Landpartie in den Highlands

Der letzte Teil des Kanals vergeht schnell und unspektakulär. Selbst die 8er Schleusentreppe „Neptuns Staircase“ rauscht nur so an mir vorbei. Eigentlich sollte der Tag hier schon enden, doch da es sich gerade so ergibt rutsche ich zusammen mit den Belgiern noch eben schnell durch. Wenige Minuten später bin ich dann auch schon am Ende des Kanals in Corpach angekommen. Die Luft wird wieder salziger.

In Corpach selbst ist zwar nicht viel los, aber das ist mir nur gerade recht. Ich werde hier mindestens für einen Tag wegen des Wetters bleiben müssen. Die Kulisse ist dafür aber genau richtig. Ein kleines verschlafenes Nest, ein sicherer Anlegeplatz noch hinter der Seeschleuse und immer noch die hohen Berge der Highlands inklusive Ben Nevis. Bei der Aussicht schmeckt das Anlegebier doch besonders gut. Als Dinner gibt’s dazu übrigens einen echt britischen Klassiker: Eine bunte Auswahl an Sandwiches. Die stellen die Briten nämlich mit vielen witzigen Füllungen her und sich ein paar Sandwiches aus dem Supermarkt zu holen spricht hier nicht etwa für soziale Schieflage sondern völlig normal. Und so lasse ich mir die „Chicken and Stuffing“ Also Hühnchen und die Füllung aus der Weihnachtsgans schmecken und genieße die Szenerie.

Ein lautes Pfeifen macht aber Schluss mit der Ruhe. Ich frage mich noch wer hier im Hafen wieder seine Alarme nicht ausgeschaltet hat, da schießt auch schon direkt am Hafen ein alter Dampfzug vorbei. Und der sieht mir irgendwie auch so bekannt aus… Tatsächlich! In Fort William, einen Ort weiter, fährt doch tatsächlich der originale Hogwartsexpress ab! Nach kurzem Grübeln steht das Programm für den nächsten Hafentag nämlich fest. So schön dieser Abend zwar ist, steht durch den Wetterumschwung der sich für die kommende Tage anakündigt nämlich leider fest, dass ich keine Zeit mehr für die äußeren Hebriden und die Insel Skye, noch weiter im Norden Schottlands, haben werde. Mit dem kleinen Boot wäre das Risiko dort einfach zu groß dort lange festzuhängen. Und die Zeit ist auch auf so einem Törn leider begrenzt… Noch ahnte ich nicht wie Recht ich mit dieser Einschätzung, die mir zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich schwerfiel, haben würde.

Wenigstens sollte ich die Inseln noch sehen. „The Jacobite“, der Dampfzug der besser bekannt ist als Kulisse des Hogwarts-Expresses aus den Harry Potter Filmen fährt nämlich fast bis dorthin, nach Mallaig.
Also auf zur Landpartie. Eigentlich wäre schon die Fahrt in dem alten Dampfzug Attraktion genug gewesen. Eine schnaufende Lok und alte holzvertäfelte Wagen. In den erste Klasse Wagen nimmt man sogar quasi in Omas Ohrensesseln Platz. Echt urig. Schon witzig, denn irgendwie ist selbst eine Fahrt in der Ersten Klasse heutzutage niemals so bequem wie in diesem alten Schmuckstück. Fortschritt muss also nicht zwingend immer einen Vorteil bringen… ;-)
Doch etwas anderes ist noch viel spektakulärer: Die Fahrt durch die schottischen Highlands. Auf dem Caledonian Canal habe ich ja bereits einen Eindruck davon bekommen, doch das hier schlägt wirklich alles. Die Bahnstrecke windet sich an den Bergen entlang, durch menschenleere Moore und Hänge, an Burgruinen, Lochs und kleinen Ortschaften vorbei. Zwei Stunden dauert die Fahrt und selbst danach kann mich sich immer noch nicht sattsehen. Bis in das frühe 18. Jhd. hinein sollen Nachrichten aus diesem Teil des Empires nach London länger gebraucht haben als aus Afghanistan. Irgendwie zwar schwer vorstellbar, doch beim Anblick dieser Landschaft auf einmal plausibel. Ich erkenne auch, dass dieser Teil Schottlands tatsächlich etwas mystisches in sich trägt. Die Landschaft ist nicht einfach nur schön anzuschauen sondern scheint von Zeit zu Zeit tatsächlich nicht wie von dieser Welt. Karge Steppen, Felswände und sattgrüne Hänge wechseln sich fast im Sekundentakt ab. Und fast immer in den unwegsamsten Gegenden stehen auf einmal die Reste eines kleinen Hauses. Kein Wunder das die alten Schotten keinen Bock auf Könige hatten sondern einfach nur ihre Ruhe haben wollten.

Angekommen in Mallaig mache ich erst mal eine Runde durch den Fischereihafen. Der ist nämlich so voll von Schiffen und Betrieb wie man es heutzutage kaum mehr kennt. Ein herrliches Treiben. Ein Wort muss ich an dieser Stelle ohnehin mal zu den Fischern loswerden: In deutschen und skandinavischen Gewässern ist das Verhältnis zwischen Seglern und Fischern auf dem Wasser ja oft von herzlicher Abneigung geprägt. Man ist einfach häufig voneinander genervt. Die ausgelegten Netze der Fischer sind zwar auch etwas tricky, das Verhältnis zueinander ist hier aber komplett anders. Alle sind Männer der See und helfen und respektieren sich gegenseitig. Ich schätze mal das hat was mit den härteren Bedingungen hier draußen zutun. Schweißt einfach zusammen.
Das beste Erlebnis hatte ich noch in der schottischen Nordsee: Ein Fischer der mir entgegenkam brüllte und winkte mir heftig zu. Ich hab mich schon gefragt was ich falsch gemacht habe, da drehte der Kollege bei und zollte mir Respekt dafür mit dem kleinen deutschen Boot hier oben zu sein. Das würde es bei so nie geben…
So fühle ich mich also auch hier im Fischereihafen gleich ein bisschen zuhause und verdrücke in einer Fischerkneipe ein paar erst vor 10 Minuten angelandete Muscheln bevor es mit dem Jacobite zurück nach Fort William und weiter nach Corpach geht. Und wieder reicht die Zugfahrt kaum aus um sich an der Landschaft satt zu sehen. Wer hier mal vorbeikommt, dem kann ich diese kleine Landpartie wärmstes ans Herz legen.