Auf nach Northern Wales

In Douglas studiere ich mal wieder stundenlang die Wetterkarten. Das mutiert auf dieser Reise immer mehr zur Dauerbeschäftigung. Der Sommer zählt zu den schlechtesten der jüngeren Vergangenheit auf den Britischen Inseln und so muss ich sorgfältig planen, um die richtigen Wetterfenster zwischen all den Tiefs abzupassen. Und da gilt es aufzupassen wie ein Schießhund: Nachdem ich die erste Möglichkeit noch verworfen hatte, weil ich keine Lust auf 20kn von vorne hatte, eröffnet sich mit dem nächsten Wetterbericht gerade mal 6 Stunden später doch noch eine Möglichkeit gegen Mittag zeitnah nach Wales überzusetzen. Innerhalb dieser kurzen Zeit hat sich das Wettergeschehen mal wieder komplett geändert und ich brause los.

Vor mir liegt dann ein super Segeltag mit Sonne und leichter Backstagsbrise. Doch wegen der Verzögerung komme ich nun spät in der Nacht an der Ansterung von Conwy in Nordwales an. Diese fällt trocken und wäre ohnehin vorher nicht zu passieren gewesen, doch nun machen die reißenden Strömungen mit 4kn von der Seite das ganze doch extrem spannend. Als ob der aufkommende Seegang, Dunkelheit und Strömung noch nicht genug wären, liegen kurz vor der Conwy Marina dann auch noch haufenweise Boot an Moorings. Im Gegensatz zu Ankerliegern natürlich unbeleuchtet. Mit dem Strom dazu kommt man sich vor wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn, ständig dabei einem Hindernis auszuweichen.

So ist das Segeln hier. Unglaublich anstrengend in mehrfacher Hinsicht. Wetter, Tide und örtliche Gegebenheiten müssen immer zusammenpassen, sonst klappt es nicht. Anders so in der Ostsee oder Deutschen Nordsee: Wenn mal ein Faktor, z.B. das Wetter nicht passt, kann man immer noch dagegen ankämpfen. Genau das ist hier aber oft unmöglich. Alles sollte zusammenpassen. Am Anfang in Schottland habe ich noch manchmal versucht dagegen anzugehen, mittlerweile warte ich lieber. Doch auch die Wartezeiten im Hafen sind psychologisch sehr anstrengend, weiß man durch das sich stetig wechselnde Wetter doch nie, wie lang man hier nun warten muss und wann es unter welchen Bedingungen endlich weitergeht. Stabile 4 Windstärken mal über mehrere Tage hinweg? Vergiss es… Das ist im Kopf auf Dauer leider echt fordernd. So lehrt das Segeln rund um die britischen Inseln nicht nur mit hartem Wetter und Tiden umzugehen, sondern auch Geduld, Vorsicht und Demut.

Heute hatte ja erst das Wetter für den Schlag nach Conwy nicht gepasst, dann die Tide, dann das Tageslicht. Irgendwie hab ich mich aber durchgewurschtelt und bin unglaublich froh, hier angekommen zu sein. Die Conwy Marina ist nämlich der Hammer. 24h Service, kein Trockenfallen und der absolute Oberhammer: Wasserfallduschen in den Duschräumen. Manchmal gehen mir solche künstlichen Full-Service Marinas ja auf den Sack, doch heute ist es genau das Richtige, um ein wenig abzuschalten.

Duschen, Ausschlafen, und dann wie üblich auf zur Ortserkundung. Wales wird auf vielen Reisen Rund um Großbritannien mit meist nur kurzen Boxenstops etwas stiefmütterlich behandelt, Nordwales meistens komplett ausgelassen. Ein großer Fehler wie ich nach meinem Besuch hier finde. Die Landschaft ist etwas bizarr, ruhige Hügel und Felder wechseln sich scheinbar wahllos mit schroffen Felsen ab. Die Menschen dafür sind umso freundlicher, gute Pubs und Kultur gibt es zuhauf. Der größte Nationalpark UK´s, die Snowdonian Mountains, liegen gleich um die Ecke. Und dann wäre ja noch die walisische Sprache…. Die sieht ungefähr so aus, als ob jemand seinen Kopf auf eine Computertastatur gelegt hätte und ihn einmal nach links und nach rechts gerollt hätte. Im Gegensatz zu Schottisch oder Irisch (von einigen wenigen Gegenden mal abgesehen) , sprechen hier aber viele Bewohner diese uralte keltische Sprache noch im Alltag. Aber keine Sorge, Englisch kann für uns Touristen trotzdem noch jeder! Trotzdem habe ich sogar ein wenig das Gefühl, dass die Waliser sich fast etwas mehr unabhängig fühlen als die Schotten, die damit ja tagtäglich kokettieren…

Ich wandere ein wenig durch die Gegend bevor ich das Örtchen Conwy erkunde. Der ganzen Ort liegt noch innerhalb seiner mittelalterlichen Stadtmauer auf der man einmal außen rum laufen kann. Das sorgt natürlich für ein Mittelalter-Flair wie es Disneyland nicht besser reproduzieren könnte. Auch das örtliche Castle schaue ich mir an. Gebaut wurde der Schuppen übrigens nicht von den Walisern, sondern vom Englischen König Edward I. Übrigens der selbe Kollege, der wegen seiner freundlichen Art in Schottland als „Hammer der Schotten“ bekannt geworden ist. Er war nämlich der erste, der die englische Herrschafft auf ganz Großbritannien ausgedehnt hat. Und ist auch heute noch in den alten Königreichen entsprechend beliebt. Einmal mehr merke ich, wie falsch es ist dieses Land „England“ oder diese Reise als „Rund England“ zu nennen… Und so beende ich meinen Stadtrundgang dann aber mit einer kulturellen Gemeinsamkeit aller Länder Großbritanniens: Eine schön fettige Portion Fish and Chips vom Takeaway am Hafen. So, und  tatsächlich nicht im Pub, essen  nämlich alle Briten diesen Klassiker am Liebsten.