmerksamer und aufmerksamer betrachtet, darin versinkt und sich selbst vergisst.

Und manchmal erzählen Mauern etwas über ein Leben. Wie so viele Befestigungen an Portugals Küste verdankt die Mauern von Peniche ihre Entstehung einem Engländer. Sir Francis Drake, der Held meiner Kindertage, war in den 1580ern an dieser Küste unterwegs. Auf der Suche nach einem Stützpunkt, um der spanischen Armada gleich vor ihren Heimathäfen zu begegnen, damit sie gar nicht erst Englands Gewässer erreichen könnte. Zerstörend, weil er den Feind schädigte, wo er es nur konnte und nach und nach eine Art persönlichen Krieg gegen Philipp II. von Spanien und seine Statthalter nicht nur in der Neuen Welt führte. Plündernd, weil es vor allem ums Geldverdienen ging. Er war Unternehmer, genauer gesagt: Freibeuter, der mit dem Kaperbrief ihrer Majestät, doch vor allem mit dem Geld seiner Investoren der Londoner City etwas Gewinnbringendes anstellen musste. Am Interessantesten waren da natürlich die Transporte aus den Gold- und Silberminen Südamerikas nach Spanien. Er griff sie sich, wo er konnte: In der Karibik. Im Pazifik vor der Küste Südamerikas auf seiner Weltumsegelung. Und hier, vor  der Küste Westspaniens und Portugals, in Cadiz. Vor Cabo São Vicente oder vor Lissabon.

Die Kolonialmacht Spanien wirklich aus dem Geschäft drängen? Dafür reichten seine Kräft nicht. Aber den Beginn der Seemacht Großbritanniens markieren. Und dafür sorgen, dass Spanien – um den ungeheuren Gold- und Silberstrom aus Südamerika nicht zu gefährden, seine Küsten schützen und viel Geld für die Sicherung der Transporte ausgeben musste und den Handel empfindlich zu stören: Das konnte er. Und das tat er hingebungsvoll bis an sein Ende.

Und Peniche? Ich werde ein paar Tage bleiben. Und den Geheimnissen des Ortes weiter nachspüren.

SV Lusi – Mike George NZ

CIRCUMNAVIGATION DONE – 33.000 SM

Hello Peter,
We are now nearing New Zealand (3 months & 2000 miles to go) and our Pacific windvane has worked very well since we bent the pushrod off South Africa. It has steered us 33,000 miles around the world, in 3 years, to this point.
Best regards
Mike George – SV Lusi

SV Lusi – Mike George NZ

SV Bajka – Ela + Lukas + Nael + Ilian Erni CH

OVNI 435 VON LE HAVRE NACH TAHITI

Lieber Peter,
Nun haben wir schon den Atlantik und den halben Pazifik überquert und der Windpilot namens Petterson steuert unser Boot tip top. Wir sind begeistert und es macht Spass ihn und das Boot einzustellen.

Wir sind überrascht, dass es immer noch Cruiser gibt, die ohne Windsteueranlage unterwegs sind. Dafür klagen sie darüber, dass sie den Motor laufen lassen müssen, um die Batterien zu laden :=).
Nun haben wir endlich den Film über die Installation des Windpilotes auf unserer Ovni mit Badeleiter fertig. Die Idee mit der Deckelmontage hat prima funktioniert.

Die Montage auf dem Deckel der Badeleiter hat sich bestens bewährt.
Gruess aus Tahiti
SY Bajka
Ela, Lukas mit Nael und Ilias

MONTAGE DER WINDPILOT
BAJKA BLOG

SV Lusi – Mike George NZ

CIRCUMNAVIGATION DONE – 33.000 SM

Hello Peter,
We are now nearing New Zealand (3 months & 2000 miles to go) and our Pacific windvane has worked very well since we bent the pushrod off South Africa. It has steered us 33,000 miles around the world, in 3 years, to this point.
Best regards
Mike George – SV Lusi

SV Lusi – Mike George NZ

Istvan Kopar

DIALOG MIT DEM HERSTELLER FEHLANZEIGE

Istvan Kopar

Antoine antwortet – Istvan nicht

DIE DINGE KOMMEN IN BEWEGUNG

Public dialog

Riobamba

Sa.,14.Jul.18, Ecuador/Riobamba, Tag 1505, 13.337 sm von HH

Riobamba entpuppt sich nach dem schlechten Start mit den kalten Pommes doch noch als Glücksgriff. Eine komplett Touristen freie Zone. In drei Tagen sehen wir nur ein weiteres weißes Touri-Pärchen. In den Straßen laufen überwiegend Indeginas, die Meisten in ihrer Tracht. In einer Stadt mit einer 150.000 Einwohner hätten wir das so nicht erwartet. Die Stadt bietet deutlich mehr als nur der Standort für Ausflüge ins Umland zu sein. Selbst Reiseführer und Reisetipps im Internet behandeln diese Stadt etwas stiefmütterlich. Total zu Unrecht, wie wir finden.

Riobamba hat schöne Ecken

Riobamba hat schöne Ecken

Lebendiges Riobamba am Tage

Lebendiges Riobamba am Tage

Bis ca. 1480 war die Region Zentrum der Puhurá-Kultur, die sich mit den aus Peru kommenden Inka heftige Kämpfe lieferte. Letztendlich wurden die Puhurá von den Inka unterworfen. Mit Einzug der Spanier 50 Jahre später ging die Inka Kultur unter. Die Inka haben trotz ihrer kurzen Herrschaft den Puhurá ihre Sprache, das ‚Quechua‘, hinterlassen.
Heute leben über 200.000 Puhurá in der Region um Riobamba, die Quechua als erste Hauptsprache sprechen.

Riobamba gehört den Indiginas
Hochzeitskutsche mit Maultier
Hochzeit in Riobamba

Die Altstadt von Riobamba ist erst 200 Jahre alt, da das ursprüngliche Riobamba bei einem Erdbeben nahezu komplett zerstört wurde. Zwanzig Kilometer entfernt entstand das neue Riobamba.

Durch Erdbeben zerstörte Kirchenfront an anderer Stelle wieder aufgebaut

Durch Erdbeben zerstörte Kirchenfront an anderer Stelle wieder aufgebaut

 

Unser Problem, dass wir abends keine Restaurants in Laufnähe vom Hotel haben, lösen wir indem wir es wie die Ecuadorianer halten. Wir machen das Mittagessen zu unserer Hauptmahlzeit. Hinter dem Markt finden sich etliche Fressbuden. Die wohl leckerste Schweinerei ist ‚Cerdo horneado‘ – eine Art Spanferkel. Mit krachender Schwarte und gut gewürzt ist es eine Köstlichkeit, wenn man nicht so auf den Kopf, der einen anlächelt, achtet.
Abends leeren sich schnell die Straßen, es ist nicht nur uns zu kalt draußen. Auf unter zehn Grad fallen die Nachtstunden, während es sich  tagsüber bis auf T-Shirt-Wetter aufheizt.

Cerdo horneado

Cerdo horneado

 

 

 

 

Unter Segeln: Nachts nach Lissabon. Der widerspenstige Fluss. Die Stadt. Und ihre Musik.

Seit Mitte Mai segle ich nun für mein neues Buch entlang den Küsten Europas. Von Sizilien zu den Balearen. Über Südspanien durch die Straße von Gibraltar nach Portugal.
Und jetzt von Sines nach Lissabon. Doch die Route hat ihre Tücken.

Wieder einmal hate ich die Gezeiten unterschätzt. Oh ja: Diesmal hatte ich meinen Tidenkalender studiert. Niedrigwasser in Lissabon um 23.45 Uhr. Das hieß: Bis dahin starker Strom genau gegen mich aus der Stadt hin zum Meer. Ab Mitternacht alles still und keine Strömung mehr. Deshalb hatte ich auch meine Ankunftszeit auf kurz vor Mitternacht verlegt. Und mir einen Hafen ausgesucht, bei dem ich nicht mühevoll gegen den Ebbstrom flußauf motoren müsste. Die Marina von Oreias schien mir am geeignetsten. Nicht so weit von Lissabon entfernt wie das westlich gelegene Cascais. Zudem konnte ich nach Oreias meinen Nordkurs einfach beibehalten und einfach vor Mitternacht den fallenden Strom des Tejo queren. So hatte ich mir das jedenfalls gedacht.

Vor dem Tejo legte der Wind in der Dunkelheit zu. Nicht viel. Nur 15 Knoten. Doch das reichte, um den auslaufenden Ebbstrom der vier Kilometer breiten Mündung in ein gischtendes Gebrodel zu verwandeln. Wind gegen Strom, hatte mir vor Jahren ein italienischer Segler erzählt, der seine Hallberg-Rassy von Southhampton ins Mittelmeer überführt hatte, das könne „lethal“ sein. Tödlich. So schlimm war es nicht, doch beeindruckend allemal, wie die 15 Knoten Brise, die mich den Nachmittag und Abend bis Lissabon geschoben hatten, plötzlich dass braune Flusswasser zu einem wirren Mix aus Strudeln, Zipfelmützen, aufgeworfenen Wellen und an der Bordwand brechenden Wogen werden ließen, dass Levje trotz Vollzeug von einer Seite auf die andere geigte. Und ein ums andere Mal von einem Strudel aus dem Kurs gedreht wurde. Verstärkt wurde das Ganze durch ein Flach, dessen mittendrin liegendes Leuchtfeuer der Insel Bugio war mir ein Trost in der Dunkelheit, während ich den Tejo und damit auch das Fahrwasser der Großschiffahrt im rechten Winkel zu kreuzen suchte. Prompt kam von linkss ein Containerfrachter auf, er tat sich leichter als ich, gegen den Strom anzumotoren, und eh ich mich versah, war der schwarze Bug bedrohlich groß und die sieben hell erleuchteten Stockwerke der Aufbauten bis auf eine halbe Meile an Levje heran. 

„Jetzt aber fix“, rief ich mir zu, während ich den Zündschlüssel drehte und richtig Gas gab, obwohl wir mit vollen Segeln liefen. Ich hatte Glück, denn auch der Frachter drehte beim Leuchtfeuer Bugio nach Süd, ich war aus dem Schneider. Doch kaum das Fahrwasser gequert, kam die nächste Herausforderung. An der Nordseite des Tejo, in Sichtweite der Marina Oreias, setzte der Strom besonders stark. Die Maschine lief. Die Logge zeigte knapp vier Knoten Fahrt durchs Wasser. Doch das GPS zeigte 0 Knoten über Grund. Wie jetzt?! Das Wasser rauschte doch an der Bordwand entlang? Ich gab mehr Gas. Langsam kam die Anzeige. Bei normaler Marschfahrt hatten wir endlich jämmerliche 2 Knoten auf der Logge. Beeindruckend, welche Kraft der über 1.000 Kilometer lange Tejo an der Mündung entwickelt. Ich machte mir Sorgen, wie ich das gewundene enge S der Einfahrt in die Marina Oreias nehmen könnte – zeigte es doch genau in die Strömung. Zwei Mal tief durchatmen. „Du schaffst das! Du wirst jetzt nicht Deine Levje auf die Kaimauer setzen. Denk nach, wie Du’s machst!“ Ich nahm Anlauf. Levje schoß mit sieben Knoten auf die enge Einfahrt zu. Um dem wirbelnden Strom zu entgehen, beschloß ich, die Fahrt im Schiff zu halten und die Einfahrt mit Speed frontal anzusteuern. Noch zehn, noch fünf Meter. Da, die brutal hohe Steinschüttung links und rechts. Hart Ruder nach links, auf die Steuerbordmole zu. Jetzt gibts kein Zurück mehr. Kurz vor der Steuerbordmole hart Backbord auf die Backbordmole zu. Ich erwischte in der Strömung genau die Mitte der Einfahrt. Verflixt eng ist das. Oder scheint es mir jetzt um Mitternacht nur so? Jetzt wieder Steuerbord, dem S folgen. Und plötzlich – Windstille! Und kein gischtender Fluss mehr, sondern Stille. Reglose Stille wie auf einem Dorfteich. Ich war in der Marina. Und deren Vorhafen war tatsächlich kaum größer als ein Dorfteich. Schnell stoppte ich Levje auf. Da hinten am Steg F leuchtete eine Taschenlampe auf. Da war Miguel, der Marinero, mit dem ich telefoniert hatte, ob ichs wirklich wagen könnte. Und wies mich ein. Als ich den Motor abstellte, spürte ich ein leichtes Zittern in den Knien. Und unendliche Erleichterung. 

 

Am nächsten Morgen lag die Insel Bugia, deren grünes Leuchtfeuer mir nachts den Weg gewiesen hatte, friedlich in der Mündung des Tejo, die ich in der Nacht zuvor gequert hatte. Als wäre nichts gewesen. Von der Marina aus wandere ich den Paseo da Mar flußaufwärts und dann zur U-Bahnstation. 


Nach vielen Tagen auf See trifft mich die Großstadt wie eine Keule. Auf dem Weg zum nautischen Museum muss ich tief durchatmen. Nach der Weite draussen nun die Enge. Nach dem langsamen Gleiten nun Beschleunigung. Nach dem Anblick von Felswänden und gleichförmigen Wellen jetzt die Welt in all ihrer Buntheit und Geschwindigkeit, die das Hirn lockt und neckt und kitzelt…

Lissabon ist Auf und Ab. Das Bairro Alto, das Ausgehviertel, liegt auf halber Höhe, ich schlendere die Calçada de Combro entlang zur Praça Luis de Camãos, einem der zentralen Plätze. Jede Stadt hat ihre Musik. Man kann sie schon hundertmal gehört haben. Doch nirgendwo entfaltet Musik mehr Kraft als an dem Ort, an dem sie entstand und dessen Lebensgefühl sich in ihr spiegelt. Ein Bodran-Spieler in einem irischen Pub auf der Dingle-Halbinsel. Sinatra im vorweihnachtlichen New York. Vivaldi an einem Nebeltag über den Sestiere Venedigs. Edward Elgars Pomp & Circumstance klingt nirgendwo ergreifender als in Paddingon Station, West London, gespielt nach Feierabend von den Eisenbahnern selbst. Und jetzt, in Lissabon, spült mich eine Band von den Kapverden mit einem Song von Cesaria Evora vor dem Convento do Carmo, dem beim Erdbeben von 1755 verwüsteten Kloster der Karmeliterinnen, einfach weg.

Doch immer ist Steigerung möglich. Eine Bühne im Bairro Alto. Eine Sängerin mit Band, die einfach den Fado singt, bis sich diese Mischung aus Freude und Trauer auch über mich legt, bei der man nie sicher weiß, ob nun das eine oder das andere die Oberhand gewinnen wird. Nichts kann diese leise Trauer und den Mix dieser Stadt aus Europa und Westafrika besser spiegeln als der Fado an diesem Ort.

Der Chimborazo

Sa.,14.Jul.18, Ecuador/Riobamba, Tag 1505, 13.337 sm von HH

Wieder ein Tipp aus unserem Wanderführer: ‚Fahr bis Pulingui – auf 3.850 Meter mit schönem Blick auf den Chimborazo‘. Der Wanderführer gibt noch mit auf den Weg, dass man den Bus nach Guaranda nehmen muss, der 8x täglich fahren soll.

Den Chimborazo wollen wir sehen. Als erloschener Vulkan ist er schließlich der höchste Berg der Welt mit 6.310 Metern. Schöne Grüße an dieser Stelle an den Mount Everest. Das war wohl nix, du Zwerg. Der Chimborazo ist um 2000 Meter höher vom Erdmittelpunkt aus betrachtet als der Everest. Auf Grund ihrer Rotation ist die Erde keine Kugel und der Chimborazo steht ausgerechnet an der dicksten Stelle der Erde, dem Äquator (fast zumindest).
Der Gletscher des Chimborazo ist leider bereits um 70% geschrumpft. Zum einen wegen der Erderwärmung. Zum anderen hat sein Asche spuckender Nachbar Tungurahua Schuld daran, da sich die Asche auf dem Gletscher ablagert.

Wir stiefeln diesmal also zum großen Busbahnhof von Riobamba. Am Schalter mit den Bussen nach Guaranda kennt man Pulingui zunächst nicht. Die Schalter-Mietze fragt ihren Kollegen, wir am Nachbarschalter und dann ‚ah, die Erleuchtung‘, der Bus fährt tatsächlich über Pulingui. Wir kaufen zwei Tickets.

Die Ernüchterung beim Ticket-Kontroll-Jungen am Bus als wir ihn bitten uns an der richtigen Stelle zum Aussteigen Bescheid zu sagen: Pulingui kennt er nicht. Nie gehört, no, nix, nada.
Macht nichts, nett und hilfbereit, wie die Südamerikaner sind, rennt er los und fragt irgend jemanden und kommt Freude strahlend zurück. Si, wir sind richtig und er sagt Bescheid. Wir steigen in den Bus.

Nach 45 Minuten ruft der Ticket-Junge uns an: „Raus, raus hier!“ Wir steigen aus. An einer gottverlassenen Landstraße stehen linker Hand eine Handvoll Häuser. Ob das Pulingui ist? Wir wissen es nicht. Ein Ortsschild gibt es schon mal nicht.
Wir nähern uns dem Minidorf. Traditionell mit Schilf gedeckte Häuser, ein paar Hühner und ein Herzlich-Willkommen-Schild auf deutsch, mehr ist nicht zu sehen. Aber wir haben volle Sicht auf den Chimborazo. Wolkenfrei steht er da vor uns. Imposantes Teil.

Willkommen im Nirgendwo

Willkommen im Nirgendwo

Wohnen auf 4000 Meter ohne Heizung - unvorstellbar

Wohnen auf 4000 Meter ohne Heizung – unvorstellbar

Chimborazo - der höchste Berg der Welt  ;-)

Chimborazo – der höchste Berg der Welt ;-)

Die Schneekuppe vom Chimborazo

Die Schneekuppe vom Chimborazo

Ein staubiger Erdweg führt näher an den Berg heran. Die Steigung des Weges ist mäßig, so dass wir auf knapp 4.000 Meter tatsächlich ohne Sauerstoffzelt voran kommen. Es ist arschkalt und extrem windig. Windstärke sieben, mindestens, in Boen verliert man das Gleichgewicht, wenn man nicht aufpasst. Der Wind beißt ins Gesicht und nur weil wir uns schnaufend vorwärts bewegen, kommen wir mit unseren Klamotten klar. Achim hat eine lange Unterhose im Rucksack. Das möchte ich sehen, wie er bei der Kälte die Büx auszieht, um den Longjonni unterzuziehen. :mrgreen:

bitterkalt

bitterkalt

 

Traumwetter

Traumwetter

Die Schneegrenze liegt bei 4.800 Metern, die Baumgrenze haben wir bereits bei 3.500 Metern überschritten. Obwohl das in diesem Teil der Anden keine Rolle spielt. Die Berge sind komplett Baum frei. Ecuador hat ganze Arbeit geleistet und alle Wälder abgeholzt. Auf jedem Quadratmeter wird Landwirtschaft betrieben.

Es ist staubig und die Luft unglaublich trocken. Unsere Handflächen sind wie Pergament und wir können nicht mal ein Taschentuch richtig greifen. Ohne Labello platzen die Lippen auf wie ein gutes Krustenbrot.
Die trockene Luft zieht mir die letzte Feuchtigkeit aus dem Gesicht. Ich kann förmlich die Falten spüren, wie sie sich bilden. Die knitterigen Mütterchen von gestern waren wahrscheinlich auch noch zehn Jahre jünger als ihre Optik sie wirken lässt.

Aber es ist traumhaft schön hier oben. Nicht einen Tag möchten wir hier leben, aber die raue Landschaft hat auch ihre zarten Seiten. Hochalpin finden sich zwischen dem Gras unendlich viele Blüten, die sich stengellos zwischen die Gräser ducken. Im Windschatten ist es so warm, dass wir beim Picknick unsere Mütze und Windbrecher für einen Moment vergessen können, aber wehe, der eklige Wind trifft einen.

Die Landschaft wirkt eintönig vom Bewuchs, aber zwischen dem Gras wohnen die Schätzchen

Die Landschaft wirkt öde, aber zwischen dem Gras wohnen die Schätzchen

Eine wunderschöne Szenerie

Eine wunderschöne Szenerie

 

Unbekannte blassblaue Schönheiten

Unbekannte blassblaue Schönheiten

Krokusse ?

Krokusse (?) wer weiß es?

Wir bleiben bei unseren Streifzügen am Füsse des Chimborazo in der Nähe der Landstraße, denn wir erwarten einen Bus in umgekehrte Richtung zurück. Der sensationelle Blick auf den wolkenfreien Vulkan lockt eine Hand voll Radfahrer und ein Pärchen aus Quito in diese einsame Gegend. Wir bekommen mehrfach Angebote zum Mitfahren, leider in die falsche Richtung.
Falls kein Bus vorbei kommt, könnten wir noch immer einen Wagen mit der Ladefläche voll Kohlköpfe stoppen. Tatsächlich kommt dann ein Bus und natürlich hält er auf Handzeichen. Dafür schließt man Südamerika noch fester ins Herz.

Unser erstes Lama

Unser erstes Lama