Monat: August 2015

Die vergessenen Inseln: Heute auf Spetses. Oder: Reich und Arm, engbeieinander.

 

Ganz ohne Zweifel überrascht die Insel Spetses wie kaum eine andere Insel – und das gleich in vielerlei Hinsicht.
 
Monemvasia verließ ich, weil der Wetterbericht für die folgenden Tage Starkwind aus Nord ankündigte. Aber kaum, dass ich den Hafen von Monemvasia verlassen hatte, und voller Freude, dass endlich mal Wind wehte: schlief er auch schon wieder ein, der Wind. Die Ostseite des Peloponnes – ein Windloch, zumindest in diesem Jahr. 
 
Am nächsten Tag das selbe Spiel: Wetterbericht 5 bft. aus Nord. In der Bucht von Kiparission wehte es – also nix wie raus, 1. Reff. Kaum hatten wir sechs Seemeilen von der Küste weg zurückgelegt: Aus. Flaute. LEVJE liegt klappernd weit vor der Küste in den Kalmen – und in sich überschlagenden Wellen, die meine LEVJE elend hin und herwerfen. Mein Schiff, ein wehrloser Spielball dieser mutwilligen Wellenbrüder aus allen Richtungen. Also Motor.


 
Und weil mich der kürzeste Weg an die Ostseite von Spetses führte, genau zwischen Spetses und dem kleinen, östlich vorgelagerten Inselchen Spetsopoula (ja. Genau so.) hindurchführte, kam ich an einer unwiderstehlichen Bucht vorbei. Windgeschützt nach Norden. Nur einer dieser Schiff gewordenen Segelträume vor Anker. Und das wunderschöne RIVA-Boot eines Deutschen, der im Strohhut in den Himmel schaut. Ich konnte nicht anders. Hier mußte ich sein. Und blieb drei Tage, bis mich der Wind scheuchte, der so garstig am Spätnachmittag des dritten Tages die Wellen in die Bucht trieb: dass ich LEVJE fast auf den Strand setzte, nur um im aller-allerinnersten Winkel der Bucht eine halbwegs geschützte Ecke für uns zwei zu finden.
 
Aber RIVA-Boot und Riesenyacht: Das hatte es in sich. Das mußte ich rauskriegen. Also ruderte ich am am späten Nachmittag mit meinem Dinghi an Land, ließ LEVJE allein schaukelnd in der Bucht zurück und machte mich zu Fuß auf den Weg nach Spetses, etwa drei Kilometer im Norden. 
 
Überraschung Nummer 2:
Während ich in der Hitze des Spätnachmittags auf der kleinen Teerstraße hügelauf, hügelab, nach Norden wackle, stelle ich zweierlei fest: Wunderschöne Villen zuhauf. Nein nicht „Neureichs“, sondern wunderschöner alter Bestand. Keine einzige Architektur, die das Auge stört. Fast Südfrankreich: kleine, verschachtelte Gebäude in parkähnlichen Landschaften. Hinter hohen Mauern plötzlich ein bisschen Bretagne. Wo bin ich hier im Osten von Spetses bloß hingetreten?
Das andere: Dass auf meiner Straße zwar Verkehr ist: Oh ja, jede Menge Roller, Scooter, kleiner Motorräder – aber keine Autos. Spetses gebührt nach Venedig der Ruhm, Insel ohne Auto zu sein. Jedenfalls fast. Sie sind offiziell verboten, auf Spetses. Ein paar Taxen drücken sich schamlos durch engste Gassen, zusammen mit ein, zwei Lieferwagen. Aber das war es dann fast schon. Und noch etwas gibt es zuhauf: Golfcarts. Kleine Elektromobile vom Golfplatz, auf meiner Straße geht es eher zu wie auf einem Golfplatz, sie begegnen mir mehrfach. Und gerade als ich überlege, den Daumen zu recken, hält auch schon eins an. Roberta, mit dem Golfcart ihrer Herrschaft auf Einkaufsfahrt, nimmt mich einfach mit. Und weil sie Philippinin ist und seit 13 Jahren im Dienst ihrer Herrschaft ist, hat sie die Ehre, mir als Erste zu nahezubringen: Was es denn mit Spetses, das die Venezianer „Le Isole delle Spezie“, die Insel der Gewürze tauften, so auf sich hat. Während wir also im kleinen Elektromobil holpernd gen Norden rollen, erklärt mir Roberta: Einmal im Jahr kommt die Familie, für die sie arbeitet, in ihr Sommerhaus hierher nach Spetses. Diesmal für 10 Tage. Aber jetzt, im August, würden das auch die anderen reichen Athener Familien so machen. Jede, ausnahmslos jede der reichen Athener Familien hätte ein Haus, eine Villa auf Spetses, aber in den nächsten Tagen wäre noch besonders viel los, weil die Sprößlinge zweier der reichsten Athener Familien heiraten würden – und das würde wirklich alle, alle anlocken. Auf dem kleinen Betonfeld, direkt an der Straße, auf der wir rumpelnd vorbeirollen, landet gerade ein Hubschrauber, ein Mann im Business-Anzug steigt aus, der Hubschrauber hebt gleich wieder ab. „Time es Money, so leben hier die meisten“, sagt Roberta, ohne ihre kleinen Füße vom Gaspedal zu nehmen, und Klein Tomi reibt sich die Augen, denn eigentlich wähnte er sich in Griechenland und nicht in New York.
 


 
Stotternd läßt Roberta das kleine Gefährt rechts zum Hafen abbiegen. Und da wartet die nächste Überraschung: Kein Hafen, wie man ihn kennt: Sondern ein enger Wasserschlauch, doppelt, dreifach in Reihen vollgestopft mit Booten aller Art: Kleine Fischerboote. Überdachte superschnelle Schlauchboote. Hochmotorisierte Speedboote. Segelyachten. Kaiken und Kunststoffboote, Holzyachten und Was-weiß-ich-noch. Selbst die große Autofähre zur Nachbarinsel – auf dem Foto oben im Hintergrund – schiebt sich hinein in das Gedrängel und läßt ihre stählernde Bugklappe mitten auf den Strand knallen. Ein unglaubliches Durcheinander, augenscheinlich angerührt vom Gott des Chaos, aber – und auch das ist eine Überraschung – es steckt Ordnung drin. Was man im Bild oben sieht, ist nichts anderes als einer jener Werftbetriebe, die vor 200, 300 Jahren mit ihren dort gebauten Kaiken Furore machten. Und im Befreiungskrieg vor 200 Jahren mit ihrer Flotte das Zünglein auf der Waage im Kampf gegen die Türken waren.
 


 
Aber weil heutzutage ja niemand mehr die Kaiken braucht, liegt so manches angefangene Schmuckstück einfach am Wegrand. Und die Werftbesitzer – seelig-lieblich-wohlig gefangen in griechischem Klein-Klein – vermieten einfach ihren knapp bemessenen Platz an Bootsbesitzer. Und so beschließe ich noch am Nachmittag, mit LEVJE genau hierher zu tuckern, mitten hinein in dies Chaos, und mein Glück zu versuchen, hier, wo nichts, aber auch gar nichts aussieht nach einem freien Liegeplatz.
 


 
Und so verschlägt ein launenhaftes Schicksal mich im Hafen von Spetses zum alten Kostas. Der betreibt die Betonmole im engen Hafen, genau gegenüber der weißen Autofähre. Aber: was heißt denn schon „betreiben“? Kostas hat Platz, wo kein Platz ist. Toiletten, Waschgelegenheit? Gibts nicht. Landstrom? Auch nicht. Wasser? Da bringt Kostas einfach seinen schönen blauen Schlauch und schließt ihn irgendwo an einer geheimen Öffnung an, die nur er kennt. Duschen? „Use the shower of your boat“, sagt George, der aussieht wie Kojack und mit seinem Boot neben mir liegt. Sportboot-Marina la-Spetses: Die Fischerboote liegen in zwei, drei Reihen links an der Mole. Und LEVJE wird irgendwo vorne am Molenkopf reingequetscht. Nach zähem „den-armen-Kostas-nerven“ habe ich es auch geschafft, eine von Kostas drei Murings zu ergattern. Denn meine Ankerwinsch will nicht mehr, wie ich will, und um sie zu reparieren, brauche ich einen sicheren Halt. Und für den Morgen ist Starkwind im Hafen angesagt.
 
Und weil das Leben auf Spetses ja voller Überraschungen ist, drum dirigiert Kostas eine der am Abend hereindrängenden Superyachten dahin, wo ja eigentlich nun überhaupt kein Platz mehr ist: Nämlich im Foto oben genau rückwärts an die Spitze seines Molenkopfes.
 

Also liegt plötzlich die BILMAR Zentimeter neben LEVJE. Der Auslass der sirrenden Klima-Anlage ist so groß wie LEVJEs Fock. Ich schaue die stählerne Wand drei Stockwerke hinauf, auf die Brücke. Die BILMAR: 376 Tonnen Gewicht (LEVJE: 3,76 Tonnen), 43 Meter Länge (LEVJE: 9,40 Meter) und 10 Meter Breite (LEVJE: 3,05 Meter), der Eigner der BILMAR ein echt chicer Endfünfziger im feschen Marine-Style (LEVJE-Eigner: steht gerade halbnackt auf der Pier, duscht aus seinem Wasserkanister, die Shampoo-Flasche knallt zum dritten Mal aufs Pflaster).

Vielleicht ist dies ja der Zauber von Spetses, oder einer davon: Reich und arm. Eng beieinander. Zumindest für ein paar Wochen im August.

 

Die vergessenen Inseln: Monemvasia. Am Tag.

Übers Meer sind es nach Monemvasia nur drei Stunden vom Ak Maleas, dem Kap der Stürme, der Südost-Spitze des Peloponnes. Und von Kithira im Süden acht. Und von Kreta 18. Monemvasia, der Felsen mitten im Meer mit der Stadt, über den ich gestern schrieb, liegt günstig, gleich ob man von Ost nach West oder Nord nach Süd will. Entsprechend groß ist auch der Traffic auf dem Meer. Tanker die kreuzen. Containerschiffe, die am Ak Maleas den Kurs ändern, Kreuzfahrtschiffe auf dem Weg vom Bosporus nach Olympia. Es lohnt sich, an dieser Ecke die App von MARINETRAFFIC laufen zu lassen, um auf dem iPAD zu sehen, wer da gerade wohin will, um zu vermeiden, dass LEVJE und ich gerade dumm im Weg irgendeines dahinrauschenden Ozeanriesen herumstehen.

                                                          Weiterlesen bei: Monemvasia. Die Nacht am Meer. Hier.
                                                          Weiterlesen bei: Kithira. Wo Aphrodite dem Meer entstieg. Hier.

Der Fels von Monemvasia: Keine zwei Kilometer lang und wohl nur ein Viertel so breit. An der Südseite, wo der Hang mit 45 Grad ins Meer abfällt: da bauten die Byzantiner ihre Stadt, die an dieser Stelle sicher nicht die erste war. Und sie nannten sie „Moni Emvasi“, „Einziger Zugang“, denn auf die Insel kam man nur über eine 14bogige Brücke, ich schrieb im gestrigen Beitrag darüber.

Vom Meer hinauf zur Felswand sicherten sie ihre Stadt „Moni Emvasi“ mit Stadtmauern, die steil vom  Meer hinaufsteigen. Und ganz oben, auf der Krone, dem Plateau des Felsens, mit einer Festung, die nur über einen einzigen Weg zugänglich ist. Und wüßte ich nicht ganz genau, dass „Helm’s Klamm“ in Tolkien’s HERR DER RINGE ganz woanders liegt: Ich würde hier, genau hier denken: Ich stünde davor, so verschlungen, so verschachtelt, so uneinnehmbar mutet auch heute noch der Zugang an.

Eine Weile war „Moni Emvasi“ Dreh- und Angelpunkt in den Plänen der frühen Byzantiner, das römische Reich zurückzuerobern von den Horden der Völkerwanderung, denen kein Limeswall und kein Alpenkamm zu hoch war, um nicht aus allen Ecken über das römische Europa hereinzubrechen. Was den Peloponnes, was Süditalien anging, gingen diese Pläne zunächst auf. Aber bald war Byzanz zu kraftlos, geschwächt in innere Zwistigkeiten verstrickt und konnte nicht einmal Monemvasia vor weiterer Verwüstung und Verheerung bewahren. Die Stadt war auf sich allein gestellt, bis sich Venedig der Felseninsel im 13. Jahrhundert annahm, nicht uneigennützig, wie immer, und nur bedacht, was sein Reich auf dem Meer, den „Stato da Mar“ von der Adria bis zum Bosporus mehren und sichern könnte.

Die Stadt unter dem rötlichen Felsen gedieh. Monemvasia verlieh dem wichtigsten Mittelalterlichen Wein seinen Namen, er hieß  nur „Malvasier“, weil er hier verladen und nach Nordeuropa verschifft wurde. Venedig baute Kirchen in Monemvasia, noch heute steht fast eine an der anderen und sei es nur als Ruine. Selbst, als die Stadt dann öfter den Besitzer wechselte und von den Venezianern an die Türken und von den Türken wieder an die Venzianer und wieder zurück ging: die Kirchen blieben, als wollte man den heidnischen Geist ausräuchern an jeder Ecke mit Weihwasser und Weihrauch und Sanctus.

Monemvasia: ein Ort der verwinkelten Gassen, in denen man sich leicht zurecht findet, weil die Stadt auf steilem Grund steht: Der Stadtplan kennt nur „nach rechts“, „nach links“, „nach oben“, „nach unten“: ein Labyrinth, das keines ist, die winkeligen Wege führen von Kirche zu Kirche. In der kleinen Basilika sitze ich ein Weilchen. Es war ein traumhafter Moment letztes Jahr: Die alte Küsterin, die die abgebrannten Bienenwachskerzen einsammelte, summte leise, leise einen gregorianischen Choral, ein leises Summen, das im Tonnengewölbe hallte, der Schlag eines Schmetterlingsflügels hier in der Kirche gegen den Lärm der Welt. Wenn ich ehrlich bin: wollte ich ja nur das wieder erleben. Aber wir sind ein Jahr weiter. Die Welt: Sie ist nicht stehengeblieben, sie hat sich weitergedreht. Statt der alten Küsterin ist es nun eine junge Frau, die die Bienenwachs-Kerzen, kaum dass sie entzündet, wieder herausnimmt und wegwirft. Als ich sie frage, nach der alten Frau, mehrfach, versteht sie mich nicht. So bleibt mir nur, für die alte Küsterin mit dem Choral zu beten, dass die Welt es gut gemeint hat mit ihr.

Und vielleicht ist es ein bisschen so auch mit Monemvasia heute: Die Stadt, sie verjüngt sich ständig. Der gelungene Relaunch einer Stadt, die noch vor 40 Jahren von Altern und Aussterben bedroht war, weil gerade noch ein paar Handvoll Leuten in den alten Mauern lebte. Heute: Einladende Hotels, kleine Bars, alles geschmackvoll, selbst die Kreuzfahrtschiffe ankern wieder auf der Reede und bringen mit kleinen Rettungsbooten im Pendelverkehr ihre Gäste an Land, auf die Felseninsel.

Mich aber treibt es aus den Mauern hinaus, auf abgelegene Wege, uralt, von wem auch immer zwischen den Felsen mit Meisseln hindurch geschlagen. Es ist ein alter Weg, der aus dem westlichen Stadttor genau unter dem Felsen entlang in die Abendsonne führt. Wieder einmal streift mein Fuß über Unmengen von Tonscherben, 1.500, 2.000, 3.000 Jahre, die da vor mir auf dem heute selten benutzten Weg liegen.

Der felsige, alte Weg im Abendlicht, hoch über dem Meer, ich könnte ihn ewig gehen in meinen Flipflops im Licht des Abends. Und bevor ich jetzt schon wieder in Jubel ausbreche: Wie schön die Felseninsel im Licht der untergehenden Sonne aussieht, verweise ich jetzt einfach auf meinen letzten Post. Denn der handelt ja nur von einem: Wie sie aussieht, die vergessene Insel: Wenn die Nacht hereinbricht. Über Monemvasia.


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Vom Autor von MARE PIU: 

Ein Mann verliert seinen Job.
Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.
Und reist in fünf Monaten: Von München nach Antalya.

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Die vergessenen Inseln. Monemvasia. Eine Nacht am Meer.

Zu den schönsten unter den vergessenen Inseln gehört ganz sicher Monemvasia vor der Ostküste des Peloponnes. Ein Felsen, der im Meer liegt, an den sich eine mittelalterliche Stadt schmiegt, jahrhundertelang nur erreichbar über eine Brücke, deren Mittelteil aus Holz bestand und das die Einwohner im Gefahrenfall einfach hochzogen. Und damit war die Insel – wieder eine Insel.

 

Das ging so, bis die Insel um die Jahrhundertwende verwaiste. Und 1971 gerade noch 31 Einwohner zählte. Heute ist Monemvasia wieder „in“: Cafes, Galerien, Tavernen haben in den alten Mauern geöffnet, die Straße entlang des Felsens hoch zur autofreien Stadt ist vollgeparkt bis in die Nacht. „Wir sind nichts ohne ihn“, sagt die Besitzerin der Taverne, die eigentlich aus Kanada stammt, aber seit Jahren hier in der Heimat ihrer Eltern glücklich ist, und deutet mit dem Kopf hinüber ins Dunkel zum Felsen, zur alten Festung von Monemvasia.

Womit wir dann auch beim Thema wären: Der Nacht über Monemvasia. Wenn die Sonne hinter den Bergen des Peloponnes versinkt, dann werfen die Berge ihre Schatten auf den Felsen von Monemvasia. Sie klettern höher und höher am Felsen von Monemvasia, bis die Insel schließlich vollkommen im Dunkel liegt.

Das geht ganz schnell – es dauert keine halbe Stunde vom ersten Schatten am Fuß des Felsen bis zum letzten Zipfelchen Abendröte oben.

Wenn die Nacht fällt, im Sommer, am Meer: Das ist kein gleichmässiges Verdunkeln des Himmels, wie wenn man eine Lampe herunterdimmt. Dämmerung – das ist ein Theaterstück in mehreren Akten. Da gibt es schnelle Akte und dramatische. Und langsame.
Schnell liegt der Felsen im Schatten. Aber dann liegt er lange, lange im Abendlicht, ein schartiger Klotz vor hell erleuchtetem Abendhimmel, während unten, in den Häusern, die ersten Lichter angehen.

 

Vielleicht ist dies das Beständigste an einem Sommerabend am Meer: Wie lange der Himmel sich in Helligkeit hüllt. Kein schnelles Fallen des Dunkels, als ob die Welt unter ein großes Handtuch geriete. Der Himmel: er bewahrt lange, lange sein Leuchten, auch wenn der Rest schon im Dunkel liegt.

 

Und dann, irgendwann: geht alles doch ganz schnell: Das Licht des Tages schwindet. Die Lichter der Nacht kommen: Die Lichter des kleinen Vorortes, die Lichter der Tavernen, die die Nacht zum Tag machen und die der Fels und das Meer von Monemvasia begierig spiegeln, fast wie ein Feuer. Und: die Sterne im tiefen Dunkelblau über uns.

Die Nacht am Meer: Ein Schauspiel.

 

Beinah in die Luft geflogen – und dann überfahren

Die USA sind nun wahrlich kein Fußgängerland. Auch mit Bussen und Bahnen hapert es hierzulande überall. Großstädte wie New York oder Washington DC haben gute öffentliche Verkehrsmittel – aber wer hier auf dem Land von A nach B will, hat keine…

Die vergessenen Inseln: Kythira. Wo Aphrodite dem Meer entstieg.

Woher sie nun wirklich kam, weiß niemand zu sagen. Irgendwoher aus den Tiefen von Zeit und Raum, den unermesslichen Meerestiefen der Menschheitsgeschichte, aus denen Mythen aufstiegen, Blasen gleich, zur Oberfläche, die „Gegenwart“ heißt. Mythen, die sichtbar werden in Geschichten. Mündlich weitergegeben von Generation zu Generation, gedreht und gewendet, umgedichtet, umgedeutet, neu erzählt. Doch im Kern immer dieselbe Geschichte.

Wann und wo entstand ein Abbild eines weiblichen Wesens als Förderin allen Wachsens?
Wann und wo begann die Anbetung einer Frau als Gebärerin?
Mit der Venus von Villendorf, um das Jahr 25.000 vor Christus aus einem faustgroßen Kalksteinbrocken verfertigt, gesichtslos und üppig schön, Muttergottheit? Die es nicht nur einmal gibt, sondern gleich vielfach, wie die große Steinzeit-Ausstellung in Stuttgart Anfang unseres Jahrtausends zeigte?
Begann es mit Ishtar, der wichtigsten Göttin Babylons um 3.000 vor Christus bis in die Jahre der Griechen, zuständig für Krieg und sexuelles Begehren gleichermaßen, für Wachsen und Gedeihen und Verkümmern und Vergehen? Verehrt in Hymnen, ihr Symboltier, der Löwe, angebracht am großartigen Ishtar-Tor, an dem jährlich im Berliner Pergamon-Museum Hunderttausende vorbeischreiten? Und die der Hymnus besingt:

„05   Sie voll schwellender Kraft // mit Liebreiz bekleidet
06   geschmückt mit geschlechtlicher Kraft, // Verführung und Fülle.

14  Das Schicksal von jedeinem // hält sie in der Hand,
15   in ihrem Anblick ist geschaffen Frohsinn,
16   Lebenskraft, Gesundheit, Lebensfülle, Schutz!

17   Über Geflüster, Erhörung // Liebeserweisung, Güte
18   und Zustimmung verfügt sie.
19   Das Mädchen, das ausgesetzt wurde // findet in Ihr eine Mutter.

25   Grausig ist sie unter den Göttern // ist übergroß ihre Stellung
26   Gewichtig ist ihr Wort, // und über diese ist sie mächtig.
27   Ishtar: Unter den Göttern // ist übergroß ihre Stellung.“
(zitiert von: UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN, INSTITUT FÜR EVANGELISCHE THEOLOGIE unter  https://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/meso-ishtar-hymn.htm)

Oder: Beginnt es mit Astarte, Göttin der Syrer, der Phönizier und anderer westsemitischer Völker an der Küste des heutigen Syrien, Libanon und Israel? Die Astarte verehrten als Himmelskönigin und Liebesgöttin? Mein guter Herodot dachte sich das so jedenfalls, dass damit alles begann, mit den Männern aus Thyros, den Phöniziern, die nach dem großen Zusammenbruch der alten Reiche um das Jahr 1.000 wieder begannen, als Händler das Meer Richtung Westen zu befahren. Sie waren es, sagt Herodot in seinem ersten Buch, sie, „Phoiniker, also Bewohner jenes syrischen Landes“, die die „Tempel auf Kypros von Askalon aus gegründet … und wie man auf Kypros selber zugibt, den Tempel in Kythera“ gegründet haben (Herodot I, 105).

Schenken wir also, während ich LEVJE von Süden, von Kreta kommend, auf die Insel Kythira zusteuere; schenken wir also Herodot für diesmal Glauben, auch wenn die archäologischen Beweise für seine Version bislang fehlen: Dass hier, genau hier auf Kythira, Aphrodite dem Meer entstieg. Botticelli hat sie so gemalt, sie, die später bei den Römern Venus hieß. Aber so schön, wie sich die italienische Renaissance das ausmalte, lief das nicht. Der Gründungsmythos, und hierin entspricht er ganz der mörderischen, kriegerischen Welt der Bronzezeit läuft, wesentlich grausamer. Unversöhnlicher. Kronos war es, Sohn der Gaia und des Uranos, der Erde und des Himmels, der seinem Vater auf Anstiftung der Mutter mit einer Sichel das Gemächt abschnitt. Und es hinter sich ins Meer warf. Eben jener Kronos, der aus Angst, selber entmachtet zu werden, die eigenen Kinder auffraß, auch den Demeter. Nur eines der Kinder überlebte, weil Kronos Frau es vor ihm im Gebirge auf Kreta, nicht weit von hier, keine 50 Seemeilen,  versteckte: Zeus. Aber auch da sind wir noch nicht mit unserer Geschichte.

Sondern bei dem, was Kronos verächtlich ins Meer geworfen hatte. Das brodelte und gischtete im Meer, und brandete und schäumte, der Same des Uranos, der sich mit dem Meer verband. Und dem Geschäume entstieg, so überliefert es Hesiod, Aphrodite. Zum Umfallen schön wie weiland Bo Derek. Und stieg ähnlich wie Bo Derek an Land, hier auf Kythera. Und später auf Zypern.

 

Was aus all dem wurde?

Kronos?
Natürlich überwand ihn sein Sohn Zeus, als er vom Honigwein berauscht dalag. Als Zeus ihn band, spuckte er alle Kinder, die er zuvor gefressen hatte, wieder aus: Hera und Demeter, Poseidon und… Zeus aber steckte Kronos auf eine abgelegene Insel, die Elysischen Gefilde. Und da, so geht der Mythos, lebt Kronos noch heute.

Aphrodite?
Sie legte eine unglaublich steile Karriere hin. Als Liebhaberin, als Göttin, als Model. Als Liebhaberin, weil sie chronisch untreu war. In die Liste ihrer außerehelichen Amouren – verheiratet war sie nämlich auch, mit Hephaistos, dem Schmied, aber der reichte ihr nicht – gehören ettliche prominente Namen, das „Who-is-who“ der griechischen Mythologie. Ares, der Kiregsgott, zum Beispiel. Dem jungen Paris verdrehte sie den Kopf, als der sich unter den drei Göttinen für sie als Schönste entschied – was ihm schlecht bekam. Oder der Trojaner Anchises, ein Irdischer. Aus dieser Beziehung entstand Aeneas, einer der wenigen, die den Untergang Trojas überlebten. Und als Gründer Roms dann auch gleich der Ahnherr von Julius Caesar selbst wurde.
Als Göttin machte sie Karriere, weil die Griechen sie als vielerlei verehrten. Als Himmelsgöttin und Symbol für die überirdische Liebe. Aber auch als Symbol für das irdische Begehren, Göttin der Hetären, als Porné, „die Kitzlerin“. Als Männermordende und Dunkle. Aber auch als Beschützerin der Seefahrer.
Und die Römer? Sie steigerten diese Verehrung noch einmal, indem sie einfach in heilloser Griechen-Verehrung aus Aphrodite Venus machten, eine Göttin für ein Weltreich, das das gesamte Mittelmeer umfasste. Ein Symbol für Jahrtausende.
Als Model machte Aphrodite aber die größten Furore. Botticelli! Watteau! Die Venus von Milo! Die weniger bekannte Venus von Knidos, geschaffen vom unglaublichen Praxiteles! Beide sind noch heute erhalten und können im Internet bestaunt werden. Und von der Venus von Knidos geht die Geschichte, dass die Stadt, über die ich in einem früheren Post schrieb, einst so verschuldet war, dass ihr der Gläubiger anbot, alle Schulden zu erlassen: Wenn sie nur die schöne barbusige Marmorstatue ihm überliessen.
Es spricht für die griechischen Bewohner von Knidos, dass sie genau das nicht machten. Und lieber ehrenhaft ihre immensen Schulden abbezahlten.

 

Kythira?
Ist irgendwie ein Geheimtipp unter meinen vergessenen Inseln. Irgendwie tatsächlich vergessen, das Inselchen gleich südlich des Peloponnes. Und auch Kythira hat seine schöne Tochter fast vergessen, fast. Nur ein einziges Hotel hier in Kapsali, dem netten verträumten Hafenstädtchen unter der venezianischen Festung, heißt nach ihr. Vergessen also – fast. Wären da nicht all die Anbeter der Aphrodite, die von Kreuzfahrtschiffen wie der CLUB MEDITERANEE 2 hierher an Land kariolt werden mit dem der Durchsage des Bordfunks: „Welcome in Kythira. Where Aphrodite was born!“
Aber das kann Kythira ganz locker ab.

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Vom Autor von MARE PIU:


Ein Mann verliert seinen Job.
Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.
Und reist in fünf Monaten: Von München nach Antalya.

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Hinter dem Horizont geht’s weiter – Kurztörn in die Südsee

Letzten Sonntag bin ich aus der Flensburger Förde Richtung Hohwachter Bucht aufgebrochen um dort für meinen Film zu drehen. Der Sturm, der bis vor kurzem noch vor der Hafenausfahrt lag, hatte sich gelegt und es ging mit raumen Winden angenehm aber recht langsam Richtung Kiel. Ich sollte mir doch wirklich mal ein Leichtwindsegel gönnen! Auf dem Weg traf ich dann noch diesen sehr sportlichen Angler weit draussen auf dem Wasser vorm Kieler Leuchtturm. 

Exakt 12 Stunden später habe ich dann im Dunkeln in Schilksee festgemacht und bin direkt in die Koje gefallen. Mein Kameramann Tom kam dann gegen Mittag mit dem Bus und ich hatte mein Boot schon vorzeigbar gemac ht. Wir kreuzten dann direkt gegen den Wind und durch die zahlreichen Sperrgebiete in die Hohwachter Bucht zum Rendevous mit Michel und seiner „Bluebird“. 




Vorm schleswig-holsteinischen Kalifornien trafen wir uns dann und versuchten Tom bei gut einem Meter Welle überzusetzen. Gar nicht so leicht, aber beim dritten Anlauf hat es dann geklappt. Nun fuhr ich jede Menge Manöver vor „Bluebird“. Wenden, Halsen, Butterfly. Mal weiter weg, mal gefährlich dicht vor dem Bug. Fast hätten wir auch noch eine Patenthalse mit Baum gegen den Kopf gefilmt, aber mittlerweile kenne ich das Geräusch kurz vorm Überkommen des Baumes so gut, das ich noch instinktiv den Baum mit der Hand bremsen konnte. Auch ein Vorteil eines etwas kleineren Bootes! Nachdem alle Bilder im Kasten waren kam Tom zurück auf „La Mer“ und wir drehten noch einige Szenen im wunderbaren Abendlicht. Wiederum im Dunkeln ging es dann in den überfüllten Hafen von  Laboe. Tom ging zum Taxi, ich nach einem Fischbrötchen in der Fischküche in die Koje.

Michel wollte am nächsten Tag mit seiner Frau nach Marstal segeln und ich entschloss mich ebenfalls den Schlenker durch die Südsee in meinen Heimweg nach Minde einzubauen. Also ab über den Teich in Richtung Horizont. An das Küstensegeln mit ständiger Landsicht hatte ich mich nach Erwerb meines Segelscheines schnell gewöhnt, aber es kostete mich damals in der Tat einige Überwindung irgendwann in Richtung des leeren Horizontes aufzubrechen und mehrere Stunden nur einem Kurs zu folgen, der mich an den richtigen Ort bringen soll. 

Mittlerweile geniesse ich diese Art des Segelns hinter den Horizont jedoch sehr. Wenn es gut läuft behält man stundenlang nur eine Segelstellung bei, der Autopilot übernimmt das Ruder und es sind so gut wie keine anderen Schiffe unterwegs. Tiefenentspannung. Sitzen, sich vom Meer wiegen und die Seele baumeln lassen. Ab und zu ein Rundumblick und jede Stunde die Position in die Karte eintragen. Kreuzchen für Kreuzchen nähert man sich so seinem Ziel. Der Wind passte fast bis zum Ende, dann musste ich den Diesel starten. Michel war nur kurz vor mir an der Ansteuerungstonne und nach Passieren der betonnten Fahrrinne (mit roten und grünen Bürsten zum Schrubben des Rumpfes links und rechts :-)) konnte ich mich in Marstal dann an seine Bordwand legen. Motor aus, Ruhe, Hafenkino gucken, einkaufen, kochen…Urlaub!


Morgens waren wir dann noch beim Bäcker frühstücken und sehr langsam brach ich dann auf. Die beiden legten Kurs auf Svendborg, ich musste jedoch nun Richtung West mit Windstärke 1 aus der falschen Richtung. Lediglich in der, sich wie eine Autobahn langsziehende, Fahrrinne hinter Marstal war Segeln mit ca. 1,5kn möglich. Und so trieben hier Schiff hinter Schiff langsam in einer Reihe in der strahlenden Sonne hintereinander her. Sommerstimmung pur. 

Irgendwann erreiche ich Birkholm, eine Insel mit nur 10 Bewohnern und winzigem Hafen. Die musste ich mir angucken und fahre durch die sehr schmale Betonnung mit nur sehr wenig Wasser unterm Kiel. Die Strömung vertreibt mich dabei recht schnell, also Konzentration. Ich finde sogar einen freien Liegeplatz und gehe erst auf Fototour und dann schwimmen. Herrlich klares, kühles Wasser. Ich mag gar nicht mehr aufhören. Es ist so schön hier in der Südsee. Dann mache ich mir mein Mittagessen und finde einen Platz auf einer Bank mit Blick auf das Wasser und die vorbeiziehenden Boote. Am liebsten würde ich hier für den Rest des Tages bleiben, aber ich muss noch etwas Strecke machen. 

Also weiter westwärts bis zur Küste von Avernakö. Hier steht am Ostkap ein Haus des bekannten dänischen Reeders Maersk Möller samt eigenem Hafen. Den man natürlich nicht anlaufen darf. Aber man soll hier gut ankern können, also tue ich das. Und geniesse den Abend und später die Nacht zunächst ruhig treibend. 

Ich stelle mir jedoch den Wecker auf 0100h, da der Wind dann etwas drehen soll, werde allerdings schon kurz vorher geweckt. Das Boot bockt und schaukelt und der Wind pfeift in den Wanten. Das geht mir eigentlich bei jedem Ankern so, Rasmus und ich sind da irgendwie ständig uneinig. Ich schaue gar nicht erst hinaus, sondern ziehe mich gleich verschlafen für einen Nachttörn an und starte den Diesel. Draußen ist es so, wie es sich drinnen anfühlt. Die Ankerleine stramm und ruckelige, hohe Wellen. Es macht keinen Sinn hierzubleiben, der Hafen von Söby ist nicht weit und soll im Dunkeln gut ansteuerbar sein.  Also Frühsport und Ankerleine samt 25 Metern Kette per Hand einholen. Dann nur unter Genua Kurs Söby. Was hier auf dem Bild schon recht uneindeutig aussehen mag, stellt sich im Dunkeln aber noch einmal ganz anders da. 


 
Zwei sehr helle Scheinwerfer des Fähranlegers weisen zwar zunächst den Weg, verdecken aber später jede Sicht. Die Einfahrt ist sehr schwer zu finden, es geht eine recht hohe Welle, ich verlasse mich nur auf meinen Plotter und das Echolot und erst wenige Meter vor der Einfahrt sehe ich deren schwarzglänzenden Mauern und schlüpfe in die Sicherheit. Es ist nun 0300h. Ein Platz ist schnell gefunden und, ich bin echt überrascht von einem Mann barfuss im Pyjama erwartet zu werden, der meine Leinen annimmt. Das ist doch mal echt nett. Die Nacht ist kurz, denn erbarmungslos klopft der weissbärtige Hafenmeister um 0800h ans Boot um zu kassieren. Und liefert dazu noch einen gesprochenen Wetterbericht. Ich muss los bevor der Wind noch mehr gegenan kommt und nach nur einem Kreuzschlag runde ich die Nordwestspitze von Aerö, und gehe vor den Wind Kurs Flensburger Förde. 

Erst plane ich Sönderborg, aber das hieße dann wieder gegenan zu kreuzen, also entscheide ich mich für Langballigau. Da war ich noch nie, denn der Name klingt irgendwie langweilig und grau. 


Aber ich finde das genaue Gegenteil vor, nämlich einen der schönsten Häfen an deutschen Ostseeküste. Eng verwinkelt…irgendwo zwischen dänisch und mediterran. Mit Fischbuden und Restaurants. Großartig. Da kein Platz mehr frei ist, lege ich mich einfach mittendrin an zwei Pfähle. Passt. 

Hier lasse ich nun den Törn in Ruhe ausklingen und geniesse die Hafenatmosphäre in vollen Zügen. Frühstücken kann man auf einer Dachterasse mit Blick auf Hafen und Förde. Bis zu meinem Heimathafen Minde sind es nur gute 3 Meilen, dann schliesst sich der Kreis. Sehr, sehr viele Boote sind unterwegs und es begegnet mir wieder einmal eines der wunderbar gepflegten Folkeboote vom Vercharterer Klassisch am Wind!

Wieder einmal kommt es mir vor wie ein 14 Tage Törn, dabei waren es doch nur 4 Nächte. Die Zeit auf dem Wasser folgt ihren eigenen Gesetzen, oder: „Wer mehr segelt, lebt länger!“ (zumindestens gefühlt).

Unter Segeln um Kreta: Unterwegs im Gewitter. Um die Westspitze Kretas.

Jedes Gewitter ist anders. Und keine zwei gleichen sich. Jedes Gewitter läuft anders ab. Und jedes wartet mit Gefahren ganz eigener Art auf.

In Chania blieb ich länger als gedacht. Und dies, weil Chania sich als bisher schönster Ort an der kretischen Nordküste entpuppte. Ein fesselnde Mischung aus venezianisich und türkisch, ein brodelndes Etwas aus TECHNO-Youngstern und Pferdekutschen, aus Kopfsteinpflaster und gut gemachtem Tourismus. In einem der nächsten Posts in ENTLANG AN KRETAs NORDKÜSTE werde iich mehr über Chania schreiben.

Das mit der TECHNO-Musik war dann aber doch einer zuviel. Denn die Zentren des TECHNO-Beats liegen in Chania – als hätte es sich verschworen – dort, wo der Segler ankert: Am Ankerplatz vor der nur von Steinböcken bevölkerten Insel Agios Theodori. Und in Chania’s rieisigem Hafen 10 Meter von den Gastliegeplätzen entfernt. Also hält man es, obwohl man noch gerne in Chania verweilen möchte – ich konnte mich nicht sattsehen an dem, was ich da fand – zermürbt von zuwenig Schlaf nicht aus und zieht weiter.

Der Morgen war windstill und dumpf. Schwül. Ein paar dicke Regentropfen aus dem Nichts, die gleich wieder verschwanden, als ich im Coffeeshop meinen Orangensaft schlürfe und über die byzantinische Stadtmauer sinniere – sie hat es mir angetan, weil die Byzantiner in den Bedrängnissen der Völkerwanderungszeit, es musste schnell gehen, einfach alles vermauerten, was sie an der Antike fanden: Gesimssteine, Kapitele, ganze Säulen sind in der Stadtmauer vermauert, ein Lehrbuch der antiken Baustile, vor meinen Augen in der Stadtmauer. 

Der Wetterbericht ist normal: kein Wind, maximal 2-3 bft. Etwas Regen. HNMS WARNINGS, der lakonische Nationale Griechische Wetterdienst, sagt für KITHIRA SEA und WEST KRITIKO Thunderstorms voraus. Gewitter. www.blitzortung.org, zeigt tatsächlich eine breite Front aktiver Blitze weit im Westen an, vom Peloponnes bis weit südlich, aber die Front bewegt sich seit drei Stunden nicht. Ich schaue mich um. Außer den paar dicken Tropfen eben, die irgendwie aus dem Nichts kamen, fast nur blauer Himmel. Es sollte halten bis heute Abend. Also los.

Meinen Kurs habe ich zum Ak Spathi gesteckt, das weit in den Norden ragende Kap. Und sollte schneller als erwartet doch etwas heranziehen: Sind es von der Insel Agios Theodori nur etwas mehr als eine Stunde in den Fischereihafen von Kolumvari, genau südlich von Ak Spathi am Fuß der Halbinsel.

Es ist später Vormittag, und Agios Theodori liegt weit hinter mir, als die Welt um mich herum grau wird. Nicht das leiseste Lüftchen, nur ein Grau ringsum, aus dem ich dann auch eindeutig im Motorgeräusch Donner höre, dummerweise genau aus der Richtug meines Ausweichhafens Kolumvari südwestlich von mir.

Also weiter Richtung Ak Spathi, nach Nordwesten. Dumm nur, dass ich dann den nächsten Hafen, den von KIssamos in der Nähe von Kretas nordwestlichster Insel Gramvousa, erst gegen 17 Uht erreichen werde. Und bis dahin kann viel passieren.

Regen setzt ein. Erst leicht. Ich liebe die Tage auf See im Regen, wenn das Meer spiegelglatt ist, irgendwie bleigrau schillernd, harmlos, das ganze Gegenteil des ungebärdigen Wesens an einem stürmischen Tag. Der Regen wird dichter. Ich habe keine Segel draußen, also nicke ich nur kurz, als mir der alte Merkvers einfällt:

„Kommt der Regen vor dem Wind,
Skipper birg die Segel geschwind.“

Die Welt wird immer grauer. Eine Yacht auf Gegenkurs. Langsam kriecht sie um Kap Spathi herum, das Grau hat sich nun hinter mir zu einer dichten grauen Masse  geballt, aus der es donnert. Die Yacht auf Gegenkurs hat aufgestoppt. Bug zum Unwetter, als würde der Skipper einen Augenblick verharren. Und warten. Warten auf das, was sich da entwickelt, was vor ihm steht.  Die Yacht verharrt stehend im Regen auf der weiten Wasserfläche, den Bug dem Unwetter zugewandt, unverwandt. Wie ein Stier in der Arena. Plötzlich ist klar: dass das Gewitter hinter mir nicht wie erwartet von West nach Ost zieht, sondern umgekehrt: Von Ost nach West. Wo ich eben noch dachte, alles hinter mir zu haben, habe ich jetzt plötzlich alles vor mir. Das Gewitter: Es verfolgt mich. Und kommt auf die stehende Yacht zu, die wenige Augenblicke später in der grauen Wand verschwunden ist. 

Wind kommt auf aus dem Osten. Auch das ist ungewöhnlich. Ostwind, der LEVJE nun ohne Segel nach Westen schiebt, Richtung Ak Spathi. Das Grau wird dichter, der Regen nimmt weiter zu, der Wind weht jetzt so kräftig, dass es den Regen trotz aufgespanntem Sonnensegel von achtern den Niedergang hinuntertreibt. Also das Steckschott eingesetzt, und das Schiebeluk zugezogen. Als ich den ersten Ausläufer von Ak Spathi erreiche, kommen die Blitze näher. Vergingen vorher 10 Sekunden zwischen Blitz und Donner, sind es jetzt nur noch vier oder fünf. Das ist nah, 1.200 bis 1.600 Meter.

Ich schaue zum Ak Spathi hinüber. Plötzlich ein Blitz, der oben irgendwo in die Felswand einschlägt. Dann keine zwei Sekunden später ein Donnerschlag. Das war jetzt echt nach, Mist. Das Eine ist: dass die Versicherungsexperten von PANTAENIUS und von SHOMAKER bei unseren Interviews für das Buch GEWITTERSEGELN uns handfest mit Zahlen bestätigten, dass Blitzeinschläge auf Yachten äußerst selten und zuallermeist im Hafen, am Landstrom hängend, zu Schäden führen. Das Andere ist: wenn der Blitz einfach 500 Meter entfernt über der Yacht in eine Felswand einschlägt. Statistische Gewißheiten zerfallen augenblicklich wie modrige Pilze.

Dann steigen in mir Bilder auf eines barocken bayrischen Welttheaters vom jüngsten Gericht, „… hat ein Buch herausgebracht über GEWITTERSEGELN… Daheim bleiben hätt‘ er sollen…“, aber kaum schießen mir derlei Gedanken in den Kopf: da lichten sich die Wolken über Ak Spathi. Die Sonne bricht hervor, das Gewitter, es zieht weiter nach Nordwesten, Richtung Kithira, Und ich: schlage gleich nach dem Kap, unter dem sich winzig, winzig ein Schlauchboot verkrochen hat, um an der scharfen Felsenkante, die einer Wetterscheide gleicht, clever abzuwarten, aus welcher Richtung er nun wehen wird, der Wind, ich schlage gleich einen Haken nach Süden, auf den Hafen von Kissamos zu.

Im Sonnenschein empfängt mich der äußerste Westen Kretas. Ich ziehe Lifebelt, Schwimmweste, Segeljacke aus. Und Kreta endet, wie es für mich weit vor einigen Wochen weit im Osten begann, vor dem Strand von Vai: als überraschend grüne Insel, jetzt mitten im August. Und als wäre es noch nicht genug mit Atlantikstimmung und Atlantikwetter, verdichtet sich der Himmel, kaum dass ich eine Viertelstunde noch vom Hafen von Kissamos entfernt bin, erneut. Und keine 300 Meter östlich von mir ist alles grau in grau. Und der Regenbogen signalisiert mir: Dass es doch kein bayrisches Weltenende-Gericht geben wird. Zumindest heute nicht.

IBNV bezieht Stellung zu neuen Ufersperrzonen

Lindau/Wasserburg – Naturschutz und motorisierter Wassersport sind aus Sicht des IBMV (Internationaler Bodensee Motorboot Verband) kein Widerspruch: „Uns als Wassersportlern liegt besonders viel an der Umwelt und wir gehen verantwortungsvoll mit ihr um“, erklärt Verbandsvorstand Paul Minz, der sich über den gefundenen Kompromiss mit der Regierung von Schwaben freut. Dieser sieht zwar erweiterte Sperrzonen unter anderem in Uferbereichen von Wasserburg, den Lindauer Stadteilen Bad Schachen, Reutin und Zech vor, die eingeschränkten Ankerflächen seien aber vertretbar. Der IBMV habe im Schulterschluss mit dem Bodensee Seglerverband in den Verhandlungen auf ein ausgewogenes Ergebnis hingearbeitet und sieht nun die Interessen von Mensch und Natur gleichermaßen berücksichtigt.

Seedienst klärt Bootsführer über neue Ufer-Sperrzonen auf und mahnt, diese zu respektieren .

Seedienst klärt Bootsführer über neue Ufer-Sperrzonen auf und mahnt, diese zu respektieren. Foto: © IBNV

Bei der Umsetzung der neuen Regelungen setzt die  Regierung von Schwaben zunächst nicht auf Repressionen, sondern auf die freiwillige Einhaltung. „Wir nehmen sie jedenfalls sehr ernst und machen Bootsführer direkt auf dem Wasser darauf aufmerksam“, betont Paul Minz und verweist auf den aktiven Einsatz des IBMV-Seedienstes. Der Seedienst ist mit einem eigenen Boot unterwegs und klärt Skipper mit Flugblättern über die neuen Regelungen auf. Paul Minz: „Gemäß unserem Leitsatz ,Ordnung in Freiheit’ nehmen wir damit aktiv unsere Verantwortung für den Erhalt der einzigartigen Fauna und Flora an den Ufern des Bodensees wahr.“

Der IBNV vertritt als internationaler Verband die Interessen von rund 3600 motorisierten Bootsfahrern am Bodensee in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Unter Segeln: Wenn der Meltemi nicht weht. Oder: El Ninho über derÄgäis?

Irgendwie ist alles anders mit dem Wetter dieses Jahr auf Kreta und auch in der Ägäis. „Jetzt im Juli und August sollte bei uns normalerweise der Wind am stärksten wehen,“ sagt Mikhalis Farsaris, Vorstand der Marina von Agios Nikolaos. „Stattdessen berichten die Zeitungen hier über das verrückte Wetter: Kein Wind. Flaute. Dafür aber Regen im August – das hatten wir noch nie!“  Tatsächlich zeigen die Wetter-Animationen wie www.windyty.com dasselbe Bild für die Ägäis: Ungewöhnlich schwache Winde, wo es wehen sollte nach Kräften. Hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze. Statt eines Meltemi, der Kühlung bringt.


Meltemi. Etesien. Die jährlich wiederkehrenden Winde. Seit der Antike sind sie bekannt, der Meltemi gehört im Sommer zur griechischen und kleinasiatischen Küste wie das Alpha zum Omega. Er wacht auf im Mai und schläft ein im September. Er weht in der nördlichen und mittleren Ägäis aus Nord und in der südlichen Ägäis, da, wo er auf den Gebirgsriegel Kretas wie eine Wand trifft, eher aus Nordwest. Man findet ihn in diesen Monaten vom ionischen Meer südlich Korfu bis hinüber nach Marmaris. Er weht täglich. Meist vom frühen Nachmittag an. Manchmal auch durchgehend Tag und Nacht. Manchmal eine Woche lang. Und wenn er sich nachts nicht schlafen legt, ist das für seine Laune am folgenden Tag kein gutes Zeichen. Weil er dann meist fauchend noch zulegt. 
 
Zwischen den Inseln fegt er aufgrund der Kapeffekte manchmal bis zu 40% stärker als angekündigt:

 

                                                                         Das Video: Meltemi! Meltemi! Hier klicken.

Er bläst in Lee von Inseln und Gebirgszügen mit Böen, die hart aufs spiegelglatte Wasser schlagen und Yachten zur Seite legen.

 
Verursacht wird der Meltemi durch zwei Drucksysteme: Ein Hoch über Balkan/Ungarn. Ein Tief über der Zentraltürkei. Jedes dieser beiden Drucksysteme wirkt wie ein Schaufelrad, und zwischen den nebeneinander liegenden riesigen Schaufelrädern, die sich in gegensätzlichen Richtungen nach Süden drehen, werden gewaltige Luftmengen aus dem Baltikum angesaugt, die am Ende von den Schaufelrädern mit hohem Druck nach Süden über Nordgriechenland hinausgepresst werden in die Ägäis, zwischen die beiden Festlandssockel von Griechenland/Peloponnes im Westen und Türkei im Osten. Dort, wo die beiden Festlandsmassen, die wie Seiten einer gewaltigen Trillerpfeiffe wirken, enden, fächert der Meltemi in Böen aus: Nach Westen um die Südostecke des Peloponnes. Nach Osten hinein in den Golf von Gökova und von der Datca-Halbinsel vor Marmaris nach Südost herunter.

Aber dieses Jahr funktioniert das gewaltige Pumpkraftwerk nicht – ein einmaliges Phänomen! Die Bracknell-Karte vom heutigen 11. August zeigt, warum:


Wer auf die rechte Hälfte der Karte schaut, sieht Auffälligkeiten: Die Karte, die alle aktuellen Hochs und Tiefs von Grönland (mitte oben) bis zur Türkei (rechts, obere Hälfte) verzeichnet, zeigt im rechten Drittel nur eines: gähnende Leere. Bis auf ein kleines Tief nördlich Sizilien (L 1009) – ist da: Nichts. Kein Hoch über dem Balkan. Kein Tief über der Zentraltürkei. Die großen Schaufelräder – sie sind einfach nicht da.. „Zum zweiten Mal, solange ich denken kann,“ sagt Mikhalis Farsaris, der wie seine Frau auf Kreta geboren ist. „Wir hatten das nur einmal, 2002: da wehte im Sommer statt des starken Meltemi aus Nordwest nur ein laues Lüftchen aus Süd. Merkwürdig war das.“

Zum Vergleich zum heutigen 11. August 2015 der 11. August 2011: Der hat aufgrund des starken Meltemi sogar Eingang in WIKIPEDIA’s Meltemi-Artikel gefunden. Er wehte in den Tagen vor vier Jahren so stark, dass der HELLENIC NATIONAL METEOROLOGICAL SERVICE, das nationale Griechische Wetteramt, Extremwetterwarnung für Nord- und Zentralgriechenland geben musste. Extremer Wind. Extreme Böen.

Und dieses Jahr: Nichts. Jedenfalls bislang nicht. Dabei wissen Meteorologen, dass der Meltemi Teil des Nordostpassats ist – und damit Bestandteil eines der stabilsten Wetterphänomene in der Menschheitsgeschichte überhaupt. Sebastian Wache, Meteorologe bei WETTERWELT, über die Beständigkeit der Etesien: „Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass es in einer Normalzeit auf der Erde immer die gleichen Windverhältnisse gibt. Insbesondere im östlichen Mittelmeer, da hier das Hitzetief über der Türkei eines der stabilsten und regelmäßigsten Phänomene in der Meteorologie ist. Das impliziert auch den Meltemi/Etesien – und in den Übergangsjahreszeiten den Lodos.“
 
Und jetzt? „Die Windsurf-Clubs hier sind verzweifelt. Nichts geht.“ Kretische Zeitungen und Webseiten berichten über das „El Ninho“-Phänomen. Aber nächste Woche: Da kommt er zurück, der Meltemi. Jedenfalls sagt WINDGURU.CZ und andere das voraus. Mal sehen, ob das so stimmt. Denn eigentlich sagen die Wetterdienste das so schon den ganzen Sommer voraus. Und mussten kurzfristig ihre Vorhersage wieder korrigieren. Das große Pumpwerk – es will einfach nicht anspringen.
 
 

Vorankündigung:

Wer mehr erfahren möchte übers Segeln in der Ägäis: 

In etwa vier Wochen, Mitte September 2015,

erscheint der Film zum gleichnamigen Buch 

EINMAL MÜNCHEN – ANTALYA, BITTE.

Der Film kostet € 24,95. Bestellungen bitte per eMail-Kontaktformular rechts außen.

Und natürlich ist er in diesem Film einer der Stars: Der Meltemi.

 

Allein-im-Hafen.de

Liebe Leser, mittlerweile ist genau eine Woche vergangen, seit ich Cati per Mietwagen zum Flughafen nach Baltimore gefahren habe. Camden liegt genau mittig im Nirgendwo, deshalb war es eine lange Fahrt dorthin, 14 Stunden hinterm Steuer. Der Abschied war komisch. In den vergangenen…

PROLAHN e.V. negiert Gerüchte zur Schließung der Lahn

Unter holländischen Skippern geht zurzeit das Gerücht um, dass die Lahn geschlossen sei und nicht mehr befahren werden könne. Wen wundert es da, dass man in diesem Jahr auf der Lahn nur sehr wenige holländische Skipper trifft. PROLAHN e.V. äußert sich nun gemeinsam mit dem WSA zu diesen Gerüchten und stellt klar: Das Gerücht, die Lahn sei zugemacht, stimmt nicht!

Lahn

Entgegen vieler Gerüchte im benachbarten Ausland bleibt die Lahn weiter befahrbar.

Die Lahn ist und bleibt Bundeswasserstraße, verkündet PROLAHN in seiner Pressemeldung. Um deren durchgängige Befahrbarkeit kümmern sich die Frauen und Männer vom Wasserbau redlich. Die Schleuse Diez wird erneuert, aus diesem Grund kann man in diesem Jahr nur bis zur Oranierstadt Diez fahren – ab 2016 wieder bis Limburg und Runkel-Dehrn. Die Fahrrinne hat eine zugesicherte Wassertiefe von mindestens 160 cm. Auf ELWIS ist dazu eine Liste mit Fehltiefen veröffentlicht, diese Angaben beziehen sich auf ein absolutes Niedrigwasser der Lahn nach extrem langer Trockenzeit. Bei einem Normalpegel Kalkofen von derzeit 178-180 cm bleibt auch für große Schiffe in der Fahrrinne ausreichend Wasser unter dem Kiel. Das freundliche Schleusenpersonal freut sich auf jedes Schiff, das aus Holland, Belgien, Frankreich oder aus jedem anderen Land der Welt die Lahn und damit eines der schönsten Fahrtenreviere in Deutschland besucht.

Auch die an der die im ADAC Marinaführer beschrieben Häfen und Sportbootanlagen an der Lahn stehen Skippern weiter zur Verfügung.

Heute in Griechenland (13): Wie Marios, der Fischer den Sommer verbringt.

Es gibt Orte, die machen es einem einfach, anzukommen. Alles ist, wie man es sich wünscht. Vor allem die einfachen Dinge: Licht. Wärme. Geräusche. Das Treiben rundherum.
An anderen Orten ist es schwer, anzukommen. Nichts passt: Es ist heiß. Die Luft steht über aufgeheizten Betonmolen. Orte, Gegenden, Landstriche: die touristische Durchlauferhitzer sind. Voller Busse, die in stetem Rhythmus Menschen aus nordeuropäischen Ländern an- und abtransprtieren.

Eine solche Landschaft ist die Region östlich von Heraklion. Hier hat sich der Tourismus auf Kreta entwickelt, bevor Orte wie Agios Nikolaos im Osten nachfolgten und einen eigenen Stil entwickelten. Östlich von Herklion: Die Hochburgen Chernissos, Mallia: Pelzladen an Pelzladen mit Ladenschildern in Russisch, davor Fotos von Models, die sich Pelze kuscheln, ein Anblick im August bei 40 Grad so richtig wie ein Eisbär in der Sahara. Gouves: Retorten-Orte, in denen Leben nur von Mai bis Oktober ist, die dann stillgelegt werden, von Oktober bis Mai. Bis die blauen Busse wiederkommen und Raupen gleich die Erhlungssuchenden aus den Nordländern einsammeln. Und hier wieder ausspucken in eine Maschine: die heißt Tourismus.

In Porto Gouves treffe ich Marios. Eigentlich ist er ja Fischer, wie sein Vater, mit dem zusammen er sein Boot hier liegen hat, die KAPTAN MBEIS. Das ist der Spitzname von Marios‘ Vater, Fischer seit vierzig Jahren. Von ihm hat Marios den Beruf des Fischers gelernt. 

Den Sommer über arbeitet Marios als Hafenmeister in der kleinen Marina von Porto Gouves. Die Marina ist nicht groß: Platz für etwa 60, siebzig Boote, wenn überhaupt. Im Augenblick liegen nicht viele Schiffe in Porto Gouves: ein griechisches Gület und eine 40 Fuß Yacht, die tagsüber Ausflugsfahrten für die Gäste der Hotels veranstalten, die sich in Gouves, nur unterbrochen von wenigen Tavernen, fast nahtlos aneinanderreihen. Eine große, graue Motoryacht. Zwei Fischer, die KAPTAN MBEIS und die NIKI, von Marios Freund Kaptan Niki. Sonst ist die Marina bis auf die kleineren Boote leer.



Marios ist stolz auf „seine“ Marina. Er und George, der Marina-Manager sowie Kostas, der Marinero,  haben überall an der Betonmole sauber Autoreifen aufgehängt, die sie weiß angestrichen haben, als Fender. Der Strom an den Säulen funktioniert, das Wasser auch. In dem kleinen Häuschen, das man oben hinter Niki’s Fischerboot sieht, ist eigentlich immer einer von den dreien.

„Im Sommer bin ich hier in der Marina und verdiene mein Geld. Aber im Winter: da bin ich mit der KAPTAN MBEIS draußen, manchmal drei, vier Tage am Stück, bis hinunter in den Osten, nach Siteia. Im Winter kriegt man die Fische leichter.“ Und die Restaurants?, frage ich. Ob er denn dann Abnehmer hätte, im Winter, wenn die Restaurants ialle geschlossen seien? „Hier in Gouves ist alles zu. Aber in Heraklion geht schon was. Wir haben unsere Abnehmer. Ich rufe da einfach an und sage: ‚Hey, ich habe heute ein paar Kilo ‚Red Mulett‘ oder ‚Sea Bream‘ oder ‚Octopus‘. Das kann ich dann immer gut verkaufen. Manchmal fährt im Winter auch mein Vater mit raus. Oder Freunde. Auf der KAPTAN MBEIS können bis zu vier Leute übernachten, dann gehen wir zu mehreren raus.“ Ob er denn als Fischer irgendwas spüren würde, von der EU, von Vorschriften, von Bankenkrise? Er deutet hinter sich, hinaus aufs Meer. „Da draussen mache ich, was ich will. Das ist das Schöne: Da sagt mir keiner was.“

Eigentlich macht Nikos einen ganz zufriedenen Eindruck, wenn er so vor seinem Fischerboot steht. Er hat ein Boot. Er kann rausfahren. Und sonst? „Ich würde mir mehr Segler hier in der Marina wünschen,“ sagt Marios. „Wir strengen uns schon sehr an, wirklich auf die Boote aufzupassen und alles richtig zu machen. Aber irgendwie kennen uns zuwenige.“

Gouves, einer der großen Touristenorte östlich des Flughafens von Heraklion. Auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Ort, der einem Segler das Ankommen leicht macht. Und doch: LEVJE lag hier sicher im Meltemi, die Menschen freundlich, die Anlage sauber und gut in Schuß, die Waschräume gepflegt. Und die Fischer, die fast jede Nacht um halb drei aus dem Hafen tuckern, haben ihre Geschichten, darüber, wie man ein einfaches Leben lebt. So wie Marios, George und Niki, der den Morgen dösend und rauchend nach langer Nacht auf dem Meer zwischen den Netzen auf seiner NIKI verbringt.