Die Perle
Seit ich denken kann ist Sylt meine Lieblingsinsel. Weite Strände, Dünen, blühende Heide und Meeresrauschen. Schöner kann es eigentlich nicht werden. Oder doch? In den kommenden Tagen würde ich eines Besseren belehrt werden und eine Insel entdecken, die von ihren Insulanern ganz unbescheiden als die Perle der Nordsee genannt wird.
Drei Häfen habe ich auf Sylt besucht. Mittlerweile bin ich in Hörnum und plane die Insel zu verlassen. Auf zu neuen Ufern. Um den Nervenkitzel etwas zu erhöhen geht es heute das erste Mal mit Nonsuch durch ein Wattfahrwasser. Das heißt, ich folge einem Fahrwasser, auf dessen Grund bei Niedrigwasser Touristen von Föhr nach Amrum wandern und die Möwen hin kacken. Es geht also mitten zwischen den Inseln hindurch. Bei mittlerem Hochwasser sollen dort allerdings etwa 1,80m Wasser stehen. Doch wie breit wird das Fahrwasser sein? Sind die Pricken gut sichtbar und ausreichend? Meine Planungsmaschine läuft auf Hochtouren. Am Ende sollte allerdings alles ganz entspannt werden.
Auch heute hält die bullerige Mordsee sich zurück und feinstes Sommerwetter mit einer leichten Backstagsbrise begleiten mich auf dem Weg zum Anfang der Prickengasse. Wider Erwarten lassen sich die junge, dünnen Birkenstangen gut am Horizont ausmachen. Eigentlich sogar zu viele davon, denn die Reihenfolge erschließt sich nicht sofort. Navigatorische Luxusprobleme. Und außerdem ist der Anfang eines Prickenweges immer mit einer Doppelpricke bezeichnet. Und wie beim Bindfaden ergibt sich der Rest wie von selbst wenn man den Anfang gefunden hat.
Für den Anfang taste ich mich mit dem Motor ran und fahre die Pricken sauber aus. Immer schön mit etwa 10m Abstand gleiten die Stangen an mir vorbei. Langsam werde ich entspannter und das Ganze beginnt mir Spaß zu machen. Die flachste Stelle passiere ich lehrbuchmäßig noch mit auflaufendem Wasser und schon bald bin ich wieder in einem der tiefen Priele die sich zwischen den nordfriesischen Inseln wie Adern hindurchwinden und das Echolot sinkt deutlich. Könnt man echt häufiger mal machen…
Viel zu schnell ist das kleine Abenteuer schon nach wenigen Meilen vorbei und der Hafen von Amrum taucht vor mir auf. Schon weitem sieht er so schön einzigartig aus wie die meisten Nordseehäfen, doch ahne ich noch nicht wie gut es mir hier gefallen wird….
Offiziell heißt die ganze Veranstaltung hier „Seezeichenhafen“. Die eine Hälfte bilden die Stege des Amrumer Yachtclubs und die andere wird vom Wasser- und Schifffahrtsamt mit seinem Tonnenleger, der von hier fast die gesamten nordfrisieschen Inseln mit Tonnen versorgt, dem Rettungskreuzer, einem Fischkutter und einem Ausflugsdampfer eingenommen. Dieses bisschen „echte“ Schifffahrt im Hafen sorgt für diese authentische maritime Stimmung in Häfen die ich so gern mag. Und stören tut das ganze auch nicht. Im Gegenteil: Nachdem ich mich hier eingelebt habe und nachmittags faul in der Pflicht liege, warte ich schon fast auf den Feierabend und damit die Ankunft des Tonnenlegers damit wieder etwas Leben im Hafen ist… Echt interessant übrigens immer wieder wie riesig die großen Tonnen sind wenn sie an Land liegen. Auf See hat man ja von den Größenverhältnissen her manchmal das Gefühl man sucht einen bunten Kindereimer vom Strand…
Auch abgesehen vom Flair gefällt mir der Hafen. Sämtlicher denkbarer Service, Internet, Restaurant, alles da. Man liegt komfortabel an der Betonpier, deren gesamte Nordseite den Gästen vorbehalten ist, und so wird es hier nur im Hochsommer mal so voll, dass man mal ins Päckchen müsste. Am Betonsteg bleibt auch bei Niedrigwasser ein kleines bisschen Wasser stehen, der Rest des Bootes versinkt wie üblich im weichen Schlick. Mit Hochwasser ist der Hafen locker für Boote mit bis zu 2,40m Tiefgang geeignet. Der Kreuzer direkt nebenan hat schließlich auch 2,20m Tiefgang. Und wen ich immer noch nicht vom Trockenfallen in den Häfen überzeugen konnte, den soll noch eine weitere Story Mut machen mal einen Trip auf die nordfriesischen Inseln zu wagen: Hier in Amrum ist nämlich ein schön modernes Boot beheimatet. Eine Hanse 350 mit T-Kiel, tiefem Spatenruder und Saildrive. Und die versinkt ohne Probleme 2 mal im Tag, den ganzen Sommer lang im Dreck. Also gebt euch einen Ruck, es lohnt sich!
Nach einem entspannten Abend an Bord begleitet vom wunderbaren Geschrei der Wattvögel mache ich mich auf zur Inselerkundung. Als ich zurück am Hafen bin, werde ich mich komplett in Amrum verliebt haben. Und das obwohl ein Werbespruch auf Sylt „Schlafen könnt ihr auf Amrum“ lautet.
Schon auf der Seekarte erkennt man den riesigen Strand Amrums. Doch von der Promenade in Wittdün aus sieht das Ganze eher aus als stünde man mitten in der Wüste. Die Wanderer am Ufer kann man nur mit dem Fernglas überhaupt erkennen. So einen Strand habe ich selbst als Nordseekind noch nie gesehen. Und so muss eine kleine Pause am Strand auch sein. Einfach nur im Sand sitzen, die Füße im kühlen San vergraben und dem Meeresrauschen lauschen. Kann es etwas entspannteres Geben?
So kann man es auch sehen….
Bevor ich allerdings zum Faultier werde mache ich lieber noch etwas Aktivurlaub und besteige den Leuchtturm der Insel. Am besten kann man sich einen Überblick über die Insel natürlich von oben verschaffen. Also gehts im Schweiße meines Angesichts rauf auf den Leuchtturm. Der ist nämlich mit 64m immerhin der größte an der Schleswig-Holsteinischen Westküste. Belohnt wird man für die Anstrengungen der über 200 Stufen mit einem grandiosen Ausblick über das gesamte nordfrisiesische Wattenmeer. Von Keitum auf Sylt, bis zum Festland, nach Hooge, Pellworm und Eiderstedt reicht der Blick bei guter Sicht. Schön schaut die ganze Insel von oben aus. Lange Zeit lasse ich den Blick von hier oben schweifen. Gibt ja auch unendlich viel zu entdecken. „Hier würden mich selbst ein paar Hafentage nicht stören, andere zahlen schließlich viel Geld um hier Urlaub zu machen“ geht mir noch so durch den Kopf, während ich die Wendeltreppen unter Mitnahme eines schönen Drehwurms wieder herabsteige und die Insel weiter erkunde. Leider wird meine Geduld dann bald auch auf die Probe gestellt…