Die Nacht, die die Niederlande veränderte

Das war um 3.24 Uhr am Morgen. Ein schwerer Nordweststurm, der sich zwei Tage zuvor bei Island entwickelte, zog gen Südosten, genau auf die Niederlande zu. Deren Flußdeltas sind nach Nordwesten offen, der Sturm drückte das Wasser hinein in die Trichter. Zu allem Überfluss war auch noch genau Springtide, sodass sich das Wasser extrem hoch auftürmen konnte. In Vlissingen wie gesagt 4,55 Meter höher als NAP, was in etwa dem Meeresspiegel bei mittlerer Tide entspricht. Bei 3,00 Meter über NAP schließt die Oosterscheldekering. Bis zu sechs Meter über NAP kann sie abhalten. Die Deiche waren dem nicht gewachsen. Erstens nicht hoch genug und zweitens schlecht gewartet. Nach dem Krieg hatten andere Dinge Priorität. Sie brachen an 150 Stellen, Wasser strömte ungehindert in die Polder. 1836 Menschen starben, zehntausende wurden Obdachlos. Nach dem Krieg die schwerste Katastrophe des 20. Jahrhunderts in den Niederlanden.

Das darf nie wieder passieren!

Hilfe aus dem In- und Ausland kam schnell. Nothäuser wurden gespendet, Gummistiefel, Geld, Decken, Zelte. Die Niederländer gingen das Thema an. Dennoch dauerte es bis zum November des Jahres 1953, bis bei Ouwekerk an der Oosterschelde der letzte Deich wieder geschlosen war. Sicherheit bedeutete das jedoch nicht, die Deiche waren noch immer noch hoch genug und in schlechtem Zustand. Der Deltaplan wurde präsentiert. Alle Provinzen packten mit an, damit die Niederlande sicher wurden vor dem Wasser. Die Küstenlinie verkürzen lautete die Devise. Die Flussdeltas verschließen, so, wie am IJsselmeer praktiziert. Die allseits beliebten Maasplassen in Limburg etwa entstanden auch, weil der Kies von dort für dieses Projekt benötigt wurde. Die Verteidigung gegen Wasser von der Nordsee hatte höchste Priorität. Als man jedoch bemerkte, welche ökologischen Auswirkungen der Übergang von Salz- zu Süsswasser am IJsselmeer hatte, regte sich Widerstand. Die Oosterschelde musste offen bleiben! Unfassbar! Da waren Leute bereit dafür zu demonstrieren, dass das Land weniger geschützt wird vor der See. Die Idee eines Damms mit beweglichen Toren entstand. Die Wasserbaukunst der Niederländer wurde zum Exportschlager. Am Persichen Golf, in Venedig, in New Orleans, in New York und auch in Jakarta beraten und bauen Niederländische Firmen und schützen die Menschen vor dem Wasser.

Derzeit noch haben die Niederländer das Wasser im Griff, es wird heute nicht bestritten, sondern gemanaged. Und sie schauen in die Zukunft. Das kostet viel Geld. Geld das jeder Niederländer über seine „Waterschapsbelasting“, die Wasserschaftssteuer zahlt. Dass das ohne Diskussion so weitergeht, dafür sorgt das kollektive Gedächtnis, in das sich diese Nacht vor 70 Jahren eingebrannt hat.

Eine Dokumentation zum Thema findet man hier: https://www.youtube.com/watch?v=Kfg5XTTiF0I

 

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