Perspektivwechsel in Lossiemouth

Der Ausgleich für den erneut schnellen Aufbruch aus dem beschaulichen Whitehills war ein weiterer Segeltag aus dem Bilderbuch. Leichter Wind, Sonne, so langsam frage mich ob das Unken über den schottischen Sommer vielleicht übertrieben war. Statt Walen besuchen uns heute aber einige Delfine und Schweinswale. Dieses Mal war ich sogar mal rechtzeitig an der Kamera.

Mit frischem Autopiloten geht der Trip nach Lossiemouth irgendwie viel schneller als gestern voran. Schon bald liegt der kleine Ort Lossiemouth voraus. Auf einer kleinen Landspitze schmiegen sich die Häuser alle eng aneinander. Diese Häuser sind hier in Nordschottland übrigens so gut wie immer steingrau. Wer die Postkartenmotive mit bunten Häuschen wie in Südengland sucht ist hier falsch. Wäre die Bausubstanz nicht so herrlich schön alt britisch sähe das ganze eher aus wie Bitterfeld ´89. So aber macht es einen sehr urigen Eindruck. Vor dem kleinen Ort liegen die mächtigen Hafenmauern wie eine alte Stadtmauer. Bei dem Anblick kann man sich vorstellen, dass es hier auch ganz anders als an diesem lauen Sommertag aussehen kann…

Der erste „echte“ Tagestrip auf dieser Reise geht schnell zu Ende. Das Hafenbüro hat schon zu. Dass man sich die Unterlagen und Schlüssel für die Anlagen dann im nahegelegenen Pub abholen soll muss sich aber auch ein echter Experte ausgedacht haben. Die kennen ihre Pappenheimer wohl…
Den Tag schließt ein kleiner Rundgang durch den Ort. Ein typisches britisches verschlafenes Nest. Viele Häuser aus dem 19.Jhd, alte Gassen, viele Aussichten über das Meer, ein echt nettes Plätzchen also. Der Hafen ist bereits mehrere Hundert Jahre alt und wird erst seit kurzem vorwiegend von Yachten bevölkert.
Am nächsten Morgen dann endlich mal eine positive Wetterüberraschung: Uns ist endlich mal ein Hafentag vergönnt. Bevor das Wetter wieder wirklich schlecht wird können wir noch einen Tag Pause machen. Erst morgen Abend soll der Wind wieder auf Windstärke 6 aus Südwest auffrischen. Erst dann müssen wir in Inverness sein. Was also tun mit so viel ungewohnter freier Zeit? Natürlich erst mal ein original schottisches Frühstück im Pub am Hafen. Das war dann gleichzeitig mein erster Kontakt mit Haggis, dem schottischen Nationalgericht aus gewolften Innereien. Schmeckt überraschend gut, ungefähr wie eine sehr würzige Frikadelle.
Die Szene die dann folgt könnte aus einer Komödie stammen. Ich wollte gerade meine Tasse mit Tee ansetzen (trinkt man hier so ), als zwei Eurofighter im Tiefflug mit bestialischem Getöse über die Terasse fegen. Mir fällt fast die Tasse vor Schreck aus der Hand. Die Aufklärung folgt allerdings schnell: Unmittelbar hinter dem Ort liegt RAF Lossiemouth, die größte Luftwaffenbasis in Schottland. Und die Briten haben ja eine ganz andere Beziehung zu ihrer Luftwaffe als daheim. Hier wird noch wirklich geflogen. So lassen wir uns dann auch anstecken und finden das Spektakel eher beeindruckend als störend. Sieht man ja auch nicht alle Tage.

Die Bordreiseleitung hat dann verschiendene Möglichkeiten zur weiteren Gestaltung des Hafentages vorgestellt. Irgendwie konnten wir immer noch nicht die Füße stillhalten. Zur Auswahl standen ein Strandspaziergang oder der Besuch einer Whiskydestillerie. Immerhin liegt Lossiemouth in Speyside, einer der Hauptwhiskyregionen in Schottland. Oder…. Moment mal, wir sind doch gestern auf unserem Spaziergang an etwas vorbeigekommen… Ich erinnere mich an ein Bild auf Aerö vor einigen Jahren: Ein Typ legte im Hafen von Søby an, machte sein Boot klar, verschwand unter Deck, und kam mit einer Golftasche wieder heraus und dampfte ab. Ungewöhnliches Bild, aber irgendwie cool. Der Golfclub hier wirkte aber sehr ähnlich. Ob das wohl einfach so möglich wäre da mal ein paar Löcher zu spielen? Mal schnell bei der super freundlichen Harbourmasteress nachgefragt, und tatsächlich: Der örtliche Golflcub würde sich freuen wenn die zwei abgeranzten deutschen Typen sie für eine kleine Runde Golf besuchen kämen. Ich bin zwar kein wirklich aktiver Golfspieler, aber Schottland ist neben der Heimat des Whiskys nunmal auch die Heimat des Golfs. Und wenn man nach London fahren würde müsste man sich schließlich auch das Wembleystadium anschauen… Auf den ersten Blick wirkt dieser altehrwürdige schottische Golfclub auch stocksteif. Holzvertäfeltes Clubhaus, reservierte Parkplätze für den „Captain“ und Karohosen. Trotzdem schlägt wieder die gastfreundliche Art der Schotten voll zu: So viel Spontanität fänden sie total super, und überhaupt, Gäste aus dem Ausland wären selten. Kleidervorschriften scheinen hier, in der ach so traditionellen Heimat des Golfsportes im Gegensatz zu Deutschland ohnehin nicht zu gelten. Schnell wird und noch ein Satz Schläger organisiert und ab gehts! Und was soll ich sagen: Ist tatsächlich etwas ganz Besonderes hier direkt am Moray Firth mit Blick auf Dünen und Highlands mal ganz spontan ein paar Bälle zu schlagen. Jedem hier vorbeikommt und schon mal einen Golfschläger in der Hand hatte kann ich diesen kurzen Perspektivwechsel nur empfehlen. Und das ganze für gerade mal 30 Pfund. Irgendwie musste das auf einem Segeltörn nach Schottland einmal sein.

So bleiben neben dem netten Ort vor allem zwei bleibende Eindrücke aus Lossiemouth. Da wäre als erstes das echt leckere schottische Frühstück. Ich finde es wirklich bemerkenswert, dass man hier in den wirklich entlegensten Winkeln bisher bei jedem Restaurantbesuch richtig zufrieden war. Das hat man daheim selbst in zivilisierteren Gegenden so oft nicht. Das ganze dann auch noch zu wirklich anständigen Preise. Das Essen in den Pubs würde ich bei Hauptgerichten um die 12 GBP sogar als wirklich günstig bezeichnen.

Der zweite bleibende Eindruck ist die Gastfreundlichkeit der Schotten. Ob es die zum Dritten mal wirklich unglaublich freundliche Hafenmeisterin, die Menschen die dich – obwohl völlig unbekannt – auf der Straße sofort grüßen und wissen wollen woher du kommst, oder die Menschen im gar nicht so spießigen Golfclub sind; jeder hier ist unheimlich zuvorkommendend, interessiert und hilfsbereit. So kann das gerne weitergehen. Morgen geht es nach Inverness und dann alleine durch den Caledonian Canal. Mal sehen was mich dort erwartet