Fahrbericht Pirelli 35 – Heisser Reifen!

Feiste Fahreigenschaften

Bei gut 50 Knoten wird die Maas bei Roermond irgendwie schmal. Hier eine Fahrwassertonne, dort ein Stahlverdränger, weiter hinten das Ende der Schnellfahrstrecke mitsamt Wehr bei Linne. Mittendrin ein gut elf Meter langes Geschoss mit zwei ungestümen 300-PS-starken Mercury Verados am Heck. Da sind souveräne Fahreigenschaften gefragt. Etwas Gas weg das Lenkrad voll eingeschlagen und schon geht´s im Express um die Ecke und wieder retour. Dabei freut sich der Steuermann über den guten Seitenhalt, den die Sitze mit hochgeklappten Auflagen für den Allerwertesten immer noch bieten. Der Beifahrer greift ganz freiwillig nach einem der vielen Handgriffe an Bord. Die sind aus gutem Grund so zahlreich verbaut. Die Seitenkräfte in den Kurven sind enorm, knapp am Rande zu beängstigend oder wie weniger zart Besaitete sagen werden: Beeindruckend. Der Rumpf ist ein Sahnestück. Punkt um.

Riesenspaß dank feiner Servolenkung in engen Kurven

Kein Wunder, denn dass er schnelle Rümpfe ersinnen kann, hat Konstrukteur Mannerfelt mehrfach bewiesen. Er war einer der ersten, die mit Gleitstufen im Rumpf arbeitete und es bis heute tut. Diese Aussparungen die quer zur Fahrtrichtung verlaufen sollen Luft unter den Rumpf bringen und so noch mehr Speed in Gleitfahrt ermöglichen, bei gleichzeitig größerer Stabilität. Dass das funktioniert beweisen nicht weniger als 23 Weltmeistertitel, die Designs von Mannerfelt in den verschiedenen Bootsrennklassen nach Hause bringen konnten. Auch die Pirelli 35 hat zwei dieser Gleitstufen. Die sorgen tatsächlich für feinen Speed, der scheinbar spielend leicht von den Motoren erreicht wird. Einmal in schneller Gleitfahrt stabilisiert sich der Rumpf scheinbar von selbst. Nicht mal beim Überfahren der Heckwelle anderer Boote von achtern kommt auch der Hauch eines Unsicherheitsgefühls auf. Ein Moment, in dem Gleitrümpfe oftmals etwas kippelig werden – nicht so die Pirelli 35.

Gut zu erkennen: Die Gleitstufen im Rumpf
Die Pirelli 35 kann auch entspannt cruisen

Und obwohl das Schiff nach schnellem Herumheizen aussieht, benimmt es sich wie ein gediegener Grand Tourismo. Ab etwa 3500 liegt Gleitfahrt an. Rund 45 Kilometer in der Stunde stehen dann auf dem Tacho. Damit schafft die Pirelli 35 knapp 400 Kilometer, wenn 15 Prozent Reserve im 750-Liter-Tank bleiben. Am Fahrstand ist dann eine ebenso gediegene Konversation möglich. Bestens windgeschützt hinter der großen Scheibe (mit Hardtop für 16.000 Euro Aufpreis zu haben) treten 78 db(a) ans Ohr des Fahrers. Das geht in Ordnung. Wenn es den Fahrer jedoch juckt, dann ist jederzeit noch ein üppiger Antritt möglich mit dem Saft aus den je acht Zylindern der Verados. Man spürt förmlich wie sich die Props im Wasser verbeißen und den Rumpf voran prügeln. Wie der kleine Autobahnsprint zwischendurch, bei dem der ansonsten ruhig dahin cruisende Grand Tourismo den Parvenues dieser Welt zeigt, wo der Hammer hängt. Einfach ein Riesenspaß.

Einfach so dahingleiten. Das geht am besten bei rund 3500 U/Min

Danach geht es wieder zurück auf normale Gleitfahrt und man braust ganz entspannt dahin. Leider stehen am Testtag nur einige kleine Wellen anderer Boote zur Verfügung. Zu gerne würde der Tester die Qualitäten dieses Rumpfes auf bewegtem Wasser ausprobieren. Was die Maas zu bieten hat, steckt die Pirelli völlig klaglos weg. Kein Schlagen, kein Knarzen. Im Gegenteil: Die Struktur fühlt sich außergewöhnlich steif an. Arie Drenth, mit seiner Firma Best Boats in Roermond exklusiver Händler für Deutschland und BeNeLux bringt es auf den Punkt: „Man hat den Eindruck, als ob sie noch einen Motor mehr vertragen könnte“. Stimmt. Und das, angesichts auch so schon sehr ansprechender Fahrleistungen.

Souveränes Fahren auch dank Autorimm

Die bestätigen sich einmal mehr, als die üblichen Quälereien beim Test anstehen: Verreißen der Lenkung bei hoher Geschwindigkeit? Klappt. Das Boot kippt leicht weg und folgt dem neuen Kurs, als wäre nichts gewesen. Enge Kurven? Gehen auch. Mit aktiviertem Autotrimm ist es nicht möglich, einen Prop aus dem Wasser zu lupfen. Bei schnellen Kurven legt sich der Rumpf zur Seite, bremst etwas ab und los geht die flotte Kurvenfahrt. Dabei ist die Servolenkung perfekt abgestimmt. Lenkausschlag und Widerstand ist optimal. Die Servolenkung filtert alle Kräfte die von den Motoren kommen heraus. Am Steuer ist kein Zerren oder Drücken zu spüren. Auch das trägt zum souveränen Fahrgefühl bei. Weitere Disziplin: Der Sprint aus dem Stand. Nach 10 Sekunden liegen 50 Kilometer in der Stunde an. Nach 30 ist der Topspeed von 93 Km/h erreicht. Das macht Spaß und beeindruckt.

Ein Bade- und Spaßboot par Excellence

Fahren kann sie also, die Pirelli 35. Doch wie ist das Leben an Bord sonst so? Es passt. Einen Kühlschrank gibt es im Cockpit, dazu auf Wunsch einen Grill oder Kochplatte (1750 bzw. 1400 Euro Aufpreis). Unter Deck wartet ein Doppelbett in dem man mal übernachten kann, wenn der Heimweg aus dem Lieblingsrestaurant plötzlich zu lang erscheint. Mit 1,92 mal 1,38 Metern sind die Maße allerdings knapp für zwei. Wie gesagt: Eher Ausnahme als Regel. Dafür ist die Stehfläche in der Kabine schön groß. Das ist aus zwei Gründen praktisch: Erstens wird man sich hier zumeist umziehen, wenn das Bad im Meer beendet ist. Da ist viel Raum ebenso praktisch, wie wenn man sich hier duscht. Denn auch das geht. Neben dem Waschbecken erscheint ein Duschkopf aus der Ablage. Im Boden ist eine Vertiefung mitsamt Abpumpmöglichkeit. Die kommt im Paket mit dem WC samt 150 Liter Fäkalientank und dem Waschbecken für 5250 Euro. Die Außendusche am Heck ist im Standard enthalten. Die Kabine hat eine Stehhöhe von 1,80 Metern und ist mit vier seitlichen Fenstern und einer Decksluke bestens belüftet. Dank Innenschale sind die Oberflächen einfach zu pflegen.

Geräumig zum Duschen und Umziehen, knapp beoim Übernachten: Die Kabine

Am Steuerstand haben zwei Menschen platz. Der Abstand zwischen Rückenlehne und Steuerrad ist etwas knapp (34 Zentimeter) führt aber zu einer sicheren Steuerposition, aus der man alle wichtigen Bedienelemente direkt im Griff hat. Die Übersicht ist prima, auch bei Übergang in die Gleitfahrt. Allein dass der Scheibenwischer samt Wisch-Waschanlage 1700 Euro Aufpreis kostet, ist etwas bedauerlich. Von den beiden 12 Zoll großen Schirmen auf dem Testboot (13.000 Euro Aufpreis) lässt sich auch die im Paket enthaltene Stereoanlage bedienen. Ebenso der Kühlschrank und weitere elektrische Verbraucher. Das macht den Fahrstand sehr übersichtlich. Die Fernbedienung der Ankerwinsch mit Kettenzähler ist ebenfalls im Paket enthalten. Hinter dem Steuerstand schließt eine Sitzgruppe an. Die hintere Bank ist Teil des Bunnypads. Eine verschiebbare Rücklehne macht nach dem Snack am Tisch die achtere Liegefläche mit 1,80 mal 1,72 Metern Fläche frei. Vorne auf dem Kajütdach misst die Liegefläche immerhin noch 1,70 mal 1,08 Meter. Am Heck ist beidseits der Motoren je eine kleine Badeplattform vorhanden. Wer sich für die Variante mit Innenbordmotoren entscheidet, hat eine große durchgehende Plattform zur Verfügung. Dann allerdings entfällt der riesige Stauraum unter der Liege. Dessen Deckel öffnet sich elektrisch.

Volle Kontrolle und gute Sitzposition am Fahrstand
Am Tisch sitzen oder achtern liegen: Die Position der Rücklehne ist verstellbar
Auch Innenborder sind möglich

Neben den beiden Verados mit je 300 PS sind weitere Motorisierungen möglich. Benzininnenborder von Mercruiser mit zweimal 300 oder 350 PS sowie Diesel von Mecruiser oder Volvo mit je 270 bzw. 300 PS. Die Maximalmotorisierung sind zwei 350-PS starke Außenborder.

Die Verarbeitung gefällt größtenteils. Alle Oberflächen sind versiegelt, Kabel und Schläuche ordentlich verlegt. Die Seeventile aus Edelstahl sind nicht die schlechteste Lösung. Allein bei der Arbeit mit Sikalflex hätte man sich da und dort etwas mehr Sorgfalt gewünscht. Das Deck ist mit grauem Seadeck mit schwarzen Fugen verlegt. Das sieht gut aus und ist an den Füßen sehr angenehm. Ebenfalls angenehm ist das Gefühl, wenn man sich über das Deck der Pirelli bewegt. 60 bis 70 Zentimeter tief steht man im 27 bis 40 Zentimeter breiten Deck, das schafft Sicherheit, ebenso wie die schon erwähnten, zahlreichen Handgriffe. Die sind optisch sehr zurückhaltend in das Außendesign integriert, was ihre Funktion jedoch keineswegs schmälert.

Großer Stauraum bei Antrieb mit Außenbordern und gute Verarbeitung: Die Heckklappe

Die Pirelli 35 leistet sich kaum Schwächen. Zumeist gute Verarbeitung, ein Rumpf, der bestens gebaut und konstruiert ist und so für Top-Fahreigenschaften sorgt, große Liegeflächen, gute Reichweite und ein Design, das zum echten Hingucker taugt. Ideal für Menschen die den gediegenen Auftritt ebenso schätzen, wie (sehr) schnelles Cruisen. Das Schiff lässt sich durch die Zubehörpakete auf den Kundenwunsch hin anpassen. So sind etwa gegen Aufpreis auch andere Farben der Schläuche und Aufbauten möglich, ganz wie der Kunde mag. Der muss dann allerdings bereit sein für das Testboot 360.000 Euro auszugeben. Dafür gibt es aber Fahr- und Badespaß vom Feinsten. Und eine garantierte Aufmerksamkeit, egal, wo man damit aufkreuzt.

Weitere Info zum Schiff fndet sich auf der Website von Best Boats in Roermond.

Wer einmal mit dem Moonraker, unserem Testboot, mitfahren mag, kann auch das tun. Und zwar in Maastricht. Mehr Info dazu auf der Website labecasse.tours

Imposanter Antritt aus dem Stand: Die beiden Verados wissen wie´s geht…

 

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