Vögelgeschichten

Nein, ich muss euch leider enttäuschen. Es bleibt in dieser Geschichte anständig. Geradezu langweilig, denn heute will ich quasi eine private Tierdoku erzählen. Ich bin zwar nicht plötzlich Ornithologe geworden, doch das Segeln findet ja immer nah am Puls der Natur statt.. Man ist den ganzen Tag an der frischen Luft, Wind und Wetter ausgesetzt, man beobachtet den Himmel viel aufmerksamer als in der Stadt und so mancher hat das Fernglas sofort minutenlang im Anschlag wenn sich nur einmal kurz die Flosse eines Schweinswals gezeigt hat. Und da spielen natürlich auch die Seevögel ihre Rollen. Jeder seine ganz eigene und trotzdem gehören sie für mich alle zum Segeln dazu.
Der erste Vogel mag allerdings gleich überraschen, denn es ist die Graugrans. Zwar kein klassischer Seevogel und doch hat mich ihr Geschnatter überhaupt erst zu dieser Geschichte inspiriert. Vor einigen Tagen nämlich stand ich mit dem Morgenkaffee am Fenster und hörte das erste Mal in diesem Jahr die gefiederten Kollegen auf ihrem Heimweg in den Norden. Und das heißt traditionell: Der Frühling kommt, die Segelsaison geht los. Obwohl ich in meinen Teenagerjahren so gar nix mit Natur am Hut hatte, hat es sich nämlich so ergeben, dass ich die Segelsaison zufälligerweise immer genau dann beendet habe, wenn die Gänse Richtung Süden gezogen sind. Zwar ungeplant, aber offenbar stimmt meine persönliche Komfortzone sich in unserem Breiten freiwillig draußen zu bewegen ziemlich genau mit der der Gänse überein und so kam es, dass immer wenn ich die letzte Nacht im Jahr an Bord auf dem Weg ins Winterlager, meistens so Ende Oktober  an der Gieselauschleuse im NOK, verbracht habe, die schnatternden Gänse mich dort an unserem gemeinsamen Rastplatz schon erwartet haben. Die Gänse sind für mich untrennbar mit dem Liegeplatz dort verbunden. Mal wieder so ein Moment, der mir zeigt wie zeitlos das Segeln ist. Segelsaison nach Kalender ist schön und gut, aber die besten Zeichen, ob man sich Ende Oktober oder Anfang März schon wohl auf dem Wasser fühlen könnte, sind immer noch die natürlichen. In diesem Fall die Gänse.
Wenn die Vögel dann wieder Richtung Norden ziehen, so etwa um diese Jahreszeit, kriegt dann auch der kleine Max meist schon Hummeln im Hintern. Die ersten zweistelligen Temperaturen rücken in Reichweite, es kann wieder losgehen.

p1060776

Ein echter Klassiker sind natürlich die Möwen. Ich bin an der Küste aufgewachsen, aber für Studium und Arbeit zog es mich dann nach Hamburg. Und schon dort verstummt das Geschrei der Möwen ganz schnell wenn man sich nur wenige hundert Meter von Alster und Elbe entfernt. Umso mehr freut es mich dann wenn ich am Wochenende zum Boot fahre und die Möwen schreien wieder um mich herum. Dann weiß ich, es ist Wochenende, ich hab Zeit und hier gehör ich hin.
Den Blauwasserseglern geht es genau andersrum. Zu den ersten Zeichen einer nahenden Küste gehörten schon immer die Möwen und so sind sie oft der erste Bote eines sicheren Hafens und einer heißen Dusche.
Selbst wenn die Möwen einem manchmal das Eis oder die Pommes am Hafen klauen, alles in allem ein absoluter Wohlfühlvogel.

p1020149

 

Auf See zu sein schafft ja bekanntlich immer neue Perspektiven, und so erging es mir auch bereits mehrfach mit kleinen Spatzen und anderen Seevögeln. Zum Beispiel war ich vor einigen Jahren zwischen Helgoland und Cuxhaven unterwegs. Etwa 35sm nichts als Wasser. So manchem kleinem Piepmatz geht da die Puste aus. Und so ging es auch diesem hier. Völlig entkräftet landete er im Cockpit, nahm ein paar Schlucke vom angebotenen Wasser und machte es sich für einige Stunden im Schwalbennest gemütlich. Als Cuxhaven schließlich in Sicht kam, flog er dann Richtung Land davon als wäre nie etwas gewesen. Für viele Segler kein unbekanntes Erlebnis und doch finde ich es jedes Mal wieder besonders. An Land sind Singvögel meist unglaublich scheu wenn man sich ihnen auf einige Meter nähert, doch auf dem Meer halten wie durch irgendeine Naturkraft alle Lebewesen unausgesprochen zusammen und jede Scheu geht flöten wenn es denn nötig ist um nicht übermüdet ins Wasser zu plumpsen.

Last but not least möchte ich euch noch vom Austernfischer erzählen. Und zwar von einem, der zunächst nicht unbedingt zusammenhalten wollte. Als Wattvogel hört man sein schrilles Gekreische vorwiegend an der Nordsee, dort wo ich herkomme. Und so steht dieser Vogel für mich immer für Heimat, und Meer. Auf meinen Reisen an der deutschen Nordseeküste entlang hatte ich am Watt stehend und Richtung Horizont durch die Matschwüsten schauend mehr als einmal das Vergnügen, dass die Szenerien von einigen Austernfischern begleitet wurde und ich sofort wusste: „Hier gehör ich hin!“
Allerdings können diese Gesellen auch durchaus aggressiv werden. Auf der Hallig Oland im nordfrisieschen Wattenmeer hatte ich letztes Jahr das Glück, im winzigen Watthafen komplett allein zu sein. Allein mit einem Austernfischer, den die Inselbewohner schon lange davor „Zorro“ getauft hatten. Und der Hafen war zu klein für uns beide. (An dieser Stelle müsst ihr euch im Hintergrund „Spiel mir das Lied vom Tod vorstellen“) Damit ich ungestört im Cockpit sitzen konnte mussten erstmal einige Fronten geklärt werden, denn Zorro versuchte pausenlos Sturzkampfangriffe auf mich und nur der Baum und die Dirk über mir verhinderten wohl ernsthafte Verletzungen. Eine kleine Schale mit Brotkrümeln,in einem ruhigen Moment auf den Kai gestellt, machten mir Zorro und seine Familie am Ende dann doch noch zum Freund, und ich konnte meiner Austernfischernliebe weiter treu bleiben.

 

p1080491

So, ich hoffe, dass euch dieser kleine ungewohnte Einblick gefallen hat. Ich werd jetzt fürs Wochenende Pinsel und Farbe kaufen gehen. Ich muss dringend in die Halle zu Nonsuch, die Gänse rufen schon, es geht endlich bald wieder los! ;-)

p1090110