Kategorie: News & Blogs

Von England nach Irland und Schottland (19): Mull of Kintyre. Eine Halbinsel. Ein Song. Und die Whisky-Inseln.

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  

die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles und von dort über Dublin und Nordirland zur Küste Süd-Schottlands.

Es ist, als hätten der Himmel und das Meer eine Pause eingelegt. Das Meer verharrt fast reglos unter einem dramatischen Wolkenhimmel, der noch nicht eins ist mit sich, ob er an diesem Spätnachmittag  noch einmal einen Eimer Sonne oder einen Eimer Regen über uns auskippen soll. 

Es ist Donnerstag, irgendwann kurz vor halb sechs. Der Wind, der eben noch da war, hat sich verzogen, wir liegen, wo wir liegen, wie in einer Pfütze. Nur noch ein schwacher Hauch fängt sich in dem großen gelben Schwachwind-Vorsegel über Levjes Bug, er treibt uns gerade mal mit eineinhalb Knoten weiter, ein schlendernder Passant wäre ein rasender Roland dagegen. Aber selbst unsere 1,5 Knoten sind nur graue Theorie. Der Strom, der vom Kap vor uns kommt, dem Mull of Kintyre, raubt uns die Fahrt. Die Logge zeigt 1,5, das GPS, das unsere Fahrt über dem Meeresboden anzeigt, sagt „0“. Wir segeln – aber auf der Stelle. Wenn das so weitergeht, sind es noch 8 Stunden bis zur Halbinsel Kintyre und ihrer südlichen Spitze, dem Mull of Kintyre.

Doch Geschwindigkeit ist nicht alles im Leben. Einfach nur sein in dieser Weite, sich spüren in diesem ungeheuerlichen Innehalten um uns herum, das ist schon viel. Mir bedeutet es in diesem Moment fast alles. 

Blicke ich nach vorn, sehe ich den Schwarm gänsegroßer Basstölpel in einer Linie majestätisch wie Schwäne über die Wasseroberfläche vor Levje ziehen und weit im Westen verschwinden, wo die Sonne hinter den Regenwolken steht und sie erleuchtet. Schaue ich hinter mich nach Südosten, sehe ich den Leuchtturm wie den Turm Isengarts einsam auf seinem Felskegel stehen. Neben Levje sitzen zwei Trottellummen auf dem Wasser, ein Elterntier und ein kleineres Jungvogel. Die pinguinähnlichen Vögel gemächlich wie die Entlein auf einem winzigen Dorfteich und nicht sechs Meilen, zehn Kilometer vom nächsten Land entfernt. Immer wieder habe ich Freude an den possierlichen Tieren, irgendein Ahnherr von ihnen muss einst Modell gestanden haben für Plastik-Badeentchen. In diesem Moment treibt der Strom sie zu nahe an Levjes Rumpf heran. Ein paar hektische Kopfwendungen, wenn Levje an sie herankommt, ein leicht beschleunigter Schlag mit den Schwimmfüssen, dann macht es ein leises „Pfluntsch“ auf dem Wasser und die beiden tauchen einfach Schnabel voraus in die Tiefe, wo sie sich für Minuten vor dem großen blauen Ungetüm in Sicherheit bringen. Abhauen kann wirklich kinderleicht aussehen.

Die Meeres-Landschaft, in der wir gerade windlos liegen, ist wie ein riesiges Amphittheater. Hinter mir der lange Schlauch des Loch Ryan, an dessen südlichem Ende wir die erste schottische Nacht im Hafen von Stranraer verbrachten. Im Osten die seltsam rundliche Insel Ailsa Craig, die sich aus dem Meer erhebt wie ein Totenschädel, der im nächsten Moment in voller Größe aus dem Wasser auftaucht. Im Norden die Meerenge, hinter der Insel Arran muss irgendwo der lange Loch Clyde mit den Häfen von Glasgow am Ende liegen.

Im Nordwesten voraus die Halbinsel Kintyre. Steile Felsen am Kap, die mit den sattgrünen Flächen ein seltsames Webmuster bilden, ein Ornament, eine Zeichenfolge, die ich so wenig deuten und lesen kann wie das Punktmuster, das der nächste Schwarm Basstölpel knapp über der Wasseroberfläche auf den Horizont vor mir tupft. Es gibt keinen Maler in diesem Moment, der die Ornamente malt, und keinen, der diese Schrift schreibt. Und doch ist es für mich in diesem Augenblick wie ein Text, dessen Bedeutung ich nur ahnen kann und in dem auch ich vorkomme als winziger Punkt.

Mull of Kintyre. Mull: Das gälische Wort für Vorgebirge. Der Name beschreibt das Gebirge an der Südspitze der Halbinsel Kintyre, die von hier aus mehr als 70 Kilometer weit aus dem Atlantik bis ins schottische Hochland in den Atlantik ragt. Der südlichste Punkt, an dem wir stehen, ist zugleich auch die engste Stelle Irland und Schottland die hier nur 17 Kilometer trennen. Irgendwo hier muss Paul McCartney seine Farm mit dem Studio gehabt haben, wo er den Song Mull of Kintyre aufzeichnete. Als der Song ein Millionenhit geworden, würde er sagen, er schrieb ihn aus keinem anderen Grund, als nur der Landschaft hier zu huldigen. Wenn es wahr wäre, könnte ich ihn beim Anblick der Landschaft gut verstehen, anders als damals, als ich den Ohrwurm zum ersten Mal hörte. Ich war 17, ich war mal wieder verliebt, und Paul McCartney lieferte die richtige Klangtapete für mein Lebensgefühl. Wäre nicht Ex-Beatle Paul McCartney der Sänger gewesen sondern Udo Jürgens, hätte man das mit Kintyre-Dudelsäcken unterlegte Stück als Schnulze abgetan. Aber so? War es einfach 1978 pure Sehnsucht auf schwarzem Vinyl, das sich als erste Schallplatte überhaupt in UK über zwei Millionen Mal verkaufte. Doch davon ist Mull of Kintyre gänzlich unbeeindruckt.

19.30 Uhr. Wir stehen vor Mull of Kintyre. Ganz links von mir sehe ich in der Ferne einen Tanker langsam vor der nordirischen Küste dahin schleichen. Immer mehr Schwärme von Basstölpeln ziehen langsam nach Norden, knapp an uns und knapp an der Wasseroberfläche vorbei. Was sie wohl dort vorne hinter dem Mull of Kintyre in der großen grauen Wand suchen?

Von Westen setzt leichter Regen ein, er zieht in Schlieren aus dem Grau über das grüne Webmuster des Vorgebirges, das eben noch grün leuchtete und jetzt hinter dem grauen Vorhang verschwindet.

Schlagartig ist Schluss mit dem Innehalten der Natur. Während die Regenfahnen über uns hinwegziehen, tauchen am Kap Seehunde nahe bei Levje auf. Sie schwimmen treuherzig wie Dackel um Levje. Erst drei. Dann fünf. Dann sind es zehn, die mit unverhohlener Neugier Kreise um das große blaue Teil ziehen. „Seid ihr was zum Spielen?“, scheinen die Schlappohren zu fragen. Ich bin wie Sven und Ida fasziniert von den Tieren, fotografiere wie ein Wilder und sehe nicht, was meine Kamera bereits sieht und rechts oben in der Ecke bereits festhält:

Races! Brechende Wellen! Stromschnellen! 

Urplötzlich setzen hackige Wellen ein, sie brechen, obwohl kein Wind weht, als würde hier der Meeresboden ansteigen und wir gleich auf eine Untiefe laufen. Levje kracht mit lauten Scheppern voran, doch es ist keine Untiefe, sondern das Wellental nach der ersten brechenden Welle. Um uns ist das Wasser tief genug, alles frei. Die Seehunde sind vergessen, wir geigen plötzlich durch die Wellen, das Schiff wird ungut hin und her geworfen, wir suchen Halt, um nicht umgeworfen zu werden im Cockpit. Die graue Regenwand vor uns hat uns und die eben noch vorhandene Weite in lichtloses Grau gepackt. Wir müssen hier irgendwie aus diesen windlosen Stromschnellen raus, ein Glück, dass ich stur war und darauf bestand, den großen Blister wegzuräumen, so ist wenigstens das Schiff seeklar für die Stromschnellen. Zehn Minuten brauchen wir, dann sind wir durch die Stromschnellen hindurch. Prasselnd setzt Regen ein, in dem das nahe Kap Mull of Kintyre hinter uns versinkt, als wäre es niemals da gewesen.

Hinter dem Mull of Kintyre ändere ich den Kurs. Unser Ziel ist Islay, „Aaailii“ gesprochen, eine der inneren Hebrideninseln im Nordwesten, 20 Seemeilen, 35 Kilometer weiter. Knapp vier Stunden geht es erst durchs große Grau, das wie Watte um uns liegt, bevor der Wind wieder da ist. Bis 23 Uhr ist es taghell, um Mitternacht tappen wir mit dem allerletzten Licht des Sonnenuntergangs entlang an Felsen und weißen und grünen Blinklichtern in die gut befeuerte Hafenbucht von Port Ellen und suchen nach einem Platz zum Ankern. Da, zwei Yachten vor uns vor Anker. Noch einen Kreis auf dem Wasser gedreht, den Anker fallen lassen, dann kann ich den Motor abstellen. Hundemüde und hellwach zugleich, bin ich aufgewühlt vom Mull of Kintyre und diesem Tag. Und neugierig auf Islay und Port Ellen. Namen, die nach schottischem Whisky schmecken.

Aber so neugierig mich die Lichter der still daliegenden Insel Islay machen: Mull of Kintyre wird mich weiter begleiten, nicht bloß als längst vergessener Song, sondern von jetzt als Ort, an dem der Himmel und das Meer eine Pause einlegten. Und mir einen besonderen Moment schenkten.

Videoupdate #47

Ich bitte mal kurz um eure Aufmerksamkeit, denn ich habe euch etwas wichtiges mitzuteilen:
Heute Nachmittag waren wir mit Filou am Strand und obwohl ich mir für diesen Sommer ein Filmverbot zwecks voller Fokussierung auf die Restauration auferlegt hatte, war eine kleine Kamera mit dabei. Dieser glückliche „Zufall“ hat dazu geführt, dass ihr nun fast live Filous erste Bahnen audiovisuell miterleben dürft.
Viel Spaß mit Videoupdate #47
(Zu 100% mit Solarstrom vor Anker produziert!)

Von England nach Irland und Schottland (18): Das erste Mal Schottland. Das erste Mal Haggis.

Was tut man, wenn man den Tag auf seinem Boot im Nebel und Regen verbrachte und zum ersten Mal in einem schottischen Hafen festmacht? Man trabt durch den Regen und die Kleinstadt und sehnt sich nach einem gemütlichen Pub. Etwas Warmes braucht der Mensch.

Im südschottischen Stranraer ist das zunächst nicht so einfach. Die Stadt war bis vor wenigen Jahren Fährhafen hinüber ins nahegelegene Belfast, bis die Fährgesellschaft beschloss, den Hafen ein paar Seemeilen weiter nach Norden zu verlegen, weil der von Stranraer verlandete. Der Ort hat das bis heute nicht verwunden. So verwegen der Name immer klingt, so verwegen man ihn mit „Straanraaaaaar“ auch ausspricht: Die Hauptstraße der Kleinstadt ist verwaist, ein paar magere Schreibwarenläden und ein Plastik-Fingernagel-Studio, von guten Pubs ist nichts zu sehen. Nur Tripadvisor ist unerschütterlich und sagt, es gäbe Licht am Ende des Ortes. Wenn wir uns 20 Minuten durch den schottischen Nieselregen entlang der Bucht ostwärts kämpften, dann wäre da Henry’s Bay House Restaurant, dessen Küche immerhin 500 Leute zu viereinhalb von fünf Sternen hinriss. Wärme. Whisky. Wohlbefinden.

Tatsächlich liegt Henry’s Bay House dort, wo Stranraers Wohnhäuser enden. Und eigentlich sieht es auch so unscheinbar aus wie ein Wohnhaus. Aber das einstige Wohnzimmer ist voll, ein Tisch mit Meerblick ist noch frei. „Haggis ’n Blackpudding“ steht auf der Speisekarte, als Antipasto, na dann los. Das verstehe ich wenigstens, wenn ich schon kein Wort verstehe von dem, was die Kellner mir zu sagen versuchen.

Es ist pure Neugier, die mich reitet. Jener derbere Teil meiner bayrischen Küche, Schlachtplatte, Blut und Leberwürste, Kesselfleisch und saures Lüngerl sind mir zutiefst zuwider, vor rotem Preßack laufe ich bis heute schreiend davon. Meine Begegnung mit „Trippa a la Fiorentina“, gekochtem Kuhmagen in Streifen mit Tomaten- soße, dem florentinischen Traditionsessen, hat die Sache eher noch verschlimmert. Auch das, was wir heute als gehobene typisch mediterane Küche begreifen, war einst nichts anderes als „Arme-Leute“-Küche, für die verwertet wurde, was sich kein anderer auf den Teller legen mochte. „Spaghetti allo Scoglio“ ist das Gericht, für das aus dem Meer in den Topf kam, „was am Felsen hängengeblieben“ war. Spaghetti Bolognese waren, bevor man dafür bestes Hack verwendete, auch mal eher kleingehackte Schlachtabfälle. Die „Roba Vieja“ in Spanien, „alte Klamotten“, bringt heute restaurantmäßig die Leftovers von gestern auf den Tisch und der Pfälzer Saumagen verkocht zerkleinert, was keiner wirklich essen mag.

Da kommt mein Haggis mit Blackpudding. Schön sieht er aus, unter einer Whisky-Sahne-Sauce mit Pilzen. Eine Art Lasagne aus Haggis- und Blackpudding-Schichten, Blutwurst. Ein erster zaghafter Stich mit der Gabel. Konsistenz eines heimatlichen Fleischpflanzerls, einer Bulette, wie man auch dazu sagt.

Aaaaaaaah. Der Geschmack einer gekochten Bratwurst-Füllung entfaltet sich am Gaumen, ein leichter Duft nach Majoran und Muskatnuß. Konsistenz von lange im Bratgut mitgekochtem Getreidekörnern. Nein, das ist ja phantastisch. Ich denke, Haggis werde ich jetzt öfter essen. Auch Sven und Ida, die mit mir segeln, sind mit meiner Wahl durchaus einverstanden. Begeistert vom schottischen Essen und Haggis im Besonderen traben wir später durch den Nieselregen. Ich beschließe, fortan ein Haggis-Fan zu sein, fast wie der schottische Nationaldichter Robert Burns singe ich auf dem Heimweg zu Levje das Loblied des schottischen Haggis.

Doch so einfach ist das alles nicht. Essen findet im Kopf statt, und zunächst mal eine Etage oberhalb  des Gaumens, mit dem Denken. Als ich nach meinem zweiten Mal Haggis nachlese, was das denn eigentlich ist, sehe ich die Dinge anders. Wikipedia zitiert ein schottisches Kochbuch, daß das folgende Rezept für Haggis „nichts für schwache Nerven“ sei. Weniger, weil man als „Kochbehälter“ einen tierischen „Behälter“ den Magen eines Schweins nimmt. Auch nicht, weil man dafür Herz, Leber und Lunge in einer leichten Fleischbrühe kocht, sondern weil der Autor dezent darauf hinweist, dass beim Kochen die an der Lunge hängende Luftröhre unbedingt über den Topfrand hängen muss.

Ist  alles feingehackt und zerkocht, kommt das dann mit Pfeffer, Muskat, Nierenfett und Hafermehl in den umgedrehten Schweinemagen und wird stundenlang gekocht.

Nach der Lektüre bin ich mir nicht mehr soooooo sicher, ob ich noch mal Haggis essen oder gar ein Gedicht wie Robert Burns auf Haggis schreiben werde, das die Schotten am nationalen Burns-Feiertag Ende Januar zusammen mit Haggis angeblich genießen. 

Was ich aus meinem Haggis-Erlebnis lerne, ist die immer gleiche Erfahrung mit dem Essen: „Seelig sind die geistig Armen.“ Oder: Ein bisschen Ahnungslosigkeit brauchts, will der Mensch glücklich sein. Oder will ich jetzt wirklich genau wissen, was denn jetzt alles in heutigen Brotbackmischungen meines braven Dorfbäckers, einer Pizza beim Lieblingsbäcker oder einem simplen Semmelknödel alles drinsteckt? Und selbst der fortschrittlichste Veganer wird zugeben müssen, dass er auch nicht weiß, was immer drinsteckt in Tofu und Fermentiertem.

Nein. Der Haggis ist nur ein Beispiel. Abgesehen davon: Haggis gibt es nicht nur nach dem angegeben Rezept. Es gibt ihn – selbstverständlich – auch nach „Original Recipe“ Glutenfrei. Und auch vegetarisch, auf dem Foto ganz rechts.

Aber will ich wirklich wissen, was in der ersatzhalber statt Lunge verkochten Möhre wirklich drinsteckt?

„In den Bootssport einsteigen“ auf dem Skippertreffen in Leer

Vom 1. bis 4. August 2019 lädt der Deutsche Motoryachtverband Skipper aus den verschiedensten Ländern zum Tourenskippertreffen nach Leer in Ostfriesland ein.
Unter dem Motto „Leer maritim“ werden zahlreiche Aktionen rund um Sport, Kultur, politische Themen wie die Sicherung der Wasserstrassen in Deutschland gestartet. Dabei wird das gesellige Beisammensein ganz groß geschrieben!

Der ADAC, DMYV und DSV bieten im Rahmen des Forum Sportschifffahrt allen Interessierten die Möglichkeit, bei einer kostenlosen Bootsfahrt das Steuer selbst in die Hand zu nehmen.

Besuchen Sie uns am Stand des Forum Sportschifffahrt am

Freitag 2.8.19 
Samstag 3.8.19

immer von 10.00 bis 17.00 Uhr.

Erleben Sie den Spaß beim Bootssport live und lassen Sie sich mit Familie und Freunden den Wind so richtig um die Nase wehen. Es stehen verschiedene Bootstypen zur Verfügung.
Erfahrene Instruktoren begleiten Sie und zeigen Ihnen, wie einfach der Einstieg in den Bootssport ist.

Der ADAC bietet gerade zum Einstieg in den Bootssport hilfreiche Informationen zu Themen wie

Sportbootführerschein,
Gebrauchtbootkauf,
Internationaler Bootsschein,
ADAC Wassersportversicherungen,
Tipps zum Trailern,
ADAC Yachtcharter
u.v.m.

Unser ADAC Experte für Themen rund um den Wassersport ist ebenfalls vor Ort und beantwortet gerne Ihre Fragen.

Von England nach Irland und Schottland (17): Von tauchenden Trottellummen und Basstölpeln. Wo Irland und Schottland sich nahekommen.

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  

die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag nach Irland und bin nun über Dublin 
Richtung Nordirland.

Früh am Morgen haben wir uns auf den Weg gemacht. Sven und ich sind meist um sechs Uhr auf den Beinen, Svens Tochter Ida nutzt die Zeit, um auszuschlafen, während wir rumpelnd den Anker vom Grund heraufholen, Levjes rumpelnden Motor starten und mit der ersten Strömung hinausmotoren aus dem Loch Strangford, die Küste Nordirlands entlang, die links von uns im Morgenlicht liegt. Man ist hier allein mit sich, nur ein Fischer teilt den morgendlichen Frieden vor der Mündung des großen Sees, der fast bis nach Belfast hinaufreicht. 

Doch kaum ist links am späten Vormittag die irische Küste  verschwunden, taucht rechts  aus Regen und Nebel die schottische Küste auf. Irland und Schottland liegen an dieser Stelle gerade mal 35 Kilometer auseinander, ein Stück weiter nördlich, vor der schottischen Halbinsel Mull of Kintyre, sind es noch weniger, gerade 17 Kilometer.

Langsam schleichen wir uns ran an die Küste. Grenzen, schrieb ich einmal, existierten auf dem Meer nicht, man kann keine Linien ins Meer ritzen oder Mauern darauf betonieren. Grenzen sind

in unserem Kopf, und die erstmalige Ansteuerung an eine nebelverhangene verregnete Küste, wenn man am Morgen im Sonnenlicht lossegelt, weckt das Gefühl, eine magische Grenze überschritten zu haben, irgendwohin, wo noch nie ein Mensch vorher war, das winzige eigene Ich sowieso nie.

Es regnet. Ich sitze unter der Sprayhood und blicke hinüber zum Ufer, das im Grau irgendwie trostlos wirkt. Schottland scheint ein einsames Land zu sein. Am Ufer das erste Gehöft seit Stunden. Eine steinerne Säule im Meer, die eine Untiefe markiert, kein Ort nirgendwo, so scheint es.

Vor der Steinsäule tummeln sich in Scharen Trottellummen, sie sehen niedlich aus. Anders als ihr Name es sagt, sind sie alles andere als trottelig oder gar niedlich. Eine hat einen silbrig glänzenden Fisch im Maul, sie hat ihn halb hinuntergewürgt und kann sich nicht entscheiden, ob sie erst schlucken oder besser fliehen soll. Mit hektischen Kopfbewegungen schwimmt sie weg vom herannahenden blauen Rumpf, Gier oder Furcht ringen in dem kleinen pinguinartigen Vogel miteinander, ich blicke ihr lange nach, ihr und ihrem silbern gefüllten schwarzen Schnabel, bis sie sich zu dem entschließt, was Trottellummen nun mal mit Angreifern von oben machen:

Sie breitet die Flügel, zeigt mir ihren Hintern – und taucht einfach weg in die Tiefe. Ein Vogel, der sein Heil nicht in der Luft sucht, wenn es eng wird?

Tatsächlich sind die Trottellummen hervorragende Taucher. An Land stehen und watscheln sie aufrecht und plattfüßig herum wie Pinguine. Wenn sie fliegen, sehen sie aus wie Akku-Staubsauger mit drangeschraubten Flatterflügeln. Doch das Wasser ist ihr Element. Bis zu 180 Meter (!) in die Tiefe treiben ihre Flügel sie auf ihrer Unterwasserjagd nach Heringen und Sprotten, auf ihren Tauchgängen flügeln sie unter Wasser mit geöffnetem Schnabel durch Schwärme von Fischen hindurch, wie tief die auch sein mögen. Fliehen sie, haben sie als einzige Vögel die Wahl: Vor dem, was von unten nach ihnen schnappt, steigen sie in die Luft. Und kommt ein dicker Brummer an wie Levje von oben, dann tauchen sie einfach weg, vor uns abgetauchte Trottellummen sehe ich minutenlang nicht mehr.

Die Vogel scheinen die mir fremde steinerne Säule im Meer zu lieben. Auch die Vogelwelt ist hier vor Schottland plötzlich eine andere. Die Witzfiguren der schwarzen Kormorane sind plötzlich verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Stattdessen steigen die gelbköpfigen Basstölpel nahe beim Boot auf, um sich im Regen wie ein Pfund Wurst aus großer Höhe ins Wasser platschen zu lassen auf der Jagd nach Fischen. Ungelenk sieht es jedenfalls von Ferne aus – aber da sollte ich mich mächtig täuschen.

Irgendwie griesgrämig sehen sie aus, schlechtgelaunt, mit stechendem Blick neben den possierlichen Trottellummen. Nur sind Basstölpel größer, fast wie Gänse sind ihre Flügel weiter hinten am Körper angeschraubt als bei den lieb-netten Lummen. In welchen der Vögel ich mich mehr widererkenne? Natürlich in den griesgrämigen Basstölpeln, sie neigen zu murrigem Einzelgängertum, während die Trottellummen meist zu zweit auftreten: eine große, das Elterntier, neben einer kleinen.

Ob niedliche Trottellummen oder griesgrämig dreinschauende Basstölpel: Allesamt sind sie miserable Starter aus dem Wasser. Ich könnte sie stundenlang beobachten, vor allem die unbeholfenen Basstölpel, denen man spätestens beim schwerfälligen Abheben die Gänse-Verwandschaft ansieht.

Auch ein Regentag auf dem Meer kann faszinierend sein. Der markante Leuchtturm von Corsewall Point erinnert mit seinem gewaltigen Nebelhorn vor dem Turm daran, dass das Wetter in Schottland öfter mal schlecht ist. Noch zwei Stunden haben wir um das Kap mit dem Leuchtturm herum, dann erreichen wir Stranraer. Ich bin gespannt, was ich da finden werde.

ADAC Marina-Klassifikation

Das Herzstück des ADAC Skipper-Portal ist der ADAC Marina-/Hafenführer, in dem mehr als 2800 Marinas in 31 Ländern ausführlich beschrieben werden. Sie finden neben Hafenvideos auch Informationen zur Ansteuerung, Infrastruktur und Sehenswürdigkeiten.

Die Redaktion des ADAC Hafenführers hat es sich von Beginn an zur Aufgabe gemacht, Marinas in ganz Europa nach einem einheitlichen Klassifikationssystem zu bewerten. Die wichtigsten Stärken eines Hafens werden herausgestellt und dem Leser transparent vermittelt. So gibt die ADAC-Marina-Klassifikation in zwei Leistungsskalen Auskunft über das Angebot in den zentralen Bereichen Technik und Service sowie Verpflegung und Freizeit.

Einzelbewertungen innerhalb der beiden Bereiche werden zusammengefasst und in einer leicht verständlichen Skala anhand von Steuerrädern verdeutlicht: je mehr Steuerräder, desto besser und vielseitiger der Service oder die Ausstattung.

Der Hafenführer wird permanent weiterentwickelt und ausgebaut. Zu diesem Zweck haben der ADAC und der Delius Klasing Verlag eine Kooperation geschlossen, auf deren Basis die Hafendaten erweitert, aktualisiert und gepflegt werden.
Ab sofort werden Inspekteure entsandt, die Reviere in ganz Europa bereisen, um Marinas zu prüfen und gemäß der Steuerradbewertung zu klassifizieren. Die erhobenen Daten fließen dann direkt in die Hafendatenbank des ADAC Skipper-Portals ein und garantieren den Wassersportlern aktuellste Daten für Ihre Törnplanung.

ADAC Mitglieder nutzen auch bereits die Möglichkeit im Skipper-Portal Häfen zu bewerten. Die Erlebnisse und Erfahrungen der Skipper auf ihren Törns sind eine wichtige Ergänzung zu den regelmäßigen Berichten der geschulten ADAC Marina-Inspekteure und der Steuerradklassifikation.

Zusätzlich haben ADAC Mitglieder und Inhaber des Internationalen Bootsscheins (IBS) vom ADAC haben die Möglichkeit, Ankerplätze zu melden und dabei Gleichgesinnten wichtige Hinweise zur Ansteuerung, zum Ankergrund zu nautischen Besonderheiten sowie zur Infrastruktur an Land zu geben.
Die Meldung erfolgt über ein Online-Formular, dieses kann bei entsprechender Zoomstufe auch bequem durch einen Klick in die Seekarte aufgerufen werden.

Von Irland und England nach Schottland (16): Lough Strangford, Nordirland.

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  

die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag über die irische See in Irland an und segle nun 
die irische Ostküste hinauf.

Bis hierher war alles friedlich. Ein windstiller Tag, an dem wir von Howth und der Insel Irelands Eye heraufmotoren. Ein beschauliches Gleiten entlang der sanften Hügel- Landschaft Nordirlands, die nur Hin- und wieder von einer Ruine oder einem Bauernhaus unterbrochen wird.

Und dann zeigt das GPS plötzlich 10 Knoten Geschwindigkeit über Grund an. Doppelt soviel wie üblich. Und doppelt soviel, wie der Geschwindigkeitsmesser als Fahrt durchs Wasser anzeigt. Wie eine geheime Kraft zieht uns der Strom, der gerade herrscht, mit satten fünf Knoten in den Strangford Lough, den See, der sich links von uns öffnet. Wir sind in der Einfahrt in den 26 Kilometer langen Einschnitt an der Nordostküste Nordirlands, der fast bis zu den Vorstädten von Belfast ganz im Norden reicht.

Mitten im breiten Mündungstrichter steht ein weißer Turm auf einer Sandbank, die wie ein Riegel vor der Einfahrt liegt. 10 Knoten Speed. Das ist viel, wenn uns jetzt etwas in die Quere kommt wie die Sandbank, wird Ausweichen zum hastigen Manöver, bei dem wir selbst mit Levjes starkem Motor in der schnellen Strömung Schwierigkeiten haben werden, uns freizuhalten. Uns ist unheimlich, die Kormorane, die auf dem weißen Turm ihre Flügel zum Trocknen ausbreiten, scheinen wie Geier, die auf Beute warten. Der Turm ist oben rot bemalt, eine Markierung, dass sich die eigentliche Einfahrt irgendwo rechts von dem Turm befindet, dort wo das Wasser merkwürdige Wirbel und Kreise an der Oberfläche bildet und Zipfelmützen, kleine brechende Wellen. Anomalien, die man dort findet, wo das Wasser schnell strömt.

Eigentlich sagt der REEDS ALMANACH, das große Telefonbuch, das die Küsten um Großbritannien in einem Sammelsurium voller Namen, Zahlen und Abkürzungen beschreibt, dass in diesem Moment Hochwasser sein müsste – der höchste Stand der Flut, an dem das ewige Hin und Her der Gezeiten zu einem Stillstand kommt. „Slack“ heißt der englische Ausdruck, wenn kein Strom mehr setzt und das Boot irgendwo hin treibt. Aber hier ist gerade nicht „slack“, sondern das Gegenteil. Unsere Fahrt durchs Wasser scheint normal, nur wenn ich zum Ufer hinüberblicke, kann ich erkennen, wie schnell Levje gerade über den Grund dahinschießt. 

Und an den Bojen im Fluss sehe ich es. Bojen, die Fischer ausgelegt haben, um ihre Reusen, ihre „Fish-Traps“ wiederzufinden, die sie auf 30, 40 Meter Tiefe versenkten. Sie wissen, dass sich dort, wo das nährstoffreiche Wasser des Sees aus dem Strangford Lough auf das hereinströmende Meerwasser trifft, sich die Tiere des Meeres wie zum Dinner an einer Tafel versammeln. Die ganze Nahrungskette ist hier an einem Ort versammelt: Kleintiere, die den Fischen ins Maul gespült werden. Kleinere Räuber, die von größeren geschluckt werden oder Möwen und Seeschwalben, die einfach nur ihre Schnäbel kurz in die Wasserwirbel hineinpicken wie einen Zahnstocher, um an Meeresgetier von der Wasseroberfläche aufzulesen, was sich von unachtsam im eigenen Fresswahn zur Meeresoberfläche wirbeln lässt.

Vor der alten Burgruine liegen die Rotoren eines gelben Gezeitenkraftwerks zur Wartung vertäut. Weil die Strömung hier Jahr und Tag beständig setzt, hat man bereits vor zehn Jahren begonnen, in der Strömung des Strangford Lough Türme zu installieren, mit zwei Rotoren, die sich unter Wasser vom Tidenstrom angetrieben wie Flugzeugpropeller drehen und Generatoren antreiben. Mehr als ein Megawatt soll die Anlage bringen.

Eben hat sich unsere Geschwindigkeit auf acht Knoten verringert. Aber nur für einen kurzen Moment, in den Strudeln vor der rotweißen Untiefenmarkierung und dem Wachturm sind wir wieder mit zehn Knoten unterwegs. Große Blasen aufsteigenden Meerwassers, die Levje in voller Fahrt aus dem Kurs drehen, trügerisch glatte Flächen aus der Tiefe kommenden Wassers, die an ihren Rändern kleine Strudelkinder ausbilden. Ob man eine Chance hätte, hier durchzuschwimmen, wenn man ins Wasser fiele? Ich weiß es nicht. Ich bin mir aber sicher, dass der Strom mit seinen 5 Knoten mit einem Schwimmer macht, wozu er lustig ist. Im Herbst in der Bretagne schwamm ich meinem Bootshaken hinterher, als er ins Wasser gefallen war. Schnell hatte ich ihn erreicht, dann aber mehr als eine halbe Stunde gebraucht, um die 100 Meter wieder flussaufwärts zu kommen. Damals waren es nur 0,5 Knoten Strom gewesen, ein Zehntel dessen, was jetzt gerade dort herrscht.

Hinter der Wegmarkierung tut sich der Hafen von Portaferry auf. Von dort kreuzt die Fähre nach Strangford über den See. Malerisch sehen die beiden Orte ja aus, doch der Hafen von Portaferry liegt mitten im Strom am Flussufer. Ob es hier ein Pub gibt, um Abends die Beine auszustrecken, Musik zu hören und ein Bier zu trinken? Sieht nicht so aus. Ein Segelclub am Ufer, ein Hotel, das eine liegt so verlassen da wie das andere. Als wir im Internet nachsehen, gibt es in Portaferry und Strangford gerade mal zwei Kneipen, der Rest sind Cafes, die jetzt um sieben längst geschlossen sind. Ungewisse Aussichten also auf Entspannung. Gewiss ist nur, dass wir beim Anlegen bei drei Knoten Strom ein heikles Manöver vor uns haben, im fliessenden Wasser treibend genau in die Lücke zwischen den anderen Booten zu treffen.

Es wird also nichts mit einem Bier und dem Blick aus einem Pub auf den schnellströmenden Fluss.

Dann lieber ankern vor der Villa mit Park und dem Herrenhaus auf dem Hügel, wo hohe Nadelbäume stehen, die alles andere überragen als wären sie hohe Zedern, die einst ein Reisender vom Ufer des östlichen Mittelmeeres zurückbrachte in seine Heimat, als hätte er gewusst, dass hier im Golfstrom die Bäume des Mittelmeers Wurzeln schlagen.

Wir lassen uns noch ein Stück flussaufwärts treiben vom Strom, in den See hinein, dann drehen wir um und ankern vor dem Hügel mit dem Herrenhaus  und dem Gezeitenkraftwerk. Zwei Stunden später, als Sven, Ida und ich über heißen Kartoffeln mit salziger Butter im Cockpit sitzen, hat sich der Strom beruhigt. Levje liegt nun träge im See wie die Schiffe vor dem Hafen. Aber es wird nicht lange dauern, dann wird der Strom in Gegenrichtung einsetzen, aus dem Inneren des Strangford Lough heraus, während wir tief schlafen, wird er wieder kentern und mit gleicher Kraft wieder in den See hineinspülen.

Morgen Früh, wenn sich das Spiel gegen 7.00 Uhr morgens ein weiteres Mal umkehrt und der Strom wieder aus dem See hinaus ins Meer setzt, wollen wir los. Uns auf dem windstillen Wasser vorbei an Strangford und den Fischern hinaus aufs Meer spülen lassen und von dort zur schottischen Küste übersetzen.

Sie ist ja nicht weit von hier, gerade mal die Distanz von München nach Augsburg, 50 Minuten Autofahrt wären es, wenn man ein Auto benutzen könnte. 

Aber noch braucht man ein seetüchtiges Schiff dafür. So eins wie Levje.

Schleuse Zaaren bis auf Weiteres gesperrt

Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Eberswalde hat mit seiner Pressemitteilung vom 12.07.2019 bekanntgegeben, dass die Schleuse Zaaren in der laufenden Saison 2019 nicht mehr befahrbar sein wird.

„Die Schleuse Zaaren kann nach derzeitigem Kenntnisstand bis zum Ende der Saison 2019 leider nicht mehr in Betrieb gehen.  Infolge eines plötzlich aufgetretenen Baugrundproblems mussten am 05.07.19 die Bauarbeiten am Oberhaupt zunächst eingestellt werden. Beim Herausziehen der 16 m langen Baugrubenspundbohlen hat sich
das gesamte Oberhaupt aufgrund des Fließsandes um ca. 2 cm gesetzt. Das WSA Eberswalde hat die Bundesanstalt für Wasserbau, Sachgebiet Baugrunddynamik, hinzugezogen und einen Gutachter beauftragt, um
die Ursache feststellen zu lassen und geeignete Maßnahmen zum sicheren Weiterbau festzulegen.
Somit kann infolge erforderlicher Messprogramme, Untersuchungen und Gutachten nach derzeitigem Kenntnisstand die Schleuse bis zum Herbst 2019 wahrscheinlich nicht mehr eröffnet werden.
Damit bleibt die Schleuse bis auf Weiteres gesperrt und wird spätestens zum 01.04.2020, dann aber voll automatisiert zur Selbstbedienung, allen Nutzern wieder zur Verfügung stehen.“

Die Mecklenburger Seenplatte ist somit nicht mehr auf direktem Weg auf Wasserstraßen vom Berliner Raum aus erreichbar. Ein möglicher Umweg führt über die Untere Havel, die Elbe und die Elde-Müritz-Wasserstraße, damit ist die Strecke mit mehr als 400 Kilometern fast doppelt so lang wie der direkte Weg über die Obere Havel. Für die Seenplatte gibt es keine Einschränkungen bei der Befahrung.

In unserer letzten Meldung zur Sperrung der Schleuse Zaaren berichteten wir bereits über die Auswirkungen und die Forderungen des ADAC und BVWW sowie des Bündnis für Wasserstrassen.

Von England nach Irland und Schottland (15): Dublins Norden: In Howth und auf der Insel Irelands Eye.

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  

die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag im River Suir in Waterford an und segle nun von Dublin 
an der irischen Küste entlang langsam nordwärts, 
Richtung Nordirland und Schottland.

Was macht man eigentlich an einem x-beliebigen Donnerstag in Dublin? 

Man könnte sich das BOOK OF KELLS ansehen. Oder durch eines der Dubliner Museen treiben lassen. Oder sich einfach mal hinsetzen und alle Gedanken aufschreiben, die einem an diesem Donnerstag durchs Hirn schießen. Vom Ersten bis zum Letzten. Alle nacheinander. Den ganzen Strom eines Bewusstseins aus Assoziation, Erinnerung, Vorurteil.

Aber halt. Das hat doch schon einer gemacht? Ausgerechnet hier in Dublin, und ausgerechnet ein Ire. James Joyce beschreibt in seinem ULYSSES einen einzigen Tag, den Donnerstag, den 16. Juni 1904, an dem er seine Helden auf ihren Gängen und ihren Gedanken kreuz und quer durch Dublin begleitet. Den Anzeigenverkäufer Leopold Bloom ebenso wie den jugendlichen Stephen Dedalus. Was diesen Tag den Iren so prominent macht, dass sie nur wegen dieses Buches aus dem 16. Juni einen Feiertag machten, den Bloomsday, der ihnen genauso wie der St. Patricks Day einen Eintrag im Kalender wert ist.

Man könnte aber auch hinauffahren in den Nordosten Dublins an die Küste und an die Strände von Howth und Malahide, wo man eben hinfährt wie die Dubliner es an einem Wochenende tun. Howth liegt eigentlich auf einer Halbinsel, die nur über eine schmale Sandbank oben im im Foto mit dem Festland verbunden ist. Howth heute ist vor allem ein Fischereihafen, 

was nicht weiter bemerkenswert wäre, denn Fischer gibt es wirklich in jedem irischen Hafen. 

Aber unter den vielen Berufsständen, die ich mir im Leben genauer ansah, was denn nun der Richtige für mich wäre, beeindruckten mich Fischer, weil es einfach der wandlungsfähigste und anpassungsfähigste Berufsstand ist. Vielleicht, weil es einer der ältesten ist? Wenn wir das Wort Fischer hören, denken wir an jemanden, der halt einen kalten Fisch aus dem kalten Wasser zieht. Schon richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob jemand netzweise Sardinen oder Makrelen in Dosen schaufelt. Oder ob er sich auf Krabben und Hummer und Seeteufel und Austern spezialisiert hat. Für die, die eben gerne sowas essen.

In Howth haben sie sich auf Letzteres spezialisiert, und das mit ungeheurem Raffinement. Die „Fishmonger“, die Fischhändler sind hier einer neben dem anderen, man wähnt sich im Paradies. Natürlich gibts bei ihnen auch Cod oder Haddock, den Kabeljau für „Fish ’n Chips“. Aber neben Hummer, Langusten und Austern entdecke ich im Regal der Fischhändler ebenso Brie de Meaux, erlesenen Roquefort oder Stilton. Mit der in Butter geschwenkten und leicht mit Pfeffer bestreuten Hammelniere wie James Joyce‘ Held Leopold Bloom gibt sich in Howth keiner mehr zufrieden, hier ist schlemmen angesagt. Und die Zeilen auf dem Fischrestaurant lassen den genußsüchtigen Segler natürlich juchzen, es könnte kein schöneres Motto geben für einen Tag unter Segeln:

„Where there’s always a breeze and there’s never a gale
and the fish jump on board with a swish in their tail
and lie at your leisure, there’s nothing to do
and the captain is below making tea for the crew.“

Nein, auf die britische Küche ist auch kein Verlass mehr. Sie ist weit besser als der miese Ruf, der ihr vorauseilt, jedenfalls verblüfft sie mich manchmal heftig. Howth ist ein kulinarisches Paradies. Und ein

landschaftliches dazu, denn vor der Küste liegt die unbewohnte Insel Ireland’s Eye, vor der wir ankern und den Strand hinauf laufen nach oben, auf den Gipfel von Irelands Eye, wo man eine herrliche Aussicht hat. Auf Howth, den Fischerort. Aber auch auf die einzigen 

beiden Gebäude auf der Insel oder das, was von ihnen übrig geblieben ist. Den Ruinen des kleinen Kirchleins aus dem 8. Jahrhundert. Und dem Genuesenturm, einem der vielen „Martello-Towers“ auf einem Felsvorsprung, der die irische Küste einst vor der Landung napoleonischer Truppen bewachen sollte.

Martello-Tower gibt es viele vor Dublin. Und eigentlich kam ich ja nur nach Howth, weil hier zwei von ihnen stehen, der eine eben auf der unbewohnten Insel und der andere in Howth selber. Ich bin auf der Suche nach dem einen Martello-Tower, auf dem das erste Kapitel des ULYSSES spielt, in dem sich der unnachahmliche Buck Mulligan im Morgenmantel auf ebenso unnachahmliche Weise rasiert.

Nein, gelesen haben muss man den ULYSSES nicht. Aber dies Dublin lieben, dies Dublin mögen, das fällt einem schon ungemein leichter, wenn man Abends an Bord mit dem ULYSSES in der Hand nach Austern aus Howth und einem Absacker-Bier einschläft. 

Man kann seine Tage auf jeden Fall unnützer verbringen als in Dublin. 
Vor allem x-beliebige Donnerstage.

Von England nach Irland und Schottland (13): Dublins Kneipen. Dublins Straßen.

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  
die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag nach Irland und im letzten Post in Dublin an.


„What a lovely pub!“

Der Satz kommt vom Mann am Nebentisch. Sven und seine Tochter Ida, die seit heute da sind, nippen andächtig an ihrem Cider, dem perlenden Cidre, und schielen aufs Etikett ihrer Gläser. Sie sind besser im Errichten einer unsichtbaren Mauer und lassen mich allein mit dem Mann am Nebentisch, der nur zu mir spricht. Ich verstehe ihn kaum. Ob es damit zu tun hat, dass er mit seinem Glas Guinness erheblichen Vorsprung vor mir mit meinem hat? Er sitzt vermutlich schon seit Nachmittag bei der Arbeit hier im Pub in der Pearse Street, gleich bei der Pearse Train Station. Es hat vor allem mit der eigentümlichen Aussprache zu tun, in der der Mann den Satz bringt.

„Whuddd u luffffly pub!“

Ein zweites Mal fällt der Satz. Was für ein Land, dessen Sprache nur einen einzigen Vokal braucht, um auszudrücken, dass die Welt gerade richtig Klasse ist. Wir Deutschen haben  fünf Vokale, aber selbst mit denen schaffen wir das im Alltag nur ausgesprochen selten. Der Mann hat sichtlich Schlagseite, während seine Hand wie die eines Schöpfers huldvoll über das Innere des Pearse Pub  weist und seine Augen von mir Beifall für seine Schöpfung fordern. 

Wie bin ich nur hierher geraten? Zuhause trinke ich ja nie Bier. Aber seit ich vor drei Wochen vor der Isle of Wight aufgebrochen bin, trinke ich ausschließlich Bier. Jene dunkle Biersorte, die hier irgendwo in Dublin ein paar Kilometer weiter flussaufwärts am rechten Flussufer von Arthur Guinness erfunden wurde. Und weil irgendein durchtriebener Marketingmann die trotzige Behauptung in die Welt setzte, Guinness würde mit jedem Meter besser schmecken, den man sich der Brauerei am Liffey nähere, drum sitze ich jetzt hier im Pearse. Meine Testreihe in Dublin.

Der Marketingmann hat jedenfalls nicht mal unrecht. Das scheint auch mein Tischnachbar so zu sehen mit seiner Äußerung. Nur bei dem Adjektiv „lufffly“, da stimme ich meinem Nachbarn nicht zu. Viele Adjektive treffen auf das Pearse zu, aber „lovely“ am wenigsten. „Trotzig“ erscheint mir angemessener. Liebenswert trotzig, wie die Iren es sind. Als ich gestern auf dem Weg in die Stadt zum ersten Mal an dem kleeblattgrün bemalten Gebäude vorbeikam, verwarf ich den Gedanken, den ersten Test mit dem Guiness und den Kilometern hier zu beginnen. Wenn ich wo reingehe, egal ob Hotel oder Kneipe, will ich auch wissen, wie ich da wieder rauskomme. Das war mir beim Pearse nicht unbedingt klar. „Ireland. The only people that fought an empire.“ prangt stolz außen auf der Hauswand zwischen dreiblättrigen Kleeblättern, Harfen und dem Konterfei eines artig und trotzig zugleich blickenden Mannes in Anzug und grüner Krawatte, der nicht nur der Kneipe, sondern auch der ganzen Straße und dem danebenliegenden Bahnhof den Namen gab. 

Padraig Pearse war ein braver Lehrer hier in Dublin. Aber das Leben wollte es, dass er nicht nur Schulklassen auf Wanderungen auf die Dingle Halbinsel führte, sondern Iren in den Aufstand gegen die Briten. „Ein unfreies Irland wird niemals friedlich sein!“ wurde sein Wort, das die Losung war. Als der Osteraufstand 1916 fehlschlug, wurde er noch im selben Jahr von den Briten in Dublin hingerichtet. Solcherart ist also der Geist, der über dem Pearse Pub schwebt und webt.

„Whuddd u luffffly pub!“

Der Mann am Nebentisch ist jedenfalls richtig glücklich hier. Toll! Ein kleines Volk, das das „u“ zum allerschönsten Buchstaben der Welt erklärt hat! Ich signalisiere dem Mann am Nebentisch Zustimmung, schließlich ist das ja heute nicht das erste Bier in meiner Testreihe. Meine Reise begann ein paar Schritte weiter im Kennedys, das ist gleich hinterm Trinity College und nahe dort, wo dieses Dublin gegründet wurde. Es waren Wikinger, die mit ihren Langschiffen den Liffey heraufgerudert kamen und hier irgendwo auf dem Boden unter meinen Füssen eine Siedlung gründeten, nahe einer Stelle, die „schwarzer Teich“, „Duib Leann“ oder „schwarze Brühe“ heißt. Es konnte ja keiner ahnen, dass Arthur Guinness ein Jahrtausend später am selben Ort die Sache mit der „schwarzen Brühe“ derart perfektionieren würde, dass es dem Mann am Nebentisch und mir eine reine Freude ist.

Wikinger also. Natürlich waren sie Totschläger und Sklavenhändler, aber ebenso begnadete Händler und Handwerker, die ihre Stadt am Liffey zum Blühen brachten. So sehr, dass zwei verfeindete irische Großkönige ihr gieriges Auge auf die Stadt warfen. Der eine aus dem Süden. Der andere aus dem Norden. Brian Boru, der aus dem Süden, siegte in der Schlacht von Clontarf gegen den aus dem Norden, der sich mit den Wikingern verbündet hatte, gegen seinen Schwager Mael Sechnaill und Sigtrygr Seidenbart. Und weil Brian Boru siegte über die Wikinger und nur seine Harfe das Gemetzel überlebte, darum ist die Harfe das Symbol irischen Trotzes, das stolz überall prangt, wo Iren sind: Auf jeder Guiness-Dose. Auf der Heckflosse jedes Ryan-Air-Fliegers. Und außen auf dem Pearse. Bryan Borus Harfe steht heute inmitten des Trinity Colleges im ältesten Lesesaal, dem großen unter dem  

Tonnengewölbe. Was macht es denn schon aus, dass die Harfe vermutlich erst 500 Jahre nach seinem Tod in der Schlacht von Clontarf gebaut wurde? Sie ist und bleibt die Ahnherrin aller irischen Harfen. 

Leutselig wendet sich der Mann am Nebentisch wieder mir zu.

„Whuddd u luffffly pub!“

„Ja, ich hab das „u“ auch sehr, sehr lieb.“, antworte ich ihm im Geiste. „Genauso lieb wie Du.“ 

Was ein Guinness so alles mit einem anstellt mit jedem Meter, den man der Brauerei näher kommt. Oder liegts daran, dass ich beim dritten Glas bin? Der Mann am Nebentisch hält sich aber nicht lang auf, er will mir erklären, was es mit dem Gemälde über seinem Kopf auf sich hat. Ein junger Mann ist drauf zu sehen, ein Dreißigjähriger mit zwei Jahreszahlen. 

„Sie haben ihn erschossen. Hier vorn an der Straßenecke.“ Der Mann am Nebentisch sagt die Sätze erstaunlich klar. Die Ulster Volunteer Force aus dem Norden hat hier viele Morde auf dem Gewissen. Und Martin kurz vor dem Friedensschluß 1998 war eines der letzten. War ein netter Bursche.“

Der Mann blickt in sein Glas. Wieder einmal begreife ich, was dieses Europa eigentlich alles erreicht hat. Den Friedensschluss in Nordirland. Frieden im Baskenland. Eine der Leistungen ist es, Frieden in die Regionen gebracht zu haben, die sich vorher bitter bekämpften.

Vielleicht haben die Iren ja recht. Mit ihrem Trotz, an ihrer Sprache festzuhalten. An ihrem Trotz, in der EU ihren Schutz zu sehen vor dem großen, jahrhundertealten Nachbarn im Osten. Vielleicht haben sie mit all dem Recht. Ich denke daran, als ich am nächsten Tag vor dem GPO stehe in Dublin, das für die Dubliner mehr ist als nur das General Post Office, wo die Busse enden, sondern der Ort, an dem sie für ihre Unabhängigkeit kämpften.

Ich denke daran, als ich vor dem alten Holzbriefkasten des GPO mit den irischen Worten stehe. Anders als der Mann und ich kommt dieses Gälisch mit vielen Vokalen aus, sie machen die Schönheit dieser Sprache aus. 

Aber den Zustand, in dem man nur noch ein „u“ braucht, um die Schönheit der Welt zu erkennen: Den möchte ich trotzdem nicht missen.

Von England nach Irland und Schottland (12): In Dublin. Bei Cathy in der Poolbeg Marina.

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  

die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag im River Suir und in Waterford irische Ostküste hinauf bis Dublin.

Nach vier Wochen auf See: Dringend fälliger Waschtag in der Poolbeg Marina Dublin. LEVJE ist nicht das große Schiff, nein, sondern das mit der flatternden Bettwäsche.

Mein Abend vor Sorrento Point kurz vor Dublin war traumhaft gewesen. Eine ruhige Nacht fast auf offener See vor einer Kulisse wie in Neapel. Doch alles hat ein Ende, das Leben ist kein Ponyhof, als die Sonne aufgeht, wirft mich starke Dünung aus Südost aus meiner Koje. Ich koche eine Tasse Tee, hole den Anker und breche auf nach Norden, zwischen der Insel mit dem Genuesenturm und den Villen am Ufer in Richtung Dublin.

Ich schrieb bereits, dass die Ostküste Dublins arm an brauchbaren Häfen sei. In Dublin ist das anders, es gibt drei große Marinas. Die größte mit dem unaussprechlichen Namen Dun Laoghaire in der breiten Bucht von Dublin. Dann Howth im Norden. Und dann die Poolbeg Marina, mitten zwischen Containerterminals und Fährhäfen am Liffey gelegen.

Während Levje langsam durch Kreuzsseen nach Norden motort, bereite ich meine Ankunft vor. Poolbeg antwortet auch beim achten Anruf nicht, Howth ignoriert meine Funksprüche. Dun Laoghaire antwortet sofort, und weil der Name ganz einfach „Dann Liiirii“ ausgesprochen wird, weil der sagenhafte König Lear hier seine keltische Ringwallfestung, seinen „Dun“ hatte und sich hier sein großes Drama abspielte, scheint mir alles unkompliziert und die Suche nach einem Liegeplatz erledigt. 

Doch als ich näherkomme, ist mir die Marina zu groß, 1.000 Schiffe liegen hier. Das ist sicher ok. Doch weil ich 2001 an Bord eines Containerfrachters als einziger Passagier in Dublin gewesen war, habe ich nur eines im Sinn: Auf dem River Liffey zu liegen, und mitten im Hafen, in der Poolbeg Marina.

Doch Poolbeg antwortete einfach nicht.

Eines Menschen Herz ist ein rätselhaftes Ding und seine Stimme ebenso. Man braucht, um der Stimme seines Herzens zu folgen, manchmal vor allem eins: Hartnäckigheit. 

Vor der Einfahrt in den Kanal funke ich Dublin Port Control an. Bitte um Erlaubnis, die Großschifffahrtsstraße den Liffey hinauf benutzen zu dürfen bis zur Poolbeg Marina. Als ich  Freigabe habe, steuere Levje am roten Leuchtturm mit der Nase, dem Nebelhorn, in den Liffey hinein und den Fluss hinauf.

Ich liebe die großen Häfen. Das hautnahe Mittendrin sein auf dem eigenen Boot neben den turmhohen Stahlwänden von Containerfrachtern und wendenden Kreuzfahrtriesen, dem Dröhnen kraftvoller Schlepper, dem Schlagen von Stahl auf Stahl, wenn Container von riesigen Kränen im Buch von Containerschiffen verschwinden, dem Fiepen der kleinen Container-LKWs, dem Sirren, den Tausenden Geräuschen, die ein echter Hafen mit sich bringt, in dem man am Steuer seines Schiffes steht. Normalerweise bin ich lärmempfindlich, bloß ein dudelndes Radio auf einem Nachbarboot kann mich schon auf die Palme bringen, aber der selbst nachts niemals endende Lärm eines richtigen Hafens, den stecke ich einfach weg und schlafe seelig grinsend ein. Ich bin auf dem Weg genau dorthin, wo ich hinwill: Zur Poolbeg Marina. 

Hinter dem letzten Containerkran und dort, wo rechts die großen Docks für die Kreuzfahrtschiffe liegen, liegt links die kleine Marina. Nicht mehr als vielleicht 60, 80 kleinere Segler sind an den Stegen vertäut, vor die ich Levje steuere, während vor mir gerade  ein Schlepper ausgerechnet die DEUTSCHLAND im Fahrwasser dreht. Ausgerechnet das Traumschiff aus der gleichnamigen Serie, mit der so viele ihr Fernweh verbinden.

Zum x-ten Mal greife ich zum Telefon. Rufe die Nummer der Poolbeg-Marina. Plötzlich ist jemand dran, eine Frauenstimme, ich sage mein Sprüchlein auf. „Klar hab ich einen Liegeplatz für Dich“, sagt die Frauenstimme in Dubliner Akzent. „Schau hier rüber, über den Wellenbrecher. Ich stehe hier oben vor dem Gebäude und winke. Mach am Wellenbrecher fest. Ich schicke Dir Damian runter, er hilft Dir beim Anlegen.“

Tatsächlich steht da oben eine ältere Frau in Blond und winkt heftig. Na dann los. Dann steht auch schon ein älterer Mann auf dem Steg, er nimmt mit zittrigen Fingern meine Leinen an, die ich ihm zuwerfe. Während ich Levje an den Steg bugsiere, hält er die Leine in der Hand. Ein Segler ist er jedenfalls nicht, ungewöhnlich in einem Hafen, kein Segler würde das so machen, ich bitte ihn mehrfach, den Festmacher schnell um die eiserne Klampe auf der Pier zu legen. Ein Windstoß, und Levje würde den Mann mir nichts, Dir nichts ins Wasser ziehen. Dann bin ich da. Schiff fest. Alles gut.

Damian grinst. Und Cathy steht vor mir. Wenn es das lebende Denkmal einer Frau gibt, für die Männer Aufstände vom Zaun brechen, weil eine Frau sie anführt, dann ist es Cathy. Cathy O’Connor, die einfache Hafenmeisterin der Poolbeg Marina. In ihr sind sie widergeboren, die Molly Pitcher aus New Jersey, die Maria Pita, die A Coruna vor der Eroberung durch Drake bewahrte, die unbekannte Frau, die vorneweg den Sturm auf die Bastille anführte. 

„Du brauchst eine Waschmaschine?,“ fragt sie. „Du hast Glück. Vorgestern kam die neue Waschmaschine, Damian hat sie mir gestern installiert. Du wirst der erste sein, der Sie benutzt. Nein, Waschpulver brauchst Du keins. Damian geht mit Dir und zeigt Dir, wie das Ding funktioniert.“

Und während Damian vorangeht, mir den kleinen Anbau zeigt, in dem ich ihm mit meinem dicken Packen Schmutzwäsche folge, während Damian mit bebender Hand einen Halbliterbecher voll Waschpulver großzügig auf sämtliche verfügbaren Fächer der Schublade verteilt, denke ich über Cathy nach.

Sie hat viel gesehen in ihrem Leben. Vielleicht nicht von der Welt, aber ganz sicher vom Leben. Ihre Augen verraten es, erzählen von einem harten Leben, von nie vermisstem Reichtum, von einem Stall voller allein erzogener Kinder, von harten Zeiten und davon, dass sich doch alles gelohnt hat, weil das Herz am rechten Fleck sitzt.

„Dein Boot ist 11,30 Meter lang? Ich schreib hier 11 Meter rein, ja? Das ist fünf Euro günstiger pro Nacht als wenn ich 12 Meter schreibe. Zahlen? Kannst Du wenn Du gehst. Hier hast Du den Schlüssel für den Steg. Und wenn Du abends ein Bier trinken willst, wir haben bis Mitternacht geöffnet.“ Sie deutet auf John, den grinsenden Farbigen, der an der Theke Gläser spült.

Die Männer, die Cathy umgeben. Damian und noch ein älterer, Tommy mit dem klaren Blick aus tiefblauen Augen, den Cathy gerade an der Bar einweist. Ich bin vorsichtig geworden, deren Alter zu schätzen, seit ich feststelle, dass Männer, die für mich steinalt aussehen, sich hinterher als zehn Jahre jünger als ich entpuppen. Damian, ein einfacher Mann im sauberen Shirt, der Cathy hilft, wo er nur kann, obwohl er niemals ein Boot besaß. Tommy mit dem blitzenden Blick. John. Die Männer lieben Cathy, da mag ihr Gesicht noch so voller Falten und ihre zittrigen Hände noch so abgearbeitet sein: Die Männer tun für sie, was sie tun können. 

Drei Waschmaschinen voll wasche ich an diesem Tag und hänge sie auf der Wäscheleine auf, die rings um Levje gespannt habe. Ich lasse sie flattern im Wind, bis sich am Abend das nächste Kreuzfahrtschiff an die Pier vor Levje legt. MEIN SCHIFF heißt es. „Wohlbefinden“, „Harmonie“, „Ruhe“ haben Marketingleute mit schöner Schreibschrift mannshoch auf die blauen Bordwände malen lassen. Ich denke mir nur, während ich mich auf den Weg in die Stadt mache: Obs ein wirklich ein Kreuzfahrtschiff wie die MEIN SCHIFF braucht, um all das zu finden, wonach unser Herz oft sucht? Ich glaube nicht. Es braucht einen Ort, ganz sicher. An diesem Ort aber vor allem Menschen wie Cathy O’Connor, die ihren Männern Sinn und ein Zuhause gibt. 

Aber vielleicht ist gerade das das Schwierige, genau diesen einen Ort zu finden. 

Von England und Irland nach Schottland (11): Die irische Westküste bis Dublin

Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni  
die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag im River Suir und in Waterford an will nun weiter nach Dublin die irische Ostküste hinauf.

Morgens um 5 bin ich hellwach. Das liegt nicht nur daran, dass hier in Irland es ab drei bereits zu dämmern beginnt und die Dunkelheit keine sechs Stunden dauert. Es liegt auch daran, dass ich mir Sorgen mache.

Gestern war ich fünf Seemeilen durch Untiefen und Sandbänke hindurch der Mündung des River Slaney bis zur Stadt Wexford gefolgt. War zweimal auf Grund gelaufen und hatte die Stadt mit knapper Not erreicht. Heute Morgen um 7.20 Uhr will ich mit der ersten Flut auslaufen. Anders als mit der Flut komme ich nicht hier raus, über die Sandbände durch den engen Kanal.

Es ist ein grauer Tag. Doch diesmal geht alles leichter. Im Fischereihafen, wo ich im mitten im Fluss vor der Stadt und der Pier mit den großen Trawlern liege, ist alles ruhig. Nur ein paar wildgewordene kleinere Fischerboote röhren wie wildgewordene Mopeds Richtung Flussmündung, während ich den Anker hole, der als Mitbringsel vom Flussgrund ein zwei Meter langes verrostetes Kabel mit raufbringt. Mein Bootshaken schickt es schnell wieder in die Tiefe, ich gehe zurück ins Cockpit und gebe Gas. Vorbei an den gelbvioletten Flaggen, vorbei an der Insel mit der Ruine, hinein ins flach.

Ich folge diesmal der Linie, die Navionics vorgibt und die für diesen Fluss erstaunlich präzise ist. Zwei mal kratze ich mit Levjes zwei Meter Kiel über den Sand in zwei Meter Tiefe, es sind bange Momente, jeden Augenblick rechne ich damit, dass der Tiefenmesser plötzlich wie gestern gnadenlose 1,80, dann 1,70 anzeigt, gefolgt von einem Rumms. Aber alles geht gut. Die Seehunde, die genauso wie gestern neugierig die Köpfe aus dem Wasser heben, was der Trottel da über ihren Sandbänken, bekommen heute anders als gestern kein Hafenkino geboten. Als ich draußen bin, atme ich tief auf. Nur die Frage, warum ich derlei riskanten Unfug treibe, beschäftigt mich. Das Leben will gelebt sein. Der Mensch ist ein überaus neugieriges Wesen. Und wenn ich auch ein Trottel bin, der sein Schiff gestern auf die Sandbank setzte, so habe ich doch etwas gewagt und das Leben gespürt mit all seiner Furcht und dem Jubel, es doch geschafft zu haben.

Draußen ist die Welt herrlich. Die Weite der See an diesem Morgen, der Anblick eines roten Fischers im großen Grüngrau, der mir die Weite noch bewusster macht, als er vor uns vorbeizieht. Geborgen in der Weite, getragen von der Grenzenlosigkeit.

Nach Norden hin wird die Landschaft bergiger, die Lagunenlandschaft am Ufer verschwindet. Die Wicklow Mountains, ein großes Naturschutzgebiet, schicken ihre Ausläufer bis ans Meer. Der Leuchtturm von Wicklow Head mit seinem typischen roten Geländer markiert Irlands östlichsten Punkt.

Eigentlich will ich ja nur bis Arklow, eine kleine Stadt am Fluss Avoca, die ich am frühen Nachmittag erreiche. Aber die Einfahrt in den Fluss ist so eng, die verfallenden Industriegebäude vom Meer her so trostlos, dass ich weiterfahre. Nein, heute nicht noch einmal in einem flachgehenden Fluss aufsetzen. Heute Nacht will ich sicher schlafen. Dann fahre ich lieber noch die 80 Kilometer weiter bis Dublin.

Überhaupt ist die Südwestküste Irlands reich an verfallenden Fabriken und arm an brauchbaren Häfen. Auf dem 45 Seemeilen langen Stück zwischen Wexford und Dublin gibt es gerade drei Häfen, nur eine davon ist eine Marina. Die anderen beiden, Arklow und Wicklow, scheinen mir eher Arbeitshäfen an schmalen Flussläufen zu sein, in denen ich mich mit den 1,60 Meter meiner alten Levje weit wohler fühlen würde. 

Noch immer fahre ich ohne irische Gastlandflagge herum. Das geht so gar nicht. Ich krame meinen prallen Flaggensack hervor und hole mir einfach eine Italienische. Grün, weiß, rot ist die italienische Flagge. Und grün, weiß, orange die irische. Grün für die Katholiken, und orange für die Protestanten? Ich werde das Nachlesen. Jedenfalls tuts eine verwaschene italienische Flagge in Irland auch. Oder bin ich Trottel jahrelang Italiens Küsten mit einer irischen Flagge rauf- und runtergefahren? Vielleicht ist dieses Europa einander näher, als wir denken.

Noch drei Stunden bis Dublin. Am Spätnachmittag ist das Meer und der Himmel darüber in seinen schönsten Farben: Am Himmel ein zartes Leuchten, das Meer ein stahlblaues Glänzen. Als ich zum Ufer hinüberblicke, sind die verfallenden Fabriken verschwunden. Stattdessen sehe ich Baukräne, die direkt am Meer Bürohochhäuser hochziehen. Ist dies das wirtschaftliche Geheimnis des „Keltischen Tigers“, wie man die boomende irische Wirtschaft respektvoll nannte: Nichts mehr produzieren. Aber dafür Bürogebäude hochziehen, die die Europazentralen von AMAZON und GOOGLE und sonstiger Megakonzerne beherbergen? Ist Irland wie Manhattan oder Hong Kong eine Insel, auf der nichts mehr produziert, aber dafür umso eifriger Rechnungen geschrieben werden nicht für Dinge, sondern für Dienstleistungen? Ich werde es herausfinden.

Am Abend ist der Wind jedenfalls verschwunden. Das Meer liegt wie ein Stück Seidentuch, fast reglos. Ein Containerfrachter, der zwischen den beiden Inseln vor der Bucht von Dublin hervorkriecht, er hat es nicht eilig, und sich irgendwo in der Weite des Leuchtens verliert.

Und dann sind es tatsächlich die Inseln vor Dublin, an denen ich buchstäblich hängenbleibe, Dalkey und in der Ferne im Norden Howth. Auf Dalkey steht, als könnte es an diesem Abend mit seinem italienisch roten Leuchten nicht anders sein, ein Genueserturm, der jedem Kap auf Korsika zur Ehre gereichen würde. Eine allererste Ahnung überkommt mich, dass dies Dublin mehr mit dem Mittelmeer gemeinsam haben könnte, als der Breitengrad das hergibt.

Als ich in der Karte nachsehe, heißt das Kap – Sorrento Point, nach dem Sorrent in der Bucht von Neapel. Ich kann nicht anders, mein Vorsatz, diese Nacht unbedingt ruhig schlafen zu wollen schwindet, ich muss hier ankern in dieser herrlichen Bucht und den Abend genießen, mag der Schwell mich heute Nacht auch noch so quälen.

Die großen Kiefern am Ufern, die vereinzelt wie Pinien dastehen. Das alte rosa Gebäude, stehengeblieben scheint es mir seit den Tagen von James Joyce, ausgerechnet ein Ire war es, der ein Buch nach dem größten Seehelden des Mittelmeers benannte, ULYSSES. Das rote Haus, es könnte 

ebensogut auf den Klippen von Piran oder Portoroz stehen. Die alte Villa. Die Gärten. Die in den Fels gehauene Helling für ein Ruderboot. Die Steilklippen. Der Strand. Dies alles sind Requisiten aus einem anderen Stück, das Mittelmeer heißt. Und doch heißt diese Stadt, vor der ich liege: Dublin.

Viele Städte weben an einem Mythos. Palermo, die Stadt der Staufer. Athen, die Stadt der Antike. Ich bin vor Jahren viele Tage den Liffey hinaufgeschlendert und hinunter: Doch der Mythos Dublin, dem kam ich nicht auf die Spur. Aber hier am Sorrento Point an diesem Abend verstehe ich: Es ist der Mix, der Dublin an dieser Stelle ausmacht. Der Mix aus irisch, britisch und italienisch, der über meinem Abend liegt in dieser Bucht, während ich hinausschaue in die Bucht, die südlich liegt. 

Als wäre ich in der Bucht von Sorrent. Und nicht vor Dublin.