Zurück ans Festland
Zunächst mal muss ich mich für die Funkstille in den letzten Tagen entschuldigen. Entgegen den üblichen Verlautbarungen war die WLAN Verfügbarkeit in Estland nämlich zum großen Teil bisher nicht besser als in den bisherigen Häfen. Vielleicht ist das aber auch nur der Vorsaison geschuldet….
In den letzten Tagen ging es nach den Tagen auf Sareemaa und Muhu zurück aufs estnische Festland. Los ging es von Lounaranna nach Haapsalu. Endlich mal wieder segeln! Die Freude darüber so langsam zwischen den Insel daher zu dümpeln währte allerdings nur kurz. Gegen Mittag schlief der Wind mal wieder völlig ein – ein Ereignis das in den nächsten Tagen noch Deja Vu Charakter bekommen sollte. Dazu zogen dann auch noch Regenwolken auf. Komisch, eigentlich sollte dann doch auch Wind sein… Nach der Sintflut folgte dann auch noch die Heuschreckenplage: Binnen Minuten war das gesamte Schiff von Insekten aller Art eingedeckt. Ein Biologe hätte wohl seine helle Freude daran gehabt, doch ich mochte mich nicht mal mehr hinsetzen, nachdem erste tote Insekten bereits Holzdeck und Hosenboden verzierten. Unter Motor ging es Richtung Haapsalu, die Hände in die Hosentaschen gestopft und den Gesichtsausdruck vom HB-Männchen geklaut. Kurz vor Haapsalu verzog sich das Getier dann, die Sonne kam wieder heraus und auch der Wind kam wieder. eine halbe Meile vorm Hafen – war eigentlich klar oder? Anyway, ich genoss einen entspannten sonnigen Abend im Hafen von Haapsalu. Der nächste Tag brachte dann nicht nur tropische Temperaturen, sondern auch Starkwind und vereinzelte Gewitter. Vor allem letzteres bewegte mich dann noch recht schnell dazu einen Hafentag einzulegen. Ich lerne den finnischen Einhänder Timo kennen, und wir erkunden den alten Kurort Haapsalu gemeinsam. Was gehört zu einem mittelalterlichen Gemäuer übrigens genau so wie bröckelnde Steine? – Genau! Japanische Touristen. Glücklicherweise wurden gerade 2 Busladungen davon abgeladen und wir konnten endlich auch diese Spezies mal auf der Reise bewundern. Videokamera in der einen, Fotokamera in der anderen. WIe aus dem Bilderbuch.
Timo beeinruckt mich mit seiner skandinavischen Gelassenheit sehr. Auf die Frage wie lange er schon in Haapsalu sei, antwortet er: “3 days now, and if the weather will really be bad tomorrow, i stay another one”. So gelassen möchte ich auch mal sein. Eigentlich möchte ich mich auf dieser Reise ja entspannen, aber ich ertappe mich noch oft genug dabei ein Getriebener des Wetters, des nächsten schönen Hafens, oder des Meilenfressers in mir zu sein.
Nach einem erzwungenen Erholungstag (Zu Hafentagen werde ich demnächst noch mal mehr schreiben), ging es weiter nach Dirhami. Dirhami ist, ähnlich wie Möntu, wieder nur ein kleiner Außenposten der estnischen Fischer an der Nordwestecke Estlands. Hier ist nicht wirklich etwas los, und doch sorgt die Lage inmitten der Natur für Erholung. Und der Sonnenuntergang in Dirhami soll der schönste Estlands sein. Also los! Die ersten Meilen wurden wieder unter Segeln zurückgelegt. Die Freude über das stille Vorankommen währte allerdings auch heute wieder kurz. Mit voller Fahrt schoss ein Motoboot von hinten heran: Estonian Border Guard – “What is your Port of Destination?”. Mit der Antwort Dirhami sind die Jungs dann auch schnell wieder abgezogen, aber doch wunderte mich etwas: Grenzschutz an einem klar erkennbar deutschen Boot? Mitten zwischen den Inseln? Die Binnengrenzen, und erst recht die Schengener Außengrenzen ewig weit weg? Die leiden wohl unter Langeweile… Keine 5 Minuten danach schläft, zusätzlich zu den aufziehenden Wolken, wieder der Wind ein. Langsam wird das echt öde, kann sich das Wetter nicht mal was neues einfallen lassen? Kurz später zieht dann auch noch Nebel auf. Danke, kenne ich auch schon. Im Gegensatz zu den ersten Erscheinungen schockt er mich aber irgendwie nicht mehr richtig. Ob es an der Routine oder den hier oben weniger zahlreichen kleinen Fischerbooten als in der Kieler Bucht liegt, weiß ich nicht… Dirhami hat hingegen nicht zu viel versprochen. Ich mag diese abgeschiedenen kleinen Häfen, selbst wenn sie nicht auf den traumhaftesten Inseln liegen, verkörpern sie doch die Ruhe und das temporäre Abhauen von der Zivilisation beim Segeln so gut. Auch der Sonnenuntergang hat tatsächlich Hollywoodformat.
Obwohl es nach Tallinn von hier aus “nur” noch 50sm sind, folge ich Timo in den kleinen Hafen von Lohusalu, ungefähr auf der Hälfte der Strecke. Das scheint ein kleiner Ausflugshafen im Tallinner Dunstkreis. Timo, der sich als sehr kundiger Estland Führer entpuppt, erzählt, dass der Hafen einem reichen Tallinner, der hier in der Nähe sein Wochenendhaus hat, gehört. Klar, bau ich mir einfach mal einen kompletten Hafen… Die Umgebung und die Ausstattung des Hafens sind dafür echt schön geraten. Zu unserer Runde von Einhandseglern stößt noch Kalevi aus Finnland dazu. Ein alter finnischer Seebär, der eine ganze Menge spannender Geschichten zu erzählen hat, und so wird der Abend extrem lang und fröhlich. Ich merke mir für die Zukunft, dass Trinken mit Finnen recht gefährlich sein kann… ;-) So tragen nicht nur die 25 Grad und Windstille am nächsten Tag dazu bei, dass ich einen Hafentag zur Erholung einlege… Die beiden Finnen weisen mich nun auch noch in die finnische Saunakultur ein. Anschliessend gibt es ein Festmahl in Form des zweiten Grillens dieses Jahr. Es könnte einem wirklich schlechter gehen, die Stimmung ist gut.