Saisonuntergangserscheinungen

Ein wenig Wehmut schwingt beim Verlassen von Oslo mit. Ist doch nun der letzte Wendepunkt erreicht. Der letzte Rubikon überschritten. Es geht unweigerlich nach Hause. Alle weiteren schönen Stellen sind nur Rastplätze auf dem Weg dahin. Dabei befinde ich mich gefühlt immer noch gerade mal auf dem Weg nach Polen. Anfang April. Und Überhaupt, es ist doch feinstes kurze-Hosen-Sommerwetter. Warum soll dieser Segelsommer also vorbei sein?

Aber es hilft alles nichts. Ich verlasse Oslo am 14. September. Einem herrlichen Sonntagnachmittag, um nur 15sm später wieder anzulegen. Der Wind weht schwach und vor allem ist es bummvoll auf dem Wasser. Anders als die Schweden endet die Saison für die Norweger wohl erst mit den ersten Minusgraden. Mir als überzeugtem März-Einkraner ist das irgendwie sympathisch. ;-) Allerdings nur am Wochenende. Sobald es Sonntagabend wird sind die Gästehäfen wieder verwaist. So mache ich an der Festung Oscarsborg auch fast allein fest. Die letzten Nachmittagslieger fahren gerade ab.  Die Festung bewacht den Zugang zum inneren Oslofjord seit 150 Jahren. So alte Gemäuer ziehen mich also doch immer wieder an. Bevor es am nächsten Morgen weiter geht, steht also erst mal eine Erkundung an… Noch 310sm bis Schleimünde.

Wirklich beeindruckend hier...

Noch ein Hafen und Abend bleibt mir in Norwegen. Und das mir empfohlene Hankø liegt mal wieder auf dem Weg. Passt doch prima. Der Weg dorthin führt durch einen schmalen Sund. Mir fällt auf, wie schön Norwegen selbst hier unten ist. Kurz überlege ich an einer Boje des Kreuzerclubs in einer Bucht festzumachen, doch die Aussicht in Hankø direkt unter dem Sommerhaus des Königs zu liegen behält am Ende die Überhand. Vielleicht schaut ja auch die ein oder andere Prinzessin noch zufällig vorbei. ;-) Da Montag ist, ist allerdings auch dieser Sommerort bereits wie ausgestorben. Ich liege allein. Nur die kleine Fähre, die die Insel Hankø mit der Ortschaft Hankøsund am Festland verbindet, scheint noch Saison zu haben. Allerdings fährt sie bis spät in die Nacht eigentlich immer allein hin und her… Dienst nach Vorschrift?! Ich verbringe die Zeit mit dem Basteln der Flaschenpost für Morgen.

Wer sagt, dass nicht auch Kutter an Schären festmachen können.

 

Bevor ich Norwegen verlasse habe ich dann aber noch mal so ein Erlebnis der dritten Art. Ich will mir den Tank noch mit billigem steerfreiem norwegischen Diesel voll machen. Die Tankstelle hat so eine Art kleine Boxen aus Schwimmstegen als Tankliegeplatz gebastelt. Bei dem starken Seitenwind ist es mir aber irgendwie zu heiß dort rein zu fahren. Kurzer Check mit dem Fernglas: Die Schläuche sind lang genug, ich lege mich einfach an die Außenseite. Der Mechaniker der Tankstelle hilft mir auch gleich beim Anlegen und fragt mich gleich aus, was ich denn um diese Jahreszeit hier oben noch mache. Ich erzähle ihm von meinem Trip und er ist sichtlich beeindruckt. “You´ve catched the best summer since…ever!” meint er dann noch. Und ich erwähne, dass ja oft doch sehr wenig Wind gewesen sei. “….yes, for motorboats, i have a motorboat!”, ergänzt er dann noch. Na vielen Dank…. Wir lachen uns gemeinsam Einen, während der Chef der Tankstelle aus seinem Büro gestürmt kommt: Warum ich denn bitteschön hier anlegen würde, die Boxen seien auf der anderen Seite des Kais. Ich erkläre ihm fröhlich und freundlich, dass ich allein sei und das Anlegen bei starkem Seitenwind mir dort etwas heikel erschien, und ich lieber die risikoärmere Variante genommen hätte. Er blafft mich an, dass ich dann wohl noch zu jung sei um ein Schiff allein zu fahren. Bevor ich kontern oder einfach ohne zu tanken abfahren kann, unterbricht ihn sein Mechaniker, und macht ihm auf norwegisch klar, dass ich die jetzt 6 Monate und 3.000sm unterwegs sei. Sein Blick verändert sich und er zieht sich unter servilsten Entschuldigungen in sein Büro zurück.  Es mag gemein klingen, aber ich mag solche Momente. Gerade als jüngerer Segler ist man doch oft ungefragten Belehrungen und Orders der Altvorderen ausgesetzt. Die besten Segler stehen ja eh immer am Steg. Wenn man dann ganz cool entgegnen kann: “Und, was hast du diesen Sommer so gemacht?”, oder es am Besten andere für einen übernehmen, ist das doch immer so ein kleiner Sieg der Jugend. ;-)

Die Traumbedingungen halten weiter an.

Eine herrlichste Backstagsbrise trägt mich dann weiter nach Schweden. Der Oslofjord ist ein beeindruckendes Revier. Obwohl seit mehr als 3 WOchen nur mit kurzen Unterbrechungen leichter bis mäßiger Ostwind weht, steht hier eine gewaltige Hintergrundwelle aus Südwest. Mehrere Dutzend Meter lange Wellen rollen der leichten Windsee aus Ost entgegen. Liebesgrüße aus dem Atlantik… Beim Wechsel der Gastlandflagge wird mir das nahende Ende der Reise dann wieder bewusst. Meinen bisherigen Beobachtungen folgend ist der kleine Fischerhafen von Ramsö dann auch von mir, einem Schweden, und 3 Norwegern belegt. Ein toller Ort. Die wenigen Häuser auf dieser Fischerinsel sind um das kleine Hafenbecken gruppiert. Alles wirkt mindestens 50 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Den Hafen selbst haben jetzt im September wieder die Fischer übernommen. Man muss schon vorsichtig navigieren, um nicht beim Anlegen einen der am Kai befestigten Hummerkörbe mitzunehmen. Im Sommer ist dieser Hafen  von 10er Päckchen und mehr an Seglern belegt, die wohl genau diese Stimmung suchen. Ich frage mich, warum man dann allerdings solche Orte im Hochsommer aufsucht. Das habe ich diesen Sommer gelernt: Ein wenig abseits der bekannten Hotspots zu suchen lohnt sich in jedem Fall. Dort findet man auch im Hochsommer noch kleine und relativ einsame Orte. Und vielleicht klappt das ja auch in der dänischen Südsee….

Ein traumhaft entrückter Platz zum Nachdenken.

Weiter geht es entlang der westschwedischen Küste. Ich habe es zwar bereits einmal erwähnt, aber diese ist mit dem Vänern zusammen definitiv das schönste Revier, dass ich auf dieser Reise gesehen habe. Schon komisch. Wie bereits zu Anfang der Reise auf Christiansø gehen mit Bastians Worte durch den Kopf, warum man eigentlich so weit reisen muss, um die schönsten Orte genau vor der eigenen Haustür zu finden. Überhaupt ist heute ein perfekter Tag. Der beständige Ostwind trägt mich entspannt vor den Insel die Küste hinunter. Ich mache gute Fahrt. Für den Abend habe ich mich ein letztes Mal mit Jøran und Gro verabredet, die aus Skagen nach Smögen kommen. Auch für die beiden, die es nur noch gute 100sm nach Oslo haben, ist der Sommer fast beendet. Während der Fahrt habe ich dann den endgültigen Beweis, dass ich mich bereits zu lange in den skandinavischen Ländern aufhalte. Ich spreche zwar kein schwedisch, aber in fast 3 Monaten in Schweden schnappt man ja einiges auf. Und wenn man dann beim texten im Handy instinktiv statt “ü”, das selbiges im Schwedischen ersetzende “y” verwendet, sollte man vielleicht nach Hause zurückkehren. Oder sich eine Schwedin suchen und dortbleiben. ;-)

Smögen ist wie ausgestorben.

In Smögen trifft mich dann der Schlag. Ich kenne den Ort als rummeligsten Platz an der gesamten Westküste. Liegeplätz sind schon ab dem frühen Mittag nur mit quetschenvor Heckanker zu bekommen, und die Parties der jungen Schweden gehen bis tief in die Morgenstunden. Ich schreibe ja bereits seit mehreren Wochen, dass die Schweden den Sommer schon für beendet erklärt haben, doch genau diesen Ort quasi komplett verlassen vorzufinden wundert mich dann schon. Kein einziger Schwede liegt im Hafen. Nur ein Amerikaner, einige Norweger und ich. Allesamt längsseits, was dort normalerweise unter Androhung der Todesstrafe verboten ist.

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Auch der Gang durch den Ort verspricht keine Besserung. Alle Geschäfte haben die Schaufenster leergeräumt, alle Gaststätten die Stühle hochgestellt, und selbst einer von zwei Supermärkten im Ort hat “closed for season”. Selbst der Hafenmeister hat dicht, und ein Schild nach dem Motto: “Macht doch was ihr wollt!” aufgehängt. Und das alles bei lauen 19 Grad und einem Ostwind der Stärke 4. Bisher habe ich mich über die leeren Häfen gefreut, aber hier hat das ganze schon fast eine etwas deprimierende Stimmung.  Auch wird dies nicht der letzte leere Hafen sein, aber am Beispiel des sonst kracherten Smögen ist es besonders offensichtlich. Beim Abschiedsabend an Bord der “Stompelompa” wird der Sommer daher noch mal so richtig zelebriert. Und als die Chefköchin an Bord das Abendessen auftischt, freue ich mich fast ein wenig über die geschlossenen Restaurants…

Erstklassiges Abschiedsessen.

Nach Sonnenuntergang wird es nun schnell kühl. Das Leben in den Häfen erstirbt zusehends. Und das Ende der Reise rückt näher. Noch 225sm Luftlinie bis Schleimünde.