Boot Düsseldorf: Alle Glücklich – leider

Ein Kommentar von Alexander Worms

Nach so einer Woche MUSS man ja ganz euphorisch sein. Eeeeendlich wieder boot, eeeeendlich wieder alle Leute sehen, eeeeeendlich wieder ein Lichtblick im sonst so wassersportfernen Januar. 237.000 Besucher, das klingt erstmal gut, nach der Coronapause. Zuletzt waren es 13.000 mehr. Geschenkt. Die Schlangen am ersten Wochenende, vorallem an den Ständen mit großen Yachten, waren lang. Viele trugen Rucksack. Für Messeprofis ein Zeichen für einen „Gucker“ statt für einen „Kaufer“. Die kamen ohnehin meist in der Woche, wenn das Standpersonal Zeit hat. Die Ausrüster melden gute Verkäufe, auch fein. Die Stimmung war allenthalben gut, die Besucher scheinen zufrieden. Alles in Butter also?

Ich finde nicht. Auch wenn das der neue Chefredakteur der YACHT in seinem Fazit zur Messe nicht nachvollziehen kann, so gab es für mich auf der boot einige Fragen, die sich im Rausch der eeeeendlich wieder stattfindenden Messe keiner zu fragen traut, die allerdings zugegebenermaßen eher mit der Zukunft als mit der Gegenwart zu tun haben. Diese boot war gut. Das ist eine wichtige Nachricht für die Branche. Was aber wird aus der Messe an sich werden?

Was hat der Besucher von der Messe?

24 Euro Eintritt, wenn man nicht bereit ist, seine Daten im Onlineshop abzugeben, sonst 19 Euro. Hinzu kommen 10 Euro Parkgebühren, der ÖPNV ist nicht mehr Teil des Eintrittspreises. Zwei Erwachsene, zwei Kinder sind auf der Messe erstmal um 70 Euro erleichtert. Dann gab es noch kein Eis oder keine Wurst. OK, das kennt man. Auf ein Boot gehen zum gucken? Schwierig, eigentlich nur mit Termin, sicher am Wochenende. Kanufahren, Optisegeln, VR-Brillen-Boot fahren. Alles mit langen Wartezeiten. Auch das kennt man. Papa hätte gerne Ausrüstung gekauft. Nur wo? Ja, die Kleinen Händler sind vereinzelt noch da, sonst Großhändler oder die Hersteller selbst. Kauf? Über den Händler, am besten nach der Messe. Vor Ort ist die Ware eh nicht. Wird man zum individuellen Problem auf dem eigenen Schiff gut beraten? Fraglich. Kaum jemand hat Zeit, sich tiefgehend und intensiv mit dem Problem von Hein Müller auf seiner Hanvaria 345.2 auseinanderzusetzen. Schade. Am Ende geht es heim, mit der Erkenntnis, dass man beim Thema Ausrüstung nicht wirklich weiter gekommen ist, die Boote zwar groß und glänzend aber irgendwie unerreichbar sind und das Rahmenprogramm wie das Hobby an sich eher was für Individualisten ist und nicht auf Besuchermassen ausgelegt. Immerhin: Die Atmosphäre war prima. Mehr Wassersportfeeling geht im Januar eigentlich nicht. Aber reicht das?

Was haben die Aussteller von der Messe?

Im besten Fall Umsatz. Typischerweise am Ende des ersten Sonntages kursieren die Scheißhausparolen: „Wir haben XY Boote verkauft“. Das gilt dann für die Großserie. Und mit Messegoodies dabei. Und mit langer Vorarbeit, wo die Kunden nach Düsseldorf kommen um zu unterschreiben. Da will jeder die Erfolgsgerüchte streuen, knappe Güter sind eben mehr gefragt. Die kleineren Werften haben nachher meist eine lange Liste von Kontakten, aus denen nach dem Abbau erst noch Kunden gemacht werden müssen. Ob das klappt? Fraglich. Was sicher ist: Viele Menschen waren auf den Booten, die brauchen oftmals einige Stunden Zuwendung im Inneren um ohne Messeschrammen (von Rucksäcken) an den Kunden übergeben werden zu können. Und was definitiv bleibt: Die Kosten. Die boot ist die Leitmesse, da werden enorme Summen für den Standplatz aufgerufen. Die aus der Messe zurückzuverdienen wird immer schwieriger. Und dann müssen Boote und Personal auf den Stand kommen, letztere müssen auch übernachten und verpflegt werden. Das alles kostet viel Geld. Die Frage, ob dieses Budget nicht in Hausmessen, Social Media Kampagnen oder anderen Werbeformen besser aufgehoben wäre, wenn man das Ziel neuen Umsatz zu generieren als Maßstab nimmt und eben nicht nur die Euphorie, dass ja eeendlich wieder Messe ist, haben immerhin rund 400 Aussteller mit „ja“ beantwortet. Denn soviele waren 2023 weniger am Rhein als 2020. Unter ihnen Branchengrößen wie Hanseyachts mit Moody, Fjord und Dehler, Sirius, X-Yachts, Sturier oder zum Beispiel SVB im Ausrüstungbereich. Anders als AWN sind die nicht insolvent und deswegen nicht da, sie alle sehen schlicht keinen ausreichenden Return in ihrem Messeinvest. Eine unternehmerische Entscheidung. Dazu mag die enorm gestiegene Nachfrage in der Pandemie beigetragen haben, das ging seinerzeit bestens auch ohne Messe. Ob das so weiteregehn kann, wird jetzt ausprobiert. Das Perfide dabei: Im Ausrüstungssektor sind die Zeiten vorbei, an denen man Plotter oder Fender oder Ölzeug nach der Messe zufrieden nach Hause trug. Man informiert sich und kauft letztlich doch bequem beim Versender. Der ist auch noch günstiger, denn der kleine Aussteller musste ja die Standgebühr berappen, die sich der Versender gespart hat, und kann deshalb schlicht nicht gewinnbringend mit sattem Messerabatt verkaufen. Zum Verkaufen, so haben einige Werften und große Ausrüstungsversender offenbar gelernt, braucht man keine boot. Ob das dauerhaft stimmt, muss sich erst noch zeigen. Die Automatik aber, dass im Wassersport nur überlebt, wer in Düsseldorf ausstellt, steht zumindest in Frage.

Wie finden Kunden Produkte?

Dass diese Automatik in Frage steht, ist eine gute Nachricht. Klar, wir alle sind als kleine Stöpsel mit großen Augen über die Messe gelaufen, haben all die tollen Marken gesehen und haben dort unsere Affinität zum einen oder anderen Motorboot, Außenborder, Plotter entdeckt. Was ein Influencer war, wusste noch niemand. Die nächste Generation Wassersportler aber weiß das nur zu genau. Eine Messe brauchen die nicht, vielleicht wissen sie nicht mal mehr, was das ist. Um sich zu informiren oder auch zu unterhalten, um Markenaffinität aufzubauen, wird wie ganz selbstverständlich das Smartphone mit seinen unendlichen Stunden an Content genutzt. Wenn sich die Branche diesen neuen Werbeformen gegenüber nicht öffnet, wenn sie sich weiter ausschließlich wie ein kleines Kind freut, das eeendlich wieder boot ist und sich an den Besucherzahlen und dem „gelungenen Neustart“ (O-Ton Pressemeldung der boot) berauscht, gehen die Kunden von übermorgen, deren Markenbindung heute gelegt werden muss, verloren. Diese Bindung findet eben vielleicht nicht auf der Messe statt, sondern auf YouTube oder -Gott bewahre- auf TikTok.

Und nächstes Jahr?

Dann gehe ich da wieder hin. Ist doch klar. Denn es ist ja eeendlich wieder boot und einen Januar ohne Messe am Rhein kann man wohl nur auf den Bahamas ertragen. Man trifft Leute, versucht hier oder da auf ein Bötchen zu huschen und die noch fehlende Information zur Ausrüstung abzugreifen. Die Werften und Ausrüster aber sollten sich überlegt haben, welchen Stellenwert die boot in ihrem Marketingmix haben sollte und ob nicht andere Kanäle dringend mehr Beachtung brauchen. Schon um sicherzugehen, dass man keinen Umsatz liegen lässt. Denn die Zielgruppe ist sicher größer als 237.000 Menschen. Ganz bestimmt, wenn man die Leute hinzuzählt, die bislang vielleicht noch gar nicht wissen, dass sie eigentlich Wassersportler sind. Denn die gehen erst gar nicht auf eine Wassersportmesse, die liegen daheim auf dem Sofa und freuen sich über dieses Video mit dem Boot mit den Leuten drauf die so viel Spaß haben in ihrem YouTube-Feed.

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