Glosse: Amsterdam und das Pickerl

In so einem Jahr, da bauen manche einen ganzen Flughafen. Gut jetzt nicht in Deutschland, aber in China da geht das, sagt man. Und in Amsterdam? Da denkt man ganz intensiv ein Jahr lang über eine Vignette nach. Und dann noch ein Jahr. Und am Ende kommt ziemlich viel Murks dabei heraus. Doch der Reihe nach:

Eine Art Zoll für die Durchfahrt zu erheben, das sei den Amsterdammern ja zugestanden. Zu schön ist es in der Hauptstadt, da wollen alle mal durch. Und der Unterhalt von all den Grachten kostet ja auch eine Menge Geld. Und schließlich ist der Grachtengürtel auch noch irgendwas bei der Unesco. Also: Daran sollte sich doch etwas verdienen lassen, oder wie die Ratsherren und Damen und die, die sich diesbezüglich nicht festlegen wollen es nonchalant umschreiben: Man wolle die Zustände auf den Grachten handhaben.

Einverstanden. Schließlich bezahlen die Rundfahrtbetriebe für ihre Genehmigung zur organisierten Touristenabzocke eine Menge Geld an die Gemeinde. Da will man deren Fahrpläne ja nicht durch besoffene Studenten auf altersschwachen Sloepjes in Gefahr bringen. Auch wenn das einen Teil dessen ausmacht, warum die Touristen überhaupt soviel Geld für ihre Rundfahrt ausgeben wollen. Treppengiebel aus dem goldenen Jahrhundert? Geschenkt. Die Bewohner der Stadt und ihr Hang zur Anarchie sind es, warum Asiaten auf Rundfahrtbooten in Extase geraten. Selfie mit Student auf Sloep aus Rundfahrtboot, das ist die harte Währung auf Insta und Co…Einerlei.

Um also dieses Handhaben zu ermöglichen, bekommt die Vignette einen Chip, einmal aufs Schiff geklebt (Bitte Backbord achtern) und in Folge kann man im Gemeindehaus sehen, wo wieviel los ist auf den Grachten und -wie man es nennt – handhabend eingreifen. Sprich: Sperren oder Tickets schreiben. Auch das ist noch verständlich, wegen siehe oben. Und: Kaum ein Wassersportler wird sich ernsthaft überlegen, doch Abends mal selbst eine Runde mit dem eigenen Schmuckstück (…dem Boot…) durch die Grachten im Rotlichtviertel zu drehen. Wo also, ist das Problem dabei? Denn auch die Passage auf dem IJ und dem Noordzeekanaal und der Besuch der daran gelegenen Häfen bleibt kostenfrei möglich.

Die Schwierigkeiten fangen an, wenn es auf der Nordsee mal wieder zu doll weht. Ab fünf Windstärken aus südlichen bis westlichen Richtungen mag mancher Wassersportler den Weg zwischen den Revieren rund ums IJsselmeer und denen im Süden des Landes nicht mehr über die offene See abreiten. Alleine würde das wohl noch gehen, schließlich ist man ja ein harter Hund, aber die Familie…Also: Staande Mast Route. Ist ja auch schön. Die beginnt und endet auf ihrem südlichen Teil, je nach Fahrtrichtung in Amsterdam. Mitten in der Nacht geht es durch die Kostverlorenvaart vom Houthaven im Norden zum Nieuwe Meer im Süden und vice versa. Dabei radelt ein meist freundlicher Brückenwärter nebenher. Das funktioniert prima. Seit vielen Jahren. Nur leider ist diese Kostverloorenvaart Teil des zollpflichtigen Bereiches. Ohne Vignette geht nix, beziehungsweise werden 95 Euro Strafe fällig, so man denn dabei erwischt, entschuldigung, gehandhabt wird, wenn man es ohne probiert.

Staande Mast Route – Ein Erfahrungsbericht

Die Entscheidung mal eben durch Amsterdam zu düsen Nachts fällt meist spontan. Doch damit ist jetzt Schluss! Man kann die Vignette bestellen, die wird dann nach Hause geschickt. Mal eben eine kaufen? Fehlanzeige. Das wäre zu leicht, denn in der Nachbargemeinde Haarlem klappt das wunderbar. Aber hey: Amsterdam kann doch nicht einfach nachmachen, was die Haarlemmer schon tun! Das würde dem Selbstverständnis der Hauptstädter deutlich schaden. I AMsterdam und das ist eben anders.

Also überlegte man sich flugs, wie man und frau und es es so kompliziert wie möglich machen kann. Eine Vignette pro Adresse (die Vercharterer mit vielen Schiffen sind begeistert!) und eine Bezahlung mit IDeal, einem System das nur für Menschen mit Niederländischem Bankkonto zugänglich ist. Diskriminierend? Eigentlich ja, aber nicht in Amsterdam. Da heißt es dann schlicht: Ups. Übersehen. Wir arbeiten dran und bis dahin handhaben wir eben noch nicht. Sensationell.

Und das Beste kommt zum Schluss: Schreibt man die Gemeinde an, mit dem Hinweis, dass es für Menschen aus dem Ausland nicht möglich ist, einer solchen Vignette habhaft zu werden wegen iDeal und Bankkonto und so, wird darauf verwiesen, dass es auch möglich sei, unter Angabe der eigenen IBAN zu zahlen. Oh gut, das geht? Ach nee, doch nicht, denn dazu muss man eine BSN haben. Das ist eine Bürgerservicenummer, eine Art Sozialversicherungsnummer. Die kann man tatsächlich als Ausländer beantragen, muss dazu aber bei einer Gemeinde in den Niederlanden vorstellig werden. Das ist bürgernah und nachhaltig auf einem völlig neuen Level. Dabei geht es wohl gemerkt um eine Vignette um mit dem Bötchen durch die Stadt zu tuckern. So eine, wie die, die man in Haarlem einfach beim Brückenwärter kauft…

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