Kategorie: News & Blogs

Von Mallorca nach Menorca. Um Menorca herum. Oder: Wieso ist hier England?

Auf meiner ersten Etappe für mein neues Buchprojekt um die europäische Westküste herum erreichte ich von Sizilien kommend nach 5 Tagen Segeln die Balearen. Was ich von etlichen Landurlauben gut zu kennen meinte, entpuppte sich vom Meer wahrhaft als: Die vergessenen Inseln.

Sanfte Hügel. Sattes Grün. Ruinen: Hallo, wo bin ich hier?

Ein Fan des englischen Südens bin ich, seit ich als 16jähriger zum ersten Mal auf die Insel kam und das große Glück hatte, bei einer Gastfamilie in der Nähe Readings zu landen. Ich weiß nicht, warum ich mit 16 energisch genau dorthin gewollt hatte, doch es war der richtige Ort. Neben den vier eigenen Kindern war das Haus voll mit ebenso vielen Jugendlichen aus anderen Ländern. Die Familie gab sich alle Mühe, den jugendlichen Gästen dieses England nahezubringen. Ich mochte den Klang der Sprache. Ich, Kind meiner bayrischen Landschaft, die grantiger Übellaunigkeit so viel näher ist als Verbindlichkeit, war fasziniert von der Federleichtigkeit, wie fremde Menschen sich mit einfachsten Worten einander näherten („What a lovely evening!“) und Beziehungen knüpften. Ich liebte die Parks mit den sanften Hügeln und den Ruinen darin, so wie auf dem Foto.
Vielleicht sind es jene Jahre, um die 16 herum, in denen wir unsere Vorbilder suchen. Und unwiderruflich Beschlüsse fassen, wie wir einst leben wollen. Unumstößlich.


Vier Jahrzehnte später. Ende Mai 2018. Wieder einmal schaue ich in sanfte Hügel und eine Parklandschaft mit Ruinen darin. Die Landschaft, so denke ich es jedenfalls, könnte englischer nicht sein. Doch es ist Menorca, die östlichste der Balearen-Insel, und ich frage mich, wieso sich ausgerechnet hier ein Gefühl einstellt, als wäre ich im Süden Englands.Das hat zum einen mit verblüffenden Dingen zu tun. Aus irgendeinem Grund sind die Häuser streng gekalkt, wie es an vielen Orten im Mittelmeer der Fall ist. Zum Beispiel in Griechenland. Doch anders als dort hat man sich andere Vorbilder gesucht. Statt des tiefen griechischen Blau sind Fenster und Türen des kleinen Orts Fornells, der unserem Ankerplatz gegenüberliegt, petrolfarben bemalt. Fans britischer Oldtimer würden auch sagen, es handle es um die Farbe BRITISH RACING GREEN. Die Strenge dieser Farbgestaltung ist verblüffend. Und wer in der Nebensaison durch die Straßen des kleinen Ortes Fornells streift, der findet tatsächlich fast keine anderen Farben, als wäre er irgendwo im Südwesten Englands oder Irlands auf der Dingle-Halbinsel unterwegs. 

Warum suchte man sich diese Vorbilder fürs Dasein im 21. Jahrhundert? Gibt es in Fornells eine strenge Gemeindesatzung, die sich beim Thema Ortsgestaltung ausschließlich an britischen Vorbildern orientiert? Wer hat einst beschlossen, dass alles grün sein muss? Und selbst die Türbeschläge aus Messing und die Türdrücker nach britischem Vorbild sein müssen? Wieso war es die eigentlich kurze und mehr als 200 Jahre zurückliegende Zeit, in der die Briten hier waren, die genau jene Vorbilder lieferte, für die sich die Insel in vielem entschied? 




Lese ich in David Abulafias immer wieder empfehlenswerter Mittelmeer-Monografie nach, dann währte die britische Präsenz keine 100 Jahre. Sie war alles andere als kontinuierlich und nicht unbedingt unter einem guten Stern. Es war die blutigen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts ausgerechnet am anderen Ende der Welt, mit Frankreich um die Kolonien in Amerika, die britische Begehrlichkeiten auf die Insel weckten. Von hier aus, so dachte man es sich, könne man leicht die südfranzösische Flottenbasis Toulon kontrollieren.

Falsch gedacht. Kaum ein paar Jahrzehnte da, eroberte die französische Flotte die Insel. Alles in allem, waren die Briten also kaum ein Jahrhundert da. Und gut benommen haben sie sich auch nicht immer. Vor allem der altkatholische menorquinische Adel mochte sie nicht recht leiden, die Herren aus dem Norden. Erst recht nicht, als die begannen, in menorquinischen Nonnenklöstern auf Brautschau zu gehen – was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn nicht manche der dort zu ihrem vermeintlichen Besten untergebrachten Töchter nur zu gerne dem irdischen Begehren lieber folgte als der himmlischen Liebe. Es gab Ärger, nicht nur deswegen. Auch weil die Insel trotz aller Gouverneurs-Anstrengungen nicht genug hergab, um Bevölkerung und Besatzung gleichermaßen zu ernähren. Die Briten fanden irgendwie nicht den rechten Umgang mit der störrischen Bevölkerung. Menorca blieb strategische Kopfgeburt und keine Herzensangelegenheit. Kaum war Napoleon da, waren die Briten dann auch schon wieder weg. Was blieb, ist Messing und British Racing Green.

Nein. Mit Geschichte kann man manches erklären. Aber nicht, warum und wo sich ein Ort, eine Insel seine Vorbilder sucht. Und sich für dies oder das entscheidet. Vielleicht ist es so: Die Menschen auf Menorca haben sich eine gewisse Eigensinnigkeit bewahrt. Ganz im Westen der großen Nachbarinsel Mallorca stolperte ich zum ersten Mal auf den Namen Menorca. „Die auf Menorca haben das soviel richtiger gemacht als wir“, sagte mir eine Rezeptionistin eines der großen Sportboothäfen. „Wir haben hier auf Mallorca im Sommer mittlerweile von allem zuviel. Zuviele Autos. Zuviele Leihwägen. Zu viele Boote. Zu viele Besucher. Die in Menorca haben das so viel besser gemacht.“

Ihre Bemerkung beschäftigte mich. War das wirklich richtig, dass sich die keine 70 Kilometer nebeneinander liegenden Inseln so unterschiedlich entwickelt hatten? Ich grub weiter nach. Während der spanischen Bürgerkriegs war Menorca republikanisch geblieben. Mallorca öffnete sich den Faschisten – die deutschen Bomber nutzten die Insel Mallorca wie einen Flugzeugträger, um von hier aus Barcelona und südspanische Eisenbahnknoten zu bombardieren. Mallorca war in den 30iger Jahren schon eine touristische deutsche Hochburg, wie Alex Sepasgosarian in seinem sehr lesenswerten MALLORCA UNTERM HAKENKREUZ schreibt, wo Menorca eben Menorca blieb. Und sich, wie man Neudeutsch sagen würde, erst lange nach Mallorca dem Tourismus öffnete. Dabei steht die Insel an Schönheit der großen Nachbarinsel in nichts nach.

Und wir? Vielleicht ist sie nie endgültig vorbei, die Suche nach den Vorbildern, wie wir denn nun leben wollen. Und leben sollen. Für Inseln nicht. Und für uns selbst nicht. Spannend bleibt doch immer, was aus dem Mix herauskommt – zwischen dem, was unsere Geschichte ist. Und dem, was wir uns selber an weiteren Zutaten auswählen. So wie nördlich des Ortes Cala Fornells, wo der große Geschützturm steht, den die Franzosen gegen die Briten errichteten. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls holt mich die darunter errichtete Zeile mit Ferienwohnungen zurück in die Gegenwart.  

Doch nicht ganz. Den grünen Fensterläden und Türen sei Dank. 

Von Mallorca nach Menorca. Um Menorca herum. Von Monsterwellen und wundersamen Inseln.

Mitte Mai bin ich für mein nächstes Buchprojekt von Sizilien aus Richtung Westen aufgebrochen. Unter dem Titel AN EUROPAS KÜSTEN werde ich in den kommenden 6-7 Monaten von dem berichten, was mir in diesem Sommer auf meinem fast 4.000 Kilometer langen Weg um die Süd- und Westküste Europas alles begegnet. 
Heute: Unterwegs auf Levje zwischen Mallorca und der westlichen Nachbarinsel Menorca.

Von Mallorca nach Menorca ist es eigentlich nicht weit. 35 Seemeilen – knappe 7 Stunden braucht man von Cala Ratjada oder Port de Pollenca im äußersten Osten Mallorcas. Aber die Strecke kann es in sich haben. Die Wetterberichte kündigten 16 Knoten aus Süd an. Doch dann sind es 26 Knoten – eine rasche Fahrt mit halbem Wind, doch richtig spannend werden erst die letzten Minuten. Menorcas nördlichster Hafen Ciutadella liegt am Ende einer Handtuch-schmalen Cala, die nach Süden weist. Steht dort der Südwind mit 6 bft. auf die unscheinbare Öffnung, dann brechen die Wellen in der Einfahrt. Wie so oft zischen die üblichen Gedanken durchs Hirn an einem Ort, den man zum ersten Mal bereist:
„Ist die Einfahrt auch tief genug? Oder setzen wir in dem auflandigen Seegang irgendwo auf? Und schlagen quer?“ 
„Was mach ich, wenn hier der Motor ausfällt? Und die brechenden Seen mich auf den Felsen schieben?“ 
Doch die schmale Einfahrt ist über zehn Meter tief. Der Motor ist brav diesmal. Einmal tief durchatmen. Wir rauschen mit dem nächsten Wellenberg in den schmalen Schlund zwischen den übermannshohen Felsen hinein. Und 100 Meter weiter drinnen sieht alles so aus wie am Tag danach, als die Fotos der unscheinbaren Einfahrt oben und unten entstanden: Als wäre nichts gewesen.


Und wieso muss man um Himmels willen nach Menorca, wenn man doch Mallorca kaum kennt? Als ich die Insel vor sechs Wochen für meine Marina-Reportage in der aktuellen YACHT zum ersten Mal erlebte, hat mich Menorca noch weit mehr beeindruckt als die an sich schon faszinierende Hauptinsel mit ihren versteckten Winkeln. Menorca hat sich, obwohl es vor 200 Jahren nur kurze Zeit britisch war, merkwürdigerweise mehr Britisches bewahrt als jede andere Insel, die ich kenne. Petrolfarbene Türen und Fenster. Englische Schiebefenster. Allenthalben hübsche britische Messingbeschläge an den Häusern Ciutadellas. Britisches scheinen auch die Menschen übernommen zu haben, die Abends auf die in spanischen Nationalfarben lackierten TIB-Busse warten, wo sie sich, als hätten sie diszipliniertes „queuing“ in einer südenglischen Kleinstadt gelernt, ordentlich oben auf der Plaza von Ciutadellas in einer ordentlichen Schlange zum Bus anstellen.

Bei der Ankunft im Hafen der ungewohnte Anblick von Schwimmstegen. Mit Schlengeln? Ohne Grundleinen? Als wäre ich in einem Revier mit großem Tidenhub gelandet? Ein Vorgeschmack auf die Bretagne? Tatsächlich kann es der scheinbarfriedliche Hafen von Ciutadella, obwohl er nicht in einem Tidenrevier liegt, schnell in einen Hafen mit Tsunami-Welle verwandeln. Schon in meinem früheren Nordadria-Hafen Izola erzählte man sich Geschichten, wie urplötzlich dort der Wasserspiegel erst um eineinhalb Meter fiel, um nur Minuten später um mehr als zweieinhalb Meter anzusteigen. An Seemannsgarn dachte ich damals nicht. Ich erklärte mir die Sache her durch ein Seebeben, denn die karstige Küste des Friaul war in den Siebzigern Schauplatz eines Erdbebens, das wir am selbem Tag bis in unser Wohnzimmer im Süden Münchens spürten. 

Doch in Ciutadella ist es kein Erdbeben, was für abnorme Wellenhöhen sorgt. Die Rissaga ist ein bekanntes, jährlich mehrmals auftretendes Phänomen, das durch Schwankungen des Luftdrucks (sic!) die Wellenhöhen kurzfristig stark fallen oder steigen lässt und meist jetzt im Juni innerhalb weniger Sekunden zu großen Schäden führen kann. Vor allem in dem schmalen Hafenfjord von Ciutadella treten diese auch als „Meteo-Tsunamis“ bezeichneten Wellen mehrmals jährlich auf. Meist sind sie eher unauffällig und kaum wahrnehmbar. Gelegentlich schon: Am 21. Juni 1984 und am 15. Juni 2006 sorgten sie im Hafen von Ciutadella für Überflutung und massive Zerstörung an Booten, Bars und umliegenden Restaurants. 
Einschlägige Wetterseiten im Internet veröffentlichen täglich Rissaga-Warnungen. Für den heutigen Sonntag, den 3. Juni kündigt die spanische Wetterseite Aemet.es Rissaga-Wellenhöhen von 1 Meter an. (Danke an Einhandseglerin Susanne Radlach für ihren Hinweis!!)

Von den vielen Inseln, die ich in den vergangenen Jahren besuchte, ist Menorca tatsächlich eine der merkwürdigsten. Wer sich die Insel auf Google-Maps von oben betrachtet, könnte schnell das Interesse an ihr verlieren. Sie scheint bretteben. Ist sie aber nicht. Sie gleicht, nachdem wir sie jetzt einmal umsegelten, einem im Meer treibenden umgestülpten Topf, dessen Seitenwände überall zwischen sieben und dreißig Metern steil aus dem Wasser aufragen. Menorca zeigt sich dem Seereisenden so ganz anders als vom Inselinneren betrachtet. Und selbst die vielen Menorca-Wanderer, die wir mit ihren schweren Rucksäcken in der Ferne auf den Klippen sehen, ahnen wohl nicht, wie regelmäßig die Erdgeschichte die Insel an ihrem Rand formte: Rundum senkrecht aufragende Klippen. Davor steil abfallend immer 30 Meter Wassertiefe. Dahinter sanft schwingende Hügel, als wäre dies Irland. Oder als wäre die Insel eine Schwester des südafrikanischen Tafelbergs, die es halt noch nicht höher geschafft hat.


Und weil es der Merkwürdigkeiten nicht genug sind: Menorca ist auch die Insel der Grotten. Der Spalten und Höhlen. Der Schlünde und Grüfte in den Steilwänden. Ahnungslos wie mancher Wanderer ist vielleicht auch mancher Hausbesitzer, der sich sein Haus mit phantastischem Meerblick an der Steilküste errichtete. Und dessen Haus sich dann doch über Spalten im scheinbar kompakten Fels erhebt. Ich nehme mir im Vorbeifahren fest vor, mal in einem dieser Häuser zu übernachten – und sei es nur, um in den Frühlingsstürmen zu spüren, wie die an der Steilküste brechenden Wellen das Haus samt Bett und Schlafzimmer-Wand zum Beben bringen.


So viele Grotten gibt es, so viele Höhlen in den Steilwänden, dass meine Gedanken während der Reise um die Insel entlang an den Felswänden wieder und wieder abschweifen zu Odysseus. Zur Grotte der Kalypso. In einem früheren Post schrieb ich einmal, dass die Odyssee voll sei mit Nachrichten über nautische, geografische und meteorologische Phänomene an konkreten Orten auf dem Meer. Es sind mündliche Nachrichten, wie die Steuerleute sie sich erzählten, als die Welt die schriftliche Aufzeichnungen nur selten nutzte, weil Schrift den Priestern und anderen Gesetzgebern vorbehalten war und Segeln mit schwieligen Händen und weniger mit Internet zu tun hatte. Beobachtungen aus der Zeit der frühen Steuerleute, die sie einfach nur in phantastische Geschichten von schönen Frauen und Seeungeheuern wickelten, um ihr Wissen von Orten weiterzugeben. 
Ob er also wohl war, jener Mann mit Namen Odysseus? Dafür spräche, dass die Menschen der frühen Kulturen Menorcas, die sogenannte talaiotische Kultur, bis zum Jahr 1.000 vor Christus auf der Insel in Höhlen lebte, bevor sie sich für den Hausbau entschied. War Kalypso also Menorquinerin? Und Circe, ihre Schwester auch? Lebten sie hier irgendwo? Waren sie es oder etwas anderes, das sie auf der Insel vorfanden, was die Männer des Odysseus zu kopflos und hilflos grunzenden Wesen werden ließ? So dass er nicht anders konnte als zu fabulieren, die Frauen hätten seine Männer in Schweine verwandelt?

Wie so oft wissen wir nicht, was sich unter der Oberfläche solcher Geschichten verbirgt. Belassen wir es für heute bei diesen Fragen, denn es wird Nacht über Menorca und der Cala Fornells, die gleich hinter dem Leuchtturm am Nordende Menorcas, hinter dem Cap de Cavalleria liegt. 

Nach so vielen Inseln, die ich besuchte, schlafe ich ein mit dem Gedanken, auf diesen Inseln, den Balearen, die wir doch besonders zu kennen meinen, etwas ganz Besonderes im Vergessenen entdeckt zu haben. 

Auf, auf, nach Ecuador

Sa., 02.Juni 18, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1462, 12.560 sm von HH

Gleich geht es los. Überraschend zeigt sich ein Hauch von Nordwind am Ankerplatz. Und in den Vorhersagen. Wir hoffen, dass er draußen etwas mehr als 6 Knoten auf die Uhr bringt. Besser waren die Prognosen noch nie.
600 sm liegen vor uns, die wir unmöglich motoren können, soviel Diesel haben wir nicht.
Mit Glück kommen wir mit dem Nordwind an die Kante 150 sm weiter westlich von hier, wo der Südwind vorherrscht. Dann heißt es aufkreuzen. Zusätzlich zum Wind wird uns der Humboldtstrom entgegenkommt. Der stemmt sich mit bis zu 2,5 Knoten nordwärts. Aus 600 sm können schnell 800 und mehr werden.
Wir werden sehen, was das abgibt – wir haben es ja so gewollt.

Wir werden, wie immer, von unterwegs berichten.

Wind bzw. kein Wind nach Ecuador. Das beste "Wetterfenster" seit Wochen.

Wind bzw. kein Wind nach Ecuador. Das beste „Wetterfenster“ seit Wochen.

Panama ist auf beiden Seiten eine Seglerfalle. Adios Panama. Unser Herz konntest Du nicht erobern. Aber wir verdanken Dir die Fahrten durch den Kanal. Was für ein wunderbares Erlebnis.

Vier Jahre – zwei Fazits

Do., 01.Juni 18, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1461, 12.560 sm von HH

Wie immer getrennt voneinander geschrieben.

Die Fakten:
1.347 sm (Vorjahre im Schnitt: 3.737 sm )
2 besuchte Länder (Vorjahre im Schnitt: 8 Länder)

Achim:
Vier Jahre. Klingt erst einmal viel, ist es aber nicht.

An das alte Leben erinnert nicht mehr viel. Das Boot ist mein Heim und dort, wo es gerade liegt, ist mein Zuhause und das, was darum herum passiert, mein Leben. Recht simpel und auch sehr befriedigend. Ich möchte derzeit mit Niemandem tauschen.

Das letzte Jahr war besonders. Die sechs Monate in Kolumbien waren ein Geschenk. Tolles Land, nette Leute und aus meiner Sicht, ein sicheres Land. Es war eine schöne Zeit und ich hoffe sehr, dass das auch nach der Präsidentschaftswahl auch so bleiben wird. Kolumbien war die positivste Überraschung unserer Reise. Es wäre sehr schade, wenn der Friedensvertrag aufgekündigt würde und die Farc wieder „in den Wald zieht“.

Panama hat uns nicht nur Glück gebracht. Der Blitzeinschlag am 5. Januar hat unsere gesamte Planung durcheinander gebracht und mir drei heiße Monate unter Deck mit meinen Kabeln beschert. Das brauche ich definitiv nicht noch einmal und so schön ist es in Shelter Bay dann auch nicht. Insgesamt konnte Panama nicht mit Kolumbien mithalten. Vermutlich waren die Amis zu lange hier und haben nicht nur die erstrebenswerten Teile Ihrer Kultur hinterlassen.

Am meisten hat mich in den letzen zwölf Monaten der Müll schockiert, der überall in der westlichen Karibik, aber auch hier auf der Pazifik Seite umhertreibt. Egal, wann man auf das Wasser blickt, immer wieder sieht man Plastikteile an der Oberfläche treiben. Entsprechendes gilt für alle Strände auf der Windseite der Inseln, die wir besucht haben. Müll über Müll über Müll und in der Regel niemand, der sich dessen annimmt.

Ich frage mich, ob das überhaupt jemals reparabel ist. Ich wünschte es mir, glaube aber, dass aufgrund der langen Zeit, die es braucht, bis diese Plastikteile sich komplett zersetzt haben, es wohl nie passieren wird. So werden wir alle, einen großen Teil als Mikroplastik im Essen wieder finden. Was für eine Scheiße.

Jetzt freue ich mich auf Ecuador. Altes Heim, aber neues Zuhause und neues Leben für die nächsten Monate.

Sabine:
Viel gesegelt sind wir das letzte Jahr nicht. Da ist keiner an Bord böse drum. Weit rum gekommen sind wir ebenfalls nicht. Aber wir haben soviel erlebt.
Sechs Monate Kolumbien, das haben wir uns so ausgesucht und großartige Inlandsausflüge unternommen. Die Tour zur ‚verlorenenen Stadt‘ ist eine unvergessliche Erfahrung.
In Santa Marta und auf Providencia war die reisefreie Zeit unkompliziert und angenehm. Orte, wo man wohnen möchte. Für mich ist Kolumbien ein Highlight der letzten vier Jahre.

Weitere sechs Monate waren wir in Panama. Nicht ganz so freiwillig. Der Blitzeinschlag steckt uns noch immer ein wenig in den Knochen. Bei jedem Gewitter kreisen die Gedanken dorthin zurück. Zeitlich haben wir den Rückschlag längst akzeptiert: dann dauert die Reise eben ein wenig länger.
Das langsame Reisen gefällt uns von Jahr zu Jahr besser. Erst dadurch lernt man einen Ort richtig kennen. Bruce Chatwin, britischer Schriftsteller, bringt es auf den Punkt: „Wenn man weniger als drei, vier Tage an einem Ort bleibt, kommt die Seele nicht hinterher.“
Einfache Mathematik bringt es ebenfalls auf den Punkt: nach vier Jahren haben wir erst ein Viertel der rechnerischen Strecke hinter uns. :oops:

Dass man tatsächlich eine Weltumsegelung schafft, scheint nicht selbstverständlich. Wir haben überraschend viele Crews getroffen, für die vorzeitig die Reise zu Ende ist. Eine eigene Krankheit oder die von Familienangehörigen zwingt zum Abbruch. Es gibt Konflikte in der Partnerschaft, die zum Ausstieg eines Crewmitglieds an Ort und Stelle führen. In einem Fall einigte man sich grad noch auf eine gemeinsame Rückführung des Schiffes nach Europa.
Andere hören auf wegen ‚der Angst vor den langen Strecken‘ oder weil schlicht das Geld zu Ende ist.

Ich bin mir sicher, dass Achim mich auch gerne so manches Mal gerne auf einer einsamen Insel ausgesetzt hätte. Bis es soweit ist, genieße ich weiterhin jeden Tag und versuche die geschenkte Zeit nicht als selbstverständlich zu nehmen. (und ich freu mich im Sommer auf meinen Heimbesuch)

Ansonsten haben wir beide viel Spaß bei der Arbeit. :-)

Atanga Team bei der Arbeit - Selfies für den Blog

Atanga Team bei der Arbeit – Selfies für den Blog

 

Die Wartung der Sicherheitsausrüstung

Mi., 30.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1460, 12.560 sm von HH

Rettungsinsel, Rettungswesten und Feuerlöschanlage – so eine Wartung dauert normalerweise Stunden und Fachfirmen sind erforderlich. Eine komplette Wartung dauert auf Atanga grade 10 Minuten. Macht die Crew selber. Ein Edding und spitze Fingernägel sind alles, was wir brauchen.

Wir befinden uns in den Vorbereitungen für Ecuador. Ecuador soll bei der Einreise von Yachten etwas pingelig sein. Auch Segelboote werden nach ‚Solas‘ kontrolliert. Safety of Life at Sea.
‚Solas‘ ist eine Vereinbarung der UN, die nach dem Untergang der Titanic ins Leben gerufen wurde. Anwendung finden diese Regeln überwiegend für die Berufsschifffahrt.

Unsere Rettungsinsel: abgelaufen 2016. Eine Wartung unterwegs bot sich bislang nur in Kolumbien an. Aus Sicherheitsgründen haben wir darauf verzichtet. Im Internet finden sich viele Berichte, dass man die Rettungsinsel schlechter wieder bekommt als man sie abgibt.
Eine Wartung in Deutschland, kurz vor unserer Abreise, bescheinigte damals ein tadelloses Auslösen der Insel, trotz einer Wartungsüberschreitung von mehreren Jahren. Wir fühlen uns somit sicher.

Die Behörden in Ecuador sollen schon darauf bestanden haben, dass abgelaufene Ausrüstungsgegenstände getauscht werden. Besser sei es, einen Gegenstand gar nicht zu haben als mit falschem Datum. Na, wenn das so ist. Nichts leichter als das. Die alten Prüf-Etiketten sind schnell abgepuhlt. Mit Edding kommt ein neues Siegel bis 2/2020 drauf, Handzeichen drunter, schon fertig.

Wartung der Rettungsinsel

Wartung der Rettungsinsel – eine Minute Arbeit

Ruhe bis 2-2020 ;-)

Ruhe bis 2-2020 ;-)

Wartung der Rettungsweste ist Sache des Skippers - weg mit verdächtigen Siegeln

Wartung der Rettungsweste ist Sache des Skippers – weg mit verdächtigen Siegeln

Abgelaufene Medikamente und Lebensmittel werden ebenso bemängelt. Kopfschmerztabletten – abgelaufen 2016 – entsorgen wir. Meine letzten zwei Dosen Würstchen – abgelaufen 2015 – verstecke ich. Die sollen unbedingt in die Südsee mit. Vor ein paar Wochen haben wir noch eine Dose gegessen. Alles ta-del-los. Ein Glas Himbeeren und eine Dose Sauerkraut (beides 2017) kommen mit in das Versteck. Wäre ja noch schöner, wenn meine Schätze in den Mülleimer müssten.

Bulgarien, Serbien, und ein vorsichtiger Plan

Mittlerweile dusche ich während der Fahrt, mache Essen im 5-Sekunden-Rhythmus und tippe im „Critical Sector Aljmas“ an diesem Beitrag. 5 Sekunden tippen, steuern, 5 Sekunden tippen… steuern, 5 Sekunden duschen, Echolot…

Die Festplatte ist voll mit digitalen Fotos und Filmmaterial, analoge Filme wandern ebenfalls ins Archiv. Zwischen 8 und 14 Stunden fahre ich täglich und seit Istanbul habe ich erst an einem Tag eine richtige Pause gemacht. Das war in Veliko Gradiste, weil am geplanten Abfahrtstag Windstärke 8 gegen den Strom stand. Ich habe mich selten so über Sturm gefreut!
Seit 3 Tagen liefere ich mir ein „Rennen“ mit dem Schubverband ALEKSEY IVLEV und habe vor kurzem zum ersten Mal mehr als 100 Kilometer gegen den Strom an einem Tag geschafft.

Also, um es kurz zu machen: Bulgarien, die Walachei, das Eiserne Tor, die Naturlandschaft der Donau, die vielen Begegnungen, die Geschichten über Dracula, warum ich von der Polizei zum Supermarkt gefahren wurde, all das werde ich hier überspringen (müssen)!
Ihr habt es am letzten Beitrag über Rumänien gemerkt, es gibt viel zu erzählen. Zum Bilder sichten, bearbeiten und einbetten bin ich nicht einmal gekommen.

Ihr wisst ja, dass es einen Film geben wird. Die Geschichten werden also erzählt werden, nur wird das noch eine Weile dauern…

Jetzt geht es für mich vor allem darum, vorwärts zu kommen.

Was ich zumindest hier schon mal kurz sagen will:

Bulgarien war Klasse! Ich habe dort unglaublich viel Gutes erlebt!

Dann kam Serbien. Von Serbien wusste ich vor dieser Reise so gut wie nichts. Ich habe es ähnlich wie vor meiner Reise in die Türkei gemacht und mich bewusst überraschen lassen.
Die Menschen in Serbien, sie haben mich wirklich überrascht, auf eine positive und herzliche Art, wie ich es selten zuvor erlebt habe!
In Veliko Gradiste wäre ich gerne noch länger geblieben, viel länger. Auf diese Erlebnisse dürft ihr euch jetzt schon freuen.

Und ich freue mich, nach ein paar Tagen vor Anker, jetzt über den Hafen von Apatin. Hier stehen Wartungsarbeiten, Diesel bunkern und Einkaufen auf dem Plan, bevor es weiter nach Ungarn geht.

Und nun noch etwas zum vorsichtigen Plan:

Welchen Weg ich verfolge, dürfte mittlerweile klar sein, auch wenn ich bisher noch nichts weiter dazu gesagt habe. Donau → Main-Donau-Kanal → Main → Rhein.
Die Donau endet für mich in Kehlheim. Ja, sie endet dort und nicht etwa am Schwarzen Meer. Die Donau macht nämlich, im Gegensatz zu allen anderen europäischen Flüssen, eine Ausnahme. Die Kilometer werden von der Mündung zur Quelle gezählt und nicht andersherum.
Sulina am Schwarzen Meer hat Kilometer 0 und Kehlheim Kilometer 2415. Mein Zielhafen liegt wenige Kilometer vor Kehlheim. Bis dort sind es von Apatin noch ziemlich genau 1000 Kilometer. Immer noch ein langer Weg, aber es wird langsam überschaubar. Noch 248km bis Budapest, noch 462km bis Bratislava, noch 528km bis Wien.
Wenn der Volvo weiter so gut läuft, wenn wir nicht von Hoch- oder Niedrigwasser aufgehalten werden und mich nicht der Blitz trifft, dann ist für mich in Kehlheim das Einhandseglerleben vorbei!
Dann werde ich Nomade dort für ein paar Tage zurücklassen, nach Hause fahren und mit Sabrina und Filou ab Ende Juli zusammen die Reise von Kehlheim bis nach Wesel fortsetzen.
Das ist für mich das große Ziel und Motivation, hier vorwärts zu kommen. Darauf freue ich mich riesig!

Worauf ich mich ebenfalls freue, sind die Einladungen, die jetzt so langsam greifbar werden. Die erste kam bereits vor langer Zeit aus Ungarn, dann Wien (mittlerweile zwei Einladungen), und noch eine aus Forchheim.

Wenn es gelingt, mit Nomade im Sommer in Wesel anzulegen, dann würden wir euch (Leser, Zuschauer, Freunde) gerne am Ankunftstag einladen: Zu einem Glas Sekt oder einem Bier am Steg!
Anschließend können wir zusammen noch der gemütlichen Kneipe im Yachthafen einen Besuch abstatten.

Um das besser planen zu können, werden wir ab Kehlheim einen Termin nennen und alle Interessierten bitten, sich dann kurz per Mail zu melden.

Mallorca – Die vergessene Insel: Ankern im wilden Gebirge.

Mitte Mai bin ich für mein nächstes Buchprojekt von Sizilien aus Richtung Westen aufgebrochen. Unter dem Titel AN EUROPAS KÜSTEN werde ich in den kommenden 6-7 Monaten von dem berichten, was mir in diesem Sommer auf meinem fast 4.000 Kilometer langen Weg um die Süd- und Westküste Europas alles begegnet. 
Heute: Unterwegs auf Levje im äußersten Nordosten Mallorcas.

Der markante Fels in die Einfahrt in die Cala Boquer im Morgenlicht – wie ein nach Beute schnappender Walhai.

Kennt man eine Sache wirklich, die man zu kennen meint? Den Menschen, neben dem wir jahrzehntelang leben? Das Fahrzeug, in das wir uns seit sieben Jahren jeden Morgen setzen? Eine Insel, auf der man schon 15 mal war und die man in und auswendig zu kennen meint?

Oft werde ich in Interviews wie am vergangenen Samstag gefragt: „Auf dem Cover der VERGESSENEN INSELN ist die Insel Mallorca abgebildet. Das ist doch keine vergessene Insel?“ Natürlich nicht. Vielleicht geht es im Leben (wie in meinem Buch) um die Kunst, das Unbekannte genau in dem wiederzufinden, was wir alle doch so gut zu kennen meinen. An dem Ort, an dem wir leben. Auf einer Insel. In unserem eigenen Leben.

Mallorca meinen wir gut zu kennen. Schließt man die Augen und lässt man den Namen über die Zunge rutschen, hat man auch gleich ein Bild von der Insel im Kopf. Doch Mallorca kann etwas ganz anderes sein. 

Irgendwann, so wie jetzt, wenn das Wetter sehr durchwachsen ist, hält es einen nicht mehr im Hafen. Die Hafenliegerei unter wolkenschwerem grauen Himmel geht auf die Nerven. Es zieht mich hinaus, durchwachsenes Wetter hin oder her. Der Tag war grau. Die Wolken schwer. Also raus. Ziel: Cala Boquer.

Sie liegt, wo Mallorcas Bergregion anfängt: Ganz im Nordosten der Insel, wo die Sierra de Tramuntana beginnt, jener Gebirgszug, der wie eine massive Wand den Norden der Insel Mallorca entlangzieht. Gleich hinter dem Cap Formentor. Drei Stunden Fahrt von Port de Pollenca aus.

Cala: Das Wort gibt es nur im westlichen Mittelmeer. Es bedeutet“in den Fels einer Steilküste geschnittene Sandbucht“. Aber das wäre für die Cala Boquer untertrieben. Als die Einfahrt in die Cala im regenverhangenen Grau vor uns auftaucht, sieht der Fels mit der riesigen Höhle vor uns aus wie ein Walhai, der aus dem Wasser auftaucht und nach Beute schnappt. Als wir weiter in die Cala einlaufen, finden wir anders als erwartet nicht Felsgrund, sondern auf sechs Metern reinen Sand zum Ankern. Also runter mit dem Anker. Und staunen.

Wir ankern hier in der rauen Bergeinsamkeit. Falken rufen aus steilen Wand links. Ein Zicklein schreit die Nacht über aus der Steilwand nach seiner Mutter. Und sonst? Nur Vogelgezwitscher.

Und: Wand, die irgendwelche Erdkräfte nach oben getrieben haben, so dass sie heute aussieht, als hätte ein Bäcker einen Laib Brot durch eine Brotschneidemaschine gejagt und in regelmäßige Scheiben zerteilt. 



Eine Felswand, die sich wie eine Schiefertafel steil aus dem Meer erhebt, über und über bedeckt mit vertikalen Riefen und Runen, die nur darauf warten, endlich entziffert zu werden. 



Die beiden Steinreihen am Ufer, die aus dem Wasser aufragen wie die Ornamente auf dem Rücken eines Riesenechse. 

Katrin fragt, ob ich hier nicht Angst hätte, so ganz allein, in der Bergeinsamkeit. Zugegeben: Die Cala Boquer ist ein unwirtlicher Ort. Doch merkwürdigerweise begreife ich an Orten wie diesen viel über mich. Woher ich komme. Wohin ich gehe, wenn ich auf die Runen in der Felswand der Cala Boquer schaue. Alles und jedes an diesem Ort ist so alt, so mächtig, die Felsblöcke so riesenhaft und majestätisch, dass ich mich ganz klein darin fühle. Winzig. Verloren. Und doch eingebettet und gehalten als Teil des mächtigen großen Ganzen.

Jeder von uns hat einen Ort, an dem er sich zugehörig fühlt zur Welt, an dem er sich empfindet als Teil des großen Ganzen, als Teil dieser Welt. Für manchen ist das ein Ort in der Stadt. Ein Cafe. Ein Stadion. Das Getriebe einer lärmenden Stadt. Wieder andere empfinden sich auf dem Gipfel eines Berges. Für mich ist es ein Ort wie die Cala Boquer. Wild. Einsam. Unendlich überlegen. Unauslotbar gleichgültig gegenüber mir winzigem Wesen und all dem, was mich umtreibt.

Wie gleichgültig, das zeigt die Cala Boquer nachts um zwei. Da zeigt die Cala Boquer die Zähne: Fallböen aus Westen reißen mich Nachts aus dem Schlaf. Benommen torkle ich ins Cockpit. Es pfeifft erst mit 20, dann mit 25 Knoten aus der Dunkelheit heran. Levje schwingt mächtig an der langen Ankerkette – also mal wieder Ankerwache gehen. „Herr, lass es nicht mehr werden!“Wir haben zwar genug Ankerkette gesteckt, ich bin am Nachmittag noch schwimmend an den Quallen vorbei zum Anker geschnorchelt, der gut in den Sandgrund eingefahren ist. Das ist immer eine Beruhigung. 

Die Wolken jagen vor dem Vollmond vorbei, plötzlich hat ihn das große Grau verschluckt, als die nächsten Böen heranpfeiffen. Ich sorge mich etwas um mein Schiff und beobachte zwei Stunden im Cockpit, wie die harten Böen durch das Tal zu Levje herunterpfeiffen. Dann treibt mich die Müdigkeit in meine Koje. Ich überlasse mich dem großen Ganzen, das so viel größer ist als ich. Und schlafe friedlich ein, während die Böen Levje in der engen Bucht tanzen lassen.


Am Morgen tanzen die Böen immer noch durch die Schlucht wie durch eine Trillerpfeife. Gar mancher würde sagen: Wozu das alles, die Mühen, die Anstrengung, das sich-die-Nacht-im-zugigen-Cockpit-um-die-Ohren-schlagen. Doch ich verlasse diesen Ort unendlich reicher, als ich kam.


Übrigens: Die Cala Boquer kann man auch zu Fuß erreichen. Sie liegt nur eine Stunde Wanderung durch ein reizvolles Tal im Norden von Port de Pollenca. Nur den auftauchenden Walhai, der nach Beute schnappt: Den kann man nur vom Meer aus erkennen.

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Die wundersamen Segelgeschichten der Piraten

So., 27.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1457, 12.560 sm von HH

Seit wir in der Karibik angekommen sind, finden wir sie, die Berichte über Piraten.
Wo wir auch hinkommen, Captain Morgan und seine Kollegen waren schon vor uns da. Man segelte vergnügt die Inseln auf und ab, man traf sich vor Providencia, man überfiel gemeinsam Panama City und die Beute kam nach Jamaika. Gemeinsam ging es auf die Bahamas und der ein oder andere Freibeuter kehrte zwischendurch nach Europa zurück. Einige freiwillig, andere an den Galgen.
Das Ganze liest sich locker leicht. Segel hoch und los.

Sind das alles Fake-News? Alles erfunden?
Immer wieder staunen wir über die Berichte während wir auf richtigen Wind warten und die zu segelnde Strecke als unlösbares Problem vor uns liegt.
Wie haben die das bloß gemacht? Moderne Segelschiffe können deutlich höher am Wind segeln als die alten Karavellen oder Galeonen. Letzte gelten zwar als wendige kleine Kriegsschiffe, die gerne von Piraten genutzt wurden, aber Wende-Wunder waren es nicht. Trotzdem gibt es keine Strecke, die damals nicht gesegelt wurde.

In der Shelterbay trafen wir eine Männercrew auf einem 57 Fuß Schiff. Die wollten von Panama nach Grenada segeln. Eine typische Piraten-Route, glaubt man den Geschichten. Die Jungs kamen nach vier Tagen in die Marina zurück. Keine Chance. Gegen Wind und Welle sind sie vor Kolumbien rückwärts gesegelt.
Okay, vielleicht war es eine Weichei-Männercrew. Moderne Bauspar-Männer und Balkonblumen-Gießer. Keine harten Raubeine mit Augenklappe und der Fähigkeit schon zum Frühstück einen Viertel Liter Rum zu saufen. Geschenkt. Aber komisch ist es schon. Die Zweifel an den alten Stories verdichten sich.

Die Geschichten der Pazifik-Seite sind eine Klasse für sich.
Nachdem Balboa 1513 das ‚Südmeer‘ entdeckte, fackelten die Spanier nicht lange. Die Gründung Panama Citys erfolgte 1519, erste Schiffe wurden auf dieser Seite des Kontinents gebaut und bereits 1526 erreichte Francisco Pizarro auf eigenem Kiel Peru. 1533 war der letzte Herrscher des Inkareiches getötet und das Reich seinem Untergang geweiht.
Das geraubte Gold der Inkas wurde nach Panama City verschifft und rief schnell die ersten Piraten auf den Plan, die Raubzüge im Pazifik auf dieses Gold unternahmen.

Aber wie haben die das gemacht? In der Bucht von Panama gibt es keinen Wind. Zumindest keinen, der länger als zwei Stunden anhält. Und der wenige Wind, den es gibt, der kommt aus Süden. Und im Süden gab es das Gold.
Die Segelfachliteratur von Jimmy Cornell sagt: „Alle Törns von Panama Richtung Süden sind sehr schwierig durchzuführen. [] Bei Flauten und Schwachwind muss man unter Motor fahren, um gegen den starken nach Nord setzenden Strom anzukommen.“

Na, erzähl das mal dem alten Captain Morgan oder den Konquistadoren – die hätten gerne einen Motor gehabt. Die alten Schiffe konnten nicht eigenständig gerudert werden. Mit Beibooten wurden sie rudernd in einen Hafen oder eine windstille Bucht gezogen. Bei bis zu 120 Tonnen Verdrängung kein Vergnügen und schon gar keine Möglichkeit, das über längere Distanzen durchzuhalten.

Aber sowohl Konquistadoren als auch Piraten sind munter die Westküste Amerikas auf- und abgesegelt. Bei den Überfällen soll weniger geschossen worden sein als man es aus Filmen kennt. Eine beliebte Taktik war es, dass sich der Pirat hinter einer Landzunge versteckte, um „überfallartig auf das Ziel zuzufahren und es zu entern.“
Auf den windlosen Las Perlas kann diese Taktik nicht erfunden worden sein. Wenn man den Anker lichtet, treibt einen der Ebbstrom höchstens weiter weg vom Opfer

Die tollste Geschichte erzählt man sich über Edward Davis. Er soll seinen erbeuteten Schatz auf den Islas de Cocos – vor Costa-Rica- versteckt haben. Auf Jamaika lebte er in Saus und Braus und wenn ihm das Geld ausging, holte er sich aus seinem Versteck Nachschub.
Er segelte also von Jamaika nach Panama, durchquerte den Isthmus, sprang auf sein zweites Schiff auf der anderen Seite, segelte zu den Kokos-Inseln, buddelte im Sand und kam auf umgekehrtem Weg zurück. :mrgreen:

Und wir sitzen vor unseren modernen Hilfsmittel und auf 400 Litern Diesel und haben ernsthafte Zweifel, dass wir es bis Ecuador schaffen. Pirat müsste man sein.

Alle Segel gebläht, alle fahren in andere Richtungen - aber Toten-Flaute

Die alten Meister spielen mit: Alle Segel gebläht, alle fahren in unterschiedliche Richtungen – aber Toten-Flaute…