Sommer und Herbst in Oban

Zurück an Bord hatte sich der Wetterbericht leider schon wieder massiv verändert. Gleich drei Tiefs würden ab Morgen Nachmittag damit beginnen auf dem Nordatlantik fast stationär umeinander herumzutanzen. Für die schottische Westküste würde das bis auf absehbare Zeit stürmische Bedingungen bedeuten. Mindestens für etwa 5 Tage. Und so schön Tobermory ist habe ich hier doch eigentlich schon alles erkundigt. Den eingeplanten Tag Pause wollte ich eher zur Erholung haben. So wird daraus aber nichts, ich muss mir einen sicheren Hafen für die nächste Tage suchen wo es auch ein bisschen was zu entdecken gibt. Was wäre da naheliegender als sich auf den Weg nach Oban, der inoffiziellen Hauptstadt der Westküste zu machen!

Eigentlich wurmt mich die Situation ein wenig. Das Phänomen vom Wetter von schönen Orten weggedrängt zu werden gibt es zwar auch in anderen Revieren, hier ist es aber deutlich ausgeprägter. Zum Ausgleich gibt es aber wenigstens den bisher besten Segeltag der Reise. Der Wind weht zunehmend stärker raumschots auf bis zu 7,5kn während an Steuer- und Backbord wieder der Sound of Mull vorbeizieht. Die Sonne scheint und taucht die felsigen und moosigen Hänge in ein ganz besonderes Licht so kann es weitergehen! Der Grummel über den morgen wieder endenden Sommer verfliegt.
Am Südende des Sound of Mull mache ich dann einige Overfalls voraus aus. Im Fernglas sieht es aus als ob der Wasser voraus ein wenig kocht. Doch genau als ich an dieser Stelle mit Nonsuch ankomme ist der Strom gekippt, läuft jetzt mit dem Wind, und die Overfalls verschwunden. Die Planung stimmte also auch!

Püntklich zum Sonnenuntergang erreiche ich dann mein Nachtlager, den Ankerplatz Puilladobhrain, oder auch Pool der Otter. Und tatsächlich, gleich in der Einfahrt guckt der erste Fischjäger mal kurz vorbei und fragt sich wer da in sein Revier eindringt.

Puilladobhrain (sprich: Pulladuuvrin) ist aber auch sonst ein ganz witziger Platz: Vom nahen Atlantik ist er eigentlich nur durch einige einzelne Felsen geschützt und trotzdem perfekt geschützt. Trotz einigen Nachbarn ist es ruhig und ich kann den Sonnenuntergang bei einer Dose Chickencurry genießen. Sowas gabs bei meiner letzten Reise noch nicht in der Qualität fertig….

Es ist schon merkwürdig. Hinter mir liegt der bisher beste Segeltag der Reise, beim Sonnenuntergang könnte man fast auf die Idee kommen, dass Sommer ist, und es ist zwar nicht sonderlich warm, die Haut brennt aber trotzdem auch ein wenig. Und doch steht fast sicher fest, dass ab Morgen feinstes Novemberwetter herrschen soll. Ich mag mich gar nicht wechselndes Wetter beschweren, dann dürfte ich hier gar nicht hinfahren, aber wie schnell sich nicht nur mal eben ein Schauer irgendwo dazwischenschiebt sondern sich gleich das ganze Wettermotto ändert ist wirklich erstaunlich.

Nachdem der Anker gelichtet ist geht es nun bei merklich spätsommerlichem Wetter Richtung Oban. Der dortige Hafen liegt allerdings nicht genau in der Stadt sondern auf der vorgelagerten Insel Kerrera. In den Ort geht es dann mit einer kleinen kostenlosen Fähre. Die Lage des Hafens hat aber nicht nur Nachteile. Zum einen ist man bei den vorherrschenden westlichen Winden deutlich besser als am Stadtufer geschützt und sobald einem der Trubel mal zu viel ist kann man sich auf die ruhige Insel zurückziehen.

Noch steht mir der Kopf aber nach Entdecken. Also nehme ich die nächste Fähre und mache mich auf nach Oban. Das Erste was mir dort ins Auge fällt ist natürlich – Wer hätte das gedacht – die örtliche Whiskydestillerie. Das hat hier aber auch tatsächlich seinen Grund: Sie ist nämlich älter als die Stadt. Als der Betrieb Ende des 18.Jhd. gegründet wurde siedelten sich die Arbeiter und deren Familien sukzessiv um sie herum an. Der Ort Oban entsteht. Das die Destillerie als Industriebetrieb mitten im Stadtzentrum liegt hat also durchaus seinen Grund.
Ansonsten ist die Stadt sehr trubelig und voll. Offenbar bin ich nicht der einzige der die letzten Sommerstunden genießen will. Das Stadtbild ist typisch britisch: Viel alte Bausubstanz, manchmal ein wenig abblätternde Farbe und Unordnung und viele kleine Geschäfte. Die Städte sind einfach oft viele hundert Jahre alt, gewachsen, und wurden nie von Krieg und Zerstörung neu „sortiert“. Das Ergebnis wirkt einfach etwas weniger geradelinig als deutsche Städte, was das ganze auch so sympathisch und interessant zu entdecken macht. Ich gebe mir ein Museum über die Stadtgeschichte und einen kleinen Bummel bevor ich einen Fish-and-Chips Shop ansteure. Das Amphitheater-ähnliche Gebilde welches die Stadt überragt spare ich mir nachdem ich erfahren habe, dass es gar keine alte Hinterlassenschaft, vielleicht sogar keltischer Natur, sondern nur ein persönliches Denkmal für einen reichen Bewohner der Stadt vor etwa 100 Jahren werden sollte. Dafür muss ich mich jetzt nicht auch noch einen Berg hochkämpfen.

Stattdessen mache ich etwas typisch britisches und setze ich mit meinen Fish-and-Chips mit Essig und Brown Sauce, quasi dem britischen Maggi, auf einen Hafenpoller und schaue auf den Hafen. Fish-and-Chips entstammen nämlich nicht wie oft vermutet den Pubs, sondern sind eigentlich ein klassisches Takeaway-Essen. Im Pub essen es meist nur die Touristen. Die Briten holen es sich bei einem „Chipper“ und essen es bevorzugt am Wasser. So ähnlich wie die Dänen mit ihrem Dosenbier… Ein paar Möwen verscheuche ich per Blickduell (komisch, dass das bei Vögeln funktioniert) und genieße den Nachmittag auf die nächste Fähre wartend während der Wind kontinuierlich zunimmt.

Als ich dann nur etwa eine halbe Stunde später wieder in der Marina bin bläst es bereits mit 7 Windstärken und es regnet aus Eimern. Innerhalb von 30 Minuten hat sich nicht nur das Wetter sondern so ungefähr fast die ganze Jahreszeit geändert.

Die folgenden Tage verkrieche ich mich dementsprechend auch meist unter Deck und kuriere eine Erkältung aus. Nur an einem einzelnen Nachmittag lässt der schottische Kurzzeitherbst noch einen kurzen Stadtbummel zu. Ansonsten bleibt nur der kleine Marinapub, der mit jedem Tag zunehmend zu einer Selbsthilfegruppe Wettergeschädigter mutiert. Ich lerne Christine, Lorne und Russell kennen mit denen ich über ferne Strände in denen es Sonne geben soll (deutsche Nordseeküste) und alles mögliche philosophiere. Gemeinsam schmieden wir Pläne für den nächsten Frühling kommende Woche und lassen uns auf das Hafenleben ein.