Kategorie: News & Blogs

Die vergessenen Inseln: Despotiko. Oder: Der letzte Feldzug des Miltiades.

Der unwirtliche Norden des Inselchens Tsimintiri.

Oft auf meiner Segelreise durch die Ägäis frage ich mich: Bin ich es, der dank glücklicher Fügung Orte findet, die Geschichten erzählen? Oder sind es die Orte, die mich finden?

Denn so war es auch mit Despotiko, der vergessenen Insel. Den Tag über war ich von Kimolos herübergesegelt, ein längerer Schlag, an Sifnos vorbei. Am späten Nachmittag begann ich Ausschau zu halten nach einem Platz, um ankernd die Nacht zu verbringen. An zwei, drei Buchten segelte ich vorbei, bleib ich hier? Bleib ich da? Bis ich mich entschied, noch vor Paros in die weite Ankerbucht Ormos Despotiko einzulaufen, die jeder kennt, der durch die Gewässer um Paros und Naxos streift. Es ist ein Ankerparadies, das da zwischen dem bewohnten Antiparos im Osten und den unbewohnten Inseln Tsimintiri und Despotiko, den alten Piratenschlupfwinkeln liegt: weit, geräumig, das türkise Wasser begeisternd, vor dem Wind geschützt nach allen Himmelsrichtungen, Wassertiefe und Grund ideal zum Ankern. Ein Platz wie wenige. Ich blieb vier Tage.

    Blick von Antiparos nach Westen: Vorne links das unbewohnte Tsimintiri. Dahinter die Insel Despotiko. Und fern am Horizont Sifnos.

Meiner Gewohnheit folgend, nutzte ich den späten Nachmittag, um mit meinem Dinghi Streifzüge zu unternehmen. Zuerst nach Antiparos – da wars touristisch. Dann nach Tsimintiri (im Bild ganz oben): baumlos, strauchlos, menschenleer, und der Meltemi treibt aus Nordwesten die Brandung an die Felsen. Doch plötzlich stehe ich – wie fast immer auf den Ägäis-Inseln und vorher schon auf Milos – in antiken Tonscherben. Die ersten Spuren uralter Besiedlung. 

Am Dritten Tag dann mit dem Dinghi hinüber nach Despotiko selber. Das Dinghi an Land gezogen und vertäut und langsam Richtung Gipfel marschiert. Und plötzlich finde ich – oder es findet mich – dies:

Ein weitläufiges Areal. Grundmauern aus behauenen Quadern. Die Reste einer Tempelanlage der Antike – ein Kultplatz, vielleicht nicht so groß wie Olympia, aber beeindruckend mit den fast fugenlos aufeinandergelegten Quadern, den üppigen Grundrissen, den Säulen mitten auf dieser vergessenen, nur von einem Schäfer bewohnten Insel, dessen Hunde mich aus der Ferne anbellen, während ich allein durch die Ruinen streife.

                                                                                                                     Weiterlesen über das Heiligtum von Olympia: hier.

Kein Zweifel: dies muss in der Antike ein bedeutendes Heiligtum gewesen sein, ein Ort, den zuverlässig untereinander streitenden und kriegenden Hellenen ein Stück Gemeinsamkeit zu schaffen. Was ich fand, ist dies:

Es ist das antike Prepesinthos, ein Heiligtum, im sechsten, siebten Jahrhunderts vor Christus dem Apoll errichtet. Ein zentraler Ort, den die Menschen vor 2.600 Jahren mit einer Bitte, einem Gebet, einem Flehen oder einem Dank aufsuchten. Ein Ort, an dem sie den Göttern, einem Gott, Apoll, ein Opfer, ein Geschenk darbrachten. Manche Gold. Manche eine Figur. Andere nur einen Krug. Oder einen tönernen Weinbecher, in dessen Boden sie mit ungelenker Hand „Für Apoll“ ritzten.

Aber etwas stimmt nicht mit diesem Ort. Irgendetwas ist falsch. Und das hat mit dem marmornen Abbild des „Kouros“, des Jünglings, zu tun, den man im Bauschutt der weitläufigen Ruinen fand. Denn der Kouros, vielmehr die vollständige Statue, war nur wenige Jahre in Prepesinthos aufgestellt. Der Kopf wurde etwa um 560 vor Christus geschaffen, und dies unergründliche Lächeln, das der Jüngling zeigt, verschwand nur wenige Jahre später im Erdboden: die Statue wurde zerstört – keine 70 Jahre, nachdem der Künstler sie geschaffen hatte. Zerstört nicht durch Erdbeben oder eine Naturkatastrophe. Sondern durch militärische Gewalt, durch absichtsvolle Zerstörung. Um danach in Trümmern als Baumaterial Verwendung zu finden.

Man ging zunächst von lokalen Unruhen aus. Dann von den Perserkriegen, in denen Naxos und Paros als wichtiger Trittstein für die Perser auf dem Weg nach Athen eine große Rolle spielte. 

Aber die jüngste Spur ist weit spannender. Sie führt nach Athen. Und mitten hinein in das größte Ereignis der griechischen Antike: Den Einmarsch der Perser mit ihren gewaltigen Heeren nach Griechenland. Und den Sieg der Athener über diesen Feind. Die Spur führt von der vergessenen Insel Despotiko zu Miltiades, dem Strategen, der die athenischen Truppen in der Schlacht von Marathon zum Sieg führte. Miltiades, der als größter Feldherr seiner Zeit galt. Der ein Jahr nach seiner erfolgreichen Kampagne von seiner Heimatstadt Athen beauftragt wurde, die Insel Paros zu unterwerfen. Aber die Bewohner von Paros und der umliegenden Inseln ließen sich nicht unterkriegen. Leisteten erfolgreich Widerstand, und es war vermutlich während dieses Kriegszuges, dass das nur wenige Meilen vor Paros liegende Apollon-Heiligtum von Griechen zerstört wurde. Und das Lächeln des Kouros für 2.500 Jahre im Erdboden verschwand.

Miltiades wurde auf diesem Feldzug am Bein verwundet. Und wegen seines Fehlschlags von Paros in Athen angeklagt. Man war gnadenlos: Auf einer Krankenbahre hatte sich Miltiades vor Gericht für seine misslungene Expedition zu rechtfertigen. Es verurteilte ihn zu einer hohen Geldstrafe. Sie war so hoch war, dass er sie – wiewohl vermögend – nicht begleichen konnte. Also verurteilten ihn die Richter zu Gefängnis.

Miltiades, der seine Vaterstadt vor den Persern gerettet hatte, starb an den Folgen seiner Verletzung von Paros, noch bevor sie kamen, ihn zu holen.

Als ich zurück zum LEVJE rudere, bin ich nachdenklich. Zum ersten Mal ist draußen über dem Meer Nebel. Eine erste Ahnung von Herbst ist da, selbst hier in der Ägäis. Wo die vergessenen Inseln dem, der zuhört, leise gute Geschichten ins Ohr flüstern..

   Wo liegt Despotiko? Und wie segelt man nach Despotiko? So. Einfach auf dem Tablet vergrößern…

Es ist soweit: MARE PIÙ macht ein Buch.

Die Abenteuer beginnen, wenn wir unser Zuhause verlassen.“, sagte Blaise Pascal. 

Was über diesem Blog steht, hat mich nie verlassen, weder draussen auf dem Meer noch an Land. Es ist ernst gemeint. Es ist ein Leitstern geworden in meinem Leben. Für mich, aber auch für die, MARE PIÙ aktiv begleitet haben im vergangenen halben Jahr.

MARE PIÙ hat begonnen als Webseite über das Leben am Meer. Mit Geschichten vom und über das Meer. Und über die Menschen, die dort leben. Ich wollte Geschichten schreiben. Für die, die mich kennen. Und nicht mit auf meine Segelreise mit LEVJE konnten. 

Jetzt wird MARE PIÙ regelmässig gelesen. Und überwiegend von Lesern, die meine Lust auf Meer und vor allem die Sehnsucht auf das einfache Leben am Meer teilen. Die selber Segeln. Oder einfach nur Mitsegeln, weil sie das Leben auf dem Meer so geniessen. Das Entdecken. Aber auch, wie einfach und unkompliziert das Leben tatsächlich sein kann. Und darüber werde ich auf MARE PIÙ auch im nächsten Jahr schreiben. Genauso wie bisher.

Aber etwas wird neu sein. Aus MARE PIÙ heraus wird ein Buch entstehen. Mehrere. Hoffentlich viele. Wir haben lange überlegt. Wir haben den Beschluss gefasst. Es geht los. Was kann man schon anderes erwarten: Denn Susanne, die Idee und Entstehung von MARE PIÙ vom ersten Moment an begleitete und ich: Wir haben unser ganzes Leben gelesen. Und unser langes Berufsleben eines gemacht: nämlich Bücher. 

Aber das erste Buch, das wir planen, wird anders sein als alle Bücher, die wir zuvor gemacht haben. Natürlich wird es um’s „Auf-dem-Meer-sein“ gehen. Aber es wird ein Thema sein, das es so noch nicht gibt. Geschrieben von Autoren, die heute noch gar nicht wissen, dass sie Autoren sind. Aber die unglaublich gute Geschichten erzählen können. So wie man sie im Hafen hört. Über das Meer und über das, was es uns lehrt. Über die Weisheit des Segelns und die Fertigkeiten des Seemanns, über das, was man erlebt, wenn man unter Segeln unterwegs ist. 

Dieses Buch wird nächstes Frühjahr erscheinen. Als erstes. Und der Projektstart wird hier auf MARE PIÙ erfolgen. Noch vor Weihnachten. Mehr verraten wir nicht!

Bereit, um einzusteigen? Dann bleiben Sie dran an Mare Più. Wir halten Sie hier einmal wöchentlich über den aktuellen Stand auf dem Laufenden. Und wenn Sie nichts mehr verpassen wollen: 
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Neuer Blogeintrag auf YACHT.de

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Wir melden uns aus La Coruña. Morgen soll es aber schon weiter gehen. Alles weitere in einem neuen Blogeintrag – diesmal auf www.yacht.de

Johannes

 

Morgen gehts weiter …

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Liebe Leser,

nach einer langen Regenzeit in Viveiro werden wir morgen früh endlich gen Westen aufbrechen. Es ist zwar immer noch Westwind angesagt, aber nur noch der Stärke 3 bis 4. In den vergangenen Tagen waren es 5 bis 7. Also wollen wir diese kurze Wetterbesserung nutzen, um nach La Coruña zu kommen. Dienstag knallt es dann nochmal ganz ordentlich, bevor der Wind Mittwoch wieder abflaut und sogar auf Ost dreht. Eine gute Chance, um das Kap zu runden und Kurs Süd zu nehmen. Natürlich ist für die folgenden Tage dann Südwind angesagt – wieder direkt von vorn. Aber vielleicht schaffen wir es trotzdem in kleinen Tagestörns nach Süden zu hüpfen.

Die Wartezeit in Viveiro war lang und strapazierend. “Schiffe werden im Hafen bei schlechtem Wetter immer kleiner”, hat unser Nachbar Bert von der “Heimkehr” geschrieben. Das haben wir genauso empfunden. Deshalb können wir es auch kaum erwarten, morgen wieder die Segel zu setzen. Trotz des vielen Regens gab es aber auch immer mal kurze, lichte Augenblicke. Wir haben hier in der vergangenen Woche sicher zehn Regenbögen gesichtet.

Johannes

 

Unter Segeln: Ein Schiff, um 5 Monate unterwegs zu sein. Oder: Die Liebe des Seglers zu seinem Schiff.

LEVJE auf Errikoussa. Die beiden nordwestlichsten griechischen Inseln Othonoi und Errikoussa sind zwei der vergessenen Inseln, über die ich schrieb.

Oft, wenn ich von einem Spaziergang oder einer Besorgung in den Hafen zurückkehre, freue ich mich: „Ich komme zurück zu meinem Schiff!“
Natürlich sehe ich mir im Vorübergehen auch die anderen Schiffe an. Bleibe kurz stehen. Denke darüber nach, wie gut sie sich segeln lassen. Ob es leicht ist, Segel zu setzen. Oder zu reffen. Oder wie gut diese oder jene Yacht wohl im Hafenmanöver sein mag. Oder in der Welle. Wie es unter Deck aussieht. Wie es sich leben ließe, auf diesem oder jenem Schiff. Ob es im Winter gemütlich ist. 

Aber wenn ich die Pier entlang gehe: dann ist es oft so, dass ich nur Augen habe für mein Schiff: für LEVJE. Und ich gebe es gerne zu: immer noch macht mein Herz einen Hüpfer, wenn sie dann plötzlich vor mir liegt an der Pier: LEVJE. Mein Schiff.

Ich freue mich, weil ich sie immer noch schön finde, wenn sie vor mir im Hafen liegt, meine LEVJE. Klar gibt es viele Boote, die mich entzücken. Der ranke Schärenkreutzer. Sein kleiner Bruder, der Drachen. Das Folkeboot, das mir immer wieder ob der Schönheit seiner Zeichnung ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Selbst hier in der Türkei sieht man gelegentlich eine Marieholm. Der 806er, wiewohl eine reine GFK-Konstruktion der 70er, 80er Jahre, ist von klassischer, zeitloser Schönheit. Und ihm in vielem ähnlich finde ich auch die Linien von LEVJE, meiner DEHLER 31.

Bereits der allererste Beitrag hier auf MARE PIÙ war LEVJE gewidmet: Noch vor meiner Abreise schrieb ich über den legendären Crashtest, den die Zeitschrift YACHT 1988 stellvertretend für viele andere GFK-Yachten veranstaltete. Das Video zu diesem Crashtest jagt mir auch 27 Jahre später Schauder über den Rücken, wie eine Yacht, „meine“ Yacht, eine DEHLER 31 unter Vollzeug auf eine Steinmole gejagt wird. Und das klaglos aushält. Drei Mal. Doch reden wir lieber von Anderem.

Weiterlesen und Video kucken mit dem YACHT-DEHLER 31-Crashtest? Hier.

Als ich LEVJE im März 2009 erwarb, bewegten mich verschiedene Dinge. 10 Jahre war ich in einer Eignergemeinschaft gewesen, es war eine gute Zeit mit unserer FEELING 36, der JUANITA. Aber ich suchte nach einem Schiff, das ich einhand gut beherrschen konnte. Großsegel aus dem Cockpit heraus setzen. Und reffen. Rollfock. Hafenmanöver ohne größere Crew und einhand fahren – unsere FEELING mochte zum Anlegen gern eher fünf als nur zwei Hände. 
Ich suchte nach einem Schiff, groß genug, um längere Zeit zu zweit darauf zu verbringen. Aber handlich genug, um auch allein darauf unterwegs zu sein. Und entschied, nach einer Schiffslänge zwischen 30 und 33 Fuß, also knapp unter 10 Metern zu suchen. Und schnell sollte sie sein. Kein Racer. Aber auch bei wenig Wind gleich anspringen. Und gut laufen.

Und in all diesen Punkten hat LEVJE mich nie enttäuscht: Sie braucht wenig Wind. Vorlich manchmal nur 8 Knoten, um bei ruhiger See mit 5 Knoten zu spurten. Ihr Faltpropeller, den Willi Dehler allen DEHLER 31 in den 80er Jahren serienmäßig (!) verpasste, schenkt ihr unter Segeln mindestens einen halben Knoten mehr. Es sind wunderschöne Abendsegelstunden, bei leichtem Wind und glatter See einfach nur in die untergehende Sonne zu segeln. 

Nur bei viel Welle von vorn, da wünsche ich mir manchmal deutlich mehr Gewicht. LEVJE verhält sich in der Welle eher wie irisches Curagh, ein mit Tierhaut bespanntes, federleichtes Holzgerüst, das uralte Boot der irischen Fischer, das immer wie ein Korken oben auf der Welle schwimmt. Ja, etwas mehr Gewicht, bei Wind und Welle. Aber das ist nun wirklich ein Widerspruch zum schnellen „Anspringen“. Man kann nicht alles haben. So sehr auch ich als Segler immer die „eierlegende Woll-Milch-Sau“ zu finden hoffe.

Aber das Wichtigste, für einen langen Törn, für jedes Boot, das man kauft ist: Vertrauen. Man muss Vertrauen haben zu seinem Boot. „Mein Boot und ich: wir vertrauen uns“, schreibt Gudrun Caligaro, Einhand-Weltumseglerin auf einer 28er. Und damit ist alles gesagt. Man muss sich sicher fühlen, auf seinem Boot. Bei wenig Wind, bei viel Wind. Bei hoher Welle. Man soll nicht dauernd darüber nachdenken müssen „Was-mach-ich-bloß-wenn-in-der-Einfahrt-der-Motor-wieder-nicht-anspringt?“ Oder der Motor mitten im Hafenmanöver den Geist aufgibt? Sowas kommt vor. Aber es darf nicht die Grundeinstellung zum Schiff prägen.

Unter Deck ist LEVJE geräumig, sie bietet, wonach ich suche: Viel Platz für mich in meiner Achterkoje, viel Platz für einen Mitreisenden in der Bugkoje. Und Gerhard, der mit seiner DEHLER 31 gerade um die Welt segelt, schläft nur in der Bugkoje. Und hat sich die Achterkoje als Werkstatt und Lager ausgebaut. Gelegentlich nisten sich da, wo er und ich unser Werkzeugschapp haben, auch Seeschlangen ein, wie er auf seinem Blog beschrieb.

Ich mag die langen Salonbänke, auf denen ich bei einem Nachtschlag, oder ein Mittags-Nickerchen gut ruhen kann. Und seit ich die Petroleum-Lampe am Mastfuß repariert habe, ist LEVJA abends, in der früh einsetzenden Dunkelheit in der Türkei, einfach noch gemütlicher.

LEVJE’s Raumaufteilung, vor allem, was die Kücheneinteilung angeht, ist zeitlos. Sie ist heute der gängige Grundriß vieler aktueller Typen zwischen 30 und 37 Fuß. Sie begegenet mir immer wieder, wenn ich mir auf Messen neue Schiffe ansehe. Ich koche gerne, und deshalb freuen mich auf LEVJE immer noch Details, nach denen ich auf vielen neu designten Fahrtenyacht vergebens suche. Zwei gleich große Waschbecken. Einen dreiflammigen Herd (selbst wenn ich die drei Flammen selten gleichzeitig brauche). Ein Backrohr, um meinen Fisch zu Grillen. Schapps mit Schiebern, dank denen es (ich gestehe: ich bin kein ordentlicher Mensch!) schnell aufgeräumt und ordentlich aussieht. Und wer ein kleines Schiff hat, der weiß, wovon ich rede: Ordnung halten auf einem kleinen Schiff ist noch schwieriger als in einer kleinen Wohnung.

Es gibt auch gemütliche Ecken. Überm Kartentisch mein kleiner Altar. Meine Sammlung Bleistifte, ich liebe sie. Mindestens eine gute Schere. Es gibt soviel schlechte Scheren in der Welt, über die man sich ärgern muß. Die Schieblehre, um schnell mal eine Schraube auszumessen. Der „Glückszettel von Nonna Sistina von den Tremiti“, über den ich schrieb. Das Bild meines Vaters. Das Nebelhorn, das ich im Hafen benutze, wenn an der Einfahrt zwar „Call 68“ steht, aber ma wieder keiner hört.

Weiterlesen, was auf dem Glückszettel der Nonna Sistina steht? Hier.

Nein, die Liebe des Seglers zu seinem Boot ist vielschichtig. Sie ist nicht leicht zu erklären. Sie hat viele Ursachen. Freude über Schönheit. Das Wissen um viele, viele unglaublich schöne Stunden. Vertrauen. Eine tiefe Dankbarkeit, wie zuverlässig mich mein Schiff fast 3.000 Kilometer durch die Wellen trug. Und mir dabei vieles schenkte, was für Geld nicht zu erwerben ist.

Weiterlesen über: Der große Traum vom neuen Boot. Oder: Was bei einem neuen Boot wirklich wichtig ist: Hier.
Weiterlesen über die beiden nordwestlichsten griechischen Inseln Othonoi und Erikoussa: Hier.
Weiterlesen über die Weltumsegelung mit einer DEHLER 31 und die Seeschlangen an Bord: Hier.

Viel Wind … und immer von vorn

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“Ich dachte, Ihr wollt in La Coruña überwintern?” fragt ein Leser bei Facebook. Wollen wir nicht. Erstrecht nicht in Viveiro. Wir wollen weiter, wollen in den Süden!

Zwei Wochen haben wir auf unsere Pakete mit den Ersatzteilen aus Deutschland gewartet. Pünktlich mit ihrer Ankunft hat sich dann das Wetter verschlechtert. Es regnet nun fast ununterbrochen. Einmal hat es sogar gehagelt, richtige Eisplocken lagen an Deck der “Maverick”. Und es weht gewaltig. Zu doll und immer genau auf die Nase. Manche Tage ist “Maverick” sogar im Hafen bis zu 7 oder 8 Grad weggekrängt, wenn die Böen schaurig schön im Rigg heulen. Im Hafen laufen manchmal sogar richtig große Wellen durch, obwohl wir abseits des Atlantiks in einem Fluss liegen.

Für heute hat sich eine kleine Chance abgezeichnet, zumindest nach La Coruña zu kommen. Also haben wir uns den Wecker sehr früh gestellt, um zeitig zu starten. Relativ schnell kam mit dem Blick auf den aktuellen Wetterbericht die Ernüchterung: Fünf bis Sieben Beaufort aus Südwest. Wie bereits die letzten Tage. Darauf haben wir echt keine Lust, denn das hieße 50 Meilen genau gegenan. Die Wellen sollen laut Windfinder eine Größe von fünf Metern haben. Morgen sogar 6,5 Meter. Momentan sieht es so aus, dass wir erst Montag weiter kommen – aber das kann sich ja bekanntlich noch alles ändern. Wir spielen im Kopf schon verschiedene Optionen durch, Zwischenstopp in La Coruña, Durchknacken nach Porto – wie weit ist es eigentlich bis nach Lissabon? Muros soll schön sein (wenn eine Marina schon “Mu-Port” heißt, kann es doch nur toll werden, findet vor allem Bordkuh Ricky), in La Coruña gibt’s aber ‘ne Waschmaschine … Hier in Viveiro gibt es keine, nur einen teuren Wäsche-Service. Weil die Klamotten schon wieder knapp werden, haben wir heute mal ein kleines Experiment gestartet. Das Ergebnis sehr ihr im Video:

Wie zu Großmutters Zeit … from Johannes Erdmann on Vimeo.

Heute vor genau zwei Monaten sind wir die Oste Richtung Elbe runtergetuckert. Genau drei Wochen liegen wir heute in Viveiro … Von acht Reisewochen haben wir fünf auf Wetterbesserung in irgendwelchen Häfen verbracht. Wird wirklich Zeit, dass wir weiterkommen …

5 Monate Segeln: Was hat mir das gebracht? 7 Erfahrungen, die sich lohnen.

Vor kurzem fragte mich ein Mitarbeiter meines einstigen Verlagsteam: „Und? Würden Sie es wieder machen? Noch mal fünf Monate Segeln gehen?“ Ich mußte kein Sekundenbruchteil überlegen. Na klar. Sofort wieder. Jetzt gleich. 
Aber was ist es, was von so einer Reise bleibt? 
Lernt man etwas? 
Wird man ein anderer? 
Habe ich mich verändert? 
Hier der Versuch einer Antwort.

Learning 1: 
Was ist eigentlich wirklich wichtig im Leben?


Über LEVJE’s Kartentisch.

Schöner, als es die folgende Geschichte erzählt, kann ich es nicht wiedergeben: Der Autor, ein amerikanischer Backpacker, Mitte der 90er auf Trekking-Tour irgendwo in Kenia. In irgendeinem abgelegenen Dorf begrüßt ihn ein alter Massai. Hoch gewachsen. Stolz. Auf seinen Speer gestützt. Wie ein Reiher auf einem Bein stehend. Während des Abendessens führen die Tourengeher dem Massai stolz ihren nagelneuen Rucksack vor. Große Staufächer. Extrataschen für dies. Extrataschen für das. Kleine Tupper für jenes. Reißverschlüsse. Schnallen. Schnappschlösser. Klettverschlüsse. 
Nachdem der Massai den Rucksack und seinen ausgebreiteten Inhalt einige Minuten wortlos betrachtet, wendet er sich an den Autor mit der Frage:

„Sag: Macht all dies Dich glücklich?“

Geschichten wie diese hat jeder gehört. Und kennt jeder. Aber meine große Erfahrung meiner fünfmonatigen Segelreise ist: 

Der Erzähler dieser Geschichte hat Recht. Einfach nur Recht. 100% Recht. 

Eingespannt in mein früheres Leben: Vor allem meinen Beruf, das Gelärme dessen, was „wichtig“ zu sein scheint, und auch meine Partnerin, Kinder, ist es schwer, sehr schwer, zu hören, was ich wirklich brauche. Denn der lautlose Lärm dieses, meines Alltags ist überwältigend. Für mich. Für die meisten von uns.

Tatsächlich ist es verdammt wenig, was ich „wirklich“ wirklich brauche. Aber um herauszufinden, was dazu zählt: war es einfach buchstäblich notwendig, die Autobahn, auf der auch ich mich seit Jahren im Kolonnenverkehr bewege, zu verlassen. Rechts rauszufahren. Auszusteigen. Und zu kucken: WAS mir da einfach begegnet. Und WIE.

Und diese Begegnungen sind das Wichtige: Mit den vielen MENSCHEN AM MEER, über die ich schrieb (und es werden in den nächsten Monaten noch viele, viele mehr werden, über die ich zu schreiben habe). Mit dem, was mir UNTER SEGELN auf dem Meer begegnete: Einsamkeit. Inseln, auf denen die Götter zu wohnen schienen. Gewitter. Und große Wellen. 

Das, was uns begegnet, wenn wir unser Zuhause verlassen, ist wichtig.
Das, was wir im Alltagsbetrieb einfach nicht mehr wahrnehmen, wofür wir den Blick verloren haben, ist wichtig.


Herr Michilakis und sein Labyrinth. Den 92 jährigen Ladenbesitzer lernte ich in seinem Laden auf Amorgos kennen. Über ihn und Amrogos werde ich Ende November berichten,

Lust auf Weiterlesen über die MENSCHEN AM MEER: dann hier einfach Lesen.
Lust auf Weiterlesen über das, was mir UNTER SEGELN begegnete: dann hier einfach Lesen.
Lust auf Weiterlesen der Massai-Geschichte: Richard J. Leider/David A. Shapiro, Lass endlich los und lebe.

Learning 2:
„Wenn Du eine Sehnsucht oder einen Traum hast: Finde den richtigen Zeitpunkt. Lebe ihn.“

Keine Frage: ich hatte 22 Jahre als Leiter eines Buchverlages einen phantastischen Job. Ich bin vernarrt darin, Bücher zu machen. Ein hochmotiviertes, begeisterungsfähiges Team, wie ich es hatte, zu führen. Und mit ihm Ideen, Projekte, Bücher, E-Books zu entwickeln. Neue Dinge zu machen, die erfolgreich sind. Es ist wie eine Sucht. Und ich liebe es. Eigentlich möchte ich nichts anderes machen.

Trotzdem entstand auf meiner allerersten Reise auf einer Segelyacht Ende der Neunziger, in den allerersten Minuten, in denen ich jemals eine Segelyacht auf See erlebte, ein Traum, der mich nie verlassen hat. Der immer da war. Der jeden Tag einmal vor mir stand, der mich durch schreckliche Konferenzen und lähmende Shareholder-Meetings trug: „Ich möchte ein halbes Jahr Segeln gehen.“

Der Traum war geboren. In meinem Kopf. Jeden Tag war er da. Ich quatschte den Leuten davon die Hucke voll. Und habe mich lange gefragt: 
„Darf man das denn?“ 
„Traue ich mich das: Einfach die sichere Autobahn zu verlassen?“ 
„Ist das nicht reine Blödheit, eine spannende, fesselnde Aufgabe einfach zu verlassen – ohne zu wissen, was folgt?“

Ein wichtiges Resümee meiner fünf Monate auf See: Wenn Du eine Sehnsucht, einen Traum hast. Finde den richtigen Zeitpunkt. Lebe ihn.

Denn ein Traum, den man über Jahre hinweg hat: der ist nicht verkehrt. Der führt einen nicht in die Irre. Seine Erfüllung erfordert Opfer, ja. Es bleibt Liebgewonnenes auf der Strecke.

Wie kann man herausfinden, ob so ein Traum – was immer es ist – es ernst mit mir meint? Ob er nicht trügerisch ist? Oder gar ein Alptraum? In irgendeinem Buch habe ich mal Folgendes gelesen, und gerne gebe ich dieses Verfahren weiter: Es geht ganz einfach: Man setzt sich in entspannten Momenten einfach hin. Gerne auch in einem öden Meeting, wenn es gerade nicht auffällt. Und denkt sich hinein in seinen Traum. Und malt sich die Details aus von diesem Traum. Das Plätschern der Wellen nachts an der Bordwand. Die Bucht, in der man schwimmend die schönsten Tage verbringt. Und dann: malt man sich auch das weniger Angenehme aus. Die weniger schönen Seiten. Das Unangenehme: schlechtes Wetter auf See. Regentage. Kabbelige See mit klapperndem Rigg am Morgen nach einem Nachtschlag. Klamme Sachen. Sixpacks Wasser in der Mittagshitze des griechischen August aufs wackelige Boot schleppen. Mürrische Hafenmeister, die mich und meine LEVJE abends um sieben aus dem Hafen weisen, ins Ungewisse. 

Was immer der Traum ist: Mein Traum blieb ein Traum, selbst als ich mich ganz tief in die negativen Seiten reingedacht habe. Was ich Ihnen also rate: Träumen Sie darauf los. Und malen Sie mit kraftvollem Pinselstrich. Und wenn Sie das ein paar Mal gemacht haben und Ihr Traum ist immer noch Ihr Traum: Dann herzlichen Glückwunsch! Sie haben einen Traum!

„Der richtige Zeitpunkt“: Das ist ein ganz eigenes Thema, das einen eigenen Artikel auf Mare Più wert ist. Darüber werde ich zu einem späteren Zeitpunkt schreiben.

Learning 3: 
Man muss auch im richtigen Leben etwas machen, das man leidenschaftlich gerne tut.

Es ist eine tiefe Wahrheit, was die viel reisende Feli auf ihrem erfolgreichen Reiseblog Travelicia schreibt: „Nur Reisen ist zu wenig. Man muss schon etwas machen.“

Und dieses „Man muss einfach nur etwas machen“ begegnete mir so oft im Leben, und ich fand es immer richtig. Die Mutter meines Freundes David hat mir diese Weisheit als Schüler vermittelt. Es leuchtete mir, dem 16jährigen sofort ein. Und es hat mich nie verlassen. Selbst mein persönliches Vorbild, die Seglerin Gudrun Caligaro, die Ende der 80er Jahre als alleinsegelnde Mitvierzigerin (!) die Welt auf einer 28 (!!) Fuß-Yacht umrundete und nur fünfmal (!!!) anlegte: Auch sie „machte“ etwas, obwohl ihr Tagesprogramm neben dem sich ums Boot kümmern vor allem im „Beobachten und Schauen“ bestand. Sie hatte eine unfassbare einfache Freude, über das was Sie sah. Die Wellen. Die Malamoks. Der Wind, der ihr kleines Schiff über die Wellen schob. Und: sie schrieb ihr Tagebuch. Aus dem später ein wunderbares Buch wurde, Ich habe es gut und gerne 50 mal gelesen und verschlungen, es hat mich auch auf LEVJE begleitet.

Wer hier weiterlesen will: Weil ich denke: „Ein gutes Buch bringt mich auch beim 50sten Mal lesen weiter. Ein schlechtes beim ersten Mal lesen nicht. Deshalb empfehle ich gern: Gudrun Caligaro, Ein Traum wird wahr. 
Leider nur noch antiquarisch lieferbar.

Learning 4:
„Ein Schiff im Hafen ist sicher.
Aber dafür ist ein Schiff nicht gemacht.“


                       Im Hafen von Izola in Slowenien, LEVJE’s langjährigem Heimathafen.

Es ist immer wieder einer der zuverlässig glücklichen Momente beim Segeln: Nach einem langen, langen Schlag ist LEVJE wieder im Hafen. Die Leinen sind fest. Der Hafenschlick von der Arbeit mit der Mooring von den Händen gewaschen beim ersten Sprung auf die Pier. Den Leinenverhau in der Plicht aufgeräumt. LEVJE ist fest. Wir sind sicher. Im Blick: ein Lächeln.

Immer wieder ein guter Moment. Ein Moment der großen Entspannung, die ich beim Segeln – und so  nur dort – finde. Dennoch hat John Augustus Shedd recht, dessen im letzten Jahrhundert erschienenen Buch die Kapitel-Überschrift entstammt. Und zwar gleich mehrfach:

Es ist wichtiger, einfach loszusegeln, als bei der Vorbereitung eines fünfmonatigen Törns ewig an der technischen Perfektion meiner Yacht zu arbeiten. Als ich lossegelte, hatte ich für LEVJE immer noch zehn Punkte auf meiner Liste. Mindestens. Vielleicht doch noch ein Radar? Und AIS? Die Bilgenpumpe größer. Die Cockpitpolster schöner. Die Pinne noch dreimal mehr mit Klarlack streichen. Bimini und Persenning noch größer. Und, und, und. Aber LEVJE war für die fünfmonatige Reise bereit. Und ich war es auch.

Also: Gute Gründe, warum Mann und Schiff noch nicht bereit sind, gibt es immer. Es ist wichtiger, einfach rauszugehen und zu sehen: wie ist es da? Denn meistens warten herrliche Tage auf See auf einen.

Und dies: gilt nicht nur fürs Segeln.

Learning 5: 
„Der innere Reichtum“.

„… und was willst Du erreichen an Reichtum?“, fragt mich Anna, Verlegerin, Freundin, letzte Woche, um Mitternacht. Die Kluge.

Was mir diese Reise gebracht hat, ist innerer Reichtum. Unglaubliche Bilder. Die Wolken am Abend bei der Ansteuerung auf Antalya, im Bild oben. Das Bild der unbewohnten, gottverlassenen Insel Kynaros in der Ägäis, deren „Augen“ mich unverwandt anblickten. 

Die unglaublichen achterlichen Wellen bei der Überquerung der Straße von Otranto. 

Die Kirche in der Festung von Santa Mavra, bei Levkas.

Die schreckliche Gorgo auf Paros.

Es ist so viel. Unglaublich viel.

Es ist das Gefühl, etwas Einzigartiges erlebt zu haben. Etwas, das man für Geld nicht kaufen kann.

Weiterlesen über „Die Überquerung der Straße von Otranto“: Hier der Beitrag und das Video.
Weiterlesen über die Festung Santa Mavra auf Levkas: Hier.
Weiterlesen über die Gorgo von Paros: Hier.

Learning 6:
Es muss nicht das große Schiff sein.
Es muss nicht die Weltumsegelung sein.

Die Kiefern der Türkei? Eine Bucht auf Erikoussa, wo die Lebensbäume wachsen? Die Kiefern am Stechlin- oder Roofensee? Nein. Diesmal der Große Ostersee in Oberbayern.

Es braucht wenig, um auf dem Meer glücklich zu sein. Klar träume ich immer vom nächsten Schiff, das größer ist. Aber meine LEVJE ist mir heilig. Und schon beim Kauf meines ersten Segelboots 2001, einer kleinen MANTA 19 auf dem Starnberger See, gebaut von SCHOECHL in den Siebzigern in Salzburg, sagte mir der Vorbesitzer wehmütig: „Es ist ein Boot für glückliche Stunden.“ Er hatte recht damit.

Na klar ist eine Weltumsegelung ein großartiges Projekt. Aber darauf kommt es nicht an. Sondern WAS und WIE man erlebt. Und das ist keine Frage von „Schiffsgröße“ und „gesegelten Etmalen“ oder „Meilen“. 
Einen meiner bemerkenswertesten Törns habe ich vor vielen, vielen Jahren auf eben dem Starnberger See gemacht. Im späten September. Und auf eben der MANTA 19. Allein. Ich habe mir für eine Woche Verpflegung draufgepackt. Und bin aus meinem Hafen gesegelt mit dem festen Vorsatz: „Ich werde eine Woche lang keinen Fuß an Land setzen. Und nur draußen ankern. Und nicht im Hafen übernachten.“ Ich habe „großer Törn auf kleinem Boot“ gespielt. Und ich habe in wenigen Tagen genauso viel erlebt wie auf einem großen Törn. Gewitter die halbe Nacht lang. Warme Tage. Wunderbare Sonnenuntergänge. Nächte mit eiskalter Nase tief im Schlafsack. Der Schluck Rotwein nach gelungenem Ankermanöver in der Dämmerung. Der Blick auf die Lichter am Ufer in der Nacht, die ich doch seit meinen Kindertagen kenne. Regen. Starkwind in die Ankerbucht.

Nein. 
Es muss nicht das große Schiff sein.
Es muss nicht die Weltumsegelung sein.

DAS ist nicht der Schlüssel.

Weiterlesen über „Der Traum vom großen Boot“: Hier.
Weiterlesen über Gewitter am Meer: Hier.

Learning 7:
„Die charakteristischen Eigenschaften des Seemanns.“

In einem früheren Post schrieb ich bereits über Charles Darwin’s Buch DIE FAHRT MIT DER BEAGLE. Er veröffentlichte es ungefähr 30 Jahre, nachdem er als junger Mann, als Wissenschafts-Novize, jene legendäre Fahrt zu den Galapagos-Inseln mitmachte und dabei seine Evolutionstheorie entwickelte. An der Grenze zum Alter summierte Darwin am Ende dieses Buches seine Erfahrungen dieser mehrjährigen Seereise und rät dies:

„… unbedingt sein Glück zu versuchen und auf Reisen zu gehen, wenn möglich über Land, ansonsten: lange zu bleiben. Er kann versichert sein, dass er – allenfalls in seltenen Fällen – keinen derartigen Schwierigkeiten oder Gefahren begegnen wird, wie er sie am Beginn vorraussieht.

Unter einem moralischen Gesichtspunkt sollte eine solche Reise ihn gutwillige Geduld lehren, Freiheit von Selbstsucht, die Gewohnheit für sich selbst zu handeln, und aus jedem Geschehnis das Beste zu machen, kurzum: er sollte die charakteristischen Eigenschaften des Seemanns besitzen. 

Reisen sollte ihn auch Mißtrauen lehren, aber gleichzeitig wird er entdecken: wieviele wahrhaft gutherzige Menschen es gibt, mit denen er nie zuvor Kontakt hatte und auch nie mehr wieder haben wird, und die dennoch bereit sind, ihm die uneigennützigste Hilfe zu gewähren.“

Schöner und treffender, was eine lange Seereise lehrt, kann man es nicht sagen.

Weiterlesen zum Thema Resumee einer Segelreise: Hier.

Der Mensch und seine Sachen: Was bitte und zu welchem Zweck sind Buhnen?

Das große Rätsel dieses novembergrauen Tages heißt: Was bitte ist eine Buhne? 

Wird der etwas größere Bollerwagen in der Mitte auf plattdeutsch so genannt? 

Oder das spezielle, nur an einer langen Leine aufs Meer hinausdürfende weiße Ostsee-Motorboot mit dem roten Wimpel?

Oder?

Alles nicht ganz richtig.

Eine Buhne ist die lange Reihe lotrecht zum Strand eingerammter Holzpfähle, oben ganz links im Bild. Das, wo die Möwen drauf sitzen. Ich gebe zu: es ist kein leichtes Rätsel. Zumal für den, der nur auf dem Mittelmeer segelt. Denn da sieht man sie gar nicht, die Buhne. Man braucht sie dort nicht, am Mittelmeer. 

Dort kennt man zwar den Nutzen in den Meeresschlick gerammter Holzpfähle sehr wohl. Zum Beispiel in Venedig, wo man um 1631 herum allein für die Errichtung der Kirche Santa Maria della Salute rund 1.156.650 (!) Baumstämme wer-weiß-wie in den Lagunenschlick drosch. Oder in Grado im Bild oben, wo die großen, weiß-rot-weiß bemalten „piloni“ noch heute den Weg hinaus aufs Meer weisen. Aber Buhnen: die braucht man am Mittelmeer selten.

Hier an der Ostsee, da brauchen zunächst mal die Seevögel die Buhnen. Die Kormorane, zum Beispiel. Die gibt es an der Ostsee. Und im Mittelmeer. Sie sitzen darauf wie würdige alte Herren. Und breiten schweigend ihr Gefieder. Bei ihnen funktioniert – anders als bei den meisten Wasservögeln, anders als Enten, Gänse, Schwäne – die Bürzeldrüse etwas schlechter, um ihre Federklamotten zu fetten. Sie müssen ja auch tauchen. Und weil sie den Föhn noch nicht erfunden haben, die Kormorane: drum müssen sie ihr Gefieder an der Luft trocknen. Zeitraubende Prozedur, genauso wie das Föhnen. Geht am besten auf? Buhnen!

Aber lassen wir die gefrässigen Kormorane, die jeden Tag 1-2 Kilo Fisch verdrücken, mal weg. Konzentrieren wir uns auf die Buhne! Die wird eigentlich gebaut, um küstenparallele Strömungen abzubremsen. Und dadurch das Wegspülen des Sandes zu verhindern. Das in Seefahrtsdingen immer wieder verblüffend schlaue Wikipedia weiß das.

Buhnen bauen die Menschen wer-weiß-wie-lang. An Nord- und Ostsee professionell seit Ende des 19. Jahrhunderts. Seit es Ingenieure gibt. Aber das mit den Buhnen am Meer ist so einfach nicht. Manchmal funktionieren sie nicht richtig. Zum Beispiel auf Sylt. Da mußten sich die schlauen Menschen etwas anderes ausdenken. 

Oder sie halten nicht mehr lang genug: denn früher betrug die Lebenserwartung der deutschen Durchschnitts-Buhne etwa 50 Jahre. So lange hielten die in den Boden gerammten, unentwegt Wind,  Wellen, Wasser, ausgesetzten Hölzer. 

Damit ist seit den 90er Jahren Schluß, seit der Schiffsbohrwurm (Teredo Navalis) für sein Dasein auch die Ostsee entdeckt hat. Man kennt ihn in der Seefahrt schon lang, fraß er doch schon Maghellan und Columbus die Schiffe unter den Füßen weg. Also begannen die Menschen, sich nach anderen Materialien umzusehen, für die Buhnen: Beton, zum Beispiel. Bitumen. Kunststoff. Bewährt hat sich das bislang nicht. Man kehrte immer wieder zurück zu den heimischen Nadelhölzern. Aber weil man dem armen Schiffsbohrwurm den Pfosten nicht gönnt, drum baut man gelegentlich ein paar Tropenhölzer dazwischen. Um ihn zu verblüffen. Und es ihm nicht gar zu einfach zu machen. Mit den Buhnen.

Die vergessenen Küsten: Von Antalya nach Ahlbeck und Bansin.

Zwar sind es von Antalya bis zum Seebad Ahlbeck, im äußersten Nordosten Deutschlands gelegen, per Luftlinie nur 1.238 Seemeilen, doch das täuscht. Wer die Strecke von Antalya zur Insel Usedom auf dem Seeweg zurücklegen will, der hat schlanke 4.000 Seemeilen vor der Brust. Etwa 2.000 bis Gibraltar. Die Atlantikküste nach Norden bis in die Bretagne 800 Seemeilen. Durch den Ärmelkanal und die Nordsee nach Skagen noch einmal soviel. Und dann sind es nur noch drei, vier stramme Tagesschläge Kurs Südsüdost. Und schon ist man da.

Doch trotz aller Unterschiede, soooo weit im Süden, soooo weit im Norden, gibt es jetzt im November viel Gemeinsames:
Das wunderbare Licht, von dem ich früher dachte: so sei es im November nur in Venedig, wenn das Abendrot den Marmor der Kirchen zum Leuchten bringt.
Die Wolkenstimmungen am späten Nachmittag.
Die Kiefern, die so typisch sind für die Ostsee. Aber auch für die Küsten der gebirgigen südlichen Türkei.
Die Wirte und Restaurantbesitzer, die in beiden Weltgegenden gleichermaßen beschlossen haben, dass nun, in den ersten Novembertagen, aber endgültig mal Schluß sein müsse mit Tourismus und den Gästen, selbst wenn die bittend vor der Tür stehen.

Nein: wunderschön ist es jetzt im November an beiden Ecken der Welt. Und ich mag nicht einmal eine Entscheidung treffen, was ich faszinierender finde, was meinem Herzen näher ist, seit ich vor ein paar Jahren die Ostsee von einem ihrer schönsten Winkel aus kennenlernte: von der Schlei aus.

Aber trotz aller Liebe gibt es natürlich auch Unterschiede:

Strandkörbe, zum Beispiel. Die gibt es in der Türkei nicht. Da weht es nicht kühl aus Nordwest, es gibt kein klammes Lüftchen, das in die Glieder kriecht und einen schnell auf Bansin’s Strandpromenade zu Glühwein und Räucherfischbrötchen greifen läßt. Es ist wärmer in der südlichen Türkei, jetzt noch selbst in der Nacht um die 15, 17 Grad. Und in Alanya, 70 Seemeilen westlich sogar immer 5 Grad mehr.

Dafür singt einen am Kölpinsee aber nicht der Muezzin in den Schlaf. 
Segler sind auf dem südlichen Meer immer noch welche unterwegs. Auf der Ostsee bekam ich vier Tage lang keinen einzigen zu Gesicht, die See war ruhig und glatt. 
Ruhig geht es auch an den Stränden vor Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck zu: Kein Lärm, keine Disko, keine „Muzik-Hol“, wie das schöne türkische Wort heißt. Einfach Stille. Nur das Rauschen des Meeres die ganze Nacht. Das hat schon was. Denn wer jemals in Marmaris‘ oder Bodrum’s oder Kemer’s Häfen übernachtete – letzteres wurde mit dem wenig ehrenvollen Titel „erster Platz in der Kategorie ‚Lärmmarinas’“ bedacht – der weiß, wovon ich spreche. Und er wird die Stille an den Stränden um die Seebäder von Bansin bis Ahlbeck sehr schätzen.

Aber seien wir nicht gar zu streng. Geniessen wir einfach, was beide Küsten uns schenken. Und leiden tu ich letztlich nur daran, dass ich nicht ständig an allen Küsten sein kann, an denen ich genau jetzt gerade gerne wäre.

Antalya? Kenn ich. Muß ich nicht nachsehen.
Aber wo liegen Ahlbeck, Bansin und Heringsdorf? Hier.

Was ist eigentlich mit der Seekrankheit?

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Als Johannes mich zum ersten Mal auf ein Segelboot mitgenommen hat, versuchte er mir weiszumachen, dass ich mit Sicherheit gar nicht seekrank werde. Ich sei “einfach nicht der Typ dafür”! Frisch verliebt glaubt man ja so einiges – und so konnte ich tatsächlich gar nicht richtig einordnen, was mit mir passiert, als mir das erste Mal flau im Magen wurde.

Johannes Versuch, mich psychisch zu beeinflussen, hatte stückweise funktioniert, mein Magen ließ sich aber leider nicht so einfach an der Nase herumführen. Ich wusste daher schon bei der Abfahrt, dass Seekrankheit auf der Reise ein Thema werden wird. Auf den letzten Blogpost zu dem Thema habe ich wahnsinnig viele Emails und Nachrichten mit aufmunternden Worten und guten Tipps bekommen, danke noch einmal dafür! Darunter waren altbewährte Hausmittel, Empfehlungen zur Ernährung und verschiedene Medikamente.

Eigentlich hatte ich gehofft, dass sich die Seekrankheit von selbst gibt, wenn wir erst eine Weile unterwegs sind. Dass es mich auf dem Weg nach Frankreich dann doch nochmal so richtig dahingerafft hat, hat mich aber sehr überrascht.  Dementsprechend habe ich natürlich etwas besorgt auf die Biskayaetappe geschaut. Das “Schlimmfühlen” ist eine Sache, aber keine Hilfe sein zu können und auch die Reise nicht zu genießen, überwiegt auf der Nervskala. Obwohl ich nicht gerne schnell Medikamente einwerfe, war meine Toleranzgrenze diesbezüglich mittlerweile gesenkt. Uli Schürg von Blue-Yachting schlug uns “Rodavan” vor. Ein Medikament, mit dem seine Familie sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Der Wirkstoff Dimenhydrinat ist mir auch von etlichen andere Lesern ans Herz gelegt worden, also habe ich in der Apotheke ein französisches Äquivalent besorgt.

Das Zeug hat wirklich Wunder bewirkt! Den ersten Tag auf der Biskaya ging es mir ausgezeichnet, ich konnte sogar auf dem Vorschiff sitzen und Delfine anfeuern, ohne dass mir schlecht geworden wäre. Nur wenn die Tageshöchstdosis erreicht wurde und der Wirkstoff langsam aus dem Körper ging, wurde mir etwas flau. Am zweiten Tag, als es merklich aufgefrischt hat, habe ich mich vorsichtshalber in der Koje verkrochen, obwohl es mir eigentlich ganz gut ging. Am dritten Tag konnte ich das Medikament teilweise sogar weglassen. Nebenwirkungen: extreme Müdigkeit! Aber eigentlich nur direkt nach der Einnahme. Wenn es nicht anders ging, habe ich halt geschlafen. Am zweiten Tag habe ich das Medikament im Magen arbeiten gemerkt – was wohl aber auch daran liegt, dass ich mich in dem ganzen Wetter nicht aufraffen konnte, vernünftig zu essen.

Ich hoffe immer noch, dass sich die Seekrankheit so einpendelt, dass ich irgendwann gar keine Hilfe benötige. Bis dahin werden wir wohl immer eine Packung im Schapp haben.

Cati

Menschen am Meer: Mare Più in der Ausstellung DIE WIKINGER in Berlin. Oder: Das Geheimnis der Skelette von Weymouth.

Wir kennen das. Es passiert alle paar Jahre vor unserer Haustür. Da wird nach jahrelangem bürokratischen Ringen endlich eine Umgehungsstraße gebaut. Und dann entdecken Arbeiter menschliche Knochen. Holen die Archäologen hinzu, so wie in Weymouth, im südenglischen Devon 2008. Die entdeckten noch mehr Knochen. Dann ganze Knochenhaufen. Die Reste von 54 menschlichen Skeletten. Und feinsäuberlich daneben gestapelt: 51 Schädel. 

Die kriminalistische Entschlüsselung eines Rätsels, der ein Sensationsfund war, begann. Archäologen tippten zunächst auf Vorgeschichtliches. Aber die Isotopen-Untersuchung zeigte aufgrund der Spurenanalyse, dass die Skelette jüngeren Datums waren und diese Menschen nicht aus Britannien stammten, sondern aus ganz anderen Regionen: Sie hatten ungewöhnlich viel Fisch gegessen – die meisten von Ihnen waren aufgewachsen in Skandinavien, Norwegen, Dänemark. Einer weiter nördlich, in arktischen Gegenden. Zwei im Kiewer Raum. Und sie hatten zwischen 950 und 1020 gelebt: Wikinger.

Weitere Analysen ergaben, dass alle männlich waren. Zwei, drei waren in den Fünfzigern. Der Rest zwischen 12 und 25 Jahren alt. Und weil die Skelette neben zahlreichen Infektionen auch Spuren früherer Kampfverletzungen aufwiesen, gingen die Archäologen von einem sensationellen Fund aus: Sie hatten die Besatzung eines Wikingerschiffs auf Raubzug entdeckt.

Die Raubzüge der Wikinger nach England begannen um 796 mit dem Überfall auf das vor der englischen Nordostküste gelegene Kloster Lindisfarne. Das Entsetzen der Angelsachsen, die selbst zweihundert Jahre zuvor England trotz Gegenwehr eines Mannes namens Artus brutal erobert hatten, ist noch heute spürbar in den Zeilen eines Alkuin von York, der den blutbesudelten Kirchenraum des Klosters von Lindisfarne beschrieb. Die Wikinger aber hatten reiche Beute gemacht. Und kamen wieder. Mit noch mehr Schiffen.

Es war eine wilde Gesellschaft. In kleineren Einheiten – und scheinbar wie Clans – organisiert. Und was dieses England anging, nicht auf planvolle Eroberung und Mehrung eines Reiches aus. Sondern einfach nur auf Raub. Und Plünderung. Plünderung: das bedeutet: was ein Mann davonschleppt an fremdem Gold, Geld und Gut, gehört ihm. Reich von Null auf Hundert. Und selbst wenn die Wikinger in Skandinavien und auch in Norddeutschland weniger als Plünderer, sondern planvolle, weitsichtige Händler auftraten, deren Handelswege zwischen 9. und 11. Jahrhundert von Skandinavien über Rußland bis hinunter nach Byzanz reichten, wo sie als „Waräger“ die Leibgarde des Kaisers stellten: in England, bei den Angelsachsen, waren sie nur auf Plünderung auf Raub aus. Genauso wie in Nordfrankreich. Und am Rhein entlang, von der Küste bis hinunter nach Köln.

Im Lauf des 9. Jahrhunderts entstanden aus sommerlichen Plünderzügen in England erste, feste Territorien. Von der englischen Nordostküste aus drangen Wikingerheere nach Südwesten vor, Richtung London, Richtung Wales. Alte angelsächsische Königreiche fielen: Mercia, Northumbria, East Anglia, von schwachen angelsächsischen Königen regiert. Nur Wessex im Süden leistete Widerstand und konnte widerstehen: Die alte Römerstraße von London nach Nord-Westen, die „Watling-Road“ wurde als brüchige Grenze eines noch brüchigeren Friedens zwischen dem Reich der Wikinger, dem „Danelag“ und dem angelsächsischen Wessex anerkannt. Aber Überfälle auf schnellen Schiffen hinunter nach Wessex, in den englischen Süden, blieben trotz Frieden an der Tagesordnung. Der schnelle Reichtum lockte.


Sie müssen furchterregende Gegner gewesen sein: Einer der Kämpfer ließ sich die vorderen Schneidezähne waagrecht anfeilen: Aus rituellen Gründen? Archäologen vermuten eher, dass dieser Krieger sich vor dem Kampf die Rillen schwarz färbte, um noch furchteinflößender zu wirken.

Und so war es auch eine Crew beutegieriger Wikinger, die irgendwann um das Jahr 1000 auf ihr Schiff stieg. Und nach Südengland segelte, um zu rauben und zu plündern. Aber zumindest im Fall dieser Bootscrew waren die Angelsachsen wachsam: Die Schiffsmannschaft fiel Ihnen in die Hände. 54 kampfkräftige Männer, im Alter zwischen 12 und 50. Man nahm Sie gefangen. Man nahm Ihnen die Waffen ab. Dann Rüstungen und Kleider. Man führte sie nackt und ungebunden zur Hinrichtung an den Rand einer alten, von den Römern stammenden Grube. Und enthauptete einen nach dem anderen. Manchmal nicht ohne Gegenwehr. Die Archäologen fanden heraus, dass mancher noch versuchte, mit der Hand das Schwert abzuhalten, bevor die Klinge in den Hals drang. Es waren alte,hasserfüllte  Rechnungen, die die Angelsachsen an den 54 Seeleuten beglichen. Denn meist bei diesen Raubzügen in friedliche Dörfer waren es Angelsachsen, die die Opfer waren: Männer wurden erschlagen. Frauen und Kinder als Sklaven verkauft. Auch in das Frankenreich, zu uns. Aber nicht in diesem Fall.

Das Wikingerreich in England endete, als die normannischen Vettern von Süden aus in England eindrangen. „Ten-sixty-six“, 1066, besiegten die Normannen die Angelsachsen. Und „verschmolzen“ mit den nördlichen Vettern im „Danelag“. Spätestens um 1150 war die Kultur der Wikinger und ihre Reiche verschwunden: Aufgegangen in größeren Reichen, verschwunden, und nicht zuletzt: „christianisiert“: Zivilisiert, domestiziert, ihrer eigenen Kultur, ihrer Mythen beraubt. Absorbiert von Christentum. Und von neuen Reichen.

Ein Teil der Skelette von Weymouth ist zu sehen in Berlin: in der gut verständlichen, sehr sehenswerten Ausstellung DIE WIKINGER. Im Walter-Gropius-Bau bis 4. Januar 2015.

Pakete, Pakete!

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Die spanische Post ist schon ein wenig … eigenwillig. Gestern kam endlich ein erstes Paket von A.W.Niemeyer, mit unserer neuen Außenborder-Pinne. Die alte war abgebrochen, als uns das Rettungsboot an die Kaimauer in Cariño manövriert hat. Witzigerweise war das Paket mit der Pinne seit Mittwoch mit DHL-Normal unterwegs. Das Paket mit unseren Ersatzteilen für den Motor ist Donnerstag mit DHL-Express auf die Reise geschickt worden, für ein Heidengeld … Freitag sollte es hier sein – aber irgendwie ist es dann nach Santiago umgeleitet worden. Am Abend hat uns eine spanische Nummer angerufen, eine Frau von DHL, die aber kein Wort englisch sprach. Wir leider auch kein Spanisch. Irgendwann hat sie aufgelegt und am Samstagmorgen war auf der Tracking-Seite zu lesen, dass wir die deutsche DHL-Hotline anrufen sollen. Das geht aber aus dem Ausland nicht, denn es gibt nur eine 0180-Nummer. Über Umwege habe ich dann eine Festnetznummer in Bonn ausfindig gemacht, dort angerufen, mich durch ein computerisiertes Menü gewählt, viermal unsere Paketnummer diktiert (“Wir haben Sie leider nicht verstanden”), ein paar Minuten GEMA-freie Musik gehört – und immer dann, wenn wir mit einer menschlichen Stimme von DHL-Express verbunden werden sollten, sind wir aus der Leitung geflogen (dreimal …). Also haben wir einfach einen neuen Weg im diktierten Menü eingeschlagen, vorgegeben uns über neue Produkte informieren zu wollen – und tadaaa, war ein Mensch am anderen Ende – der uns dann mit DHL-Express verbinden musste ; )

Nach dem dritten Telefonat mit Bonn (inzwischen habe ich denen auch einen spanischen Kontakt hier im Hafen gegeben, damit sich der Fahrer genau informieren kann) kam heute tatsächlich ein DHL-Kurier auf das Marinagelände gefahren und hat uns das langersehnte Paket gebracht, dass unsere lieben Nachbarn in Oberndorf gepackt haben. Nun gibt es hier einiges zu basteln – und dann können wir endlich, endlich weiterfahren!

Johannes