One Week After

Ich bin wieder auf Sendung! Eine lange Zeit gab es von mir nichts zu hören. Nach meiner Ankunft in Kappeln war das Schiff noch mehr als einen Monat im Wasser. Stoff für weitere Geschichten gab es also mehr als genug. Doch als die “Nonsuch” am 14. November aber ihren Jahresurlaub angetreten hat, fühlte ich mich ein wenig komisch. Klar – das hatte sicherlich auch mit dem Wiedereinleben zutun, aber irgendwie brauchte ich auch ein wenig Abstand zum Boot und damit auch zur Homepage. Erst in den Weihnachtstagen habe ich “Nonsuch” wieder besucht. Eine halbe Ewigkeit, wenn man normalerweise selbst im Winterlager sein Boot bei jedem Cuxhaven Besuch bei den Eltern mindestens einmal streichelt…

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Mittlerweile ist die Saure-Gurken-Zeit aber wieder voll angebrochen. Trotz Kühlschranktemperaturen wird das Boot bei jeder Gelegenheit wieder betascht, mit in die Hüften gestemmten Armen begutachtet und ich liefer euch die offenen Geschichten nach. In der fiesen Zeit zwischen Ende Januar und dem Krantermin könnt ihr damit vielleicht sowieso mehr anfangen. ;-)

Wenn die Ankunft in Kappeln sich schon komisch anfühlte, war es das Einleben, besonders in der ersten Woche, ganz besonders. Auch wenn sie eher von den kleinen Problemen und Erlebnissen im Alltag als von großen philosophischen Erkenntnissen über die Heimkehr geprägt war. Ich hatte mir ein Auto organisiert um meinen Hausstand vom Schiff räumen zu können. Problem an der Sache war nur, dass ich Geschwindigkeiten über sagen wir mal 7kn, also 14km/h, nicht mehr gewohnt war. Vielleicht mal im Stadtbus kurzzeitig. Aber 100? Auf der Landstrasse?? Ich weiss ja nicht wer von euch schon mal ein halbes Jahr lang freiwillig kein Auto gefahren ist, aber ich habe mich die ersten 100km gefühlt wie ein Mischung aus panischer 18 jährigen Führerscheinnovizin und dem typisch deutschen Mittelspur-Rentner. ;-)

Da ich meine Wohnung während des Sommers nicht im Zugriff hatte, habe ich mich die ersten paar Tage im Hotel Mama einquartiert. Und selbst für jemanden der aus Studentenzeiten die Vollverpflegung bei der Heimkehr ins Elternhaus kennt, war der Empfang überraschend. Die letzten Monate waren meine Essensgewohnheiten ja auf die Möglichkeiten an Bord ausgerichtet. Morgens also schnell ein paar Scheiben Brot reingeholzt, über den Tag unterwegs bevorzugt kleine Snacks, Süßkram, und wenn Wellnesswochen sind auch mal ´ne Banane. Abends dann schnell Nudeln gemacht und am Besten aus dem Topf gegessen. Natürlich um Abwasch zu vermeiden. Und jetzt wurde hier also ein komplettes Abendbrot mit allen Schikanen aufgetischt. Mit Wurst auf Tellern und frischem Brot. Ich habe ja nun wirklich unterwegs nicht schlecht gelebt, aber ein kleiner Kulturschock war das doch. Jeder Deutsche der schonmal eine längere Zeit im Ausland verbracht hat kennt dazu ja bestimmt die Geschichten über das ihnen fehlende deutsche Brot. Und auch vor diesem Erlebnis blieb ich nicht verschont. Eine wirklich gute Bäckerei in Skandinavien ist nämlich eher selten. Mein täglich Brot bestand also buchstäblich eher aus Aufbackbrötchen, Toast, und dem was der Supermarkt ansonsten mal so hergab. Das Frühstück im Hotel Mama war natürlich ein anderes Kaliber…

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Von den ersten Nächten in festen Räumen brauche ich eigentlich nicht viel erzählen. Nur so viel: Das völlige Fehlen von Geräuschen am Rumpf als auch dieser ganz kleinen, kaum wahrnehmbaren, Bewegungen kann einen wirklich in den Wahnsinn treiben. Die erste Nacht ist noch okay. Man freut sich über das gemütliche breite Bett. Aber danach gehts los. Was für eine Wohltat war es, am folgenden Wochenende erstmal in meine geliebte kalt-feuchte Koje mit dem leichten Kinderwagen-Schaukeln zu fliehen. ;-)

Und genau da sollte es so schnell wie möglich wieder hingehen.  Zurück ließ ich erstmal eine kleine weiße Schachtel auf dem Schreibtisch. Schon bei meiner Ankunft zuhause hatte ich sie registriert. Aber für den Moment interessierte sie mich überhaupt nicht……

Vorher stand aber noch der Umzug in die Großstadt an. Hamburg hatte mich also wieder. Und das war nun echt seltsam. Denn Wahrnehmung und Erlebtes fallen hier total auseinander. Ich habe mich überall quasi mit geistigem Tunnelblick bewegt. Mein Kopf befand sich irgendwo zwischen Segeln auf dem Vänernsee, Riggspannung, Ölwechsel, Windfahne einstellen und Hafenmeisterbüro. Und doch bewegte ich mich durch mein “Revier” als ob ich nie weg gewesen wäre. Keine Unsicherheiten in der Wegfindung, kein pseudo-kosmopolitisches “Wie sagt man nokmal in deutsch?” im Umgang mit Mitmenschen, kein Gefühl des Einlebens. Die Begrüßung meines besten Kumpels als ob ich einfach nur eben Brötchen holen war. Ich war einfach irgendwie wieder da. Und genau das machte mich irgendwo dann doch manchmal unsicher.

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Oft hört man Erzählungen von heimgekehrten Langfahrtseglern die berichten, dass ihnen bei der Ankunft der Lärm der Großstadt besonders negativ aufgefallen ist. Das kann ich aus meiner Sicht aber überhaupt nicht bestätigen. An Bord ist immer irgendwie Lärm. Und wenn es nicht der Diesel ist, dann eben die Wellen, der Verkehr am Hafen, oder die Natur. Natürlich hat man auch immer wieder diese komplett stillen Momente und Plätze, aber insgesamt ist immer irgendwie was los.
Etwas anderes ist mir aber sehr prägnant in Erinnerung geblieben. Und das ist der Geruch der Großstadt! Oder sollte ich fast sagen der Gestank? Eigentlich nicht verwunderlich wenn man 6 Monate quasi unter freiem Himmel gelebt hat. Trotzdem überraschend. Dass das Treppenhaus immer nach Kohlroulade riecht ist in HH ja fast Standard, aber egal ob im Supermarkt, in der Ubahn, auf der Strasse, in der Uni oder sogar zuhause. Die Stadt riecht. Mittlerweile fallen mir diese Gerüche wie jedem anderen Stadtbewohner nicht mehr auf, aber doch war es für jemanden der immer mindestens in ´ner Kleinstadt gewohnt hat mal was ganz neues. Wieder wollte ich lieber zu den Gerüchen von dieseligen Lappen, Fischkuttern und natürlich Salzwasser…

Viel zu Erleben gab es also in der ersten Woche “an Land”. Und pünktlich zum Wochenende stand der erste Törn nach der Ankunft mit Freunden an… Wie würde es wohl werden auf einmal wieder mit ein paar guten Freunden, 3 Booten und zahlreichen alkoholischen Kaltgetränken unterwegs zu sein. Meine Kontakte unterwegs beschänkten sich ja meist eher auf neue Bekanntschaften…Seit einigen Tagen führte ich ja nun wieder eine Fernbeziehung mit “Nonsuch”. Und genau so, als ob man seine Liebsten eine Woche lang nicht gesehen hat, fühlte es sich jetzt an am Steg anzukommen. ;-) Kurzes Beladen und zum Auslauf klar machen und schon ging es los. Nur leider n die falsche Richtung. Wir hatten uns mit allen Booten für Schleswig verabredet. Und das große weite Meer liegt ja nunmal eigentlich in der anderen Richtung.

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Das Gefühl der letzten Monate stellte sich aber schnell wieder ein. Jeder Handgriff sitzt mittlerweile. Hier bin ich zuhause. Aber mein mein bester Kumpel Pit dabei. Das heisst zum Einen, dass die Stereoanlage mal wieder Höchstleistungen erbringen muss, aber auch dass es das erste Mal seit langer Zeit ein Bier unterwegs gibt. Manch ich einhand sonst nicht. Und überhaupt, einen guten Freund, auch wenn der nicht viel mit anpackt, dabeizuhaben ist unglaublich geil. Etwas komplett Anderes. Und auch sonst war der Törn komplett anders. Die letzten Monate über standen Entdecken und irgendwo auch Seemannschaft im Vordergrund. Jetzt aber waren wir auf unserem Heimrevier unterwegs. Und der erste Männertörn nach langer Zeit wurde nicht gerade mit korrekter Seemannschaft und gutem Benehmen gefeiert. ;-)

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Nachdem der letzte aus unserer Truppe erst gegen Mitternacht im mittlerweile stockdunklen Schleswig ankam, wurde der Abend feuchtfröhlich mit vielen Geschichten aus 6 Monaten See- und Landleben. Es war für mich der erste Abend mit Freunden seit der Heimkehr. Der nächste Tag begann ausnahmsweise mal spät und es ging eigentlich nur 2 Häfen weiter ans andere Schleiufer nach Fleckeby. Nicht mehr Meilen und neue Ecken, sondern Geniessen stand auf dem Programm. Unterwegs wurden wir dann fast noch von ´nem Partydampfer übergemangelt. Ausnahmsweise haben wir uns nichtmal geärgert. Als der nämlich  kurze Zeit später in Schleswig festmachte, führte er seinen internen Funkverkehr über denselben Kanal wie unsere kleine “Flottille”. Und was die Kollegen dann beim Anlegen von sich gegeben haben, hätte nichtmal für ne Vorspring gereicht. Schon doof, wenn der Kapitän bei nem 40m Stahlkracher live beim Anlegen erstmal erklären muss was ne Vorspring ist… ;-)
Nichtmal der Regen konnte uns Abends was anhaben. Längsseits angelegt, Kuchenbude drauf, und den Grill auf den Betonsteg gestellt. So wird selbst beim Würstchen drehen nur der Arm nass. Wir tranken, aßen und lachten den ganzen Abend.  Und mir ging es sooo gut dabei. Das hat manchmal echt gefehlt. Für das Animationsprogramm hat übrigens wieder unser Partykollege gesorgt. Der tuckerte, vollgeladen mit Stimmungsvieh, in Sichtweite die Schlei rauf und runter und wickelte mittlerweile seinen gesamten Bordfunk inklusive Security und Barbetrieb über Seefunk ab Inklusive der Bitte das Schiff zu drehen, die Abgase würden auf die Tanzfläche ziehen. Königliches Entertainment. :-D

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Irgendwann stand ich dann draußen an Steg und schaute so auf die Schlei. Und dabei fiel mir dann auf wie schön es hier eigentlich ist. Letztes Jahr wollte ich immer so weit weg wie möglich. Einfach um Was zu entdecken. Nun kenn ich jeden Küstenstrich der Ostsee. Und wisst ihr was? Die Schlei gehört auf jeden Fall ganz vorne dazu. Vielleicht muss man wirklich einmal bis nach Russland und fast zum Polarkreis fahren, um das zu realisieren, aber jetzt ist die Erkenntnis auf jeden Fall da. Auf der Rückfahrt nach Kappeln geniesse ich die Schlei dann ganz besonders. Ganze 8 Stunden dauert der Rückweg nach Kappeln bei flauem Wind und bestem Spätsommerwetter.

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Ich geniesse die langsam vorbeiziehende Schlei und stelle zufrieden für mich fest, dass auch nach der ganzen Ostsee ein Wochenende im Heimatrevier nicht an Reiz verloren hat. Im Gegenteil sogar… Vielleicht die wichtigste Erkenntnis der letzten Woche!