Saisonanfang – Wenn das Normale zum Besonderen wird.

Für jeden Segler, ganz gleich ob Auf einer kleinen Alsterjolle oder der 14m Hochseeyacht,  ist der Saisonanfang die eigentlich glücklichste Zeit im Jahr. Und der Tag des Einkranens so als ob Weihnachten, Ostern und  Geburtstag auf eine Tag fallen. Einen Samstag. Mit Sonnenschein und Sportschau noch dazu.  Auch wenn das Wetter im Frühjahr eigentlich so überhaupt nicht mitspielt. Vor allem aber können in den ersten Wochen im Wasser die banalsten Dinge zu echten Glücksmomenten werden. Aber eins nach dem anderen.

Bei mir und Nonsuch war das auch dieses Jahr kein Stück anders. Der Winter war mal wieder viel zu lang. 5 Monate Sauregurkenzeit in der meine Beziehung zu meinem Boot auf die wochenendlichen Kurzbesuche in der Halle begrenzt waren. Kühlschrankkalt ist es dort meistens, und die Winterstürme an der Nordsee lassen das dünne Blechdach beben. Und doch zieht es mich meistens schon Mitte März an den ersten schönen Tagen des Jahres ins Wasser. Völlig egal ob sich noch kein einziges Blatt an den Bäumen zeigt, aber sobald das Thermometer das erste Mal tagsüber zweistellig wird, ist der Winter per ordre de Mufti beendet. Selbst bei kalten Spätwinterwetter zieht es mich raus aus dem Wasser. So bin ich oft noch fast allein wenn ich in der Hallt das Schiff für die kommende Saison fertig mache.

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Wie wird beim Saisonanfang nun aber das Normale zum Besonderen? Nun, bei mir kam dieses mal dazu, dass meine Werft Wort gehalten hat das Schiff bis zu einem gewissen Freitag im März ins Wasser zu setzen. Das hiess in diesem Fall: Freitagabend im Stockdunklen spät in der Nacht. Früher gings halt nicht… Die letzten Pinselstriche an den Pallstellen wurden so zur Nacht-und-Nebel-Aktion. Doch irgendwann spät Abends glitt meine treue Sirius dann in das mittlerweile pechschwarze Wasser. Der Moment als der Kiel die Oberfläche durchstoß, war wegen der Dunkelheit nicht mal mehr zu erkennen. Aber mal im Ernst, welcher Winterlagerbetreiber zeigt solch einen Einsatz für seine Kunden?

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Und dann der magische Moment: Monatelang hat sich das Schiff keinen Millimeter bewegt wenn man zum Arbeiten oder zum In-Erinnerungen-Schwelgen (meist eher Zweiteres) an Bord rumgehampelt ist. Doch nun gibt das Deck unter meinem Gewicht wieder nach, als ich raufklettere. Ungewohnt unsicher sind so die ersten Schritte an Bord. Was in wenigen Wochen schon wieder zu den normalsten Bewegungen gehört, wird am Saisonanfang immer was ganz Besonderes und ist mit dem Reiz des Neuen belegt. Und das jedes Frühjahr aufs Neue. Völlig egal, dass es schon weit nach 21:00 und saukalt ist. Endlich wieder im Wasser! Doch wie man sich einfach nur über ein schaukelndes Boot freuen kann, wird schon mir selbst wohl bald wieder unverständlich sein.

Und in den nächsten Tagen geht es so weiter. Nonsuch ist ohne ihren Mast noch nicht mal ein richtiges Schiff. Aber einfach nur wieder über die Stege eines Yachthafens zu bummeln oder an Bord zu sitzen und den plätschernden Wellen am Heck zu lauschen löst kleine Glücksgefühle aus. Man stelle sich nur mal vor, man würde so Mitte Juli mal eben ne Stunde ablegen, nur um unter Motor ohne Mast (und ohne Bier an Bord) eine kleine Hafenrundfahrt zu drehen. Komische Blicke wären einem sicher, und selbst man selbst würde das im Zweifel ohne Ziel und Mast auch für ein ziemlich sinnloses Unterfangen halten. Aber jetzt ist mir das egal. Endlich wieder auf dem Wasser! Endlich wieder Bewegung im Schiff, Wind  und das Grinsen so breit wie eine Kreissäge im Gesicht. Das Normale wird für einige wenige Wochen zum Besonderen.

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Mein Winterlager an der Nordsee verlasse ich seit Jahren meist gleich im Frühjahr in RIchtung Ostsee. Das heisst, der erste Törn des Jahres führt häufig direkt durch den Nord-Ostsee-Kanal. Das heisst schnurgerade Strecke und 10 lange Stunden und Motor. Für viele mehr Arbeit als Vergnügen. Ich glaube aber das meine bereits mal erwähnte Vorliebe für den Kanal aber eben auch daher kommt, dass ich ihn immer zum Beginn der Sommersaison durchfahre. Das eben beschriebene Gefühl setzt sich fort. Endlich wieder eine Nacht an Bord in einem fremden Hafen, endlich wieder viele Stunden am Tag “Auf See”, endlich wieder Leben. Wenn man Mitte Juli nur endlich an der Ostsee für seinen Urlaub ankommen möchte, kann einem der NOK schon eher wie 10 Stunden auf der A7 vorkommen…

Die Bewegungen an Bord werden schon wieder sicherer. Überhaupt fühlt man sich schon nach wenigen Tagen an Bord wieder wie zuhause. Für den letzten Teil des ersten Törns von Kiel an die Schlei wird es dann auch das erste Mal ein wenig unnormal. Bestes Sommerwetter und eine leichte raume Brise bescheren mir einen Traumsegeltag wie er im Juli besser nicht sein könnte. Nur eine Sache ist anders. Treiben lassen bekommt eine ganz nee Bedeutung. Den ganzen Tag geht es nur mit 1-2kn vorwärts. Wenn es dann mal 3 werden bricht an Bord schon hektische Betriebsamkeit aus. Ich geniesse jede einzelne Minute noch mehr als ohnehin schon. Endlich wieder auf dem Wasser!

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Auch die Fahrt von Schleimünde nach Kappeln habe ich schon x mal hinter mich gebracht. Meistens ist es voll, der Wind kommt von vorne, kurzum: es nervt und ist einfach nur Weg. Heute ist der Weg das Ziel. Endlich wieder hier! Endlich wieder im Sommerrevier! Die langweiligste Strecke des Jahres wird zum Highlight.

Auch die nächsten Wochenenden schlurfe ich meistens nur ziellos durch den Hafen und habe es nicht eilig woanders hinzukommen. Zu sehen wie der Heimathafen aus dem Winterschlaf erwacht ist doch auch schön. Ungewöhnlich nur für jemanden, der normalerweise so schnell so weit weg wie möglich möchte. Nur irgendwie reicht mir dieser Saisonanfang, der die normalsten Abläufe und Eindrucke zu ganz Besonderen macht, für den Moment aus. Schon bald wird es mich wieder wegziehen, der Gang aus Boot wird wie selbstverständlich aus dem Instinkt kommen, oder wahrscheinlich ärgere mich über irgendein nicht funktionierendes Teil. Aber in diesen Tagen ist mir das völlig. egal. Weihnachten + Ostern + Geburtstag = Saisonanfang auf dem Wasser.