Kulturschock – Die Rückfahrt beginnt

Ich wusste von Karten und Erzählungen ja, dass Dover und Frankreich nah beieinander sind, aber wie nah – das hat mich dann doch überrascht. Gefühlt ist die französische Küste näher als Brunsbüttel wenn man in Cuxhaven an der Alten Liebe steht. Dafür ist noch mehr Schiffsverkehr als auf der Elbe. Die Fahrt durch das Verkehrstrennungsgebiet, quasi die Autobahn der Meere, wird zum Slalomlauf. Selbst als ich schon in Wurfweite der französischen Küste segle und mit ein wenig Wehmut die britische Gastlandflagge einhole, kann ich die Weissen Kliffs von Dover noch klar am Horizont erkennen. Wenige Stunden später mache ich in Dunkerque oder Dünkirchen fest und bekomme einen kleinen Kulturschock: Nach fast 3 Monaten in Großbritannien hat man sich irgendwie dran gewöhnt, dass jeder Englisch spricht und man alle Schilder versteht. An meinem ersten Abend in Frankreich muss ich nicht nur einmal kurz nachdenken und mich irgendwie verständlich machen.  Dafür sind die Hafenpreise nach 3 Monaten in England aber endlich wieder auf menschlichem Niveau. Da langen die Briten richtig zu. Fairerweise muss man allerdings auch dazu sagen, dass deutlich mehr Leistung geboten wird als anderswo.

Viel hier gibt die Stadt leider nicht. Dunkerque ist eine mittelgroße Hanfenstadt ohne viele große Highlights. So lasse ich mich einfach ein wenig um die Hafenbecken treiben und schaue mich um. Leider leidet das Frankreichfeeling darunter, dass ich den ganzen Nachmittag über keinen Akkordeonspieler gehört habe…
Etwas anderes fällt mir aber an der Promenade auf: Die Dünen. Egal wo ich mich in England herumgetrieben habe, fast überall sind die Küsten ziemlich felsig. Strände gibt es oft nur zwischendurch mal. Hier am französischen Kanalstrand fällt die Promenade ohne Deich oder Mauer nun aber flach ins Meer hinein ab. Nur einige Dünen mit dem typischen Strandhafergeruch säumen das ganze. Auch geologisch scheint Großbritannien eine völlig andere Welt zu sein…
Ich beschließe meinen Besuch in Frankreich mit dem wofür ich eigentlich hier her gekommen bin: Moules Frites, Miesmuscheln im Sud mit Pommes mit Blick auf die hier beginnende Nordsee. Bienvenue a france!

Frankreich hält mich jedoch nur kurz fest. Pünktlich zum Ende meines Großbritannienbesuches scheinen sich ein paar Tage angenehmes Wetter in Folge einzustellen und so geht es nach „nur“ einem Hafentag weiter in Richtung Belgien. Die belgische Küste ist für Segler so eine Sache. Sie ist fast schnurgerade ohne irgendwelche Buchten oder Einschnitte. Die Häfen sind bei auflandigem Wind oft nur schwer zugänglich und dazu laut Erzählungen und Bildern oft von Hochhäusern eingerahmt und hässlich. Über weite Strecken muss man dann auch noch vor der Küste Fahrwassern folgen um zahlreichen Sandbänken auszuweichen. Kurzum: Kein wirkliches Vergnügen. Auf den ersten Meilen scheint sich der Eindruck auch zu bestätigen. Wenigstens schiebt der Strom anständig. Doch als dann auch noch ein riesiger Küstenabschnitt wegen einer unangekündigten Schießübung der Armee gesperrt ist, ich etwa 12smm, also etwa 2,5h Umweg fahren muss und der Strom deswegen kentert und nun gegen mich ist, habe ich irgendwie schon fast genug von Belgien. Statt 2,5h mit Strom von hinten an der Küste rumzubutschern, kämpfe ich mich 5h gegenan. Eindrucksvolles Beispiel vom Stromsegeln.

Völlig entfernt komme ich, zum Glück noch kurz vor Dunkelheit, im Hafen von Zeebrügge an. Eigentlich gibt es dort nicht viel zu sehen. Zeebrügge ist kaum eine Stadt, sondern eigentlich nur ein riesiger Industriehafen. Eine freundliche Vereinsmarina gibt es aber dennoch. Vor allem habe ich mir Zeebrügge aber deswegen ausgesucht, weil direkt neben der Marina ein Zug in die alte Hansestadt Brügge fährt. Und ich dachte mir, dass wenn schon die belgischen Häfen allesamt unansehnlich sein sollen, dann schaue ich mich wenigstens eine nette alte Stadt an, um am Ende auch einen guten Eindruck von Belgien zu bekommen.

War ne gute Entscheidung. Der Zug fährt von Zeebrügge-Dorp direkt an den Rand der Altstadt von Brügge. Dort habe ich dann ein kleines Touri-Programm durch die Stadt gemacht. Mittelalterliche Altstädte gibt es ja nun zuhauf, doch die von Brügge ist erstens riesig, und zweitens tobt dort das Leben, und nicht nur Touristen. Das macht den Bummel besonders angenehm. Zwischenstops mache ich im Bier- und im Pommesmuseum. Ja, die Belgier sind so verrückt auf frittierte Kartoffeln, dass sie den Pommes nicht nur ein Museum, sondern sogar einen nationalen Verdienstorden gewidmet haben. Und ich muss, sagen, das Ergebnis kann sich sehenlassen. Obwohl ich Fish and Chips in jedem zweiten Hafen schon jetzt vermisse, sind die belgischen Pommes fast noch besser und ich kann meine Entzugserscheinungen ein wenig abmildern. Zum Abschluss noch ein paar belgische Pralinen auf einer Parkbank mit Blick auf den Entengarten eingeworfen, ein Verdauungsspaziergang durch die Festungsanlagen und zurück geht es zum Hafen.

So bin ich dann am Ende ziemlich versöhnt mit Belgien und (Zee)brügge. Völlig egal, dass die Häfen alle ziemlich mittelmässig sind. Ein Land dessen Kultur aus Pommes, Bier und Schokolade besteht. Besser kann es für Segler doch zumindest kulinarisch eigentlich gar nicht sein, oder?