Skagen – Mal wieder ist die Ostsee zu Ende

Ganz langsam aber stetig schließt sich der Kreis. Mit dem Erreichen von Dänemark ist ein weiterer Schritt getan. Dabei wollte ich Schweden eigentlich gar nicht so schnell verlassen. Aber wie so oft hat das Wetter die Entscheidung für mich getroffen. Ein Tag mit frischem Südost sollte kommen. Danach mehrere Schwachwind Tage. Für die Überfahrt nach Skagen also eher ungünstig. Früh morgens hieß es also Aufbruch: Auf nach Dänemark!

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Der Segeltag sollte tatsächlich klasse werden.  Der Sommer zeigt noch mal so richtig was er kann, es geht über die offene See, das Schiff macht gute Fahrt. Könnte es einem besser gehen? Das Skagerrak meint es heute gut mit mir. Wer genau hinschaut erkennt aber, wozu dieses Seegebiet bei Mistwetter fähig ist: Unvorhersehbare Wellenbilder, chaotische Strömungen und damit verbundene Kreuzseen können bei leichtem Wetter einfach nur nerven. Bei mehr Wind kann es hier für kleine Boote ganz schnell so richtig ungemütlich werden. Auch heute habe ich fast immer 1kn Gegenstrom. Das heisst ca. 20% langsameres Vorankommen. Finde ich heute aber eher klasse, macht dieser Segeltag doch so richtig Spaß. Das kann ruhig länger so gehen. Gegen Abend kommt dann langsam Skagen in Sicht. Wobei, eigentlich nehme ich die nahende Küste erst durch die zahllosen Fischerboote wahr. Während die schwedische Küste mit ihrem bergigen Hinterland mich morgens bei Abfahrt noch lange begleitete, taucht die flache dänische Küste erst ganz langsam hinter dem Horizont auf. Ein komischer Moment. Seit dem ich Ende Mai in Finnland angekommen bin, habe ich eigentlich nur schroffe Schärenküsten zu Gesicht bekommen. Nun ist es wieder da, dieses sandige Band mit Dünen und Wald dahinter. Vor allem ist es aber Dänemark. Und daran wird mir wieder einmal bewusst, dass die Reise sich dem Ende zuneigt. Zwar ist Skagen immer noch weiter von Kappeln entfernt als von Oslo, doch das Erreichen von Dänemark an sich ist ein weiterer Meilenstein. Süddänemark liegt nämlich in Wochenendreichweite von Kappeln. Das Setzen der dänischen Gastlandflagge ist also eher Routine als etwas Besonderes. Und deswegen habe ich auch den Eindruck, als ob ich eigentlich schon fast angekommen bin.

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Die Anfahrt auf Skagen gerät spannend. Jøran hatte mich schon vorgewarnt. Der Hafen wird großflächig ausgebaut. So werden einige neue Molen aufgeschüttet, Spundwände mitten ins Wasser gesetzt, und nichts davon steht in den aktuellen Karten. Aber egal. Der Wache stehende Schlepper gibt genaue Anweisungen wo es längs geht. Oder hatte der am Ende doch nur Angst, dass ich seine Sandburg plattfahre…?

Skagen ist vor allem ein riesiger Fischereihafen. Schon in der Anfahrt sind mir ja Dutzende Fischerboote begegnet. Die können einen manchmal ein wenig auf den Zeiger gehen, da sie ohne Rücksicht und ohne Vorankündigung gerne mal ihren Kurs ändern. In der Nachtfahrt nach Kaliningrad hat einer von den Kollegen ja sogar buchstäblich Kreise um mich gefahren. Wenn man dann weiß, dass die hinterhergeschleppten Netze viele hundert Meter lang sein können, trägt das nicht gerade zu einem entspannten Skipper bei. ;-)  Und seit Göteborg treffe ich auch das erste Mal seit Polen wieder auf die von Seglern so geliebten “Fischerfähnchen”. Eigentlich kann man über die am Grund liegenden Netze ja immer drüber fahren, aber trotzdem hat jeder immer Angst um seinen Propeller…
Trotzdem mag ich diese Fischerhäfen. Von allen Häfen strahlen sie das meiste Leben aus. Reine Yachthäfen wirken oft irgendwie künstlich oder wie Robinson Club. Klassische Hafenatmosphäre kommt da oft nicht auf. Und die modernen, ISPS abgeschotteten Frachthäfen, haben erst recht nichts von der Hafenromantik vergangener Tage. Wo aber die Fischer zuhause sind, da ist oft Leben. Hier in Skagen zeigt sich das ganz besonders. Neben ein paar Restaurants und Touristenläden gibt es viele Schiffsausrüster und Werkstätten am Hafen. Raue Gesellen watscheln Schnupftabak kauend an einem vorbei, und auf den Kais liegt die Ausrüstung herum. Skagen wirkt dadurch wie ein wirklich lebendiger Hafen, so wie man ihn sich vor Dutzenden von Jahren vorstellt. Der Preis dafür: Man liegt natürlich eigentlich im Industriegebiet. Aber das gehört eben zur Seefahrt dazu. Viele kommen glaube ich auch gerade deswegen nach Skagen. Nirgendwo sonst ist man so nah an der lebendigen Seefahrt.

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Ich feiere die Ankunft in Dänemark erst mal ganz typisch mit Pølser und Softeis vom Havnekiosk. Dazu noch ein Tuborg und Möwengeschrei. Fertig ist der perfekte Abend. Überhaupt ist es recht angenehm nach 4 Monaten sein Bier wieder ganz normal im Supermarkt kaufen zu können….

Witzigerweise ist Skagen nicht nur ein florierender Fischereihafen, sondern auch noch ein klassisches Urlaubsziel. Und das quasi direkt nebeneinander. Viel los ist aber trotzdem nicht. Die Saison ist eben vorbei. Außer am Grenen. Die Landspitze Kontinentaleuropas ist eigentlich immer rammelvoll. Den Marsch bis zum Punkt wo sich Nord- und Ostsee treffen habe ich aber bereits von früheren Reisen hinter mir und genieße lieber den Ausblick von den alten Westwall-Bunkern auf den Dünen aus. Die Ostsee ist mal wieder zu Ende. Links von mir liegt die Nordsee. Ich verweile ein wenig, wundere mich darüber wie die dicken Brummer in Rufweite vom Strand entfernt vorbeischrammen, und freue mich über einen weiteren Konturpunkt auf dem Weg.

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Der Weg zum Hafen ist recht lang. Aber so kommt der Klappstuhl, äääähm, Verzeihung, das Klapprad, wenigstens noch mal zu Ehren. Zurück am Hafen ist es voll geworden. Es ist Freitag. Drüben in Norwegen fängt die Saison also gerade wieder an. Heute kommen die Wikinger aber nicht mehr in schmalen  hölzernen Langbooten, sondern in möglichst breiten Motoryachten. Die ersten 10 Motorbratzen sind bereits in Dänemark angekommen. Was die wohl alle hier wollen? Schnell fällt es mir wieder ein: Das Bier im Supermarkt; und heute morgen im Supermarkt haben ja 2 Mädels die Schnapsregale noch großzügig wieder aufgefüllt… Das skandinavische Konzept, Alkohol nur in staatseigenen Läden zu Mondpreisen anzubieten muss bei dänischen Købmännern sehr beliebt sein.

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Nach Party war mir irgendwie aber eher nicht so, und so lege ich Nachmittags noch ab. Ich habe mir einen kleinen Hafen wenige Meilen südlich von Skagen ausgeguckt: Albaek. Laut Hafenführer ein nette Hafen in Dünenumgebung. Die Dünen begleiten mich an der Küste den ganzen Weg lang. Nichts gegen die Schären, aber erst jetzt fällt mir auf, wie ich sie als Nordseekind doch ein wenig vermisst habe in den letzten Monaten.

Die Sonne scheint, es ist warm, ein schwacher Wind weht. Damit mir aber nicht langweilig wird, ist die Ansteuerung mal wieder spannend. Man soll auf den Hafen genau rechtwinklig von See zuhalten, da links und rechts davon bis an die Oberfläche reichende Stellnetze der Fischer platziert sind. Kein Problem eigentlich. Seefahrt tut not. Und Fischerei genauso. Aber irgend so ein Oberexperte hat seine Netze dann mitten, aber wirklich mitten ins Fahrwasser gelegt. Für die Nichtsegler: Das macht ungefähr so viel Stimmung wie LKW-Elefantenrennen auf 3 Spuren gleichzeitig. Muss ja auch nicht sein… Da muss ich dann erstmal drum herum finden. Naja, ein bisschen Adrenalin am frühen Abend schadet ja nicht. Und der Hafen entschädigt.

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Wer hier an der Gegend ist wird wohl an Albaek vorbei nach Skagen fahren. Was aber ein echter Fehler ist. Der kleine Fischerei- und Yachthafen liegt mitten in den Dünen und zwischen traumhaften Stränden. Einige Fischer fahren abends noch raus um Netze auszulegen oder einzuholen (unter anderem auch der Experte aus der Hafeneinfahrt),rote Holzhäuser begrenzen das Hafengelände, in der Koje hört man die Brandung am Strand, und alles versprüht diese typisch dänische Gemütlichkeit. Eventuelle Wehmut über das nahende Ende der Tour ist wie weggeblasen. Ich freue mich auf ein paar schöne Tage in Dänemark. Beim Festmacherbier am Strand plane ich also die nächsten Schritte. Einfach eine herrliche Spätsommerstimmung. Und morgens höre ich noch in der Koje die Brandung. Könnte es besser sein?